2 jahre einer unglaublichen geschichte

am 31.5.2018, es war feiertag, erreicht mich eine nachricht. ali wajid war gerade auf befehl des ponyzeiministers verhaftet worden, er schickte hilferufe per sms aus dem fahrenden polizeiauto. ali wajid war für den geschmack des unministers mit abriegelungsphantasien zu positiv aufgefallen: aus den koalitionsverhandlungen im land salzburg zwischen der haslauer-övp, den grünen und den neos war durchgesickert, dass sich die neue landesregierung gegen die abschiebung von lehrlingen aussprechen will.

die wohlwollende presse hatte ein ideales illustrationsbild gefunden: ali wajid als lehrling im argebeisl, also in der argekultur. dieses positive bild gefiel im innenministerium nicht. der oberste ponyzist nahm ali wajid in sein fadenkreuz und verlangte dessen umgehende abschiebung. noch am gleichen tag gelang es, ali wajid aus der schubhaft herauszuverhandeln. das war der anfang einer langen erfahrung, die niemand ahnen konnte, wie lange sie dauern würde, was sie mit sich bringen würde und wie sie enden würde.

es würde den rahmen dieses blogs sprengen, alles aufzuzählen. die unglaublichen irrsinnigkeiten der behördlichen schikanen des innenministeriums, des BFA und vieler anderer, die noch viel beeindruckendere solidarität von menschen, die sich mit ali wajid solidarisch erklärten und sich für eine lösung einsetzten. die unendliche zahl von gesprächen, von offiziellen, von inoffizielle und geheimen gesprächen, das wiederholte erleben von interventionen und drohungen, von beschattung und überwachung, von unterstützung und tatkräftiger hilfe.

erzbischof franz lackner, erzabt korbinian birnbacher, alois dürlinger und die klostergemeinschaft in der erzabtei st.peter ermöglichten die entscheidende sicherheit für ali wajid, die ihn vor mehreren versuchen der abschiebung durch den ponyzisten schützte.

die solidarität mit ali wajid aus der bevölkerung war beeindruckend. da protestierten menschen für ali, da spendeten zahlreiche menschen für ihn, da versuchten viele in gesprächen und emails nach lösungen zu suchen.

auch der bundespräsident alexander van der bellen war laufend vom stand der dinge informiert und wünschte sich bereits im juli 2018, dass die sache für ali wajid gut ausgehen möge. (hier gemeinsam mit martina berthold auf dem gaisberg, bild:bernhard jenny)

schliesslich wurden daraus: ein monat alle 48 stunden bei der polizei melden, sieben monate kirchenasyl, acht monate exil in kenia und dann im oktober 2019 die rückkehr als studierender an die universität salzburg.

es war am ende ein unglaublicher kraftakt, die lösung für ali wajid – trotz aller vorhandenen voraussetzungen – auch wirklich in die konkrete tat umzusetzen. ohne den einsatz von doraja eberle, die bereit war, stunden und tage gemeinsam mit uns in unzählige gespräche mit ansprechpartner*innen in den behörden zu investieren und ali bei der ermöglichung der einreiseauflagen zu unterstützen, wäre dieses positive ende nicht möglich gewesen.

was wissen wir nun nach zwei jahren?

  • wir wissen, dass es sehr gut ist, dass der ponyzist nicht mehr im amt ist.
  • wir wissen, dass es eine sehr breite und durch alle gesellschaftlichen bereiche gehende solidarität mit menschen gibt, die wie ali wajid einen beitrag in unserer gesellschaft leisten.
  • wir wissen, dass es dennoch sehr viele gibt, die genau das stört und alles tun, um xenophobie und rassismus ungehindert auszuleben.
  • wir wissen aber auch, dass mit sehr viel einsatz und vernetzung vieles zu überwinden ist.

ali wajid ist zu einem symbol geworden, dass es auch gut gehen kann. das gibt vielen menschen hoffnung.
aber wir dürfen nicht vergessen, dass es für viele nicht gut gegangen ist. viele wurden und werden abgeschoben. viele haben aufgegeben, viele mussten in anderen ländern untertauchen. und vielen werden die menschenrechte einfach verwehrt. sei es an den aussengrenzen europas, sei es innerhalb europas in lagern wie moria, sei es durch unerfüllbare auflagen für die praktisch nicht realistische einreise von asylsuchenden menschen.

hinter uns liegen 2 jahre der besonderen erfahrungen.
2 jahre der anstrengungen und der wertvollen momente.

2 jahre einer unglaublichen geschichte

 

ps. ali hat im februar sein studium antreten können und hätte auch bereits einen guten arbeitsplatz gefunden, der auch vom AMS bereits genehmigt war. nur ist das genau zu jenem zeitpunkt gewesen, als corona auch den arbeitsplatz wieder vernichtet hat.

 

 

 

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bild: orf screenshots (3), privat (5), michael hudelist (1)

unerschrocken aufrechte haltung

in der lockeren serie über menschen, die im zusammenhang mit der unglaublichen geschichte von ali wajids kirchenasyl und exil nach kenia eine besondere rolle spielten, darf vor dem jahreswechel jener mensch nicht fehlen, der wohl zu den prägensten persönlichkeiten in diesen 505 tagen und darüber hinaus zählt.

den ruf als seelsorger, der seinen glauben auch im praktischen leben umsetzt, hatte alois dürlinger spätestens seit der aufnahme von 25 geflüchteten jungen menschen in seinem pfarrhof im pongau 2015.

die erste kontaktaufnahme per telefon war bereits eine prägende erfahrung: ein mensch, der wahrlich von sehr vielen themen und menschen in unterschiedlichsten lebenslagen konfrontiert ist, vermittelt innerhalb weniger minuten gespräch klarheit und überblick. alois dürlinger, damals (2018) dechant in st.johann, schwarzach und goldegg sowie vulgo bereits als „flüchtlingspfarrer“ weitum bekannt, wusste bereits über die situation von ali wajid bescheid und zeigte sich sehr hilfsbereit.

meine frage, wie er die chancen auf ein kirchenasyl einschätze, beantwortete dürlinger mit der zusage, umgehend den erzbischof franz lackner über alle details zu informieren. innerhalb von stunden war klar, dass der erzbischof ein kirchenasyl für ali wajid unterstützt.

das war der beginn einer sehr langen und intensiven zusammenarbeit mit alois dürlinger, die bis heute zu einer vertrauensvollen verbundenheit wurde. er ist ein mann der klaren worte, er weiss genau, was er sagt und wie es bei menschen innerhalb und ausserhalb der kirche ankommen wird und in der breiten öffentlichkeit wirkt.

unmissverständliche – und auch wohl für manche provozierende – klarheit ist dabei sein rezept: „migration ist der atmen des lebens“ oder „wir helfen einem jungen menschen, der in not ist“ waren inhaltliche festlegungen, an denen sich eine öffentlichkeit orientieren kann. unerschrocken bleibt alois dürlinger auch dann, wenn seine positionen heftig angegriffen werden, was nicht selten passiert.

er bleibt dran. trotz der zahlreichen seelsorglichen verpflichtungen, die mit seiner übersiedlung aus dem innergebirg in den pfarrverband salzburg süd auch in diesem jahr nicht weniger wurden, ist er bereit, die entwicklungen genau zu verfolgen und sich einzusetzen.

dass alois dürlinger am 31.1.2019 ali wajid bei seiner „freiwilligen ausreise“ nach kenia begleitete und mit ihm dort die ersten tage in nairobi verbrachte, war mit sicherheit für das ankommen von ali wajid nach kirchenasyl und schubhaft ungemein wichtig. innerhalb weniger stunden, in denen alois dürlinger nicht wissen konnte, in welches land und kontinent ihn die reise bringen würde, war immer klar: „ich fliege mit ali!“ die sehr persönlichen erlebnisse in nairobi in einer sehr besonderen – weil völlig unvorbereiteten – situation werden wohl beide nie mehr vergessen.

wenige stunden nachdem dürlinger mit dem flugzeug wieder zurück in wien gelandet war, bezog er in einem pressegespräch in salzburg stellung: „es wühlt mich wirklich auf, dass ausgerechnet kenia ali die türen öffnet – ein land, das selbst mit grösster armut kämpft.“

zum letztlichen erfolg der geschichte von ali wajid haben viele beigetragen. eines haben diese menschen wohl gemeinsam:
unerschrocken aufrechte haltung

 

andere blogposts aus dieser serie:

 

bild: screenshot orf

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ali wajid: „was ich bekommen habe, will ich weiter- und zurückgeben“

„was ich bekommen habe, will ich weiter- und zurückgeben und mich damit bei allen bedanken!“ so beschreibt ali wajid seine stimmung in diesen wochen vor antritt des studiums. mit freiwilliger sozialer arbeit und engagement in sozialen projekten will er nicht nur als spendenempfänger dastehen. trotzdem wird er noch eine zeit lang unterstützung brauchen, weshalb wir um spenden bitten!

seit seiner rückkehr aus kenia im oktober ist ali wajid nun in salzburg damit befasst, sein studium, welches im februar beginnt, optimal vorzubereiten und sein neues leben in salzburg zu organisieren.

ali hat bereits zu seinen zukünftigen studienkolleg*innen kontakt aufgenommen, ist auf verschiedenste weise mit der studentischen welt der universität salzburg vernetzt und engagiert sich auch bereits ehrenamtlich in projekten der öh.

diese monate vor dem eigentlichen studienantritt im februar sind für ali sehr wichtig, er will die zeit optimal nutzen, denn lang genug musste er ausharren und abwarten, wie es weiter gehen kann. 7 monate kirchenasyl und fast 9 monate kenia waren eine lange zeit, in der ali sehr viel geduld und ruhe aufbringen musste, um an ein letztlich positives weiterkommen zu glauben.

seit seiner rückkehr will ali arbeiten, allerdings darf er das erst mit dem antritt des studiums, also ab märz 2020, maximal 20 wochenstunden. dadurch sind natürlich momentan die möglichkeiten sehr begrenzt und auch nach antritt des studiums viele herausforderungen zu meistern.

eine besondere herausforderung sind die unausweichlich rechtskräftig gewordene verwaltungsstrafe in der höhe von 6500 € sowie weiters 500 € kostenersatz für die schubhaft in wien. das bedeutet, dass ali wajid noch bevor er überhaupt zu studieren begonnen hat, nun mit einer grossen hypothek belastet ist.

ali möchte alle möglichkeiten ausschöpfen, möglichst viel selbst zu erarbeiten.
denn er will nicht auf dauer von spenden abhängig sein. dennoch haben wir beschlossen, einen aufruf um spenden zu starten, denn allein wird die summe – selbst bei ratenzahlung – nicht erwirtschaftet werden können. schliesslich sind lebenserhaltungskosten, studiengebühren und vieles andere auch noch zu bewerkstelligen.

deshalb bitten wir jetzt zu weihnachten um spenden für ali, jede spende hilft ihm konkret beim start in ein neues leben als student in salzburg. ali wird nichts unversucht lassen, selbst in freiwilliger sozialer arbeit und später in lohnarbeit möglichst viel mit eigener kraft zu bewältigen!

einmal mehr sehr hier zum jahreswechel sehr gross gedankt: den vielen spender*innen, die bisher schon so vieles ermöglicht haben, schliesslich ist es nicht selbstverständlich gewesen, ali über fast neun monate ein leben in kenia zu ermöglichen und zustätzlich die mittel für alle behördlichen schritte aufzubringen.

weiters sei hier nochmals bedankt: erzbischof franz lackner und flüchtlingspfarrer alois dürlinger, erzabt korbinian birnbacher und die gemeinschaft der brüder im kloster st.peter, die tragenden säulen des kirchenasyls. sowie doraja eberle, die mit sehr viel engagement in mehreren entscheidenden phasen alis weg nicht nur mit ausverhandelt, sondern auch massiv unterstützt hat.

und wesentlich: die vielen unterstützer*innen während der vielen phasen in diesen 505 tagen. menschen, die diese geschichte weitererzählt und im hintergrund begleitet haben, menschen, die mitgedacht und mitgezittert haben, menschen, die mit rat und tat zur seite gestanden sind und menschen, die bereit waren, auf abruf aktiv zu werden. eine beeindruckende zivilgesellschaft!

ali und wir alle werden wohl die 505 tage zwischen erster verhaftung am 31.5.2018 und seiner rückkehr nach salzburg im oktober 2019 niemals vergessen. wir nehmen als erfahrung und empfehlung in das nächste jahrzehnt: immer an ein gutes ende glauben, sich mit menschen guten willens verbinden und niemals aufgeben!

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heute genau vor 1 jahr: ali wajid wird aus dem kirchenasyl geholt

der 6.7.2018 wird mir immer in erinnerung bleiben:

mein mobiltelefon läutet. erzabt korbinian birnbacher klingt alarmiert, er hätte schon seit längerer zeit versucht mich zu erreichen, aber ich wäre nicht erreichbar gewesen. (zufall?) die polizei stünde in der pforte und bestehe darauf, ali mitzunehmen.

es ist der letzte schultag, verregnet, entsprechendes verkehrchaos. dennoch erreiche ich relativ schnell das kloster st.peter, nicht ohne auf dem weg über facebook einen aufruf zu starten, dass wir möglichst viele solidarische menschen beim kloster brauchen. auch die presse wird über mittelspersonen informiert.

als ich in der pforte eintreffe sind dort erzabt korbinian und drei polizisten und eine polizistin der „schengenfahndung“. es ist jene einheit, die wie das BFA dem innenminister direkt unterstellt ist, die beamt*innen agieren unabhängig von der salzburger (bundes-)polizei.

ich erfahre von einem freundlichen beamten, dass es „nur darum geht, dass ali wajid zu einer einvernahme ins BFA kommen soll“, es gehe sicher nicht um eine schubhaft. ich misstraue dem natürlich. nach mehreren telefonaten mit dem rechtsanwalt, büro des landeshauptmanns und beratung mit erzabt korbinian erhalten wir – also der erzabt und ich – die verbindliche zusage aus dem BFA, dass ali wajid das büro des BFA wieder als „freier mann“ verlassen könne. erzabt korbinian und ich beschliessen, dieser zusage zu vertrauen.

wir vereinbaren mit den beamten eine ruhige und unaufgeregte vorgangsweise. auch wenn die beamt*innen ursprünglich ali wajid am liebsten direkt im innenbereich des klosters aufsuchen und von dort mitnehmen wollten, war es wohl die entschiedenheit des erzabts, die uns vereinbaren liess: ich gehe allein in den innenbereich des klosters, treffe mich dort mit ali, erkläre ihm in ruhe die situation und berichte ihm von der uns gegebenen garantie. dann kann ich gemeinsam mit ihm mit der polizei mitfahren.

ein weiterer vereinbarungspunkt: ali wajid ist psychisch ohnehin schon in einem ausnahmezustand, daher ist es wichtig, friedlich und unaufgeregt den vorgang abzuwickeln.

wir bekommen dazu eine zugage. die beamtin meinte „selbstverständlich alles in ruhe“.

ich gehe also in den innenbereich des klosters und begebe mich zur unterkunft von ali. er hat natürlich längst mitbekommen, dass es einen einsatz der polizei gibt und ist sehr verängstigt, was ich verstehe.

erst als ich ihm versichere, dass ich wirklich allein bin, öffnet er mir die türe. ich setze mich zu ihm und erkläre ihm die ausverhandelte situation. ich verspreche ihm, nicht von seiner seite zu weichen und berichte ihm, dass ein ruhiger ablauf versprochen wurde.

wir begeben uns also gemeinsam in die pforte, wo die beamt*innen und erzabt korbinian warten. inzwischen ist auch eine journalistin in der pforte eingetroffen. kaum betritt ali den raum bewegt sich plötzlich jener beamte, der bis dahin wortlos im hintergrund gestanden war, schnellen schrittes auf ali zu, greift seinen körper von oben bis unten ab und schreit ihn dann in absolut übertriebener lautstärke an: „sie sind festgenommen! verstehen sie das?“

erzabt korbinian und ich verstehen die welt nicht, hatten wir doch gerade ruhiges vorgehen vereinbart! „was soll das?“ brach es aus uns beiden zeitgleich heraus und die bis dahin freundliche polizistin meinte nur, das wäre „alles routine“.

„wieso festnahme?“ „das ist nur, damit er auf der fahrt versichert ist.“ polizeifremde personen seien auf einer fahrt im polizeiauto nur dann versichert, wenn sie festgenommen wären.

es war offensichtlich, dass ali durch diese grobe vorgangsweise geschockt war. das war ja auch wohl das ziel des beamten.

die anwesende jounalistin fotografiert die perlustrierung, daraufhin wird sie umgehend von mehreren beamten angeschrien, sie solle das gefälligst unterlassen und die gemachten bilder wieder löschen. ob sie dem folge leistete, ist nicht überliefert.

ich teile den beamt*innen mit, dass ich als vertrauensperson mitfahre. mir wurde erklärt, dass das nicht ginge und ich selbst sehen solle, wie ich ins BFA komme, aber dann erklären sie sich doch noch bereit, mich mitzunehmen, aber im zweiten auto. ich verlange neuerlich die garantie, dass die fahrt zum büro des BFA an der staatsgrenze gemeinsam stattfinden müsse und bitte keine plötzlichen umleitungen die beiden fahrzeuge trennen dürften. das sichert man mir zu.

wir verlassen also das klostergebäude und gehen in den öffentlichen innenhof, wo die polzeiautos stehen. dort stehen einige aktivist*innen und journalist*innen von zeitung und fernsehen. das macht die beamt*innen sichtlich wütend, einer ruft mir zu „ist das ihr dank dafür, dass wir mit ihnen überhaupt verhandeln?“ er läuft auf die wartenden zu uns belehrt sie, dass keine bilder des einsatzes an die öffentlichkeit gelangen dürften. (was so nicht stimmt. aber das wissen die journalist*innen ohnehin und machen in den aufnahmen die gesichter der beamt*innen unkenntlich, ohne aber auf den bericht selbst zu verzichten.)

ali muss in den ersten zivilwagen der schengenfahndung steigen, ich muss in den zweiten, ein beamter (jener der die „festnahme“ gebrüllt hatte) fährt, ein anderer nimmt neben mir auf der rückbank platz. als wir an den kameras der presse vorbei den klosterhof verlassen schimpft nocheinmal der beamte „ist das der dank? sie mobiliseren da presse und öffentlichkeit? ist das wirklich ihr dank?“ (da ich nicht festgenommen war, war ich auf dieser fahrt unversichert?)

der andere beamte neben mir klingt freundlicher. „sie müssen verstehen, wir machen nur unsere arbeit, wir machen das, was unsere aufgabe ist, was uns befohlen wird.“ ich entgegne: „ich mach nur das, was ich für richtig und wichtig halte und ich wehre mich gegen abschiebungen – so wie sie ali droht.“ da kann der fahrende beamte nicht mehr, es bricht aus ihm heraus: „ihr werdet schon noch sehen, wohin das führt! wenn ihr das schafft, dass der damit durchkommt, dann werden sich schnell mal die kirchen mit tausenden füllen, die auch nicht abgeschoben werden wollen, und dann? ist es das was ihr wollt?“ ich entgegne: „wenn sich die kirchen mit tausenden schutzsuchenden füllen, dann ist das ein thema, mit dem zuallererst die kirchen umzugehen haben, oder?“ „die wollen aber dann alle dableiben!“ „möglich, dennoch bin ich gegen abschiebungen.“

die polizei beobachtet selbstverständlich genau jede meldung auf facebook und twitter. so auch während dieses einsatzes.

im BFA eingelangt werden ali und ich in einen vernehmungsraum geführt, wo ein fest entschlossener beamter bereits auf uns vorbereitet ist. er hat kamera und stempelkissen bereit und stellt ali drei fragen:
„ich gebe ihnen hier ein formular, das sie auszufüllen haben, es geht um die feststellung ihrer identität und die frage, ob ali oder wajid ihr nachname ist.“ das formular wäre ein antrag auf ersatzreisepapiere gewesen, um die abschiebung zu erleichtern. deshalb sagt ali, dass er das nicht unterzeichnen möchte. dann fragte der beamte: „ich würde gerne ein foto von ihnen machen, sind sie damit einverstanden?“ ali verneinte wieder. „ich habe hier alles vorbereitet um von ihnen fingerabdrücke zu nehmen, sind sie damit einverstanden?“ ali verneint zum dritten mal.

ali wajid hätte jenes formular ausfüllen sollen, das er schon vor wochen vorgelegt bekommen hatte und auf anraten des anwaltes aber nicht mitwirkte. ebenso wollte das amt passfoto und fingerabdrücke um ersatzreisepapiere erstellen zu können, was ali wajid aus gründen auch nicht wollte.

der beamte verlässt beinahe wortlos den raum und gibt uns zu verstehen, dass wir zu warten haben.
nach einiger zeit kommt eine andere BFA-beamtin:
sie belehrt ali, dass die tatsache, dass er nicht nach schwechat gekommen wäre, wie es ihm der bescheid vom 1.7. befohlen hatte, strafbar sei. dafür fasste er auch eine geldstrafe von 100 € aus.

nun wird ihm neuerlich ein bescheid vorgelegt, der ihn wieder auffordert, nach schwechat zu kommen. eine nichtbefolgung würde wieder strafen nach sich ziehen.

die bescheide sind im übrigen alle teilweise falsch, wie schon die vorangehenen, da sie zu teilen in panjabi und anderen teilen in farsi übersetzt sind, letztere sprache kann ali nicht!

die anwesenheit einer dolmetscherin bei der belehrung durch die zweite beamtin wird zu einer farce, denn ali wajid versteht, spricht und schreibt bestens deutsch. dennoch lässt es sich die dolmetscherin nicht nehmen, zu übersetzen. dass ihr dabei ausgerechnet bei der übersetzung der offiziellen frist für das eintreffen in schwechat ein übersetzungsfehler passiert, macht ali wajid ungehalten. ihm fällt der fehler sofort auf, da er den deutschen text von der beamtin natürlich vollinhaltlich versteht. nach protesten von ali muss die dolmetscherin vor der einvernehmenden beamtin eingestehen, dass ihr tatsächlich ein fehler unterlaufen sei.

nicht auszudenken, wie oft derartige mangelhafte bescheide und unrichtige übersetzungen verfahrensrelevant sind und zu abschiebungen führen, aber nur deshalb nicht aufgedeckt werden, weil die betroffenen keine so grosse welle der unterstützung an ihrer seite haben.

nicht unerwähnt soll bleiben: nach der weigerung bei der erlangung von ersatzausreisepapieren mitzuwirken, müssen ali und ich ziemlich lange auf die andere beamtin mit dem neuen bescheid und die dolmetscherin warten.
in dieser zeit geht vor der geschlossenen türe des vernehmungsraumes wohl jene beamtin, die beim einsatz im kloster dabei war, lautstark telefonierend auf und ab, so dass wir es – ob wir wollten oder nicht – teilweise mitanhören müssen. vermutlich spricht die beamtin mit ihrem vorgesetzten im BFA salzburg oder im innenministerium:

„ich hab eh alles probiert, aber dann war auch schon der jenny und die presse da. da ist dann nichts mehr gegangen.“

kurze zeit später kann eine gruppe solidarischer menschen, die im BFA auf den ausgang der einvernahme warten, ali und mich begrüssen. wir kehren gemeinsam ins kloster zurück.

der erste versuch, ali aus dem kirchenasyl zu holen ist gescheitet.
heute genau vor 1 jahr.

 

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aufruf spenden ali wajid neu

das pressegespräch zu ali wajid zum nachsehen

hier das pressegespräch in voller länge. wir haben pünktlich mit der übertragung begonnen, aber erst bei minute 08:00 beginnt das eigentliche gespräch.

alois dürlinger, flüchtlingspfarrer der erzdiözese salzburg
elisabeth mayer, präsidentin der katholischen aktion salzburg
bernhard jenny, menschenrechtsaktivist

sowie

josef mautner, geschäftsführer katholische aktion salzburg

die schriftlichen statements gibt es hier zum nachlesen.

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aufruf spenden ali wajid neu

ali wajid soll das gesicht einer neuen gesellschaft werden

die statements im heutigen pressegespräch

(video in gesamtlänge hier)

STATEMENT BERNHARD JENNY

„Aufhorchen ließ sie mit dem Vorschlag, das Problem der Abschiebung von Lehrlingen gesetzlich zu lösen, aber nicht „auf der Asyl-Schiene“. Wenn das öffentliche Interesse gegeben sei, solle der Gesetzgeber diesen Menschen den Aufenthalt ermöglichen, aber nicht über die Asylgesetze. Erschüttert zeigte sich Bierlein darüber, dass noch immer Menschen im Mittelmeer ertrinken. Dass sie gerettet werden müssten, stehe außer Frage.“
(APA, 25.8.2018)

Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein (damals Präsidentin des VGH)

ali wajid hat ein recht auf zukunft

hunderte lehrlinge und schüler*innen,
sowie einzelpersonen und familien haben ein recht auf zukunft.

die österreichische gesellschaft hat ein recht auf zukunft

unsere zukunft wird nicht grösser, indem wir sie anderen wegnehmen.

die hetze ist gescheitert, jetzt muss die vernunft einkehren!

spaltung, hohn und zynismus bis hin zur konkreten lebensbedrohung darf nie wieder zum politischen erfolgsrezept werden.

die sogenannte übergangsregierung ist in der pflicht.

denn, sie hat sich verpflichtet, überall aktiv zu werden, wo schaden abgewendet werden muss.

ich fordere bundeskanzlerin brigitte bierlein auf,
dem rechten wahnsinn ein ende zu setzen,
die verfolgung und gefährdung von bestintegrierten menschen
ein für alle mal zu beenden und
damit dem unsichtbaren kickl im system den platzverweis zu geben.

wer glaubt, über menschenleben demokratisch abstimmen zu müssen,
hat jede mitwirkung in einer adulten demokratie verwirkt.

die frohbotschaft heisst:
es gibt eine gesellschaft nach der hetze!

es gibt menschen mit haltung und würde.

wieviel absurdität in der verfolgung junger, bestintegrierter menschen steckt, erleben wir immer noch am beispiel von ali wajid.

ali wajid ist kein flüchtling mehr,
er ist ein freier mensch, der auf unterstützung angewiesen ist,
weil ihm die selbstversorgung verboten wurde.

ali wajid hat ein recht auf zukunft

ich GLAUBE an eine gesellschaft nach der hetze!

ich HOFFE auf eine gesellschaft der vernunft und solidarität!

ich werde es LIEBEN,
wenn ALI WAJID das symbolische gesicht für diese neue gesellschaft wird!

ali wajid 20190704 2

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STATEMENT ELISABETH MAYER
PRÄSIDENTIN DER KATHOLISCHEN AKTION SALZBURG

Die Katholische Aktion funktioniert als Lobby für das Ehrenamt und damit für die vielen Helfer*innen, die Schikanen ernten müssen statt Dankbarkeit zu bekommen, dafür, dass sie dem Land in einer herausfordernden Phase mit unglaublichem Engagement geholfen haben.

Ich freue mich, dass mit dem Wort „Kirchenasyl“ das Bewusstsein in der Gesellschaft verändert wird, es ist für mich ein „Signal mit lang anhaltendem Pfeifton“. Der Einsatz für Asylwerbende hat sehr viel mit der Grundhaltung des Christentums zu tun.

Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie eine Gesellschaft ohne Caritas, Diakonie und Pfarren aussehen würde.

Und ich bin dankbar für Ali, der für Menschen steht, die aus traumatischer Situation heraus neue Chancen ergreifen.

STATEMENT ALOIS DÜRLINGER
FLÜCHTLINGSPFARRER DER ERZDIÖZESE SALZBURG

Über die Einzelfälle hinaus bereitet mir das gesellschaftliche Klima grosse Sorge und der Grundwasserspiegel des noch Tragbaren, der in den vergangenen Jahren spürbar gesunken ist.

In diesem Klima werden auch kostbare Begriffe umgedeutet und beschmutzt, so z.B. das Wort „Willkommen“.

Die Frage, wer mein Nächster sei, wurde von Jesus im Beispiel des barmherzigen Samariters endgültig und verbindlich beantwortet: Wenn er vor mir steht, ist er mein Nächster – auch wenn er aus weiter Ferne kommt.

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alois dürlinger elisabeth mayer bernhard jenny IMG_3868_bearb

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7 monate kirchenasyl – 5 monate kenia – und jetzt?

ali wajid hat ein recht auf zukunft

ali wajid konnte sich der für ihn lebensbedrohlichen abschiebung nur durch schutzannahme entziehen. erzbischof lackner und erzabt korbinian birnbacher haben ihm das kirchenasyl am 3.7.2018 angeboten. sieben monate hat das kirchenasyl gehalten – auch gegen mehrfache versuche der „schengenfahndung“ und des BFA, ali aus dem kloster zu holen.

nur mit fiesen tricks (wie z.b. offene lüge dem anwalt gegenüber, missachtung eines gültigen bescheids, aufhebung des bescheids zeitgleich mit festnahme) ist es auf weisung des damaligen innenministers kickl dem BFA gelungen, ali wajid in schubhaft am 24.1.2019 zu verbringen.

inoffiziell wurde eine „galgenfrist“ für eine woche angeboten, innerhalb der wir ein drittland benennen sollten, in welches ali wajid reist. diese (letztlich dann auch noch um zwei tage verkürzte) galgenfrist war ein nervenaufreibendes spiel auf leben und tod. denn wir wussten, wenn ali wajid wirklich – wie ihm sadistische beamte in der schubhaft immer wieder ankündigten – „sowieso abgeschoben“ werden sollte, bedeutet dies für ihn konkrete lebensgefahr.

buchstäblich in letzter minute fiel dann die wahl auf kenia, welches in der kurzen zeit als einzige option übriggeblieben war.

am 31.1. ist ali wajid gemeinsam mit dem salzburger flüchtlingspfarrer alois dürlinger nach nairobi ausgereist, bis zuletzt streng bewacht wie ein schwerverbrecher. am 1.2. traf ali wajid in nairobi ein und ist seither ein freier mann. er ist kein asylwerber und kein flüchtling mehr.

inzwischen sind 5 monate vergangen, die ali wajid dank der grossen unterstützung durch zahlreiche private spender*innen in nairobi leben kann. er suchte sich so schnell wie möglich ein günstiges zimmer in einem studentenwohnhaus.

ideal ist die örtliche und auch menschliche nähe zum strassenkinder-projekt panairobi: die salzburgerin susi kerschbaumer sorgte für unmittelbaren kontakt zu den verantwortlichen in dem von ihr begründeten projekt. dadurch hatte ali in einem völlig fremden land rasch ansprechpartner gefunden und auch die möglichkeit dort und da mitzuhelfen.

ein in nairobi lebender junger unternehmer, hannes eckmayr, nahm von sich aus kontakt zu ali auf, denn er hatte die geschichte in den medien verfolgt. er war es, der ali bei der erlangung eines verlängerten visums mit rat und tat zur seite stand.

ali wajid hat ein recht auf zukunft

nun plant ali ein studium in salzburg, alle erforderlichen papiere sind dazu in der österreichischen botschaft in islamabad vorliegend und sollen nach der beglaubigung nach österreich gesendet werden.

sobald eine studienplatzzusage erteilt ist, wird ali wajid den antrag auf einreise in österreich stellen.

im herbst 2019 soll ali wajid dann in salzburg sein studium antreten können und mit einem studentenvisum im land bleiben können.

er wird auch weiterhin auf unterstützung angewiesen sein, diese unterstützung wäre nicht notwendig geworden, wenn ali seine berufliche laufbahn als lehrling fortsetzen hätte dürfen.

ali wajid hat ein recht auf zukunft

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ali wajid hat ein recht auf zukunft

was für ein jahr!

ali wajid konnte sich der für ihn lebensbedrohlichen abschiebung im vergangenen jahr nur durch schutzannahme entziehen. erzbischof lackner und erzabt korbinian birnbacher haben ihm das kirchenasyl am 3.7.2018 angeboten. am 4.7.2018 haben alois dürlinger und ich diese vorübergehende lösung bekannt gegeben. sieben monate hat das kirchenasyl gehalten – auch gegen mehrfache versuche der „schengenfahndung“ und des BFA, ali aus dem kloster zu holen.

nur mit fiesen tricks (wie z.b. offene lüge dem anwalt gegenüber, missachtung eines gültigen bescheids, aufhebung des bescheids zeitgleich mit festnahme) ist es auf weisung des damaligen innenministers kickl dem BFA gelungen, ali wajid in schubhaft am 24.1.2019 zu verbringen.

inoffiziell wurde eine „galgenfrist“ für eine woche angeboten, innerhalb der wir ein drittland benennen sollten, in welches ali wajid reist. diese (letztlich dann auch noch um zwei tage verkürzte) galgenfrist war ein nervenaufreibendes spiel auf leben und tod. denn wir wussten, wenn ali wirklich – wie ihm sadistische beamte in der schubhaft immer wieder ankündigten – „sowieso abgeschoben“ werden sollte, bedeutet dies für ihn konkrete lebensgefahr.

buchstäblich in letzter minute fiel dann die wahl auf kenia, welches in der kurzen zeit als einzige option übriggeblieben war.

am 31.1. ist ali wajid gemeinsam mit dem salzburger flüchtlingspfarrer alois dürlinger nach nairobi ausgereist, bis zuletzt streng bewacht wie ein schwerverbrecher. am 1.2. traf ali in nairobi ein und ist seither ein freier mann. er ist kein asylwerber und kein flüchtling mehr.

inzwischen sind 5 monate vergangen, die ali wajid dank der grossen unterstützung durch zahlreiche private spender*innen in nairobi leben kann. er suchte sich so schnell wie möglich ein günstiges zimmer in einem studentenwohnhaus.

ideal ist die örtliche und auch menschliche nähe zum strassenkinder-projekt panairobi: die salzburgerin susi kerschbaumer sorgte für unmittelbaren kontakt zu den verantwortlichen in dem von ihr begründeten projekt. dadurch hatte ali in einem völlig fremden land rasch ansprechpartner gefunden und auch die möglichkeit dort und da mitzuhelfen.

ein in nairobi lebender junger unternehmer, hannes eckmayr, nahm von sich aus kontakt zu ali auf, denn er hatte die geschichte in den medien verfolgt. er war es, der ali bei der erlangung eines verlängerten visums mit rat und tat zur seite stand.

die zukunftspläne für ali wajid geben wir morgen in einem pressegespräch um 11:30 bekannt.
auf facebook werden wir live streamen.

ali wajid hat ein recht auf zukunft

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frühere artikel über ali wajid
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dass wir ali wajid 5 monate in kenia unterstützen konnten, ist den zahlreichen spenden zu verdanken, den vielen kleinen und den grossen. jede spende hilft. danke!

deshalb bitten wir wieder um spenden auf das konto

spendenkonto HILFE FÜR ALI

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