die aktuellen entwicklungen rund um einen von der stadt salzburg in auftrag gegebenen historiker*innen-bericht zu salzburger strassennamen sind ernüchternd. so wird trotz sehr deutlich erwiesener NS-verstrickung so mancher proponenten laut darüber nachgedacht, ob es nicht ausreichend sei, wenn der umstand der nationalsozialistischen umtriebe vielleicht doch nur verschämt in einer fussnote auf dem digitalen stadtplan der stadt oder mit einer eventuellen erläuterungstafel dokumentiert würde.
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schluss mit zugutmenschen
es hat sich ausparliert. viel zu lange wurde mit aller macht versucht, irgendwie und immer wieder verständnis zu generieren, wo keines angebracht war.
sätze wie „wir müssen verstehen“, „die ängste kommen ja irgendwo her“ oder „wir sollten auf sie zugehen“ tauchten in den letzten jahren massenweise in foren und timelines, auf facebook und sonst wo, auf. das ergebnis haben wir jetzt. mit voller wucht.
ja, natürlich braucht es einen diskurs, eine offenheit. die gesellschaftliche entwicklung ist ohne partizipation der betroffenen, aller betroffenen, nicht denkbar. dazu gehört das offen aussprechen können eigener motive, eigener vorstellungen, eigener ängste, wünsche, sehnsüchte und so weiter.
aber die möglichkeit für alle, offen sagen zu können, wie sie sich die gesellschaft vorstellen kann und kann niemals bedeuten, dass immer wieder aufs neue alles zur disposition steht. ein verantwortlicher diskurs muss von haus aus die rahmenbedingungen aufzeigen, die diesen überhaupt erst möglich machen und daher auch klipp und klar jene linien definieren, hinter die selbst die regressivste forderung niemals gehen darf.
gerade jene, die von ihren feinden gerne als „gutmenschen“ beschimpft werden, könnten erkennen, dass viele von ihnen viel zu lange „zu gut“ waren. nicht den geflüchteten menschen oder den diskriminierten minderheiten gegenüber, sondern im umgang mit jenen, die – aus verschiedensten gründen – den erben des nationalsozialismus blind nachlaufen und deren tradition der menschenverachtung und der hetze nachreden, nachschreiben und nachleben.
die „bobos“ und ihre freund*innen waren viel zu lange geduldig und nachsichtig gegenüber längst als rechtsextrem bekannte ansichten und forderungen. anstelle hier unisono und mit entsprechender breitenwirkung ein unmissverständliches „kein millimeter“ zu kommunizieren, wurden die timelines mit ewigen verständnisvollen fragen einerseits und hassrechtfertigungen andererseits, sowie blablabla-diskussionen gefüllt. da ein „anti-islam“-hetzer, dort ein „wir können nicht alle retten“-zauderer, dann wieder „grenzen dicht“-brüllende. alle werden immer wieder mit viel zu viel geduldiger aufmerksamkeit beachtet und mit argumenten umworben. der erfolg ist enden wollend.
mit sturen ausländerfeind*innen in „freie und offene“ diskussionen zu treten, um ihnen dann vielleicht des friedens willen zu 10% oder 15% recht zu geben, ist ein „no go“. morgen diskutieren sie weiter und bekommen dann wieder ein bisschen recht, übermorgen sind wir dann schon bei 40%, nach endlosen schleifen kommen sie dem ziel immer näher.
für viele fast unbemerkt verändert sich die sprache, das vokabular, das framing, die grundstimmung und damit der gesamte politische diskurs. einträge in foren, die vor einigen jahren noch völlig undenkbar gewesen wären und sofortige löschung nach sich gezogen hätten, bleiben heute „im sinne einer breiten diskussion“ locker stehen. (nicht zuletzt deshalb, weil wir noch viel schlimmere oft gar nicht zu sehen bekommen.)
das ergebnis ist so fatal, wie wenn in einer schule der lehrkörper ständig sich nur mit den verhaltensauffälligen bis -gestörten beschäftigen würde, ja sogar mit ihnen verständnisvolle diskussionen und gespräche führen würde, während die übrigen schüler*innen keine aufmerksamkeit bekämen. die folge wäre ein extrem schnelles anwachsen von verhaltensauffälligkeiten und der frustrierte rückzug der „schweigenden mehrheit“, die wohl immer mehr zur minderheit würde. am ende wäre die ganze schule nur mehr eine problemschule, so wie jetzt unser land ein problemland wurde.
natürlich sind nicht alle, die sich als hetzer*innen oder rassist*innen betätigen nur schlechte menschen. natürlich kann es auch sein, dass manche durch harte erfahrungen erst zu solchen wurden. das macht aber die inhalte eines offenen rassismus oder einer geifernden xenophobie in keinster weise richtig oder gerechtfertigt.
auch wenn es nicht die vorstellung der aktuellen regierung sein wird, muss dennoch als conditio sine qua non für jeden politischen diskurs gelten: hinter die längst festgeschriebenen grund- und menschenrechte kann niemals zurückgegangen werden.
um im oben bereits angesprochenen schulbild zu bleiben: wir dürfen keine diskussionen mit den verhaltensgestörten führen, ob es legitim ist, andere schüler*innen zu mobben, zu drangsalieren, einzusperren oder rauszuwerfen. darüber wir nicht einmal diskutiert.
die millionen toten des holocaust haben uns ein erbe hinterlassen, das in den menschenrechten ausdruck findet. hinter diese rote linie kann kein verantwortlicher diskurs in der politik gehen. bleibt zu hoffen, dass die zurückweisung solcher ansinnen entsprechend kräftig und deutlich – aus allen ebenen – ausfällt.
solcher klarheiten bedarf unser land dringenst. denn wir haben ein grobes problem: die verhaltensauffälligen sitzen – nach einer welle der verwüstung und auf wunsch einer augenscheinlichen mehrheit – in der direktion und haben die leitung übernommen.
es bedarf keines abwartens, ob sich die rechtsextremen auch wirklich als solche benehmen. es bedarf keiner frist, die wir rechtsextremen als chance einräumen.
und: wer rechtsextremen die schlüssel der macht in die hand drückt, nur um selbst ein stück der macht zu erhalten, schliesst einen pakt mit dem teufel, den er so schnell nicht mehr los wird. dafür kann es kein verständnis geben.
es hat sich ausparliert.
schluss mit zugutmenschen
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foto: daniel bagel cc licence by nc
dieser artikel ist in ähnlicher form am 11.1.2018 auf derstandard.at erschienen
ein land erhebt den shitstorm zum programm.
die nationalratswahlen und der wahlkampf davor haben unser land nachhaltig verändert. ein land, das sich vor wenigen monaten noch für einen weltoffenen und besonnenen bundespräsidenten entschieden hat, läuft nun mit überwältigender mehrheit den rechten nach. den rechten in zwei versionen: zum einen den hardcore-rechtsaussen aus diversen burschenschaften und sonstigen kellern und zum anderen dem jüngsten praktikanten, der sämtliche politthemen konsequent auf ein einziges thema reduziert.
ernsthafte analysen, tiefgehende diskurse oder gar differenzierte abwägungen waren gestern. eine einzige antwort auf alle fragen, das ist cool. da sind wir dabei. bildung, soziales, gleichberechtigung und teilhabe? alles egal. wenn wir es nur schaffen, das mittelmeer zuzumauern, dann wird alles gut.
das ist nicht zu verstehen, das kann nur geglaubt werden. und glauben erspart denken. welche tragweite wahlen haben, scheint längst nicht mehr so wichtig. vor vielen jahren war es neu und lustig in unzähligen „big brother“ shows menschen hinaus oder hinein zu wählen. wer darf bleiben? wer muss gehen? das war die unterhaltung der neuen art. es war die zeit, in der auch sozialpornos die höchsten einschaltquoten garantierten. wir sahen zerrütteten existenzen zu, wie sie im alltag scheitern oder urpeinlich werden. empathie oder solidarität waren nicht vorgesehen.
dann kam der facebook-hype. der „gefällt mir“-reflex ist die neue abstimmung und scheinbare teilhabe. der „shitstorm“ die angeblich gerechte strafe für solche, die nicht dem mainstream entsprechen. schnell mal da geklickt, mal dort was reingeschrieben. hurtig drauflos.
in prozessen gegen mutmassliche hassposter*innen fallen immer wieder rechtfertigungssätze wie „ich hatte keine ahnung, dass das solche folgen hat“, „ich hab da nicht darüber nachgedacht“ oder „wenn ich gewusst hätte, dass das so viele lesen…“
mal für die einen sein, mal für die anderen, schnell mal elektronisch jemanden ausbuhen, geht doch. da kann doch so ein kreuzerl auf einem simplen stück papier auch nicht so tragisch sein. wen finden wir cool? ja den! super, der traut sich was.
inhalte sind out. reale probleme sind out. menschenrechte waren eh immer schon out. die fiktion ist in: alle probleme kommen nur daher, weil wir so viele fremde in unserem land haben und noch immer hereinlassen. und die lösung ist in: meer abmauern, grenzen dicht, abschotten. wir sind uns allein genug.
ein land erhebt den shitstorm zum programm.
wirklich nie wieder?
so ein gedenken ist so eine angelegenheit. wir gedenken der novemberpogrome und seit je her hängt sich gleich ein zumindest gedachtes „nie wieder“ an jeden bericht, an jedes bild. es ist uns selbstverständlich geworden, dieses „nie wieder“.
doch was sich in europa in den letzten wochen, monaten und jahren stetig steigert, lässt einem das „nie wieder“ nicht mehr so leicht denken. zu stark erinnern die bilder an die ereignisse von damals. statt synagogen brennen jetzt halt flüchtlingsunterkünfte. der antisemitismus ist einfach umfassender geworden. nicht mehr nur juden sind das feindbild, jetzt sind es menschen aus allen (semitischen?) ländern, aus welchen sie zu uns fliehen wollen. nun sind beinahe alle mit gemeint die von anderswo her kommen.
fremdenfeindlichkeit feiert fröhliche urständ. potentielle terroristen sind sie, unsere kinder gefährden sie, auf unsere frauen haben sie es abgesehen. wird irgendwo aufmerksam gemacht, dass es sich nun mal in erster und unverrückbarer linie ganz einfach um menschen handelt, wird trotzig geschmollt. wir leben zwar in einem der reichsten länder der welt, aber wir haben weder platz noch mittel.
abhanden gekommen sind uns solidarität und gemeinschaftsgefühl. viele reagieren auf zu uns flüchtende menschen, wie wenn sie es ganz alleine zu stemmen hätten, dass diese menschen nun mal da sind. wir sind vereinzelt. wir sind individualisiert. wir denken uns allein. und vielleicht noch 2 oder 3 angehörige. und alle anderen sind bedrohung.
weg mit denen. die gehören da nicht her. die bringen uns nur probleme. sie sind schmarotzer und gefahr. wir brauchen endlich eine lösung.
da kann dann schon ein brauner parlamentsabgeordneter die im meer ertrinkenden menschen öffentlich verhöhnen. und deutsche lehrer_innen warnen 12jährige mädchen (sic!!!) vor „oberflächlichen sexuellen abenteuern mit sicher oft attraktiven muslinischen männern“. ist „f*ckt nicht mit moslems“ das neue „kauft nicht bei juden“?
da geht immer was. es wird immer normaler, sich was gegen „die“ zu leisten. dort ein „sager“. da ein beschmierter gedenkstein. und dann wieder mal ein gelegter brand.
also:
wirklich nie wieder?
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bild:
identitäre plakate entsorgen!
jubeln? nicht? vergessen?
70 jahre zweite republik. feierliche ansprachen. grosse gesten. ehrengäste. und dennoch will nicht so richtig feierstimmung aufkommen. irgendwie sind wir ermattet. müde. wir können sie fast nicht mehr hören, die einen und die anderen redner_innen. was ist los?
70 jahre zweite republik. wäre das nicht einen grossen jubelschrei wert? selbstverständlich! grosser jubelschrei für die befreiung vom naziterror, grosser jubelschrei für das ende des holocaust, grosser jubelschrei für die überwindung des weltkrieges. grosser jubelschrei für den wiederbeginn einer welt, die aus dem grauen lernen will, lehren daraus ziehen will, bewusstsein sichern will.
70 jahre zweite republik. wäre das nicht einen grossen jubelschrei wert? natürlich nicht! wie sollten wir jubeln angesichts der tatsache, dass so vieles nicht geschafft, so vieles wieder verloren gegangen und so vieles ganz gehörig schief gegangen ist? jubeln ist nicht angebracht, angesichts der zunehmenden verteilungsungerechtigkeit, der wachsenden kapitalkonzentration und des ungebremsten aussaugens der bildungs- und sozialsysteme. und die toten an den aussengrenzen des kontinents, in anderen ländern, in anderen kontinenten – egal?
70 jahre zweite republik. wäre das nicht einen grossen jubelschrei wert? nun, jubelschrei vielleicht nicht, aber zufriedenheit, genügsamkeit oder gar etwas bescheidenheit würden uns gut tun. demut wäre angebracht, wenn wir bedenken, wie gut es uns eigentlich in unserem land im durchschnitt geht. dabei sollen nicht die verlierer_innen in unserem ungerechten system vergessen werden, aber es steht uns wahrlich nicht zu, in unserer situation zu jammern. wir sollten dankbarer sein. zu dieser dankbarkeit gehörte dann auch das ablegen von neid, gier und habsucht. zu dieser dankbarkeit gehörte eine offenheit, die menschen als solche annimmt, aufnimmt, unterstützt und sichert.
was sagen uns wohl jene menschen, die vor 70 jahren wieder neu angefangen haben, die erleben mussten, was hunger, lebensgefahr und diktatur bedeuten und fortan jedes stück brot und jede ruhige minute wertschätzen konnten? was sagen uns jene menschen, die vor 70 jahren es wagten, wieder ein leben aufzubauen?
versetzen wir uns nach 70 jahren in die ersten tage der „nachkriegszeit“ und überlegen wir doch mal für ein paar minuten, wo wir im vergleich dazu heute stehen. ja, es liegt vieles im argen, aber nein, wir haben kein recht, uns zu beklagen. unser reichtum und unsere sicherheit sind uns verantwortung.
und vergessen wir nicht, warum die grosse katastrophe überhaupt entstand. welche gewalten jene entfesseln konnten, die uns menschen in „richtige“ und „falsche“, in „lebenswerte“ und „unwerte“, in „gesund“ und „krank“ sortieren wollten.
jubeln? nicht? vergessen?
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dieser artikel ist am 28.4.2015 auf fischundfleisch.com erschienen und ist auch dort direkt aufrufbar.
bild: guentherz creative commons licence by
eine nazikarriere 2015?
da ist einer so rechts, dass ihn die braunblauen ausschliessen, weil sie wieder staatstragend werden wollen. siegfried heisst der kampl und er weigerte sich vom nationalsozialismus zu distanzieren. nicht in irgendeinem hinterhof, auch nicht am berühmten stammtisch, sondern als bürgermeister einer nicht unbekannten gemeinde in koroska. laut medien meinte er in einem interview:
„Nur von dem, was sie gemacht haben, distanziere ich mich, nicht vom Nationalsozialismus. Das darf man nicht sagen, dass der zum Teil schlecht war.“
das disqualifiziert, das drängt einen an den politischen rand, so weit, dass ein mitspielen nicht mehr möglich ist. waren viele der meinung. aber denkste. gurk ist anders. anders rechts. noch rechter. gurk wählt den kampl mit 58,43 % zum bürgermeister. na bitte, geht doch. siegfried ist stark. im koroska geht noch was.
eine nazikarriere 2015?
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foto: acquitrino cc by nc sa
remixed by bernhard jenny cc ny nc sa