dringende nachricht an die regierung: der winter kommt!

foto: wuhuu cc licence by sa

klar, damit konnte niemand rechnen, das ist wirklich eine echte überraschung. aber bevor die information bei euch gar nie ankommt, hier die eilmeldung für die gesamte regierung!

während die situation in traiskirchen aus dem fokus der öffentlichen wahrnehmung geraten ist (hat sich dort eigentlich was geändert?), während alle an die grenze spielfeld schauen, wo sündteure grenzzäune die kleingeister unserer länder beruhigen sollen, zeigt ein blick in die wetterprognosen eines: spätestens in einer woche wird es kalt! der winter kommt auch heuer wieder!

was hat sich die regierung nun in den letzten monaten und wochen überlegt? wird der winter euch absolut überraschen? oder überlegt ihr den grenzzaun zu beheizen? was passiert mit all den menschen in notunterkünften wie zelten und folientunnels, was passiert mit menschen, die im freien ungeschützt auf einlass warten? was passiert, wenn decken, kartons und mützen nicht mehr reichen? was passiert, wenn lebensgefahr herrscht?

gehen uns menschen, die erfrieren könnten, erst dann etwas an, wenn sie unser „staatsgebiet“ betreten haben? werden unsere grenzbehörden zusehen, wie menschen auf der anderen seite des zauns erfrieren? oder ist das pressestatement mit der überschrift „dafür sind die slowenischen behörden zuständig“ schon fertig vorformuliert? braucht es also nur mehr das datum? ist das vielleicht der tiefere beweggrund für grenzzäune? damit im falle des falles klar ist, dass die menschen auf der anderen seite waren???

manche, die in den untiefen unseres kulturkreises etwas bewandt sind, feiern bald einmal ein fest des lichts, das in die dunkelheit hoffnung und freude bringt, ja es geht sogar um herbergssuche einer familie mit einer hochschwangeren frau und die geburt eines kleinen kindes in einer notunterkunft. klingelts?

oder hängt ihr eure politische verantwortung als leere kugeln in den maschendrahtzaun, eisig, kalt und lebensbedrohlich?

dringende nachricht an die regierung: der winter kommt!

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bild: wuhuu cc licence by nc

die lage an der grenze spitzt sich zu

foto: bernhard jenny cc licence by sa nc

wie „für gewöhnlich gut informierten kreise“ berichten, wurde anscheinend wirklich von krisenstab der stadt salzburg beschlossen, dass die grenze direkt „weiterhin nicht von den organisationen versorgt wird.“

dadurch werden die freiorganisierten privaten helfer_innen „im wahrsten sinn des wortes im regen stehen gelassen.“ viele dieser helfer_innen sind seit tagen im einsatz und sind am ende ihrer kräfte.

monika schreiner, eine jener helfer_innen, die sich unermüdlich einsetzen, berichtet:

Die Zahl der Helfer schwankt stündlich, die Nachtschicht ist natürlich am schlechtesten besetzt. Es kann mittlerweile halbwegs vor Ort gekocht werden, Teeküche, Suppe. Viel wird von den Leuten zuhause vorgekocht und gebracht. Es mangelt eigentlich an Allem. Hab gestern noch für 100 Euro Müllsäcke und Einweghandschuhe besorgt und das machen viele von den anderen auch. Magistrat ist dort mit Müllcontainern und versucht die Lage unter Kontrolle zu halten. Der Weg zur Asfinag ist gar nicht beschildert, sprich die kommen wieder zurück weil sie das Lager nicht finden. Die meisten wollen nicht weg, weil sie den Platz in der Schlange nicht verlieren wollen, was ja auch verständlich ist. Viele der Freiwilligen sind kaputt, seit Tagen wenn nicht Wochen im Einsatz…

und aktuell:

… seit heute Morgen sind die Toiletten verstopft, ich habe keine Ahnung, ob schon jemand gekommen ist um das zu richten. Im Zollhaus tropft es von der Decke, da kann ein ganzer Raum nicht genutzt werden.

die an vielen stellen in den letzten tagen und wochen immer wieder aufklaffende kluft zwischen ehrenamtlichen privaten helfer_innen und den „offiziellen“ organisationen ist beschämend. anstelle einer gemeinsamen vorgangsweise und gegenseitigen unterstützung wird die tatkräftige zivilgesellschaft im stich gelassen. es ist nicht einzusehen, warum die hilfe für die menschen nicht „aufsuchend“ organisiert wird, denn dass sie nicht irgendwo „zurück“ wollen, wird verstehen, wer mit den betroffenen spricht.

im magistrat war „wegen der gemeinderatssitzung“ niemand erreichbar.

die helfer_innen (sowohl die „freien“ wie auch innerhalb der organisationen) leisten wirklich sehr vieles und wichtiges, es sind die leitenden stellen, die so schwerfällig sind, dass das letztlich gegen viele ausgeht. gegen jene, denen geholfen werden muss und gegen jene, die unter einsatz ihrer letzten energien helfen.

es müsste nicht unbedingt heissen:
die lage an der grenze spitzt sich zu

foto: bernhard jenny cc licence by sa nc

update: offenbar falschmeldung

wie vorgestern berichtet, hat ferdinand farthofer von aktivnews in einem gespräch mit mir über die vermeintlichen schüsse berichtet, er gab mir gegenüber seine ihm persönlich bekannte quelle, die zeuge gewesen sein soll, nicht bekannt. ich habe daher von anfang an meine schlagzeile mit einem fragezeichen versehen und auch davon berichtet, dass es für ein bericht von ferdinand farthofer war.

nach diversen gegenstellungnahmen der polizei und weiteren berichten bzw. (unauffälligen) rücknahmen der meldung, habe ich gestern schriftlich ferdinand farthofer um eine persönliche stellungnahme gebeten, die allerdings nicht eingetroffen ist.

deshalb muss ich hier nun die leser_innen meines blogs davon in kenntnis setzen, dass die angeblichen schüsse wohl wirklich nicht stattgefunden haben. ich muss zur kenntnis nehmen, dass ferdinand farthofer selbst zumindest einer falschinformation aufgesessen ist.

die taz schreibt hier über dieses nun endgültig zusammenbrechende gerücht.

wie vorgestern berichtet war auch mein eindruck von den kontrollen an der grenze eine gänzlich unaufgeregte und korrekt ausgeführte vorgangsweise der beamt_innen.

ich bitte um nachsicht für die verbreitung dieser information, die, wenn sie sich bewahrheitet hätte, eine echte eskalation bedeutet hätte. auch wenn ich niemals eine tatsachenbehauptung aufgestellt habe, sondern deutlich farthofer zitiere, bedaure ich, dass es zu dieser offensichtlich falschen information gekommen ist.

das anheizen der stimmung durch falschnachrichten kann in niemandes interesse sein.

absage an alle ewignörgelnden

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nein. wirklich nicht. ich lasse mich nicht mehr ein auf die ewignörgelnden. auf die immer wieder bedenken habenden, auf die „ja schon, aber“-typen, auf die „was ist mit den unsrigen“-sager_innen oder gar auf die „der islam wird uns überspülen“-zweifler_innen.

es ist vorbei. zulange dauert nun schon das elend an. der krieg vor europas haustür, die konflikte in anderen ländern. zeige mir, welcher dieser konflikte nichts mit europa und/oder dessen interessen zu tun hat! die nöte in den verschiedensten regionen dauern alle schon lang genug an, dass es allen, die einigermassen denken können, möglich gewesen sein muss, sich ein bild von der not und dem elend zu machen, aus dem die menschen fliehen.

wer diesen menschen stacheldraht, einreiseverbote entgegenstellt und keine legale möglichkeit zur flucht in unsere länder bietet, ist so schuldig, wie jemand, der menschen nur mit dem richtigen ausweis oder glaubensbekenntnis oder hautfarbe aus einem brennenden haus rettet. wer es bis jetzt noch nicht spürt, was da läuft, wird es wohl nie verstehen.

die politisch weiterdenkenden menschen sind aber NICHT die umerziehungspädagog_innen für ewiggestrige, für dumpfe zyniker_innen, für hetzposter_innen oder sonstige verschwörungstheoretiker_innen, die entweder nichts kapieren oder noch schlimmer, bewusst nicht einsehen wollen, dass es nur eine menschheit gibt. die zivilgesellschaft kann nicht warten, bis alle dem notwendigen zustimmen, sondern muss einfach handeln. ein möglichst breiter konsens ist zu suchen, aber nicht das verständnis aller abzuwarten.

ich habe es endgültig satt, rechtfertigen zu müssen, warum alle menschen als eben solche behandelt werden müssen, dass menschenrechte unteilbar (und nicht erst zu verdienen!!!) sind. menschenrechte gelten für ALLE. für die, die sich super für sympathische bilder eignen, kleine kinder, schöne frauen und grosse männer ebenso, wie für jene, die krank, schwach oder ungepflegt sind und überhaupt nicht unsere empathie ansprechen. menschenrechte sind kein bonus für mitglieder der „brave menschen“-clubs, menschenrechte gelten auch für die traumatisierten, aggressiven, vielleicht noch ungepflegten menschen. eben für alle.

in den letzten tagen durften wir erleben, dass es eine (für manche unerwartet) grosse anzahl an menschen gibt, die einfach helfen wollen, die den menschen entgegen gehen, sie herzlich willkommen heissen und nicht hinter allen eine bedrohung sehen. in diesen bilder steckt eine doppelbotschaft: die mehrheit der menschen ist wesentlich offener und bewusster, als es die politiker_innen glauben, und diese menschen warten nicht mehr auf grosse entscheidungen der politik, sondern werden selbst aktiv. das ist ein schritt in richtung jener offenheit, in der ein grosses europa funktionieren könnte.

ja, mag sein, dass die weltbilder, die anschauungen, die religiösen vorstellungen oder auch gepflogenheiten dieser menschen noch nicht kompatibel zu unserer gesellschaft sind. wenn wir wollen, dass sie das werden, dürfen wir diese menschen aber nicht isolieren oder in getrennte unterkünfte stecken, sondern wir müssen ihnen einen platz mitten in unserer gesellschaft anbieten.

denn dort, mitten in unseren gesellschaften werden sie dann erleben können, was es bedeutet, in einer (konzeptiv) partizipativen gesellschaft des offenen dialoges, in einer emanzipatorisch offenen kultur zu leben. wenn wir die willkommenen an den rand drängen, wird es eng werden. dann werden die randdenker_innen, die ewignörgelnden, die kleingeister recht behalten. denn dann kann es nicht funktionieren.

ein milliardär hat sich kürzlich mit seiner erkenntnis, dass „frauen menschen wie wir“ sind, hochnotpeinlich blamiert, weil die gesellschaft in sachen gleichstellung (zumindest im prinzip) schon viel weiter ist.

jetzt müssen wir so weit kommen, dass wir erkennen, wie peinlich die aussage „flüchtlinge sind menschen wie wir“ ist. geschweige denn gar die verneinung dessen.

wir brauchen unsere energien für die gestaltung der gesellschaft. wer hilft, wer anpackt, wer sich für die veränderung engagiert, hat keine zeit für mühsame umerziehung, für die (ohnehin im kreis laufende) diskussion mit kleingeistern. sollen sie sich doch selbst figuren an die wand zeichnen.

deshalb hiermit meine
absage an alle ewignörgelnden

ps. jetzt werden manche sagen, dass doch der dialog so wichtig wäre, wenn wir politisch weiterkommen wollen. ja stimmt. aber dialog setzt ein mindestmass an bereitschaft auf beiden seiten voraus. und das ist sehr schnell erkennbar. wenn dies nicht gegeben ist, dann ist es nur zeitverschwendung.

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foto: campact cc licence by sa

dieser artikel ist am 8.9.2015 auf fischundfleisch.com erschienen und ist auch dort aufrufbar.

grenzen, die töten, müssen geöffnet werden!

grafik bernhard jenny cc by

wieviele tote? diese frage schallt durch das land. zuerst 20 oder 50. heute 71. in einem einzigen lkw. und die innenministerin ist erschüttert, dass „schon wieder“ sie irgendwie dafür verantwortlich sein soll.

schuld sind die „terroristen“ und die „schlepper“. na dann. verbieten wir terrorismus und schlepperei. alles erledigt. dann können wir wieder in ruhe in der hofburg tanzen. achso, ja da tanzen auch die faschist_innen. so what.

interessant ist auch die frühe erkenntnis der ministerin, dass menschen legale wege brauchen. dass das derzeit gerade nicht möglich ist, löst ein kaum erkennbares achselzucken aus. was geht mich das an. losts mi augland.

das lederhosenland wird noch öfter schaudern müssen. seit gestern ist auch im burgenland lampedusa. die baldige rückkehr zum gemütlichen alltag gibt es nicht. die welt ist eine welt, so heisst die erschreckende nachricht.

je länger wir glauben, dass grenzen dicht die lösung ist, umso mitschuldiger sind wir am verzweiflungstod hunderter und tausender.

binnengrenzen in der eu sind ohnehin nur mehr lächerlich, aussengrenzen werden sich nicht von heute auf morgen abschaffen lassen. aber sie gehören endgültig geöffnet. und betrachten wir jeden menschen als das was er/sie ist: ein mensch.

quoten sind keine lösung, weil sie den fokus auf belastung und problem legen. würden wir menschen als chance begreifen, würden wir um diese menschen werben.

keine grenze ist es wert, dass für sie gestorben wird.
jeder mensch ist es wert, als mensch gesehen zu werden.

grenzen, die töten, müssen geöffnet werden!

herr präsident, nennen sie mir ihre zahl!

foto: palazzochigi creative commons bearbeitung: bernhard jenny

offener brief an josé manuel barroso, präsident der europäischen kommission

sie wissen sicher besser als ich, wieviele menschen bis jetzt im wassergraben der europäischen union ertrunken sind. mir ist bekannt, dass es viele tausend sind, die im laufe der letzten jahre umgekommen sind, aber ihnen liegen mit sicherheit auch der öffentlichkeit noch nicht genannte schätzungen über die dunkelziffer vor. wie zum beispiele über jene, die es selbst als leiche nicht bis an ein ufer schaffen.

einen traurigen höhepunkt hat die öffentliche aufmerksamkeit im zusammenhang mit der katastrophe von lampedusa anfang des monats bewirkt, viele – so auch ich – glaubten naiv an einen endgültigen anlass zum umdenken und daher zu einer umkehr in europas politik.

leider was das gegenteil der fall. zwar konnte ich in verschiedenen berichten ihren persönlichen schrecken angesichts der vielen särge sehen, trotzdem wurde aber die tödliche „grenzsicherung“ europas nicht nur nicht geändert, sondern deren absolute verschärfung beschlossen. die high-tech überwachung, die ohnehin längst stattfindet, soll nun legalisiert werden.

es steht zu befürchten, dass das – auch in diesen tagen nicht zum ersten mal bekanntgewordene – abdrängen von flüchtlingsbooten auf dem offenen meer noch viel perfekter und besser durch offizielle positionen der verantwortlichen in der EU gedeckt wird.

letztlich wird der sichere tod vieler tausender menschen beschlossen, sie sollen nur so weit draussen ertrinken, dass ihre leiche entweder an keiner küste angeschwemmt wird oder wenn, dann an einer afrikanischen.

angesichts der tatsache, dass die verzweiflung der menschen aus vielen regionen afrikas und des nahen ostens kein ende haben wird, lässt sich also feststellen: das sterben wird weitergehen. die festung europa schützt sich auf kosten von menschenleben.

hier wird sehr konkret sichtbar, was in anderen zusammenhängen schwerer dokumentierbar ist: unser luxus, unsere „sicherheit“ und unser system bringt menschen um. innen und aussen. im falle der verzweifelten boat people an der grenze europas.

ich kann mir die beschlüsse zum programm „eurosur“ und die erweiterten lizenzen für die agentur „frontex“ nur damit erklären, dass sie und viele der politisch verantwortlichen wissentlich die toten in kauf nehmen. sie sind der preis für unsere wohlstandssicherung.

ich könnte viele fragen aufwerfen, es gäbe sehr viel zu diskutieren, will mich aber in diesem ersten offenen brief beschränken. ich möchte eine antwort auf folgende frage:

wie hoch ist der preis, den sie für vertretbar halten?
wieviele tote an europas aussengrenzen sind drin?
bei welcher gesamtzahl von toten würden sie ein umdenken einfordern?
wieviele tote an unseren aussengrenzen würden in ihren augen ein nicht hinnehmbares verbrechen europas bedeuten?

herr präsident, nennen sie mir ihre zahl!

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alle artikel zum thema lampedusa

foto: palazzochigi creative commmons

das sortieren von menschen ist immer ein hit.

schranken bernhard jenny

nun ist die sache also (fast) beschlossen. (siehe orf)
bisher durften innerhalb der schengenländer nur dann grenzkontrollen stattfinden, wenn besondere grossereignisse wie fussballendspiele anlass dazu gaben oder nach terroranschlägen 10 tage lang,

aber was ist in der festung europa schon ein terroranschlag im vergleich zur immensen gefahr durch flüchtlinge. kleingeister und ewiggestrige haben es nun zumindest theoretisch viel leichter, ein bedrohungsszenario zu konstruieren, um immerhin bis zu 2 jahre (!) grenzkontrollen wieder einzuführen. sollten also wirklich schlimme ereignisse menschen zu uns treiben, machen wir zu!

die reisefreiheit des geldes ist ohnehin kein problem, die reisefreiheit der eu-bürgerInnen ist dann schon eher bedroht, aber die reisefreiheit von wirklich aus gefahren zu uns flüchtenden menschen, ja die können wir uns nicht leisten.

das ganze muss erst durch das eu-parlament und von den einzelnen staaten befürwortert werden. vielleicht gelingt noch die verhinderung. allein der erfolgreiche ausarbeitung des schengen-reformvorschlages ist eine moralische niederlage eines offenen europa.

ein sieg für politzwänglerInnen.
hoffentlich nur theoretisch.
aber:
das sortieren von menschen ist immer ein hit.

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