sadismus gegen kinderseelen

eine unterkunft wird zu einem überwachungsgefängnis umfunktioniert, um darin minderjährige unterzubringen. nicht in einem fernen, dunklen unrechtsstaat. sondern im unrechtsstaat österreich.

die inszenierung ist perfekt. die bevölkerung eines kleinen dorfes spürt bereits im vorfeld, welche bedrohung angeblich diese kinder und jugendlichen für das niedlich-romantische, ländliche idyll bedeuten müssen.

die „sicherheitsmassnahmen“ suggerieren: da geht es um angehende terroristen vielleicht. zumindest vergewaltiger und messerstecher. aber die strengen behörden „beruhigen“ bedeutungsschwanger: die bevölkerung ist nicht in gefahr. alles unter kontrolle.

minderjährige geflüchtete. niemand kann sich wirklich vorstellen, was diese jungen menschen schon alles durchgemacht haben. schwerst traumatisierte sind sicher darunter, kinderseelen die sich nach geborgenheit und menschlicher wärme sehnen.

aber die haben wir nicht. nicht die geborgenheit, nicht die wärme.

dafür eine unterkunft der wahnsinnigen art, in der „schwierige“ jugendliche konzentriert ausgelagert werden. pädagogisch und sozial der grösste schwachsinn und absichtlich kontraproduktiv. es sind die schwächsten, die es trifft. die, die ohnehin schon nicht mehr alles verkraften können, was das leben ihnen zugemutet hat. die sollen nun auf einen haufen gesperrt werden.

irgendwann muss dann was passieren.
irgendwann dreht dann einer durch.
irgendwann wird zumindest ein stichhaltiges gerücht die dorfesruhe zerstören.

und dann?
die volksseele wird überkochen.

das ist jetzt schon vorauszuahnen.
self fulfilling hounding.

der fremdenhass kennt keine grenzen mehr.
er ermöglicht sogar
von amtswegen betriebenen
sadismus gegen kinderseelen

 

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foto: herbert ortner, vienna, cc licence by sa
bearbeitet von bernhard jenny cc licence by sa

opposition oder widerstand?

allerorts das bedauern über das fehlen einer opposition. da und dort scheint sie sich mit sich selbst zu beschäftigen, gegen sich selbst zu intrigieren oder gar sich aufzulösen. grosse namen einer reihe durchaus kluger menschen haben mehr oder weniger freiwillig die bühne verlassen (müssen), manche sind wieder mit halbem fuss zurück, aber wirklich echte opposition? wo ist sie?

vielleicht liegt es auch daran, dass es in zeiten, wo rechtsextreme und schmissbrüder höchste ämter im staat innehaben, es längst nicht mehr um opposition gehen kann.

opposition ist das logische gegenstück zu einer regierenden gruppe oder partei – im demokratiepolitischen kontext. also immer dann, wenn der gesellschaftliche diskurs auch wirklich ein solcher ist, ausgewogen und fair.

in zeiten der demokratiezerstörenden aktivitäten mit offenem rassismus, blühendem fremdenhass, aggressiver frauenfeindlichkeit, zerstörerischer aufkündigung aller sozialen sicherheiten und einschränkung von presse- und meinungsfreiheit ist opposition nicht das adäquate mittel.

da ist widerstand angesagt.

klingt leicht, ist aber nicht einfach. opposition oder demokratiepolitische diskurse haben wir erlernt, damit sind wir gross geworden. das macht quasi das wesen unserer politischen entwicklung aus.

aber widerstand? den kennen wir aus geschichtsbüchern und filmen, aus berichten von fernen ländern, den hat es in unserer lebenswirklichkeit noch nicht gegeben. zumindest nicht in der nun gefragten form. ein atomkraftwerk oder eine hainburg-au ist längst nicht mit jener herausforderung zu vergleichen wie jene, vor der wir jetzt stehen. jetzt geht es um die gesamtstruktur unserer gesellschaft und um das wertesystem, um menschenrechte, um diversität, um emanzipation und soziale gerechtigkeit in einer ökologisch gefährdeten welt. es geht um nicht weniger, als darum, ob turbokapitalismus ungehindert in eine diktatorische zerstörung der grundordnung und eine spaltung in kleine reiche eliten und grosse arme massen überführen darf. mit der fokusfalle auf die migration sollen wir übersehen, dass uns das eigene leben und das unserer kinder und kindeskinder ganz beiläufig geraubt wird. wir müssen uns bewusst machen, was widerstand wirklich bedeutet. und daraus logische schlüsse ziehen.

wonach schreit die aktuelle lage?
was hat die aktuelle regierung verdient?
opposition oder widerstand?

betroffenheit und empörung sind gewollt

die medienberichte über die „nun tatsächlich“ stattgefundenen abschiebungen von bestens integrierten menschen lassen bei manchen ratlosigkeit erkennen, bei anderen grosse enttäuschung. ob zweifacher staatsmeister, der seit 7 jahren bestens integriert im land salzburg lebt oder eine familie mit vier kindern: „der neue fpö-innenminister herbert kickl macht ernst.“ so schreibt puls4 in den news.

in den social media schlagen diese unmenschlichkeiten grosse wellen. proteste, verzweifelte aufrufe, appelle an die menschlichkeit. alles umsonst.

ja genau. alles umsonst. und genau so soll es sein.

es ist das kalkül der rechten, sich genau solche fälle rauszusuchen, die „die volle härte des fremdengesetzes“ und dessen exekution vorführen. jeder aufschrei, jeder protest wird so zum ungewollten verstärker der erfolgsstory der rechtsextremen regierungsmitglieder.

es gäbe wahrlich andere fälle, wo es schwer vorstellbar wäre, dass sich breite solidarität und grosse sympathie für die deportierten auftut. aber solche abschiebungen würden dann längst nicht jene mediale aufmerksamkeit erlangen, wie die heutigen.

das dilemma ist unausweichlich. denn was könnte die alternative sein? kein protest? kein aufschrei? kein aufzeigen der wahnsinnigkeiten? kein hilferuf an den (schweigenden) bundespräsidenten? kein kritisches hinterfragen der sinnhaftigkeit? kein aufmerksam machen auf kinderrechte und menschenrechte? wohl kaum.

das dilemma zwingt zum widerstand, im bewusstsein, dass die rechten jeden aufschrei als wohltuende bestätigung für ihre untaten werten werden. regierungstreue medien werden dann noch mehr über die „erfolge“ berichten, weil die aufmerksankeit hochkocht.

das dilemma bleibt ein solches, auch wenn wir wissen, dass die xenophoben sich dadurch nur noch mehr an den verschleppten kindern und verstossenen unschuldigen aufgeilen können. der mob wird immer grössere opfer fordern, immer brutalere übergriffe, immer noch perversere vergehen gegen die menschlichkeit.

das muss ein ende haben. so bald wie nur irgendmöglich. schweigen kann keine lösung sein. einfach hinnehmen ebensowenig.weder für die menschen in der politik, noch für jene, die noch an die chance einer menschlichen gesellschaft glauben.

auch wenn wir feststellen müssen:
betroffenheit und empörung sind gewollt

 

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bild: screenshot puls4news bearbeitet

autoritäre staatsmacht gegen unschuldige menschen

die autoritäre staatsmacht
einer rechtsaussen-regierung
greift durch
kalt und hart
das ist ultra
das ist cool

das geilt die xenophoben fans so richtig auf
kinder, mütter und väter,
menschen, die so gar nichts angestellt haben,
ausser von ganz wo anders zu sein,
in das nichts zu werfen.

schaudeportation.
seht her!
wir sind ultracool.
wir schieben ab.
wir deportieren.
wir pfeifen auf das leben dieser menschen.

schaudeportation.
seht her!
da protestieren wieder die linken zecken.
und die vassilakou.
und noch ein paar menschenrechtsaktive.
wir schieben ab.
wir deportieren.
wir zeigen es allen, was sache ist.

schaudeportation.
seht her!
wären sie nicht gekommen,
müssten wir sie jetzt nicht abschieben.
sie sind selbst schuld.
wir schieben ab.
wir deportieren.
die gehören einfach alle weg.

kinder?
was scheren uns die?
ist doch egal!
eltern?
was bringen die auch die kinder mit!
geht gar nicht.
je mehr protest umso härter packen wir sie an.
jetzt herrschen neue zeiten.

unser chef hat es ja immer schon gesagt.
es wird nicht ohne grausame bilder gehen.

autoritäre staatsmacht gegen unschuldige menschen

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bild: screenshot von bild privat via derstandard überarbeitet 

 

 

schluss mit dem holocaust-gedenken

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wir sollten es sein lassen. jeden 27.jänner immer wieder die gleiche leier. „nie wieder“, „verantwortung“, „gedenken“ und viele anderen salbungsvollen worte schmücken die pressemeldungen und artikel rund um den gedenktag der befreiung von auschwitz.

österreich setzte im vergangenen jahr ein zeichen, beeindruckend viele menschen versammelten sich am heldenplatz. aber sind diese zeichen repräsentativ für ein land, das ob seines reichtums nicht bereit ist, vor krieg, mord und elend flüchtende menschen ohne wenn und aber schutz zu bieten?

macht es sinn, dass ein land des extremsten wahnsinns der shoa feierlich gedenkt, als wäre es eine katastrophe auf einem anderen stern gewesen, während hier mitten in unserer gesellschaft schamlos wieder gegen menschen eines bestimmten glaubens, einer bestimmten herkunft, einer bestimmten hautfarbe offen gehetzt wird?

was nützt uns das „nie wieder“ auf unseren lippen, wenn wir gleichzeitig akzeptieren, dass menschen pauschal als gefahr für unsere kinder und frauen bezeichnet werden, nur weil sie bei uns schutz suchen? wieviel heuchelei verträgt ein land im alltag? und wieviel an einem gedenktag?

der holocaust ist in seiner dimension absolut nicht mit den heutigen geschehnissen vergleichbar – derartiges wäre eine unvertretbare verharmlosung der unfassbaren katastrophe, die der nationalsozialismus verursacht hat.

die anfänge aber, die es ermöglichten, dass so viele menschen „zwar wussten“, dass diese und jene „halt nicht gern gesehen“ waren, ähneln sehr wohl den heutigen dynamiken. die vorgänge, bei denen so viele menschen nichts gegen die sich ständig steigernde hetze gegen jüd_innen, roma und sinti, lesbisch-schwule und politisch andersdenkende unternahmen, lassen sich heute nachvollziehen.

mancherorts wird die diskriminierung sogar schon von den stigmatisierten „flüchtlingen“ gleich auf alle menschen mit „migrationshintergründen“ ausgedehnt, bürgerwehren sollen wieder den von angstbotschaften verunsicherten menschen eine sicherheit vermitteln, die in wahrheit legitimierte menschenjagd auf ausgegrenzte sein kann.

und die braunen werden wieder gewählt.

es hat also wenig sinn, der vergangenheit zu gedenken, wenn wir die gegenwart nicht bewerten.

die liebäugelei des volkes mit den rechten würden verantwortungsvolle politiker_innen mit besonderen anstrengungen für eine seriöse arbeit und differenzierte kommunikation beantworten – das gegenteil passiert.

und eine verantwortungsvolle presse müsste anstelle öl ins feuer zu giessen ebenso mit aufklärung jene zerrbilder entlarven, die hetzende gruppen auf laufendem band produzieren und verbreiten. aber auch hier passiert das gegenteil.

dem stumpfen populismus wird immer noch primitivere verkürzung und noch schlimmere vereinfachung nachgeschoben. weil das „ankommt“. wo das enden kann, ja sogar enden muss, daran denkt anscheinend kaum jemand.

es ist also pure, sinnentleerte folklore, wenn morgen wieder dort und da feierlich „gedacht“ wird.

solange unser land so lahmarschig auf die aufkommende rechte gefahr reagiert, machen blumige worte keinen sinn.

schluss mit dem holocaust-gedenken

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foto: christian michelides licence cc by sa


nur klarheit löscht den flächenbrand

foto: © martin peneder all rights reserved

schauplatz 1: feldkirchen an der donau
die freiwillige feuerwehr feldkirchen schreibt auf ihrer homepage über die inzwischen berühmte aktion:

Nach dem Einzug von 78 Flüchtlingen in die Landwirtschaftliche Berufs- und Fachschule in Bergheim machten wir uns bei der Feuerwehr Gedanken wie wir ihnen zeigen können, dass sie bei uns herzlich willkommen sind. So kam Lukas Reisinger, Leiter des Lotsen und Nachrichtendienstes, die Idee bei dem heißen Wetter, von bis zu 36 Grad im Schatten, für Abkühlung zu sorgen. Von den Asylwerbern kommen 39 aus Syrien, 14 aus dem Irak, 14 aus Afghanistan, 4 aus Pakistan und 2 sind staatenlos (palästinensische Autonomiegebiete).

es wurde ein „hydro-schild“ aufgebaut, also laienhaft eine sprühwasserwand, in der sich alle, die lust hatten, endlich abkühlen konnten. ein foto von martin peneder (danke für die genehmigung der bildrechte) geht inzwischen durch alle digitalen welten und wurde so zum symbol für eine menschliche geste, die menschen mit ganz einfachen und grundsätzlichen mitteln willkommen heisst, ein wunderschönes bild der sechsjährigen dunja aus syrien.

mit dieser aktion löscht die freiwillige feuerwehr feldkirchen an einem brandplatz, der ein unkontrollierbarer flächenbrand zu werden droht. unserer gesellschaft drohen immer wieder glutnester des rassismus und der fremdenfeindlichkeit. aktionen wie diese sind dazu geeignet im doppelten sinne abkühlung und erfrischung zu bieten. denen, die das wasser geniessen konnten wie dunja und jenen, die sich laufend für das wohlergehen der willkommenen (vulgo flüchtlinge) einsetzen. diese aktion zeigt deutlich worum es geht: um menschen.

schauplatz 2: porsche salzburg
angesichts des durch die social media sich rasant verbreitenden bildes schreibt ein 17-jähriger einen unglaublichen kommentar, in dem er einen „flammenwerfer“ statt des wasserwerfers als „bessere lösung“ vorschlägt. da verschlägt es selbst erfahrenen hassposting-leser_innen den atem. wie kann jemand angesichts eines so freudvollen kinderbildes zu derartigen gedanken kommen?

der lehrling verliert in direkter folge seinen arbeitsplatz bei einem der renommiertesten unternehmen des landes von heute auf morgen. heftig. viele finden die reaktion von porsche absolut richtig, manche wollen es differenzierter angegangen haben. einige schreiben interventionsbriefe an porsche und bitten um die annahme der inzwischen öffentlichen entschuldigung und distanzierung des lehrlings von seinem eintrag auf facebook.

die einen meinen, dass es nicht angehen kann, dass jemand offen und unverblümt zum mordanschlag gegen zu uns geflüchteten menschen aufruft und die reaktion des unternehmens die einzig richtige gewesen sei, selbst wenn der betreffende dann schnell eine entschuldigung nachschiebt.

die anderen denken, dass es übertrieben ist, einen jugendlichen wegen eines einzigen hasspostings gleich so hart zu bestrafen. schliesslich könnte ihn das auch noch weiter radikalisieren und erst recht zu einem xenophoben und rassisten werden lassen.

fazit?
wäre porsche nicht eindeutig vorgegangen, hätte es durchaus berechtigt kritik wegen zu leichtfertigem umgang mit rassismus geben können. aber soll die entschuldigung des betreffenden wirklich ohne folgen bleiben? ist in dieser frage härte angebracht oder eine differenzierte vorgangsweise? wie könnte eine solche aussehen?
ohne gesellschaftlichem kontext kann weder schauplatz 1 noch schauplatz 2 entsprechend beurteilt werden.

für schauplatz 1 gilt: wäre das thema der zu uns flüchtenden menschen in unserer gesellschaft derzeit nicht so ein (im wahrsten sinne des wortes) brennendes, wäre das bild von dunja niemals viral gegangen. dann wäre es ein schönes bild, von einer angenehmen erfrischungsaktion. aber es hätte niemals diese metabotschaft übertragen bekommen, die so viele menschen erleichtert aufatmen liess: endlich empathie!

für schauplatz 2 gilt: das unternehmen musste eindeutig und hart reagieren, alles andere wäre ein signal der unklaren wertevorstellungen. dass diese wertevorstellungen in unserer gesellschaft nicht eindeutig und unmissverständlich gelten, haben zahlreiche stimmungsmacher_innen und noch zahlreichere schweiger_innen zu verantworten, die dem rasend wachsenden rassismus und der weit verbreitenden menschenverachtung raum geben und immer mehr raum lassen. hätte unsere gesellschaft ein gesichertes werteverständnis, könnte ein unternehmen mit entgleisungen von einzelpersonen eventuell gelassener vorgehen oder der junge mann hätte rechtzeitig erkannt, dass er solches niemals schreiben darf. aber solange unsere gesellschaft uneindeutig darüber bleibt, was geht und was nicht, muss ein verantwortlicher personalchef unmissverständlich handeln.

wer jetzt einwirft „aber da müsste man ja auch…“ soll genau überlegen, wer oder was hier verteidigt werden soll.
einem 6jährigen mädchen den flammenwerfer zu wünschen ist keine verzeihliche jungenphantasie. es ist das ergebnis unserer unklarheit. anstelle die konsequenzen zu bekämpfen, muss eben die klarheit erkämpft werden. der lehrling muss jetzt lernen, dass derartige aussagen konsequenzen haben müssen. in der gesamten gesellschaft. nicht nur in einem einzelnen unternehmen. schulterklopfen – wie indirekt auch immer – und bedauern des jungen wäre unangebracht. das heisst nicht, dass er allein da durch soll und muss. es wird wichtig sein, dass ihn menschen begleiten, den weg zu finden.

rassismus und fremdenhass sind keine meinung. kinder anzünden ist für keine millisekunde ein akzeptabler gedanke.

allerdings: der lehrling führt uns vor, wie weit die verrohung unserer gesellschaft bereits fortgeschritten ist. umso wichtiger endlich einmal konsequenzen zu setzen. oft genug bleiben rassistische entgleisungen ohne folgen. unsere gesellschaft ist unsicher geworden. unscharf und missverständlich. nur klarheit kann aber die gemeinschaft weiterbringen.

nur klarheit löscht den flächenbrand.

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foto: martin peneder © all rights reserved

update 22.6.2016

inzwischen ist bekannt geworden, dass dunja vor wenigen tagen asyl bekommen hat! ich wünsche diesem mädchen stellvertretend für alle willkommenen viel glück und ein gutes leben in unserem land! martin peneder hat für dieses bild den apa bildpreis bekommen, hochverdient und wichtig! gratulation

 

das netz ist nicht schuld.

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die haltung, die aus menschenverachtenden postings spricht, entsteht nicht durch das medium

immer wenn es um sogenannte randgruppen oder „heiße themen“ geht, dann entgleisen grundsätzlich die mehr oder weniger moderierten foren. egal ob es um armutsreisende (vulgo bettler_innen), roma und sinti (vulgo zigeuner_innen), willkommene (vulgo flüchtlinge), obdachlose, griech_innen oder deutsche geht. das bashing ist immer und überall.

spitzen des eisberges werden dann nachlesbar in plattformen, die sich dem aufdecken von rassismus, hetze und diskriminierung verschrieben haben, wie zum beispiel eau de strache.

viel zu oft wird hier das internet als das netz des bösen ins spiel gebracht. wie wenn völlig harmlose menschen, vielleicht gar leicht humanistisch geprägt, allein durch die tatsache, dass sie laufend das netz nutzen, zu geifernden rassistinnen und rassisten, ausschweifenden hetzerinnen und hetzern und minderheiten diskriminierenden aktivistinnen und aktivisten würden.

haltung der menschen

hier wird wohl was verwechselt: das medium hat mit sicherheit auswirkungen auf diverse kommunikationsverhalten, auf die reaktionszeiten, auf die spontaneität, auf so manche unüberlegtheit. aber die haltung, die aus den menschen spricht, entsteht nicht (nur) durch das medium. haltung hat mit achtsamkeit und würde zu tun. haltung ist das ergebnis einer bewussten position in dieser welt.

vielleicht ist das tempo des austausches, die zahl der schnellen impulse, die mediale reizüberflutung und das verarbeiten all dessen neu. aber die xenophobie, das entstehen von hass auf fremde, angst vor armen und rassistischen fantasien ist kein ergebnis des netzes. es ist ergebnis unserer haltung. und hier haben wir viel verlernt.

wofür das netz sorgt

wofür sehr wohl das netz sorgt: wir erfahren öfter und schneller von meinungen, ausbrüchen und entgleisungen. mag sein, dass dabei die hemmschwelle bei manchen leichter fällt.

es ist nicht notwendig, hier exemplarisch derartige entgleisungen zu wiederholen. es ist aber notwendig, gegen die verrohung unserer kommunikation aufzustehen. ob auf facebook, im forum oder auf offener straße. eine haltung muss her. eine haltung, die uns wieder zu einem humanen umgang miteinander verpflichtet.

fremdenhass, rassismus, stumpfer nationalismus

es geht nicht um die alltägliche beschimpfung in hitzigen diskussionen. es geht nicht um eine lässige umgangssprache mit deftigen schimpfwörtern. es geht um das bild, das manche von menschen zeichnen und damit durchkommen. es geht um den unverblümten fremdenhass, blinden rassismus und stumpfen nationalismus. dagegen könnte auch ein klares auftreten im netz helfen.

mit einem verantwortungsvollen bewusstsein dürfen wir nicht zulassen, dass menschen allein schon durch die art und weise, wie sie benannt werden, verächtlich gemacht, erniedrigt werden. dieses bewusstsein können wir nur gemeinsam fördern und einfordern. auch im netz.

denn diskriminierung ist niemals und nirgendwo okay.

und
das netz ist nicht schuld.

(bernhard jenny, derstandard.at, 21.7.2015)