die lähmung der vernunft ist tödlich.

ist es schockstarre? ist es angst? ist es naivität?

angesichts der vorkommnisse in unserem land in den letzten wochen, monaten und jahren müsste ein lauter aufschrei, ein eindeutiges und unmissverständliches zusammenrücken tatsächlicher (!!!) demokrat*innen ein für alle mal klarstellen, dass grundrechte, menschenrechte und das gefüge eines offenen und humanen landes nicht verhandelbar sind.

nichts dergleichen passiert. im gegenteil: entnervt ziehen sich viele jener, die für ehrlichen diskurs und kreative bewältigung ernster probleme (wie wenn wir keine hätten!) eigentlich offen wären, aus social media, öffentlichen diskussionen und politischen debatten zurück, denn der rechte mob ist „überall“ und wird lästig, wird übergriffig und bekämpft gezielt eine offene gesellschaft.

worauf soll noch gewartet werden?
was muss noch passieren?

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gedenken für lisa maria kellermayr in salzburg

heute haben sich um 19 uhr viele menschen auf dem kajetanerplatz versammelt, um dr.in lisa maria kellermayr zu gedenken und das, was geschehen ist zu bedenken. auf initiative von hadwig soyoye-rothschädl wurden viele wesentlichen aspekte beleuchtet.

mein redebeitrag zu diesem würdigen gedenken hier:

liebe lisa maria kellermayr!

die pandemie hat uns viele statistiken gebracht
statistiken mit positiv getesteten
statistiken mit akut erkrankten
statistiken mit hospitalisierten
statistiken mit intensivmedizinisch betreuten
statistiken mit toten

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ein soli-tweet rettet kein leben

ich bin traurig, ich bin entsetzt, ich bin berührt, ich bin wütend. vielen war sie bekannt, viele dachten, mit ihr in kontakt zu sein. auch ich war entsetzt, was rechte hetze und frauenfeindlicher hass in verbindung mit kommunikation der schwurbelgewalt anrichtet.

dass österreichische geheimdienste wochenlang nichts finden konnten und dann eine hackerin binnen kürzester zeit wichtige spuren im netz indentifizieren kann, war skandalös. die frage, auf welcher seite welche behörden oder zumindest bestimmte akteur*innen stehen, hallte durch das netz.

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sebastian kurz ist nicht das einzige problem.

das wäre zu einfach. denn das eigentliche problem ist, dass es soweit kommen konnte.
wie weit?

wenn verhöhnung von menschen zum offiziellen regierungsprogramm wird, dann ist viel mehr im argen, als bloss eine besetzung einer zentralen funktion. derartiges entsichert die grundfesten jener schutzdämme, die mühsam in der nachkriegszeit aufgebaut wurden, um eine flut von menschenverachtung in unserer gesellschaft zu verhindern.

da ist schon viel mehr als die gute stube einer erziehung abhanden gekommen. da geht es um enttabuisierung jener niedrigsten beweggründe, von welchen die holocaustüberlebende gertrude pressburger im november 2016 gesprochen hat.

moral? werte? alles vorbei?

dass es menschen gibt, die andere menschen verachten und verspotten, ist zwar schlimm, aber bei entsprechender kultur würden solche positionen nie die oberhand gewinnen.

dass ein junger mensch ohne abschluss in die position des bundeskanzlers gewählt wurde und damit in seinem eigenen amt sich nicht als praktikant bewerben dürfte, weil dort ein studienabschluss die voraussetzung ist, ist zwar peinlich, aber nicht der kern des problems.

der kern ist, dass mit sebastian kurz ein vertreter der zerstörung an die scheinbare macht gekommen ist. solidarität? humanität? menschenrechte? werte?

spaltung. entsolidarisierung. hohn. spott. das geht. fast alles geht. die offensichtlichen grausamkeiten übernehmen gerne die straches, kickls, hofers und co. denen graust vor nichts, die greifen auch noch in den letzten morast der ausländerfeindlichkeit, der hetze und der einzelfälle.

sebastian kurz ist das gestriegelte unschuldsgesicht für diesen werteverfall, der wie sein mentor schüssel sogar dann noch schweigen kann, wenn das auch als zustimmung zu den unendlichen serien der rechtsextremen grausamkeiten gelten muss.

sebastian kurz ist in der lage, schlimmste menschenverachtung in harmlosnaiver sprache im stil eines maturantenreferats zu formulieren. nur wer genau hinhört, was schwer genug fällt, erkennt, welche unerträglichkeiten er von sich gibt.

wir müssen zur kenntnis nehmen, dass nichts mehr sicher ist. nicht, weil irgendwelche migrantischen bedrohungen unser system angreifen, sondern weil uns selbst das system abhandengekommen ist.

das freie spiel der mächte, der konzerne, der besitzenden und der profiteure ist längst in vollem lauf. um davon abzulenken, braucht es keine wirklich fähigen politischen entscheidungsträger, sondern statist*innen. menschen, die sich ob ihrer blinden eitelkeit nicht zu schade sind, eine rolle zu spielen, ohne diese verstanden zu haben oder auch nur annähernd der vorgegebene charakter zu sein. menschen, die selbst immer nur vom system, aber niemals in der realität der heute von ihnen regierten gelebt haben. menschen, die unendlich ahnungslos sind. menschen wie sebastian kurz.

das skript dieser inszenierung ist nach dem prinzip der umkehr geschrieben: zurück in die vergangenheit, die niemals eine solche war, zurück zu einer gerechtigkeit, die ungerechtigkeit bedeutet, zurück zu einer gesellschaft, die nur ausgrenzt und spaltet, statt gemeinschaft zu bilden. sie schreiben sich den berühmten „kleinen mann“ auf die fahnen und bekämpfen ohne mit der wimper zu zucken jeden sozialen ausgleich.

dass der türkise shootingstar wirklich vollinhaltlich weiss, was er neonational so alles umverteilt, ist schwer vorstellbar, aber deswegen um nichts beruhigender.

dass ein mensch mit dieser qualifikation und seinen bereits vor der wahl offen dargelegten affinitäten zu zynischsarkastischen rechten so weit kommen konnte, das ist das eigentliche problem.

dass eine vorgeblich christlichen werten verpflichtete partei sich dermassen von einem tragischen schelm des schnellen erfolgs auf den weichteilen herumtanzen lässt, wird dieser noch gewaltige probleme einbringen.

sowohl innerparteilich, als auch gesamtgesellschaftlich sind da verdammt viele demokratiepolitische und soziokulturelle sicherungen durchgebrannt oder gar nicht mehr da gewesen.

es muss viel mehr passieren, als eine personalentscheidung.

sebastian kurz ist nicht das einzige problem.

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foto: harald bischoff cc licence by sa mixed by bernhard jenny cc by sa

wenn die hetze real wird

vor wenigen tagen, irgendwann vor mitternacht, mitten in salzburg. ich bin mit dem fahrrad auf dem heimweg, die nacht ist wärmer, als für diese jahreszeit üblich. ich fahre entlang der salzach, überquere eine brücke und muss dann über einen geregelten zebrastreifen. kaum bis gar kein verkehr.

die ampel schaltet für mich auf grün, für ein einziges auto auf der hauptstrasse auf rot. dies scheint dem fahrer gar nicht zu passen. während ich den zebrastreifen quere, lässt er plötzlich den motor des aufgemotzten komplett weiss lakierten pkw mit heckspoiler aufheulen und beginnt ruckartig mit der „androhung“ loszufahren.

ich denke noch, was für ein spinner und gebe ihm das auch noch gestisch zu verstehen, setze mich dann auf das rad um weiterzufahren.

der für solche getunete autos relativ kleine pkw hat immer noch rot, da schreit der beifahrer plötzlich mir nach:

„scheissäää judäää! gas! gas! gas!“

während ich stehen bleibe, fährt er nun mit einem „kavalierstart“ davon.

der restliche heimweg – bei sehr wenig sonstigem verkehr – war mir etwas unheimlich, ich wusste nicht, ob mir irgendwann der blitzweisse wagen wieder begegnen oder folgen würde.

ist das die fortsetzung der hetze, die schon auf judas watch erlebbar wurde?

nachdenklich macht mich, dass ich keine lust habe, mit diesem vorfall zur polizei zu gehen und eine anzeige zu erstatten. da hat sich etwas grundsätzlich verändert in den letzten monaten und jahren.

dieser vorfall ist für mich persönlich die leider nur allzu logische fortsetzung von vorfällen, die ich in zeiten der „waldheim-affäre“ wiederholt erleben musste. das wird unheimlich.

es ist wieder da, dieses mulmige gefühl:
wenn die hetze real wird

 

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bild: knuton cc by sa / bernhard jenny cc by sa

opposition oder widerstand?

allerorts das bedauern über das fehlen einer opposition. da und dort scheint sie sich mit sich selbst zu beschäftigen, gegen sich selbst zu intrigieren oder gar sich aufzulösen. grosse namen einer reihe durchaus kluger menschen haben mehr oder weniger freiwillig die bühne verlassen (müssen), manche sind wieder mit halbem fuss zurück, aber wirklich echte opposition? wo ist sie?

vielleicht liegt es auch daran, dass es in zeiten, wo rechtsextreme und schmissbrüder höchste ämter im staat innehaben, es längst nicht mehr um opposition gehen kann.

opposition ist das logische gegenstück zu einer regierenden gruppe oder partei – im demokratiepolitischen kontext. also immer dann, wenn der gesellschaftliche diskurs auch wirklich ein solcher ist, ausgewogen und fair.

in zeiten der demokratiezerstörenden aktivitäten mit offenem rassismus, blühendem fremdenhass, aggressiver frauenfeindlichkeit, zerstörerischer aufkündigung aller sozialen sicherheiten und einschränkung von presse- und meinungsfreiheit ist opposition nicht das adäquate mittel.

da ist widerstand angesagt.

klingt leicht, ist aber nicht einfach. opposition oder demokratiepolitische diskurse haben wir erlernt, damit sind wir gross geworden. das macht quasi das wesen unserer politischen entwicklung aus.

aber widerstand? den kennen wir aus geschichtsbüchern und filmen, aus berichten von fernen ländern, den hat es in unserer lebenswirklichkeit noch nicht gegeben. zumindest nicht in der nun gefragten form. ein atomkraftwerk oder eine hainburg-au ist längst nicht mit jener herausforderung zu vergleichen wie jene, vor der wir jetzt stehen. jetzt geht es um die gesamtstruktur unserer gesellschaft und um das wertesystem, um menschenrechte, um diversität, um emanzipation und soziale gerechtigkeit in einer ökologisch gefährdeten welt. es geht um nicht weniger, als darum, ob turbokapitalismus ungehindert in eine diktatorische zerstörung der grundordnung und eine spaltung in kleine reiche eliten und grosse arme massen überführen darf. mit der fokusfalle auf die migration sollen wir übersehen, dass uns das eigene leben und das unserer kinder und kindeskinder ganz beiläufig geraubt wird. wir müssen uns bewusst machen, was widerstand wirklich bedeutet. und daraus logische schlüsse ziehen.

wonach schreit die aktuelle lage?
was hat die aktuelle regierung verdient?
opposition oder widerstand?

#hassposting ist #hassposting – nicht für die grünen?

albert steinhauser und eva glawischnig präsentierten gestern ihre vorschläge für die erleichterung von prozessen gegen hasspostings. dagegen wird – angesichts des zunehmenden auftretens von enthemmten hasstiraden und gefährlichen drohungen in den diversen plattformen und foren – niemand etwas haben können. der vorschlag, den schutz gegen solche übergriffe auszudehnen ist also nur vernünftig.

allerdings ist – aus wirklich unerklärlichen gründen – meiner meinung nach der vorschlag der grünen ein schwerer supergau. denn allein schon, dass der vorschlag „schutzwürdige gruppen“ sieht, lässt die umgehende frage aufkommen, wer denn zu einer „nicht schutzwürdigen gruppe“ gehören soll.

die idee, in schweren beleidigungen und drohungen schneller als bisher einen gesetzlich vorgesehenen anlass für rechtliche verfolgung zu sehen, ist mit sicherheit richtig. absolut nicht nachvollziehbar ist, warum diese gesetzesnovelle nur für „frauen, lgbtq-personen oder ethnische minderheiten“ gelten soll.

der standard schrieb darüber:

Ein weißer, heterosexueller Österreicher, dem jemand den Tod wünscht, erhält diese Möglichkeit vorerst nicht – es sei denn er wird wegen seiner Heterosexualität attackiert. (…) Der Grund dafür, diesen Paragrafen auf geschützte Gruppen zu beschränken, liegt darin, dass diese am öftesten Opfer von Hasspostings werden.

es stimmt mit sicherheit, dass frauen im netz viel öfter ziel von hasspostings sind, als männer. was aber de facto ohnehin dazu führt, dass selbst bei einem für alle von hasspostings betroffenen in gleicher weise geltenden recht eben auch entsprechend mehr gesetzliche inanspruchnahme der neuen schutzbestimmungen durch frauen passieren würde.

die logik, dass besonders häufig angegriffene zielgruppen anders als die anderen geschützt werden müssen, ist fatal. genauso könnte jemand auf die idee kommen, die entführung reicher menschen härter zu bestrafen, als eine von armen. letztere werden nur sehr selten entführt. oder die beleidigung von menschen über 85 weniger schlimm einzustufen, denn viel häufiger werden menschen jüngeren alters beleidigt.

ich habe jedenfalls den aufruf der vier journalistinnen corinna milborn, ingrid thurnher, barbara kaufmann und hanna herbst im juni via falter niemals so verstanden, dass sie zwischen besonders schlimmen hasspostings gegen journalistinnen im unterschied zu harmloseren gegen andere menschen unterscheiden. es war viel eher der aufschrei gegen hass und sexualisierte gewalt und eben der deutliche hinweis, dass sich diese übergriffe gegen frauen, die öffentlich auftreten, besonders häufen. dieser auftritt war nicht nur wichtig, sondern hoffentlich auch entsprechend mobilisierend.

der vorschlag der grünen aber baut in sachen hasspostings eine 2klassen gesellschaft auf. es kann niemals im sinne einer gleichstellung sein, dass jemand – selbst wenn er ein weisser mann ist – ein hassposting eher hinnehmen soll, als andere.

muss wirklich erst ein homophober kontext, ein antisemitischer oder frauenfeindlicher zusammenhang  nachgewiesen werden, damit eine drohung mit dem tod als besonders schlimm gelten darf?

„ihr werdet alle noch auf hohen laternen hängen, wenn wir die macht haben“

diesen satz sollte ich mir also eher gefallen lassen, weil der hassposter es unterlassen hat, explizit „du schwuchtel“, „du judenschwein“ oder sonst was in das schema passendes dranzuhängen?

ist eine selektion in rechtlichen möglichkeiten, sich gegen hasspostings zu wehren, vertretbar? oder ist selektion nicht viel mehr der beginn allen übels?

eine morddrohung bleibt eine morddrohung.
egal wem gegenüber sie ausgesprochen wird.

#hassposting ist #hassposting – nicht für die grünen?

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bild: bernhard jenny cc by