ziemlich heftig: die verdienste eines glühenden antisemiten

eine in diesen tagen erschienene salzburger stadtteilzeitung eines privaten vereines bringt in der rubrik „geschichte“ das portrait eines namensgebers für eine strasse in diesem stadtteil.

die „dr.-sylvester-straße“ in salzburg gneis ist nach einem strammen burschenschafter und abgeordneten in reichsrat und nationalrat, dr. julius sylvester benannt. ohne mit dem blättchen zu zucken beschreibt „E.B.“ (name wohl nur der redaktion des blättchens bekannt) die besonderen stärken des mannes:

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skandalöse untätigkeit des verfassungsschutzes

letzte woche wurde ein brüderpaar wegen „ns-wiederbetätigung“ nicht rechtskräftig zu 10 bzw. 4 jahren haft verurteilt. erschütternd, was der prozess zu tage brachte: philipp h. hat nicht nur rechtsextreme lieder – zitat: „adolf war zu human, das war sein kapitalfehler“ – gerappt, die u.a. dem attentäter von halle am jom kippur 2019 als soundtrack zu seinen morden und zigfachen mordversuchen dienten, er war auch der übersetzer des rassistischen manifests des christchurch-attentäters. ermittler*innen attestierten philip h. eine „besondere gefährlichkeit“.

sein bruder benjamin h. war der betreiber jener hinlänglich bekannten antisemitischen hetzseite „judas watch“, auf der seit 2016 beinahe 2000 personen als „verräter der weissen rasse“ gelistet wurden.

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kickls widerwärtiges geschwurble muss entlarvt werden

die unerträgliche show, welche der wohl schlechteste parteiobmann aller zeiten gestern in der zib2 aufführte ist unerträglich.

fragen von martin thür wurden nicht beantwortet, sondern maximal als stichwortpool gesehen, um sowohl den rechtsextremismus mit dem berühmten whataboutismus zu relativieren, als auch den antisemitismus und die verharmlosung der shoa einmal mehr zu leugnen. (siehe https://orf.at/#/stories/3241861/)

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wenn die hetze real wird

vor wenigen tagen, irgendwann vor mitternacht, mitten in salzburg. ich bin mit dem fahrrad auf dem heimweg, die nacht ist wärmer, als für diese jahreszeit üblich. ich fahre entlang der salzach, überquere eine brücke und muss dann über einen geregelten zebrastreifen. kaum bis gar kein verkehr.

die ampel schaltet für mich auf grün, für ein einziges auto auf der hauptstrasse auf rot. dies scheint dem fahrer gar nicht zu passen. während ich den zebrastreifen quere, lässt er plötzlich den motor des aufgemotzten komplett weiss lakierten pkw mit heckspoiler aufheulen und beginnt ruckartig mit der „androhung“ loszufahren.

ich denke noch, was für ein spinner und gebe ihm das auch noch gestisch zu verstehen, setze mich dann auf das rad um weiterzufahren.

der für solche getunete autos relativ kleine pkw hat immer noch rot, da schreit der beifahrer plötzlich mir nach:

„scheissäää judäää! gas! gas! gas!“

während ich stehen bleibe, fährt er nun mit einem „kavalierstart“ davon.

der restliche heimweg – bei sehr wenig sonstigem verkehr – war mir etwas unheimlich, ich wusste nicht, ob mir irgendwann der blitzweisse wagen wieder begegnen oder folgen würde.

ist das die fortsetzung der hetze, die schon auf judas watch erlebbar wurde?

nachdenklich macht mich, dass ich keine lust habe, mit diesem vorfall zur polizei zu gehen und eine anzeige zu erstatten. da hat sich etwas grundsätzlich verändert in den letzten monaten und jahren.

dieser vorfall ist für mich persönlich die leider nur allzu logische fortsetzung von vorfällen, die ich in zeiten der „waldheim-affäre“ wiederholt erleben musste. das wird unheimlich.

es ist wieder da, dieses mulmige gefühl:
wenn die hetze real wird

 

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bild: knuton cc by sa / bernhard jenny cc by sa

antisemitische hetzseite „judas watch“ stellt mich in gute gesellschaft

medienberichte der letzten tage machen auf die hetzseite „judas watch“ aufmerksam, heute bekam ich den hinweis, dass ich mich auch unter den 69 einträgen für österreich befinde. die machart erinnert mich an die seinerzeitige alpen-donau seite, eine rechtsextreme hetzseite auf der ich auch schon die „ehre“ hatte, gelistet zu werden.

das aufdecken von „anti-weissen verrätern, agitatoren, subversiven und des jüdischen einflusses“ schreibt sich „judas watch“ in den untertitel. sauber.

die referenzen in meinem zusammenhang könnten einer laudatio auf meine aktiviäten entnommen sein, denn ich stehe zu alledem, was da registriert wurde:

  • unterstützt die gleichstellung und adoptionsrecht für homosexuelle.
    check!
  • unterstützt offene grenzen und masseneinwanderung.
    check!
  • in einem artikel für die österreichische zeitung „der standard (online-ausgabe)“ kritisierte er die österreichische regierung dafür, zu „rechts“ zu sein und „flüchtlinge“ nicht gut genug zu behandeln.
    check!
    anmerkung: das war schon im märz 2017

ganz und gar nicht liebe judas-watchers!
viele jener namen, die ihr da auflistet, sind mir sehr wichtige menschen und zeitgenoss*innen. nichteinmal vor toten macht eure hetze halt! was ihr da betreibt ist verabscheuungswürdigstes niveau, antisemitismus und menschenhatz. solches ist auf das entschiedenste zu verurteilen und muss bekämpft werden.

leider sind rechte hetzer*innen und burschenschafter auch schon in regierungsverantwortung in unserem land. das ist die eigentliche katastrophe!

ihr ermuntert mich durch eure hetze, weiter laut und aktiv zu bleiben.
ihr könnt uns nicht einschüchtern.
niemals.

ps. ich kann und will die hetzseite nicht auch noch verlinken. hier der bericht im standard.

wer hass will, braucht feinde

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das eint alle, die von hass und hetze profitieren wollen: sie brauchen feinde. am besten todfeinde. das ist die logik der kriege, aber auch die logik des terrors.

die anschläge vom 13.11. in paris folgen wie schon anfang des jahres jener auf charlie hebdo genau dieser logik. der maximale erfolg solcher anschläge sind nicht nur die toten und verletzten, der maximale erfolg ist der hass, die wut und der reflex der rache, der in vielen menschen aufkeimt. der maximale erfolg ist die emotion, die hochkommen muss, wenn wir mitansehen müssen, wie menschen kaltblütig ermordet werden.

wir stehen in europa vor einer entscheidung: lassen wir uns in den hass treiben, oder isolieren wir die hasstreibenden. sehen wir der aufwiegelung der hassenden tatenlos und ratlos zu, oder entsinnen wir uns jener werte, die es wert sind, unsere gesellschaften danach zu organisieren?

dabei geht es nicht nur um die ächtung von gewalt und mord, egal aus welchem ideologischen eck diese kommen. es geht auch darum, die werte selbst wiederzufinden bzw. diese neu zu erfinden.

dass hass der einen immer auch der komplize des hasses anderer ist, ist selbstredend. aber wie es zur bereitschaft, zur kultur des hasses kommt, das müssen wir noch genauer realisieren:

eine entsolidarisierte gesellschaft,
die den verlierer_innen eines postkapitalistischen systems erklärt, sie seien eigentlich nur selbst schuld,
eine entsolidarisierte gesellschaft,
die aus randgruppen definitiv ausgegrenzte outcasts ohne aussichten auf veränderungen macht,
eine entsolidarisierte gesellschaft,
die die chancen auf entwicklung an die spekulationsetagen des organisierten kapitalverbrechens verkauft,
ist der ideale, ja fast zwingende nährboden für extreme wut, gewaltbereitschaft und terrorakte.

wenn wir diesen nährboden nicht in den griff bekommen, steht der erfolgreichen aufwiegelung der hasstreibenden gegeneinander nach dem motto “alle gegen die zivilgesellschaft” nichts im wege, dann wären wir beim zündfunken für einen unüberschaubaren bürgerkrieg à la hans magnus enzensberger angelangt.

es ist klar, dass wir eine systemänderung brauchen. wem wollen wir die gestaltung der veränderungen überlassen?

wer frieden will, braucht vieles:
gerechtigkeit, freiheit, chancengleichheit, partizipation, glauben an eine zukunft und soziale sicherheit.

da haben es die anderen einfacher:
wer hass will, braucht feinde.

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ps. dieser artikel ist fast wortident bereits am 8.1.2015 erschienen, damals nach dem anschlag auf die redaktion von „charlie hebdo“. es stimmt mich nachdenkllich, dass wir gegen ende des selben jahres die wiederholung solcher anschläge zur kenntnis nehmen müssen, ohne dass der gesellschaftliche diskurs seither wirklich merkbar weiter gekommen wäre. eher im gegenteil.

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bild: ao-photos cc licence by nc sa

die nabelschau der naiven ist tödlich

foto: european commission DG ECHO creative commons by nd

verwirrende tage, die ersten tage nach dem anschlag in paris. da waren wir uns ganz schnell einig, dass das wieder so ein (urgeiler?) tag ist, der die zeitlinie in ein davor und danach schneidet. ein tag, der fast wie nine/eleven alles erschüttert. und schnell waren wir alle charlie. genauso schnell waren wir dann doch nicht charlie, dann waren wir jews oder satire und dann wieder einfach nur bernhard, sabine, till und francoise.

die berichterstattung über die anschläge und geiselnahmen überschlug sich zwei, drei tage. auch der terror kann zum hype werden und sensationsgeil sucht jedes dorf nach seinen eigenen kleinen dschihadist_innen. und schnell kriechen die ewiggestrigen gemeinsam mit den hetzenden rassist_innen im braunen schlamm aus hetze, hass und angst. nicht nur afd und pegida, fpö und le pen, sondern auch andere vertreter_innen der law and order hardliner. die einen wollen grenzen schliessen, die anderen am besten polizeikontrollen an jedem strasseneck, wieder andere indentifizieren das internet als jenen bösen ort, der nur zum terror führt und würden am liebsten auch noch das telefonieren verbieten.

wo ein hype ist, sind die politiker_innen nicht weit, grosskundgebungen mit mehr politischer prominenz, als es sich einzelne von ihnen gewünscht haben. alle wollen sie charlie sein und dem naiven volk erklären, dass nur sie, die heldenhaften wahrer_innen von demokratie und offenheit die garant_innen der sicherheit sein können. sie, die oft genug selbst dem politischen kleingeld zuliebe auch mal die eine oder andere hetze einstreuen oder feindseligkeiten fördern, wenn es denn passt.

das alles lässt uns zunehmend ratlos werden. nebenschauplätze, zwischenfragen, scheindiskussionen. was darf satire, was ist blasphemie, was ist beleidigung, was geht, was geht nicht. ein gewirr an statements, sicherheitsvorschlägen, alarmiertheiten und angstmeldungen löst verwirrung und unsicherheit aus. gegen die unsicherheit gibt es bereits „je suis charlie“-t-shirts zu kaufen. grosses kino.

was übersehen wir? wann ist der richtige zeitpunkt, die grundwerte einer gesellschaft zu diskutieren? in zeiten ohne not finden wir solche diskussionen langweilig bis überflüssig. in notzeiten, wie sie nun einmal durch gröbere angriffe entstehen, scheinen wir erst recht keine zeit dafür zu haben, die grundwerte zu diskutieren. deshalb haben wieder einmal die vereinfachung, die verkürzung und die schnelle reflexhandlung ihre ungeahnten erfolge.

wir sind auch kaum bereit, die grossen zusammenhänge zu sehen. die erschütterung über die anschläge in paris ist u.a. auch deshalb so gross, weil sie quasi vor unserer haustür, zumindest in uns allen vertrauten strassenzügen stattfinden. andere massenmorde, serienanschläge, vergewaltigungen und folterungen regen uns dagegen schon lange nicht mehr auf. sie gehören quasi zum jausenbrot wie das gurkerl. die einen mögen es, die andern weniger, niemanden alarmiert es.

kann das wirklich sein? ist das die haltung einer „je suis charlie“ generation?

ein in meldungen der dpa und afp vermutlich fälschlicherweise als „junge selbstmordattentäterin“ bezeichnetes 10jähriges mädchen wurde von den terroristen der boko haram mit umgeschnallten sprengmitteln zur lebenden bombe in maiduguri/nigeria und gemeinsam mit 19 anderen opfern per fernzündung ermordet. hat uns kaum noch erschüttert? die massaker an tausenden hilflosen dorfbewohner_innen waren dann auch nur eine halbe zwischenmeldung wert. warum?

wer kann sich ein 10jähriges mädchen vorstellen, das zur hilflosen todesmaschine umfunktioniert wird? geht uns das irgendwie in unser hirn rein? oder machen wir lieber die augen zu? und wenn doch keine fernzündung, sondern das versprechen auf einen ewigen himmel das zehnjährige mädchen die tat ausführen liess, wäre das weniger grauenvoll?

wenn uns wer auch immer mehr sicherheit und weniger terror verspricht, werden wir skeptisch sein müssen. selten wird hier wirkliche veränderung angedacht. allzuoft wird der terror und der krieg nur verlagert. raus aus unseren strassen, raus aus unseren städten, dorthin, wo es niemanden mehr alarmiert. ziemlich naiv. und egozentrisch.

der tausch der angst gegen vermeintliche sicherheit hat auch seinen preis: ganz „nebenbei“ wird die kontrolle einer zahlenmässig ständig steigenden schicht der verlierer_innen ausgebaut. es ist klar, dass wir eine systemänderung brauchen. wem wollen wir die gestaltung der veränderungen überlassen?

die nabelschau der naiven ist tödlich

hinweis: zu diesem thema bereits erschienen: wer hass will, braucht feinde.

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foto: european commission DG ECHO creative commons by nd

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dieser artikel ist am 31.1.2015 auf fischundfleisch.at erschienen und hier direkt abrufbar:
https://www.fischundfleisch.at/politik-jetzt-ich/die-nabelschau-der-naiven-ist-toedlich.html