grauslicher als sobotka geht nicht mehr?

die anstrengungen des sogenannten innenministers wolfgang sobotka grauslicher zu sein, als es der verfassungsgerichtshof erlaubt, nehmen kein ende.

stante pede will er menschen sortieren und zwangsweise verbringen. der vfgh hat zwar unmissverständlich klargestellt, dass ungarn nicht als sicheres land für menschen auf der flucht gelten kann, aber das ist dem oberlehrer im fach unmenschlichkeit egal.

selbst die peinlichkeit, sich bei der eu-kommission zu melden, weil ungarn aus (zugegeben unlauteren) eigenen gründen keine menschen aufnehmen will, ist ihm nicht zu blöd. es wäre ja noch einsehbar, wenn sich jemand aus der unregierung für die tatsache engagieren würde, dass es nicht sein kann, dass einzelne länder niemanden aufnehmen. aber in der derzeitigen situation, die alles andere, als einen notstand darstellt, auf zwangsrückführungen zu bestehen, ist schlimm.

ausrutscherminister sobotka, doskozil und kurz sind und bleiben die freiwilligen mitarbeiter jenes politischen lagers, dem nicht nur hofer und strache, sondern auch randalierende rechtsextreme zuzurechnen sind.

die moralische (???) qualität der vorgesetzten des innenministeriums liesse sich also durchdeklinieren: fekter, mikl-leitner, sobotka. grauslich, grauslicher, am grauslichsten.

grauslicher als sobotka geht nicht mehr?

 

weitere artikel über wolfgang sobotka


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foto: Michael Kranewitter, Wikimedia Commons, CC-by-sa 4.0 – adapted by bernhard jenny cc licence by sa

flüchtlinge: schluss mit quoten

statt den schwerpunkt auf belastung zu legen, sollte man flüchtlingen ein europaasyl und wahlfreiheit anbieten

selbst befürworterinnen und befürworter einer willkommenskultur für flüchtlinge verwenden das unwort quote. dabei ist die verteilung von 160.000 flüchtlingen auf alle EU-staaten – wie von EU-kommissionschef jean-claude juncker nun gefordert – keine lösung. denn eine quote legt den schwerpunkt auf belastung und problem. würden wir menschen als chance begreifen, würden wir um diese menschen werben.

viele flüchtlinge, die in der vergangenen woche durch österreich gereist sind, und viele, die noch kommen werden, haben als traumziel deutschland angegeben. manche konnten von verwandten dort erzählen und wissen schon genau, wohin sie wollen. sollen sie einer quote wegen im ungarischen györ oder in st. gilgen, salzburg oder bregenz bleiben müssen, wo sie doch unbedingt zur familie in bremen oder hamburg wollen?

europaasyl und wahlfreiheit

wir brauchen ein europaasyl. nicht ein einzelner staat, sondern europa nimmt die flüchtenden auf. wer den asylstatus anerkannt bekommt, kann sich in europa frei niederlassen – wie europäische bürgerinnen und bürger auch. dabei könnte – ohne die wahlfreiheit der einzelnen zu beschränken – durchaus über unterschiedliche anreize ein steuerungseffekt entstehen, der es verhindert, dass alle nur in ein oder wenige länder wollen.

derzeit ist deutschland aus vielen gründen noch das gelobte land, nicht zuletzt auch durch das aussetzen der dublin-iii-vereinbarungen. wenn ganz europa zur sicheren zone wird, weil niemand mehr irgendwohin geschoben wird, dann wären wohl andere faktoren entscheidend: welche beruflichen chancen werden geboten, welche vorausbildungen werden anerkannt, welche schulungs- und fortbildungsprogramme oder welche starthilfen können in anspruch genommen werden. die eu selbst könnte solche förderprogramme für verschiedene regionen anbieten, um lenkungseffekte zu erreichen. eine solche regelung würde aus flüchtlingen mündige menschen machen, die selbstbestimmt ihr neues leben beginnen können. alle, denen das zu viele rechte sind, sollten überlegen, dass diese menschen bei null beginnen müssen. sie sollen doch besser je nach ihren beruflichen qualifikationen und sehnsüchten loslegen dürfen, wo sie wollen. dann sind die chancen sehr hoch, dass sie ihr neues leben in sicherheit auch würdig und selbstbestimmt weiterentwickeln können.

integrität und einheit

mit einem europaasyl würde die europäische gemeinschaft auch die eigene integrität und einheit signalisieren. es wäre ein weg, die nationalstaatlichen engstirnigkeiten zu überwinden. es würde europa insgesamt stärken und die währung mensch höher bewerten als die währungen in gold und geld. denn menschen sind nichts für eine quote. (bernhard jenny, der standard, 11.9.2015)

abschiebung eines aktiven helfers ist nur mehr eine frage von stunden.

bernhard jenny

es ist eine unfassbare geschichte. und eine eilige dazu. das unfassbare: ein junger mann, der in den „zelten“ in der salzburger alpenstrasse als asylwerber lebt, einer, der in den letzten tagen und nächten auf dem salzburger hauptbahnhof tatkräftig mitgeholfen hat, in dem er die wichtigen informationen den aus ungarn eintreffenden menschen via megafon in ihrer sprache bekanntgab, ist nun plötzlich selbst von der (rück)abschiebung bedroht!

aufgrund des dublin-abkommens soll er nach ungarn zurückgeschoben werden. der bescheid ist scheinbar schon ausgestellt. er, der in den letzten tagen vielen hunderten menschen dabei geholfen hat, vertrauen zu haben, ihnen zugesprochen hat, angst abzubauen und zuversichtlich einige stunden auf die weiterreise nach deutschland zu warten, soll nun ausgerechnet selbst das gegenteil erfahren? das ist zynismus pur. der österreichische staat will ihm keinen aufenthalt gewähren, er soll nach ungarn zurück!

eilig ist die sache deshalb, weil die berühmte betreiberfirma ors.ch in fällen, wo der bescheid ausgestellt ist, die betreffenden asylwerber auf anforderung durch die polizei an diese übergibt und dann erfolgt die abschiebung.

das kann heute nacht oder morgen früh passieren, wenn nicht umgehend deutlicher widerstand gegen diese vorgangsweise entsteht. landesrätin martina berthold, der landeshauptmann wilfried haslauer aber auch alle anderen politisch verantwortlichen sind – unabhängig der offiziellen zuständigkeiten – nun dringend gebeten, gegen diesen wahnsinn aufzustehen und klartext zu sprechen: es kann nicht sein, dass wir einerseits tausende menschen durch österreich schleusen und nach deutschland weiterreisen lassen, während andere zurückgeschoben werden sollen, nur weil sie es geschafft haben, sich ein paar tage früher durchzuschlagen.

in diesen tagen wurden lobeshymnen für alljene gesungen, geschrieben und verbreitet, die sich ehrenamtlich für die flüchtenden menschen engagiert und tatkräftig geholfen hatten. nun soll einer der helfer dennoch abgeschoben werden? das wäre eine schande für unser land.

schluss mit dem dublin-wahnsinn. schluss mit rückabschiebungen!

wie gesagt es eilt.
abschiebung eines aktiven helfers ist nur mehr eine frage von stunden.

UPDATE 10.9.2015 16:45

der betreffende ist noch in salzburg und eine rechtsanwältin wird die betreuung übernehmen, nachdem sie gestern in der nacht noch schnell die unterlagen einer erstbegutachtung unterzogen hat. wir hoffen, dass es bald wieder sicherheit für ihn gibt! das ist die positive nachricht. danke für die vielen nachfragen!

allerdings musste ich im zuge der recherchen feststellen, dass es nicht um einen einzelnen geht, sondern dass mehrere personen von der rückabschiebung bedroht sind. diese muss POLITISCH verhindert werden!

niemand soll irgendwohin abgeschoben werden!!!

es ist noch lange kein mauerfall

foto: rupertganzer cc licence by nc sa

aber erste ziegel lockern sich. was in den letzten tagen zwischen ungarn, österreich und deutschland passiert, ist erfreulich. sehr erfreulich. doch längst noch nicht der durchbruch in humanitäre zeiten europas.

während freie und organisierte helfer_innen die menschen aus syrien willkommen heissen, scheinen die offiziellen stellen nachwievor sowohl überfordert, überrascht bis unfähig mit der tatsache wirklich umzugehen. die bevölkerung ist offener, als es uns kleingeistige klein- und mittelformate oder foren weiss machen wollten. dennoch ist das alles kein anlass für irgendwelche anfälle von nationalstolz.

der eindruck der ersten tage bestätigte sich nun auch ende der woche und am wochenende: die öbb reagieren nicht nur flexibel und schnell, es wird auch eine haltung hinter den entscheidungen wahrgenommen, die sowohl von „ganz oben“ aus den management-büros kommt, aber sehr gerne auch von den mitarbeiter_innen mitgetragen und umgesetzt wird.

die meisten politiker_innen der nationalstaaten und auch der eu haben jedoch immer noch nicht verstanden, was unausweichlich sein wird:

1. offene grenzen I
das bedeutet eben NICHT NUR dann und wann freien durchlass an binnengrenzen zwischen ungarn, österreich und deutschland, das bedeutet offene grenzen insbesondere auch an den aussengrenzen der festung europa. das muss aber auch bedeuten, dass es legale einreisemöglichkeiten auf allen wegen (auch flug) geben muss. die asylantragsabwicklung muss NACH der einreise in ein europäisches land passieren. (oder würde die feuerwehr zuerst die ausweise von menschen in einem brennenden haus kontrollieren, bevor sie sie aus der gefahr rettet?)

2. offene grenzen II
wer die hintergründe von flucht und migration einmal genauer betrachtet hat, wird zum schluss kommen, dass die humanitäre dringlichkeit, die viele jetzt im zusammenhang mit syrien erkennen, auch auf andere länder und kontinente zutrifft. in dieser einen welt sind wir alle in einem grossen gemeinsamen system. die offenen grenzen, wie sie jetzt menschen aus syrien (zwangsläufig?) angeboten werden, müssen für alle gelten. es ist nur zynisch, flüchtende menschen in solche und solche zu sortieren.

3. gleiches recht für alle I
in verschiedenen ländern (so auch in österreich) sind bereits geflüchtete menschen, die auf dem weg zu ihrem eigentlichen ziel zwangsangehalten, zwangsregistriert und wg dublin3 unauflöslich mit einem land, in welches sie gar nicht wollten, „zwangsverheiratet“ sind. das muss ein ende haben. sämtliche dublin3-abkommen müssen in allen büros der eu-mitlgiedsstaaten und in brüssel geschreddert werden.

4. gleiches recht für alle II
es kann nicht sein, dass ganze nationalstaaten sich nicht den flüchtenden menschen öffnet. es kann auch nicht sein, dass sich staaten von dieser humanitären pflicht „freikaufen“. das offene europa muss mindestens so streng geahndet werden, wie die überwachung monetärer entscheidungen in der eurozone. geld kann nicht wichtiger sein als menschen.

5. der prozess des wandels I
dem hype wird die ernüchterung folgen. viele menschen helfen jetzt mit begeisterung. auch mit dem antrieb, dass hier „endlich was geschehen“ muss und schnell eine „lösung“ passieren muss. das geschehen ist aber ein langer prozess, der wir uns nicht mit schnellen massnahmen ersparen werden. die realität der migrationsströme wird uns alle und die generationen nach uns beschäftigen. dazu gehört auch die erkenntnis, dass wir alle verantwortlich sind, an einer aktiven friedenssicherung weltweit zu arbeiten.

6. der prozess des wandels II
aktive friedenssicherung ist nicht mit „peace“-fahnen in andere kontinente zu fahren. aktive friedensicherung bedeutet in erster linie, die machenschaften der waffenindustrie aufzudecken, bewusst zu machen und deren gewinne zu beschlagnahmen. konzerne, die mitten in europa sitzen gehören zu den grössten gewinner_innen von krieg, tod und noch mehr toten.

7. der prozess des wandels III
in dieser einen welt schaffen ungleichheiten konflikte. wirtschaftliche ungleichheiten sind die verlässlichsten motoren von konflikten, die dann – von religionen und sonstigen interessensgruppen und parteien instrumentalisiert – dauerhaft am kochen gehalten werden. wer frieden in der welt will, muss für eine welt sorgen, in der die lebenschancen zumindest ähnlich sind. ein leben in einem luxuskontinent neben anderen, die in not verzweifeln müssen, wird niemals dauerhaft funktionieren.

wir sind alle menschen mit der gleichen daseinsberechtigung auf dieser einen welt. lassen wir uns das niemals von kleingeistern kaputtmachen.

vielleicht sind wir auf dem weg dorthin.
nein: wir müssen auf dem weg dorthin sein, denn die alternative wäre wohl der weg in eine katastrophe.

also: wir sind auf dem weg dorthin.
aber
es ist noch lange kein mauerfall

 

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foto: rupert ganzer cc licence by nc sa

europa steht vor der entscheidung

grafik bernhard jenny cc by
ist europa ein fleckerlteppich der kleingeister, die sich mit stacheldraht, schlimmer, mit natodraht einigeln und überlebenden aus dem nahen, sehr nahen osten oder sonstwo den zutritt verwehren und damit nur den illegalen weg in die hoffnung offen lassen, der bekanntlich viele in den tod treibt.

oder ist europa eine gemeinschaft, die überlebende mit offenen armen aufnimmt und sie frei über ohnehin nur mehr lächerliche grenzen reisen lässt, um dort wo sie wollen ein neues leben zu beginnen?

ist europa eine zone der menschenrechte und des offenen umgangs miteinander?
oder dürfen die verschiedenen orbans dieser lande lager errichten, in denen menschen zwangsuntergebracht werden?

europa steht vor der entscheidung.
die braunen spüren die chance, das konzept der offenheit zum kippen zu bringen.

europa steht vor der entscheidung.
die zahl derer, die nicht mehr zusehen wollen, dass willkommene herumgeschoben werden, wächst täglich.

grenzen auf oder jedes dorf einigeln.
reisefreiheit oder lager.
selbst nur halbheiten wären ganze schritte zurück.
es braucht echte grundsatzentscheidungen zur wende.
acht jahrzehnte zurück oder mutig nach vorne.

ist europa eine todeszone oder eine zone des lebens. und daher folglich eine zone der überlebenden?

europa steht vor der entscheidung.

der gestrige tag hat vieles verändert.

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der gestrige tag hat in uns vieles verändert. sehr vieles. als wir über michel reimon und robert misik vom ersten zug aus ungarn richtung münchen erfuhren und wussten, dass die willkommenen aus syrien und anderen ländern wohl dringend das nötigste brauchen werden, war uns klar, wir lassen alles liegen und stehen und fahren richtung salzburger hauptbahnhof.

es war sehr schön, dort viele bekannte gesichter zu sehen, viele kauften spontan wasser, babynahrung und obst ein. es war beeindruckend, wie schnell in kürzester zeit hier freiwillige helfer_innen aktiv wurden.

zu diesem zeitpunkt ahnten wir bereits, dass dieser zug wohl nicht der einzige sein wird, schnell war klar, es kommen weitere züge und in der nacht wird die situation zusätzlich schwieriger werden, weil dann weit über 1000 menschen auf dem hauptbahnhof stranden werden, denn die früheste weiterreise nach deutschland war dann erst wieder ab 4 uhr früh möglich.

die öbb teilte uns schnell mit, dass wir – die rasch wachsende zahl an freiwilligen helfer_innen aus verschiedensten richtungen – nun auch obst und wasser auf rechnung der öbb im supermarkt kaufen könnten, um diese für die versorgung der willkommenen vorzubereiten.

mit jedem eintreffenden zug wurde der bahnhof voller und voller, gegen mitternacht waren dann wohl zwischen 1000 und 1300 menschen im und vor dem bahnhof: frauen, männer, jugendliche, kinder und babys.

manche kinder schrieen vor hunger, andere waren krank; als die essensvorräte aufgebraucht waren wurde die situation fast unerträglich. kinder bedrängten uns um essen, gaben uns zu verstehen, dass sie hunger haben, jede eintreffende spende von menschen, die via facebook mitbekommen hatten, was am bahnhof abgeht, verflüchtigte sich innerhalb von sekunden wie die nicht nur sprichwörtlichen „warmen semmeln“.

martina berthold als zuständige landesrätin war vor ort und konnte erreichen, dass vom merkur wenigstens ein lastwagen mit babynahrung und brot eintrifft, denn das inzwischen auch eintreffende rote kreuz war ohne essen angerückt. in mehrfachen diskussionen mit dem einsatzleiter war die lapidare auskunft immer wieder „wir tun unser möglichstes“, was schliesslich nach stunden auch in der anlieferung eines (!) teekessels mündete, mit hagebutten tee. dass menschen aus syrien eher schwarztee trinken würden, war wohl nicht bekannt.

nicht nur wir, sondern auch andere freiwillige helfer_innen bekamen den eindruck, dass genau diejenigen, die bis zum eintreffen des roten kreuzes den „versorgungsbetrieb“ gemeinsam mit der öbb geschaukelt hatten wohl „im weg stünden“ und lieber nachhause fahren sollten.

es ist nicht zu verstehen, warum in einer solchen situation ein rotes kreuz mit leeren händen anrückt, wenn der lkw via martina berthold nicht gewesen wäre, hätte es einen kessel tee gegeben. auch medikamente waren keine vorhanden, zahlreiche hilfesuchende, die uns ansprachen wie zb. nach antibiotika oder asthma-medikamenten gingen leer aus.

auf zugegeben heftig geäusserte alarmierungen, dass hier zahlreiche kinder vor hunger schreien, antwortete der einsatzleiter, dass für die ernährung das rote kreuz nicht zuständig wäre, „erst wenn ein kind dehydriert ist oder sonst deutliche mangelerscheinungen zeigt“, dann wären sie zuständig. wie bitte???

insgesamt waren wohl die anwesenden magistratshoheiten und die leitung des roten kreuzes zumindest überfordert, das aufstellen von feldbetten um 1 uhr früh, zu einem zeitpunkt, wo sich die meisten der willkommenen bereits auf blankem boden hingelegt und viele bereits eingeschlafen waren, entbehrt nicht eines gewissen aktionismus, der in presseberichten natürlich gut ankommt.

die mitarbeiter_innen der roten kreuzes beschränkten sich auf eine präsenz in einem bestimmten sektor des bahnhofes, die sanitäter_innen gingen keineswegs durch die menschenmassen durch, um herauszufinden, wer hilfe benötigt, es waren wieder die freiwilligen helfer_innen, die menschen zur hektisch eingerichteten „versorgungsstation“ bringen mussten, obwohl dort – wie gesagt – ohnehin keine medikamente vorhanden waren.

wir müssen lernen. ein solches bild der unzulänglichkeit darf sich nicht wiederholen. es ist die pflicht der zuständigen behörden, in solchen situationen mit augenmass und professionell vorzugehen. es gibt katastrophen (wie erdbeben), die sich überhaupt nicht ankündigen, da sind reaktionszeiten verständlich. warum die letzten einsatzkräfte des roten kreuzes nach eigenen angaben erst um 1 uhr per sms alarmiert wurden, obwohl bereits spätestens seit nachmittag voraussehbar gewesen war, wieviele menschen auf ihrem weg aus dem tod in das leben in salzburg vorübergehend landen werden, ist nicht zu verstehen.

es kann nicht sein, dass eine facebook/twitter-community mit fast einem halben tag vorsprung vor den offiziellen einsatzkräften reagieren muss und das niemanden zum nachdenken bringt.

hier werden die verantwortlichen und wir alle lernen müssen.

über die menschlichen begegnungen und eindrücke wollen wir gesondert noch berichten, jetzt geht es wohl darum, zu recherchieren, wie es mit den willkommenen weitergeht.

die bilder der angst, der hoffnung, der begegnung und des austausches, die augen, die auf ein einfaches „welcome“ entgegenstrahlen, das ein monat alte – auf dem fluchtweg geborene – kind, alle diese bilder sind unauslöschlich in unserem gedanken eingebrannt.

der gestrige tag hat vieles verändert.

cristina colombo und bernhard jenny

wir brauchen viele alberschwende.

screenshot orf alberschwende

viel zu oft gelingt es unseren behörden, menschen einfach verschwinden zu lassen, da die öffentlichkeit nicht davon erfährt. es braucht menschen, die von abschiebeplänen erfahren und sich darauf einstellen, alarm zu schlagen und dagegen zu mobilisieren.

es ist schon absurd mit welchem aufwand unser staat immer wieder versucht, menschen zwangsweise von A nach B zu bringen, sei es ins schubhaftgefängnis oder über die grenze oder per flugzeug in andere kontinente. ausgerechnet ein flüchtling aus jenem land, wo derzeit einer der heftigsten kriege herrscht, soll zwar nicht zurück nach syrien, aber der „ordnung halber“ nach ungarn abgeschoben werden. was ihn dort erwartet, das wissen informierte längst. es verwundert also nicht, dass viele menschen da nicht einfach zusehen wollen.

gleich mit 25 polizeibeamt_innen mit mehreren einsatzfahrzeugen wurde montag früh in alberschwende nach jenem jungen syrer gesucht bzw. das haus, in dem acht asylwerber wohnen umstellt. „als ginge es um terrorismus“ oder einen „schwerverbrecher“ – so die reaktionen aus der bevölkerung. (siehe orf orf bericht)

die bürgermeisterin angelika schwarzmann (vp) aber reagierte nach der verständigung durch die polizei prompt: sie löste alarm über eine telefonkette aus, an der 150 unterstützer_innen teilnehmen. daher waren gleich mal 20 unterstützer_innen vor ort. da die polizei den betreffenden nicht finden konnte, wurde der einsatz beendet.

alberschwende wird zu einem weiteren symbol des widerstands gegen abschiebungen. „wir sind asyl“ engagiert sich schon seit längerem für die flüchtlinge, die da und dort mitarbeiten dürfen, aktiv am gemeindeleben teilnehmen können und kurse besuchen. in einem rundschreiben der bürgermeisterin schreibt diese:

Es gärt im Land, es rumort in den Gemeinden! Durch unsere Aktivitäten mit Asylwerbern haben wir Einblick in die Unzulänglichkeiten des europäischen Asylsystems (Dublinabkommen) bekommen. Wir sind nicht mehr gewillt, uns gleichgültig den ‚Achselzuckern‘ anzuschließen. Wir Menschen an der Basis scheinen in puncto Asylpolitik weiter zu sein, als die mutlose und – in diesem Falle – unehrliche ‚hohe‘ Politik.

Wir schreiben in unserem beiliegenden Manifest ganz bewußt vom zivilen Gehorsam, weil wir die EU-Grundrechtscharta befolgen, indem wir staatlich angeordnete Deportationen verhindern, die zu Menschenrechtsverletzungen führen können.

Wir geben die Stimmung von Bürgerinnen und Bürgern (Wählerinnen und Wähler) an der politischen Basis wieder. Ihre Basis handelt bereits im Sinne der Menschlichkeit. Für die hohe Politik wird es höchste Zeit, eine Asylpolitik des 21. Jahrhunderts zu entwickeln, ohne Schielen auf ewig gestriges Gedankengut.

In Vertretung vieler Bürgerinnen und Bürger, Angelika Schwarzmann, Bürgermeisterin.

(hier das schreiben und manifest zum download)

beeindruckend, wie klar die alberschwender bevölkerung sich gemeinsam mit der politischen gemeindeleitung auf die seite der schwachen stellt!im manifest – an dem politik, kultur und pfarre beteiligt sind – heisst es u.a.:

Da Schutz und Sicherheit durch die unmenschliche Abschiebepraxis nicht gewährleistet ist, sehen wir uns bei „Rückführungen“ in Länder wie Bulgarien, Rumänien, Ungarn und Italien berufen, unsere Asylwerber auch gegen die eigenen Bundesbehörden zu schützen.

Die Gemeinschaft von Alberschwende stellt sich dem Bruch von Grundrechten entgegen.

Es ist unser Recht, ja unsere staatbürgerliche Pflicht, solches Unrecht zu verhindern.

das dorfleben in alberschwende ist geprägt von der aktiven einbindung der menschen. eine übersicht über die aktivitäten seit jänner zeigt uns allen, was möglich ist, wenn alle wollen:

• Unsere Asylwerber übernehmen den Generalputz des Hermann Gmeiner Saales (großer Dorfsaal mit ca. 400 Sitzplätzen)
• Unser syrischer Mathematiker hält an der VMS Mathematikunterricht in englischer Sprache; die Schüler sind begeistert und nützen auch die Gelegenheit, etwas über Syrien zu erfahren
• Renovierung der Jugendräume unserer Gemeinde
• Mitarbeit mit den Gemeindebediensteten, wenn Not am Mann ist
• Mithilfe in Privathaushalten, wenn diese über die Caritas angefordert wird (Nachbarschaftshilfe)
• Mitbeteiligt beim Theaterprojekt „Zeitungstheater“ im kleinen Kultursaal des Mesmers Stall. Im Anschluss ans Theater gab es ein großes arabisches Buffet
• Ein Asylwerber ist bereits beim Fußballverein unter Vertrag
• Gemeindevertretungswahlen: die acht Männer backen Kuchen, unsere Wählerinnen erhalten als Gruß ein syrisches Häppchen
• Einladung in die Sonntagsmesse durch Pfarrer Peter Mathei (es war der Wunsch der Flüchtlinge, eine Messe besuchen zu dürfen); anschließend eine Agape am Dorfplatz
• Ausstellung in Mesmers Stall: Vier junge Künstler, der Akademie der bildenden Künste in Wien gestalten eine Ausstellung. Unsere Asylwerber bewirten die Besucher (Mesmers Stall ist ein Kultursaal für Kleinkunst)
• Ostersonntag nach der Messe – Syrische Agape am Dorfplatz
• Freiwilliger Deutschkurs durch eine Lehrerin, um das im offiziellen Deutschkurs Erlernte zu vertiefen
• Wer immer bei unseren neuen Mitbürger vorbei schaut, wird bekocht und mit Spezialitäten verwöhntkein mensch ist illegal.

nur eine verhinderte abschiebung ist eine gute.
ein dorf wehrt sich.
ein dorf zeigt uns, wie es geht.
ein dorf wird zum „best practice“ beispiel in sachen menschlichkeit.
wir brauchen viele alberschwende.

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bild: screenshot orf bericht

dieser artikel ist am 13.5.2015 auf fischundfleisch.at erschienen und ist auch dort aufrufbar.

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