aufklärung heisst naivität ablegen

salzburg foto: bernhard jenny

wir wissen schon lange, dass lehrerInnen auch nur menschen sind, dass es solche und solche gibt. von ärztInnen behauptet wohl heute niemand mehr, dass sie die göttInnen in weiss wären. im gegenteil, wir wissen, dass die medizin vieles kann, was uns wie ein wunder erscheinen muss, aber auch mindestens sovieles nicht weiss und nicht kann. dass manche pfarrer für ihre schützlinge unendlich gefährlicher als der schlimmste krampus sein kann, hatten wir zwar schon in unserer kindheit irgendwo mitbekommen, wirklich wahr haben konnten wir es nicht, bis nun alles endlich ans licht gekommen ist. von den politikerInnen kann ich mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte mal jemanden eine hohe meinung über angehörige dieses berufsstandes zu hören bekam, was sich andererseits viele gar nicht verdient haben. es gibt nämlich auch ehrlich engagierte. nicht zu vergessen die bankerInnen, einst einmal ein berufswunsch für alle, die sauber bleiben wollten. inzwischen wissen wir, dass in manchen etagen die schmutzigsten dinger laufen, die wir uns kaum vorstellen können.

die reihe liesse sich beliebig fortsetzen, mit polizistInnen, juristInnen und richterInnen, mit journalistInnen und so weiter und so fort.

nun lernen wir auch noch von einer bis vorgestern seriös bekannten finanzabteilung des landes, samt den politisch verantwortlichen und allen kontrollorganen bis ganz hinauf zum rechnungshof, dass nichts ist, wie es scheint, dass alles auch illusion sein kann. 340 millionen liegen unter der wahrnehmungsgrenze. besser gesagt: es weiss vermutlich niemand, wieviel dann letztlich abgehen wird. klar ist nur, wem es abgehen wird.

zumindest weniger gutgläubig sollten wir nach diesen erfahrungen sein. wir lernen, dass es keinen bereich gibt, der nicht allen menschlichen höhen und tiefen ausgesetzt ist. die einzige möglichkeit uns vor schwersten schäden zu schützen ist, niemals blauäugig inszenierten autoritäten zu vertrauen. in allen von uns können opfer, aber auch täterInnen stecken.

jede überhöhung, jede idealisierung, jeder kult bringt uns in gefahr. gerade wenn wir eine ehrliche und offene aufarbeitung von skandalösen vorgängen wollen, müssen wir uns bewusst sein, dass es „menschelt“. das darf selbstredend nicht bedeuten, dass weder die ursache identifiziert noch die schuldigen zur verantwortung gezogen werden müssen. im gegenteil.

es darf aber auch nicht heissen, dass sich das ganze system der verantwortlichen an einer einzigen – wenn auch zentralen – person „abputzt“. selbst aus der distanz wird klar: die theorie von der einzeltäterIn mit der „unglaublichen kriminellen energie“ ist bei so vielen angeblichen kontrollebenen, die nichts bemerkt haben wollen, viel zu einfach. also (grobfahrlässig oder dummerweise) naiv.

vielleicht hat (fast) jeder skandal was gutes. es gibt irrtümer, fehlverhalten und menschliches versagen. und es gibt gezieltes hintergehen und betrügen zum schaden vieler. aufklärung tut not. aber:

aufklärung heisst naivität ablegen.

kinder gehören weder in gefängnisse noch in kasernen

530000 / 1400 / 65 grafik:bernhard jenny creative commons

offener brief an hofrat mag. franz erwin eiersebner

vor vielen jahren haben wir uns immer wieder getroffen und freundschaftlich verbunden viele gemeinsamkeiten entdeckt. vieles in unserer gesellschaft schien uns stark verbesserungswürdig, vieles erschien uns viel zu unmenschlich. nicht zuletzt war es auch dein werdegang als familienvater und theologe, der dich besonders an die notwendigkeit neuer, friedlicher und konstruktiver wege glauben liess.

umso mehr bin ich nun jahrzehnte später von deinen stellungnahmen als verantwortlicher fachreferent für migration und hofrat des landes betroffen, vorausgesetzt, dass dich die medien (orf, salzburger nachrichten, salzburg24) richtig zitieren.

du siehst also in den unbegleitet minderjährigen flüchtlingen, also in den zu uns flüchtenden kindern (!!!) ein problem? unabhängig davon, ob dieses problem schlimm, eklatant oder weniger schlimm eingestuft wird, allein der umstand, in diesen kindern ein problem zu sehen, erschüttert mich.

du sprichst davon, dass es sich um „ankerkinder“ handelt, die ohnehin nur von den eltern vorausgeschickt werden, damit sie sich hier ansiedeln können. mag sein, dass die verzweiflung und notlage mancher menschen sie wirklich zu allem uns kaum vorstellbaren treibt. ist das wirklich so ein problem für uns, die wir in einer der reichsten regionen der welt leben? wie passt das brandmarken hilfesuchender kinder in dein christliches weltbild?

ich muss lesen, dass 65 kinder bei uns in kasernen untergebracht sind. das fällt vermutlich in deine verantwortung. stelle dir vor, eines deiner kinder wäre aus wahnsinnigen umständen gezwungen gewesen, in ein anderes land zu flüchten und dort hätte ein landesbeamter dein kind in alten militärkasernen untergebracht, obwohl rundherum luxus und reichtum herrscht? wie wäre es dir da gegangen?

du weisst, dass ich in diesem jahr das verdienstzeichen des landes salzburg verliehen bekommen sollte, welches ich aber nicht annehmen konnte. solche missstände, wie jene, die aus hilfesuchenden kindern probleme machen und diese in kasernen vor der gesellschaft versteckt, sind es, warum ich froh bin, diese auszeichnung abgelehnt zu haben.

kinder dürfen niemals ein problem sein.
kinder verdienen in jedem fall unseren uneingeschränkten schutz.
kinder gehören weder in gefängnisse noch in kasernen.

ps. das bild in diesem blogbeitrag zeigt die anzahl der menschen, die im land salzburg leben und darin enthalten die 1400 asylwerberInnen. und die gefahr der 65 unbegleiteten kinder! was für ein problem!

pps. ihr schreibt in euren broschüren
„Die größte Gruppe der Nicht-Österreicher-Innen (42%) kommt aus dem ehemaligen Jugoslawien (28.000 Personen), gefolgt von Deutschland (14.000 Personen) und der Türkei(6.800 Personen).“
das ist unzulässige manipulation. das ehemalige jugoslawien gibt es seit 20 bzw. 9 jahren nicht mehr. wie wäre es, wenn uns eine griechische migrationsbehörde gemeinsam mit vielen anderen als besucherInnen aus dem „ehemaligen dritten reich“ oder aus „österreich-ungarn“ zählen würde?

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wir alle sind geworg, gabi und heinz

screenshot_salzburgernachrichten_geworg

wenn die schülerInnen und lehrerInnen des BORG nonntal (salzburg) heute auf die strasse gegangen sind (SN bericht mit videobericht), um für den verbleib des 17-jährigen geworg aus armenien zu kämpfen, dann ist dies ein schönes, weil schwer zu überhörendes zeichen der solidarität.

es ist nicht der erste, nicht der einzige und auch sicher nicht der letzte fall, der so deutlich zeigt: wer immer die betroffenen menschen kennt, wer die absurdität unserer fremdengesetze aus nächster nähe erlebt, wird nicht verstehen können, dass der ungeist der xenophob und rassistisch denkenden – einmal in gesetzesform gegossen – gar so heftig durch exekutive, behörden und politik weht.

gratulation den aktivistInnen, die sich schon seit langem für geworg einsetzen, so wie sich andere für weitere fälle engagieren – nicht alle sind davon wirklich öffentlich bekannt.

wir dürfen nicht zulassen, dass ein absurder wettkampf um öffentlichkeit, mitleid und „wer hat die tragischere background geschichte“ eintritt, es ist wichtig, dass wir endlich erkennen: es gibt keine richtige abschiebung im unterschied zur falschen.

letztlich darf nur eines zählen:

menschen sind gekommen um hier zu leben.
genauso wie wir hier her gekommen sind um zu leben.

die einen per geburt, die anderen aus der näheren umgebung, wieder andere von weiter.

sollten alle menschen, die nicht in der stadt salzburg geboren sind, so rasch wie möglich diese stadt verlassen? oder gar jene, deren mutter / vater nicht auch schon in salzburg geboren sind?

dann hätten wir ab sofort weder unseren bürgermeister, noch unsere landeshauptfrau.

oder sollen wahlsalzburgerInnen sein dürfen?

niemand hat mehr recht als andere.

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foto: scrennshot aus sn videobericht
SN bericht mit videobericht
ORF bericht

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salzburger armutszeugnis

bettelgeld foto: bernhard jenny

ein armutszeugnis
ein offenbarungseid
so ein beschluss
der satten
und reichen
und kulturstadtverteidigerInnen

organisiertes betteln
was auch immer das sein soll
wollen jene verbieten
die das
organisierte verbrechen
der umverteilung
von unten nach oben
nicht nur nicht verhindern
sondern noch kräftig
unterstützen

ein schönes stadtbild
eine flanierlandschaft für superreiche
eine orgie der angeblichen hochkultur
wird sauber gehalten
das hatten wir schon mal
das sauber halten
weg mit denen
die offensichtlich arm sind
die ihre armut nicht verstecken

da sind sie sich einig
die feinen damen und herren
dass sie mit ihren feinen tüchern
nicht anstreifen wollen
an schmuddeligen kinderhänden
oder an den offenen hüten
den kriminell scheppernden dosen
die so gar nicht in die stadtmusik passen
die ach so aggresiv
ach so organisiert
ach so mafiös
sind

sauberes christliches salzburg
wie fein du doch bist
herausgeputzt und
edel

nazis dürfen in bürgermeisterstuben jubeln
sie werden sich verordnungen einfallen lassen
die sich gewaschen haben
weg mit denen
den armen

wer wird hier vor wem geschützt?

ein armutszeugnis
ein offenbarungseid
salzburg betätigt sich wieder

ps. meine warnmeldung zu salzburg hat nicht an aktualität verloren
pps. wenn regelmässig und mit indirekter aufforderung ihnen körbe unter die nase gehalten werden, dann ist das organisiertes betteln? also ist das sammeln in den kirchen ab sofort verboten, oder?

SN bericht

fall amina: eiertanz ohne ende

foto: bernhard jenny

die gute nachricht zuerst: amina und ihre mutter sind nach einer odyssee nach russland wieder retour. (bericht orf) das ganze wurde von jenen behörden erzwungen, die es nicht aushalten wollen, wenn menschen, die bei uns zuflucht suchen, sich bei uns wohlfühlen.

die schlechte nachricht: das gängelband der behörden kennt kein ende. die erzwungene „freiwillige“ ausreise allein war schon ein skandal, der psychische stress ist nicht zumutbar – ganz abgesehen von den finanziellen belastungen. auch wenn private unterstützerInnen helfen konnten, so wäre deren geld auch anders einzusetzen gewesen, wenn, ja wenn…

amina und ihre mutter haben noch immer nicht die aufenthaltsgenehmigung schriftlich in der hand, das kommt lt. orf in den nächsten tagen.

und die genehmigung gilt erst wieder nur für ein jahr.

es muss sich für manche schon unglaublich geil anfühlen, schutzsuchende immer und immer wieder spüren zu lassen, dass sie abhängig sind. vielleicht sind sie ja „selbst schuld, dass sie zu uns gekommen sind“.

solange wir menschen durch gesetze und behörden in richtige und falsche sortieren lassen, machen wir uns schuldig.

wirklich mensch sind wir erst dann, wenn wir das menschsein allen gleichermassen zugestehen.

ohne unterschied.

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übersicht über alle artikel zu amina in diesem blog

offener brief an bgm schaden in sachen asyl: gratulation! aber.

rathaus salzburg foto: bernhard jenny

sehr geehrter herr bürgermeister dr. heinz schaden!

gratulation.
es war dringend notwendig, dass sich endlich jemand gegen die unhaltbaren zustände in sachen abschiebungen und asyl zu wort meldet. es stimmt, dass sehr viele argumente, die die hardliner immer wieder ins treffen führen absurd sind, wie

„die einschränkenden Bemerkungen ‚Die sind ja illegal eingereist‘ – ja no na net. Flüchtlinge und Asylwerber sind meist illegal eingereist. Die können sich nicht bei der österreichischen Botschaft in Georgien oder in afrikanischen Staaten anstellen und sagen: Ich hätte jetzt gerne ein Visum. Erstens bekommen sie es nicht und zweitens ist allein das schon auffällig und gefährlich und wird ihnen zur Last gelegt.“ (*)

und ich kenne selbst auch solche bürgermeister und ich bin froh, dass es sie gibt, wie jene, die sie anführen, die

„sehr viele Bürgermeister auch kleinerer Gemeinden, von denen man auch angesichts der Parteizugehörigkeit nicht automatisch erwartet, dass sie sich stark machen. Wenn die sagen: Die Familie ist gut integriert und wir wollen, dass die hierbleiben, dann ist das für mich ein Signal.“(*)

es ist auch grundehrlich, dass sie die rolle der eignen partei nicht verstecken:

„Lassen wir es dabei bewenden, dass auch die Sozialdemokratie in den letzten Jahren eher der Verschärfung das Wort gesprochen hat.“(*)

aber.
ich glaube fest, dass das system an und für sich falsch ist. die tatsache, dass sich jemand anmasst, darüber zu entscheiden, wer wo wie zu leben hat und wer nicht, die tatsache, dass zwischen richtigen und falschen unterschieden wird, das ist das eigentliche problem.

wenn wir an diejenigen bügermeisterInnen denken, die sie anführen, mag das gut ausgehen, wenn sie mehr entscheidungskompetenz hätten und vielen menschen das bleiben ermöglichen könnten. aber stellen sie sich nur mal vor, ihr rechtsaussenstellvertreter samt dessen rechtsextremen büroleiter dürften bestimmen, wer bleiben darf oder nicht? was wäre dann?

im übrigen ist deren rolle in der stadt salzburg wahrlich bedenklich, denn sie entscheiden sehr wohl über die art und weise, wie „fremde“ menschen von unseren ämtern behandelt werden. (hier dazu meine warnung, die noch immer gültig ist)

das problem ist also nicht dadurch zu lösen, dass die einen oder die anderen entscheiden sollen, wer bleiben darf und wer nicht, sondern nur dadurch, dass wir endlich anerkennen, dass alle menschen gleich sind. und daher alle menschen das recht haben, zu leben, zu arbeiten und zu wohnen wo sie wollen. unsere gesellschaft würde dadurch gewinnen und nicht verlieren.

daher mein dringender appell:
unterscheiden wir endlich nicht mehr zwischen richtigen und falschen menschen.
der faschismus hat uns gezeigt, wohin das führt.
gestehen wir allen menschen zu, das zu sein, was sie unumkehrbar sind: menschen.

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* zitate lt. orf salzburg

aufruf zum ungehorsam gegen deportationsfaschismus

ungehorsam (bernhard jenny)

menschen zu deportieren ist faschistoid. immer wenn menschen glauben, sich über andere erheben zu können, ihnen vorschreiben zu können, wo sie zu leben haben und wo nicht, ist dies letztlich faschistisch, rassistisch und fremdenfeindlich.

schon einmal haben in unserem kulturkreis gesetze fein säuberlich die schlimmsten verbrechen des holocaust vorbereitet, ermöglicht und legalisiert. faschistische gesetze dürfen nicht eingehalten werden, das führt direkt ins verderben.

wir brauchen menschen, die aufwachen. menschen, die früher aufstehen als jene, die kleine kinder und deren familien in nacht und nebel aktionen abholen und ins verderben zurückschicken, vor dem sie geflohen sind. wir brauchen menschen, die erkennen, dass bei faschistischen anweisungen und gesetzesvorgaben amtsmissbrauch und rechtsbruch zur pflicht werden.

wir brauchen beamtInnen in den behörden, in der exekutive und organisationen, die faschistische deportationen und abschiebungen, psychoterror und übergriffe verhindern und/oder solche schonungslos aufzeigen. wir brauchen politikerInnen, journalistInnen und menschen in allen bereichen der gesellschaft, die diesen ungehorsam massiv unterstützen. es gibt sie, die beamtInnen, die nicht mehr mitspielen wollen, aber es gibt auch jene, die lustvoll den faschismus durchexekutieren.

wer immer noch einen funken menschenverstand hat möge endlich munter werden. es ist zeit, in diesem staat nicht mehr mitzuspielen, in der festung europa den faschismus zu bekämpfen und widerstand zu leisten.

schluss mit dem faschismus 2.0
der deportationsstaat verdient unbedingten ungehorsam.

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