menschen retten.

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menschen retten. das soll jetzt ein verbrechen sein. menschen sehenden auges in den tod zu senden, das soll recht sein?

wenn wir dabei zusehen, wie menschen alles – ja wirklich alles – wagen, weil sie eben nichts mehr zu verlieren haben. wenn wir zusehen, wie menschen verzweifelt versuchen, ihren eigenen und den tod ihrer kleinen kinder gegen eine kleine, dünne hoffnung auf überleben tauschen.

halt nein. wir sehen gar nicht zu. wir sehen weg. wir wollen es eigentlich gar nicht sehen. aber die bilder werden uns immer wieder eingehämmert. bilder von in seenot geratenen menschen waren lange die bilder der helfenden, bilder die klar machten, dass wir da so nicht wegsehen können. doch sukzessive kapern die menschenfeinde diese bilder, um sie uns eine unzahl von gefahren zu suggerieren. und es scheint zu funktionieren: langsam haben wir mehr angst vor der bedrohung durch schlauchboote mit halbverhungerten menschen darauf, als vor einem durchgeknallten horrorclown, der den finger auf dem abzug für den nächsten weltkrieg hat.

wie schnell könnte es dann gehen, dass wir selbst zu verzweifelt durch die welt irrende werden, um uns vor dem kriegsdesaster zu retten. werden sie uns dann in bolivien sagen, warum wir die sprache nicht vorher gelernt haben, bevor wir uns dorthin durchgeschlagen hätten? werden sie uns an die pflichten des mülltrennens erinnern, wenn wir durch die strassen von buenos aires irren? oder werden vorher schon die englischen behörden die rettung von atomverseuchten festlandeuropäer_innen unter strafe stellen, weil sich england nicht alle bewohner_innen des kontinents aufnehmen kann?

möge es nicht so weit kommen. aber für jene, die in den schlauchbooten sitzen, ist diese realität schon da. sie wollen überleben.

die logik mancher staatstäter aber ist es, eben genau dieses überleben zu verhindern: wenn zuviele überleben, dann kommen immer noch mehr. also lassen wir sie ersaufen. schauen wir weg, oder noch besser, dokumentieren wir, dass sie ersoffen sind. nehmen wir ihnen die schlauchboote, auf holzflossen ersaufen sie noch schneller. diese staatstäter beziehen sich dabei wohl auf jene bibelstelle, die da sagt: „wenn ihr satt seid, aber noch satter werden wollt, wahrlich ich sage euch, dann müsst ihr die hungrigen ertränken.“ dass es diese stelle nicht gibt, wird die staatstäter wenig kümmern.

die bilder des ertrunkenen aylan kurdi haben die welt vor zwei jahren noch erschüttert. manche dachten, es wäre ein wendepunkt. doch jene, die „hässliche bilder, ohne die es nicht gehen wird“ zum politischen programm haben, setzen lieber auf viele aylans. es soll sich herumsprechen in der welt, dass die kinder ersaufen, wenn sie sich richtung „gated community europa“ aufmachen.

dass menschen, die gefüchteten helfen, kriminalisiert werden, ist nicht neu. fluchthelfende sind gleich einmal kriminelle schlepper, dabei ist das so vergleichbar wie ärzt_innen, die medikamente verschreiben mit drogendealern, die selbst über leichen gehen. aber für das politisch kleingeld brauchen wir keine differnzierung, sondern kräftigen tobak.

in abwandlung eines berühmten stehsatzes des widerstands muss es jetzt heissen:

wo menschen ertrinken lassen zum recht wird,
gibt es eine pflicht:

menschen retten.

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bild: ani bashar cc licence by

viel unsinn rund um die „homo-ehe‟

wer das argument „weitergabe von leben“ ins treffen führt, unterschätzt den zeugungssteigernden effekt der ehe für alle, die in deutschland nun beschlossen wurde

deutschland hat sie beschlossen, die ehe für alle. eine längst überfällige entscheidung, die nun länder wie österreich sehr alt aussehen lässt. aber das hat hierzulande ja noch selten gestört.

jenen, die als moralwache gebetsmühlenartig wiederholen, dass die „homo-ehe“ der falsche weg sei, kann ich nur in einem punkt beipflichten: die bezeichnung „homo-ehe“ ist unsinn, denn es gibt nur eine „ehe für alle“. es soll eben keinen unterschied machen, wer mit wem eine ehe eingehen möchte. es gibt schließlich auch keine „blonden-ehe“, „pinzgauer-ehe“ oder „akademiker-ehe“.

kinder zeugen

es gibt unendlich viel unsinn, der im zusammenhang mit der „homo-ehe“ gesagt wird. vom kardinal in deutschland bis zur regionalpolitik in österreich ist ein argument immer und immer wieder zu hören: es gehe um die „weitergabe von leben“. oder wie der vorarlberger landeshauptmann markus wallner in der orf-„pressestunde“ sagte: „der staat muss ein urinteresse daran haben, dass auch kinder gezeugt werden.“

ich bin selbst vater von drei töchtern und drei söhnen. mir ist aber nicht klar, inwieweit die tatsache, dass nicht alle menschen heiraten dürfen, mich zu meinen kindern gebracht hat. warum sollte es zu mehr gezeugten kindern kommen, wenn lesben und schwule nicht heiraten dürfen? glaubt hier wirklich jemand, dass lesben und schwule 2017 dann halt aus verlegenheit doch einen heterosexuellen heiraten und kinder zeugen?

zeugungssteigernder effekt

ich kenne lesbische frauen, die sich wegen ihrer eheähnlichen lebensform zu einem kind mithilfe eines samenspenders entschlossen haben. also wenn schon ein staatliches kinderzeugungsinteresse ins treffen geführt werden soll – das unter anderem auch bedenklich sein kann –, dann würde wohl die ehe für alle einen zeugungssteigernden effekt haben. aber das wird die kleinkarierten überfordern.

und deshalb reden und reden sie weiter:
viel unsinn rund um die „homo-ehe“.

(bernhard jenny, derstandard.at, 4.7.2017)

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