2 jahre einer unglaublichen geschichte

am 31.5.2018, es war feiertag, erreicht mich eine nachricht. ali wajid war gerade auf befehl des ponyzeiministers verhaftet worden, er schickte hilferufe per sms aus dem fahrenden polizeiauto. ali wajid war für den geschmack des unministers mit abriegelungsphantasien zu positiv aufgefallen: aus den koalitionsverhandlungen im land salzburg zwischen der haslauer-övp, den grünen und den neos war durchgesickert, dass sich die neue landesregierung gegen die abschiebung von lehrlingen aussprechen will.

die wohlwollende presse hatte ein ideales illustrationsbild gefunden: ali wajid als lehrling im argebeisl, also in der argekultur. dieses positive bild gefiel im innenministerium nicht. der oberste ponyzist nahm ali wajid in sein fadenkreuz und verlangte dessen umgehende abschiebung. noch am gleichen tag gelang es, ali wajid aus der schubhaft herauszuverhandeln. das war der anfang einer langen erfahrung, die niemand ahnen konnte, wie lange sie dauern würde, was sie mit sich bringen würde und wie sie enden würde.

es würde den rahmen dieses blogs sprengen, alles aufzuzählen. die unglaublichen irrsinnigkeiten der behördlichen schikanen des innenministeriums, des BFA und vieler anderer, die noch viel beeindruckendere solidarität von menschen, die sich mit ali wajid solidarisch erklärten und sich für eine lösung einsetzten. die unendliche zahl von gesprächen, von offiziellen, von inoffizielle und geheimen gesprächen, das wiederholte erleben von interventionen und drohungen, von beschattung und überwachung, von unterstützung und tatkräftiger hilfe.

erzbischof franz lackner, erzabt korbinian birnbacher, alois dürlinger und die klostergemeinschaft in der erzabtei st.peter ermöglichten die entscheidende sicherheit für ali wajid, die ihn vor mehreren versuchen der abschiebung durch den ponyzisten schützte.

die solidarität mit ali wajid aus der bevölkerung war beeindruckend. da protestierten menschen für ali, da spendeten zahlreiche menschen für ihn, da versuchten viele in gesprächen und emails nach lösungen zu suchen.

auch der bundespräsident alexander van der bellen war laufend vom stand der dinge informiert und wünschte sich bereits im juli 2018, dass die sache für ali wajid gut ausgehen möge. (hier gemeinsam mit martina berthold auf dem gaisberg, bild:bernhard jenny)

schliesslich wurden daraus: ein monat alle 48 stunden bei der polizei melden, sieben monate kirchenasyl, acht monate exil in kenia und dann im oktober 2019 die rückkehr als studierender an die universität salzburg.

es war am ende ein unglaublicher kraftakt, die lösung für ali wajid – trotz aller vorhandenen voraussetzungen – auch wirklich in die konkrete tat umzusetzen. ohne den einsatz von doraja eberle, die bereit war, stunden und tage gemeinsam mit uns in unzählige gespräche mit ansprechpartner*innen in den behörden zu investieren und ali bei der ermöglichung der einreiseauflagen zu unterstützen, wäre dieses positive ende nicht möglich gewesen.

was wissen wir nun nach zwei jahren?

  • wir wissen, dass es sehr gut ist, dass der ponyzist nicht mehr im amt ist.
  • wir wissen, dass es eine sehr breite und durch alle gesellschaftlichen bereiche gehende solidarität mit menschen gibt, die wie ali wajid einen beitrag in unserer gesellschaft leisten.
  • wir wissen, dass es dennoch sehr viele gibt, die genau das stört und alles tun, um xenophobie und rassismus ungehindert auszuleben.
  • wir wissen aber auch, dass mit sehr viel einsatz und vernetzung vieles zu überwinden ist.

ali wajid ist zu einem symbol geworden, dass es auch gut gehen kann. das gibt vielen menschen hoffnung.
aber wir dürfen nicht vergessen, dass es für viele nicht gut gegangen ist. viele wurden und werden abgeschoben. viele haben aufgegeben, viele mussten in anderen ländern untertauchen. und vielen werden die menschenrechte einfach verwehrt. sei es an den aussengrenzen europas, sei es innerhalb europas in lagern wie moria, sei es durch unerfüllbare auflagen für die praktisch nicht realistische einreise von asylsuchenden menschen.

hinter uns liegen 2 jahre der besonderen erfahrungen.
2 jahre der anstrengungen und der wertvollen momente.

2 jahre einer unglaublichen geschichte

 

ps. ali hat im februar sein studium antreten können und hätte auch bereits einen guten arbeitsplatz gefunden, der auch vom AMS bereits genehmigt war. nur ist das genau zu jenem zeitpunkt gewesen, als corona auch den arbeitsplatz wieder vernichtet hat.

 

 

 

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bild: orf screenshots (3), privat (5), michael hudelist (1)

wir haben kein recht zu resignieren.

das, was der im september verstorbene marko m. feingold über so viele jahrzehnte unermüdlich und mit empathischer leidenschaft getan hat, immer und immer wieder als holocaust-überlebender den nachkriegsgenerationen von den unfassbaren schrecklichkeiten zu berichten, hat hagen rether als einen „riesigen liebesdienst an der gesellschaft“ bezeichnet. und er sagt mit blick auf die holocaust-überlebenden wie marko feingold: „wenn die den glauben an diese gesellschaft nicht verloren haben, wer bin ich, dass ich resigniere.“

ja, es liegt sehr vieles im argen in unserer welt, in unserem kontinent, in unserem land, in unserer gesellschaft. aber wir werden angesichts des vorbilds von marko feingold nicht resignieren. das wollen wir uns gerade heute bewusst machen. heute hätte marko m. feingold den 107. geburtstag.

wir verneigen uns in dankbarer verbundenheit.
wir haben kein recht zu resignieren.

cristina colombo und bernhard jenny

wollen wir, dass das so bleibt? (#corona #35)

ein halbverstaatlichter konzern als sklav*innenbetrieb?
nicht irgendwo in fernen welten, sondern bei uns. bei der post.

wäre uns nicht aufgefallen, wenn nicht corona passiert wäre.
jetzt erfahren wir, dass zwar das management unsummen kassiert, die arbeit aber von sklav*innen – sorry leiharbeiter*innen – verrichtet wird. damit wir unsere post bekommen.

nun waren da welche positiv getestet worden, haben andere angesteckt und jetzt muss die miliz dran. die miliz muss sklav*innen – sorry leiharbeiter*innen – ersetzen. damit wir unsere post bekommen.

für wen sollen wir klatschen? für die miliz? für die sklav*innen? für das management?

es ist vieles faul in unserem land. da käme kirchschläger mit dem trockenlegen der sümpfe gar nicht mehr nach.

die epidemie macht vieles sichtbar. so z.b. die sklav*innen.
den virus bekämpfen ist nach wie vor angesagt.
aber wer bekämpft die sklavenarbeit?
nicht irgendwo in fernen welten, sondern bei uns. bei der post.

die post bringt allen was.
den einen die fetten summen, den anderen den hungerlohn in sklav*innenarbeit.
steuerparadies für die einen, zuwenig zum überleben für die anderen.

wollen wir, dass das so bleibt?

 

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bild: bernhard jenny cc by

hasskultur (#corona #34)

dass ulrike lunacek heute vormittag aus ihrer funktion als staatssekretärin für kunst und kultur zurückgetreten ist, kam kaum überraschend. es war spürbar, dass es irgendwie nicht klappt. über die einzelheiten, was da wirklich im vorder- aber speziell auch im hintergrund falsch gelaufen ist, soll hier nicht spekuliert werden.

die rücktrittsrede war – bis auf entbehrliche seitenhiebe auf stermann, grissemann und resetarits – eine durchaus bemerkenswerte, stellte sie doch klar, dass das scheitern wohl auch genauso zum leben dazu gehört, wie das gelingen. natürlich war sie andeutungsweise enttäuscht über das wohl taktische „verhungern lassen“ der kultur in den regierungsinternen verhandlungen mit dem finanzminister. aber eine solche rücktrittsrede hören wir selten.

olivera stajić vom standard twitterte noch während der rede: „Wann hat sich eigentlich das letzte Mal ein Politiker (m., kein Binnen I) hingestellt und gesagt, „Ich mach Platz für jemanden, der es besser kann!“, ohne die Kritiker, die Medien oder eigene Leute zu blamen…? #Lunacek“

und tatsächlich fällt in den unglaublichen reaktionen nach ihrem rücktritt eines auf: hauptsächlich männer – aus kultur und kunst, aber auch anderen bereichen – gefallen sich im genüsslichen nachtreten und versuchen selbst jetzt noch lunacek als alleinverantwortliche für diverse desaster hinzustellen.

wohl einer der gröbsten hetzer ist dann ein gewisser fellner, der in seinem tv-programm sich dafür nicht zu schade ist, das gehalt als ministerin als „ausbildungsgeld“ zu schimpfen und die ihr zustehende fortzahlung über sechs monate als skandal darzustellen. „und dann gleitet diese frau auch noch in die eu-pension.“

es gab in den letzten jahren männer, die mussten zurücktreten, weil sie die politischen werte des landes verraten haben, weil sie die halbe republik plus kronenzeitung verscherbeln wollten und glasklare anleitungen zu finanzbetrug und schmiergeldanwendungen gaben. diesen männern wurde viel kritik zuteil, dennoch darf gerade an diesem tag heute einer von ihnen sein politisches comeback öffentlich einleiten, ein hohn auf alles, was unsere demokratie an werten hat.

eine frau, die angesichts des eingestandenen scheiterns konsequenzen zieht und in korrekter form ihr amt übergibt, muss sich häme und spott, hass und neid in einer ganz anderen qualität als im falle von unter umständen kriminellen männern gefallen lassen. da schwingt unglaublich viel reaktionärer machohass gegen alles weibliche, das nicht gefügig ist und dann auch noch eine lesbische frau mit. dieser hass ist ansteckender als so manches virus. das hat sich unser land nicht, am wenigsten aber die betroffene verdient.

es wäre dringend angebracht, dass sich die „kulturszene“ besinnt und berechtigte kritik und verständliche unzufriedenheit weiter offen und klar formuliert, aber sich einmal mehr von hass und hetze abgrenzt.

nachtreten als kultur?
zufällig wieder einmal gegen eine frau?
sie darf nicht normal und auch nicht neunormal werden: die sehr männlich dominierte
hasskultur

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bild: screenshot apa

die notarielle unschuld österreichs

in einem interview in der zib2 spezial am 8.5.2020 zum gedenktag „75 jahre befreiung vom nationalsozialismus“ sagte der ehemalige bundeskanzler franz vranitzky:

„mir ist wichtig herauszuarbeiten, dass die schuld am nationalsozialismus nicht die republik österreich trifft. die republik österreich hat es ja zwischen 1938 und 1945 gar nicht gegeben.“

wolfgang schüssel, ebenfalls ehemaliger bundeskanzler pflichtet ihm im gleichen gespräch bei:

„ich bin dankbar für die klarstellung, dass österreich tatsächlich nicht existiert hat von 1938 bis 1945.“

das ist volksweglegung. wie wenn die österreicher*innen 1938 aufgehört hätten zu existieren, um dann 1945 wieder aufzuleben. oder wie wenn die österreichische bevölkerung kurz mal „ganz privat“ am zweiten weltkrieg und dem holocaust mitgewirkt hätten, also in ihrer „auszeit“ zu verbrechern geworden wären um dann, 1945 wieder als brave österreicher*innen in aller unschuld das alles hinter sich zu lassen.

das klingt nicht ganz nach historischer oder politisch verantwortlicher einsicht, die 75 jahre nach der befreiung zu erwarten gewesen wäre, sondern es klingt nach der offenbar zutiefst österreichischen sehnsucht des reinwaschens.

inzwischen kann niemand mehr sagen, dass das alles nicht so war mit der shoa und den verbrechen. käme nicht gut. aber die aussage, dass die naziverbrechen nichts mit der republik zu tun hätten, treibt das vollwaschmittel in die innersten wollfasern der österreichischen(?) seele.

schon angenehm:
die notarielle unschuld österreichs

 

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bild: screenshot orf

pressefreiheit. welche freiheit? (#corona #33)

tag der pressefreiheit. stimmt schon. in manchen ländern dieser welt bedeutet pressefreiheit immer noch konkrete gefahr von gefängnis oder gar hinrichtung. ja, sogar in europa.

tag der pressefreiheit. wie frei sind von förderungen abhängige medien wirklich? wie frei sind medien, die zusehen müssen, wie ultrakonservative und rechte medien ein mehrfaches an geldern – corona sei dank – erhalten, während die lästigen sich auskennen müssten, warum sie so wenig covidhilfe bekommen.

tag der pressefreiheit. wer hat wann, wo und mit wem entschieden, welche kriterien für diese förderungen gelten? vermutlich die message control herself. regierungsvordenk-think tank als richtschnur für wahr und falsch?

tag der pressefreiheit. wäre eigentlich auch ein tag der meinungsfreiheit, oder? und um die ist es in diesen tagen spürbar schlecht bestellt. nein, ich bin kein verschwörungstheoretiker, kein flat earther und auch kein chemtrailer. und ich bin kein anhänger des dosenfernsehens oder irgendwelcher schräger schwurbeltheorien. und ich verabscheue trump.

dennoch erleben wir in diesen tagen eine merkwürdige akzeptanz von zensur. twitter (!!!) entscheidet über die löschung von tweets des us-präsidenten, youtube (!!!) löscht videos von vermutlich irrenden oder selbsternannten fachleuten und facebook (!!!) markiert fotos als fakemeldung, weil diese ursprünglich gemeinsam mit einem gedicht veröffentlich wurden, das nicht 1918, sondern 2020 geschrieben wurde.

pressefreiheit? meinungsfreiheit? liegt das nun wirklich in den händen von google, twitter und facebook? nicht genug, dass nicht transparente algorithmen darüber entscheiden, was ich zu sehen bekomme, andere algorithmen entscheiden dann auch, ob mein text als plausibel oder fake news eingestuft wird.

pressefreiheit? meinungsfreiheit? da nimmt es sich ja schon fast als nebensächlichkeit aus, dass bei regierungspressekonferenzen nicht alle medien zugelassen werden, sondern nur bestimmte. da ist es nur eine bagatelle, dass die nichtbeantwortung von fragen bereits zum akzeptierten guten ton der politischen kommunikation gehört. wir gewöhnen uns an zu vieles. an viel zu vieles, das die meinungsfreiheit und die pressefreiheit einschränkt.

pressefreiheit? meinungsfreiheit? dank und anerkennung alljenen, die sich dennoch nicht entmutigen lassen und nicht nur gefälligkeitsinterviews und freundliche berichte verfassen. alljenen, die sich täglich in den redaktionssitzungen dafür einsetzen, wirklich berichten zu dürfen und nicht fakten zur harmlosigkeit zu verwässern.

einer mündigen öffentlichkeit sind die dümmsten tweets von trump. die schlechtesten videos mit „covid ist harmloser als eine grippe“ und die schlimmsten fakepostings mit „die särge sind gar nicht in bergamo gefilmt worden“ zuzumuten. darunter zu kommentieren oder gegen die inhalte fakten aufzuzeigen, das ist wichtig und unverzichtbar. aber wenn wir löschungen zur gewohnheit werden lassen, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir in einer uniformen diktatur enden. dann wird nicht nur die pressefreiheit gestorben sein.

pressefreiheit. welche freiheit?

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bild: bernhard jenny cc by

wir könnten zerbrechen (#corona #32)

fast wie früher. wieder alles offen. fast alles erlaubt. nur mitunter auch abrutschende schutzmaske und spürbar schmelzende distanzregeln. wer würde sich nicht wünschen, alles wieder ungefährdet tun und lassen zu können. aufatmen? für die einen zu früh, für die anderen zu spät. und in die zunehmend wirre lage preschen die verschwörungs- und populärtheorien von rechts bis wirr, von bizarr bis naiv.

fast wie früher. wirklich? nach dem ersten sturm auf die grossen einkaufszentren und dem schnell ergatterten friseurtermin kommt was? der nächste öffnungsschritt? das abschaffen aller distanzen? vielleicht. doch wohl eher nicht.

ob wir es „rebound“ oder „zweite welle“ nennen ist einerlei, dass derartiges auf uns zukommt, ist für viele seriöse quellen ziemlich eindeutig. für manche expert*innen gehen daher die öffnungsschritte momentan zu schnell. aber wir müssen leider abwarten.

erkennbar wird bereits ein dilemma, in welchem wir uns derzeit befinden: der „lock down“ der letzten wochen war noch nie so unpopulär, wie in den letzten tagen. rein psychologisch auch gut nachvollziehbar. jeder ausnahmezustand hat sein ablaufdatum, dann beginnt die rebellion dagegen. von leisem protest bis zur offenen ignoranz ist da alles möglich.

momentan ist es „nur“ die spannung zwischen jenen, die „endlich“ schreien und den anderen, die „moment mal“ rufen würden. doch sollten wir uns mal kurz vor augen halten, was passiert, wenn nun tatsächlich die reproduktionszahl wieder deutlich über eins und weiter nach oben klettert, wenn sich also eine neuerliche „exponentielle zunahme“ an neuen fällen abzeichnet.

da werden expert*innen und manche politiker*innen mit grossem bedauern einen zweiten „lock down“ fordern. angesichts der mangelnden beliebtheit, ja mitunter vielleicht sogar verhasstheit derartiger neuer massnahmen wird es aber auch expert*innen und politiker*innen geben, die mit salbungsvollen worten eine „neue vernunft“ herbeireden werden.

zahlreiche unternehmer*innen sind bereits jetzt schon am rande der existenz angelangt. ob EPUs und KMUs, vielen hat corona nicht nur in diesen wochen den umsatz zerstört, die folgen danach sind noch nicht einmal klar zu erkennen, viele wirtschaftsbetriebe werden auch nicht einfach aus der krise herauskommen.

jene, die etwas mehr glück hatten und jetzt noch nicht umgefallen sind, aber auf schwachen beinen stehen, werden mit vehemenz jeden zweiten lock down bekämpfen. dadurch wird eine breite allianz von „massnahmen-skeptiker*innen“ und „massnahmen-verweigerinnen“ entstehen.

wolfgang schäuble hat vor wenigen tagen eine erste schneise in den wald der menschenrechte geschlagen. die menschenwürde sei zwar unantastbar, aber das schliesse nicht aus, „dass wir sterben müssen“. (vgl. die zeit, 26.4.) der lebensschutz könne nicht immer oberste priorität haben, so der deutsche bundestagspräsident. damit öffnet er einem wirtschaftsbegriff tür und tor, der umsatz und gewinn gegen menschenleben aufrechnet. ein verantwortlicher wirtschaftbegriff würde diese „gegenrechnung“ niemals zulassen.

die wirtschaftlichen folgen werden noch nicht wirklich realisiert, mit jedem tag werden wir uns wundern müssen, wie schnell konzerne wieder einmal gerettet werden müssen, einzelnen menschen aber das abrutschen in armut zugemutet wird. je schlimmer die auswirkungen umso unpopulärer der schutz von sogenannten risikogruppen, die allein durch diese betitelung schon mal ausgegrenzt und gesondert betrachtet werden. wie wenn es solche und solche menschenleben gäbe.

ein mensch, der auf offenem meer dem ertrinken überlassen wird, weil sich die festung europa keine aus not geflüchteten leisten will, könnte uns zurufen: „seht ihr jetzt wie es ist, wenn zwischen solchen, die auf kosten anderer überleben wollen und solchen, die deshalb sterben sollen, unterschieden wird? jetzt habt ihr diesen konflikt mitten in eurer ach so feinen festung!“

wir stehen vor schwierigen zeiten. ohne widerstand sind menschenrechte wieder einmal nur soviel wert, wie es den mächtigen in den kram passt. und ein teil der wirtschaft drängt auf umsatz, auch wenn es menschenleben kosten sollte. dabei muss eine lebenserhaltende und lebensförderliche wirtschaft das ziel sein.

manche hoffen sogar auf neue wege, die wir in der krise finden könnten. vorerst müssen wir erst mal aus der krise erhobenen hauptes herauskommen. mögen wir die „zweite welle“ ohne verlust jeglichen humanitären anspruches bewältigen.

im freien spiel der wirtschaftsmächte würde ein individuelles menschenleben kaum etwas wert sein. humantäre ziele sind noch selten ein anliegen der weltkonzerne gewesen. es wird nicht ausreichen, sich und seine eigene haut retten zu wollen, wir sind für uns alle verantwortlich. das wird ein hartes stück arbeit.

wir könnten zerbrechen

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bild: Olaf Kosinsky CC BY-SA 3.0 de

 

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