dortmund sollte uns zu denken geben.

warum es sinnvoll ist, in zeiten wie diesen ruhe und besonnenheit walten zu lassen

die bisherigen erhebungen zum anschlag auf den mannschaftsbus des bvb haben ein für viele überraschendes ergebnis erbracht. das tatmotiv des vermutlichen täters war demnach keine jenseitige gottheit, sondern eine sehr diesseitige habgier.

angesichts des zum glück einigermaßen glimpflichen verlaufs des anschlags ist es sinnvoll, über das potential der tat nachzudenken. nicht, dass wir es nötig hätten uns noch mehr tote auszumalen, als es sie real in den alltäglichen nachrichten gibt. aber stellen wir uns nur für einen moment vor, der anschlag hätte jenen dramatischen, vom täter beabsichtigten ausgang gehabt. wie „ruhig und besonnen“ oder eben gar nicht so geduldig die reaktionen in der öffentlichkeit gewesen wären. die uefa hätte nicht nur das spiel, sondern vermutlich das ganze restliche turnier absagen müssen, deutschland und europa stünden unter schwerem schock.

dies wäre dann die optimale gemengelage für einen kaum mehr zu beherrschenden flächenbrand. viele, sehr viele kommentare und unaufgeforderte stimmen wüssten quasi mit „an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit“ aus welchem eck dieser anschlag kommen musste. wir würden vermutlich eine kaum mehr einzubremsende hetze gegen jene erleben, von denen viele „immer schon“ wussten, dass sie nur dank „falscher toleranz“ hier in unseren ländern leben können. eine große mehrheit wäre sich vermutlich einig, dass eben diese menschen so schnell wie möglich aus unserem kulturkreis verschwinden müssen.

explosive lage

mitten in dem chaos, das über tage und wochen wüten hätte können, wäre es entweder eine kaum mehr wahrgenommene randnotiz oder eine beschämende wende des geschehens, wenn dann die nachricht über die erhebungsergebnisse bekannt geworden wäre. dass diese erhebungen überhaupt in der gleichen ruhe und besonnenheit hätten stattfinden können, kann getrost ebenso hinterfragt werden.

nutzen wir die chance, machen wir uns bewusst, wie explosiv die gesellschaftliche situation derzeit ist. wir haben die verantwortung, diese „bombe“ zu entschärfen, bevor die nächste lunte brennt. dortmund sollte uns zu denken geben. (bernhard jenny, derstandard.at, 25.4.2017)
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bis dato doch der dritte artikel zum thema

gier bringt viele ums leben.

mehrfach ist in medien über die verhaftung des mutmasslichen täters von dortmund zu lesen:

„der täter soll auf bvb-aktionkurssturz spekuliert haben, der verdächtige ist demnach mutmasslich kein extremist, …“

bitte nochmal:

„der täter soll auf bvb-aktionkurssturz spekuliert haben, der verdächtige ist demnach mutmasslich kein extremist, …“

wie?

wie sollen wir das verstehen?

ist der täter dadurch weniger bedenklich, als solche, die menschen im vermeintlichen auftrag einer gottheit verüben?

oder ist er am ende weniger harmlos, weil er statt für einen gott „aus reiner gier“ töten wollte?

wie verblendet wir doch sind!

es muss völlig egal sein, welcher wahnsinn einen menschen antreibt, um den tod anderer menschen in kauf zu nehmen. ein bombenanschlag ist ein bombenanschlag. mordversuch ist mordversuch. kein vorgestellter gottesauftrag, kein aktienkurs, kein kontostand kann hier einen unterschied in der bewertung der tat bewirken.

oder sollen wir jetzt froh sein, dass einer „nur aus blosser gier“ morden wollte? nach dem motto: „wenigstens kein gottesgläubiger“?

wenn die erhebungen sich bewahrheiten, dann war der täter sehr wohl ein extremist. seine gottheit ist etwas greifbarer als andere. seine gottheit beherrscht das diesseits, andere sind angeblich im jenseits so richtig anwesend. die gottheit des dortmunder extremisten beherrscht jedenfalls sehr viele in dieser welt. interkulturell. interreligiös. und mitunter tödlich. nicht erst dann, wenn in dessen sinne anschläge passieren.

gier bringt viele ums leben.

 

ps. hier ein früherer artikel zur zumutung der UEFA, das spiel nur einen tag später austragen zu lassen.

der machismus hat methode.

wenn einem unterhosen-konzern nichts anderes mehr einfällt, als seine eigenen jahrzehntelalten sujets in weniger ästhetischer form zu replizieren, ist das eine sache. wenn das ganze kritik hervorruft, ist das mitunter auch die wohl kalkulierte aufregung, die manche bewusst einplanen.

dennoch: mit dem „osterhöschen“-sujet hat palmers nicht unbegründet einen shitstorm geerntet. soweit, so gut. oder so schlecht.

was sich aber felix baumgartner leistet, das ist nicht mehr zu akzeptieren. denn auf die tatsache, dass sich u.a. corinna milborn gegen das palmers-sujet geäussert hatte, reagiert dieser mit einem unglaublichen satz auf fb:

„Schön wenn sich Zuhause wieder einige sogar zu Ostern aufregen!
Allen voran Puls-4-Infochefin und -Moderatorin Corinna Milborn, bei der Figur auch kein Wunder! Ich finde die Mädls weltklasse und springe da gerne mal dazwischen rein, auch ohne Fallschirm!“

der von mateschitz und red bull gesponserte künstler des freien falls stürzt einmal mehr ungebremst in die moralischen tiefen des offenen sexismus.

wir haben es mit einer fortschreitenden enttabuisierung zu tun. die grenze, was geht und was nicht geht, wird immer mehr zurück ins machohafte, ins untergriffige, angriffige verschoben. einer frau schon mal wegen der „figur“ das recht auf kritische meinung abzusprechen, das geht.

entscheidend ist: kann felix baumgartner für „coole“zielgruppen als „role model“ gelten? oder erkennen viele, welche haltung hinter solchen statements steht? wieviele sprünge ins „no go“ muss baumgartner sich noch leisten, damit er endlich derartige angriffe wie hier gegen corinna milborn unterlassen muss?

es entsteht der eindruck, dass es eine breite front von machodenkern gibt, die sich wieder zurücksehnen in zeiten, da frauen nichts zu sagen hatten, aber den männern als lustobjekte dienen mussten. diese allianz ist breit und mitunter gut gesponsert. von menschen, die sich nun auch um den verkauf ihrer wahrheit kümmern wollen.

es ist inakzeptabel, dass frauen in aller öffentlichkeit primitiv angegriffen und desavouiert werden. dieser regression in alte zeiten, dieser aggression gegen frauen muss einhalt geboten werden. corinna milborn verdient einmal mehr die solidarität aller, die solchem ungeist einhalt gebieten wollen.

der machismus hat methode.

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foto: © lisa-maria trauer

 

update 29.4.17 18:00

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es wäre ein signal.

es wird wohl einer der wenigen wenn nicht der einzige artikel sein, in welchem ich mich auf ein sportereignis beziehe.

aber das, was da gerade in dortmund passiert, ist unglaublich.

unglaublich toll: die reaktionen der monaco-fans, die „dortmund“ in solidarität mit jenen skandieren, die das ziel eines anschlages von wem auch immer wurden.

unglaublich toll: die fans des bvb, die die monaco-fans bei sich zuhause aufnehmen, um die wartezeit zum heutigen – ungeplanten – nachspiel eine bleibe zu haben.

zu loben ist auch wieder einmal die hochprofessionelle kommunikationsstrategie der polizei. hier werden social media genutzt um zu deeskalieren, zu beruhigen und daher auch um für grösstmögliche sicherheit zu sorgen.

unglaublich daneben: die spieler heute auf das feld zu schicken, weil von uefa bis weiss nicht wo werbeeinnahmen und sonstige kommerzielle interessen der uefa gesichert bleiben sollen, das ist eine zumutung. wie sollen diese spieler wirklich ernsthaft – unbeeindruckt ??? – spielen? das ist das negative „the show must go on“.

gegenargument: natürlich ist es ein wichtiges signal, sich von keinem anschlag, ob terror aus dem einen oder anderen eck, beeindrucken zu lassen. das wäre das positive „the show must go on“.

der vorschlag eines naiven nichtfussballers: die mannschaften betreten das feld und spielen vereinbart ein 1:1 und dann wird das spiel nach „gültigkeitsdauer“ abgebrochen. es folgt ein fest des friedens und der freundschaft mit alljenen, die in das stadion gekommen sind.

es wäre ein signal.

quo vadis veritas?

die identitären jubeln. und strache auch. die dosen knallen.

fies
menschen, die anderen in einer noch nie da gewesenen welle der hilfsbereitschaft tatkräftig geholfen haben und nach wie vor helfen, zu diffamieren, das kommt gut. diese sowohl hinsichtlich der anzahl, als auch hinsichtlich ihrer unermüdlichkeit beeindruckenden gemeinschaft von helfenden schlecht zu machen, ist zwar unterste schublade, aber solche haltungen sind ja schliesslich auch schon aus regierungskreisen bekannt. dennoch: wirklich fies.

fieser
ist es aber, menschen, die aus not flüchten, als belastung für den „nationalpark“ (wie passend!) zu stilisieren, in dem die gämsen zuerst zusammenrücken müssten, aber irgendwann ginge „das ganze kaputt“. das ist perfide bildsprache, die sich klar in das gedankenschema einschlägiger kreise einfügt. menschenleben als ökologisches problem darstellen, es geht kaum noch fieser.

am fiesesten
dann der satz über den „besseren lebensraum“.

„Es werden viele Hunderte Millionen von Menschen in einen für sie besseren Lebensraum wollen, wo es noch Trinkwasser gibt, eine intakte Natur und wo Menschenrechte gelten.“ (Kleine Zeitung, 8.4.17)

das bedeutet wohl: die gated community der reichen (ist das mitteleuropa, oder wo?) soll oder wird sich einmauern. innerhalb dieser mauern gibt es trinkwasser und sonstigen komfort. innerhalb der mauern könnten sich sogar menschenrechte ausgehen. von dosenkaisers gnaden. draussen sollen sie verrecken. da wird ein grossteil der welt zum slum erklärt. pech gehabt.

dass menschenrechte unteilbar sind, wird der dosenkaiser nicht verstehen oder nicht verstehen wollen. pünktlich zum start des neuen medienprojekts stellt mateschitz – wieder mal – klar, wo er steht. das rote gesöff verfärbt sich.

quo vadis veritas?

bisherige artikel zu diesem themenkreis

ps. „quo vadis veritas“ ist bezeichnenderweise der name der privatstiftung, den das neue medienprojekt trägt. zu deutsch „wohin gehst du, wahrheit?“.

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bild: psychopyko cc licence by nc nd

 

zu tode gefurchten ist auch gestorben

die jungen sind draussen. verstossen und weg. andere gewähren ihnen asyl. aber der gau ist passiert. und ja, es ist wirklich ein gau, ein grösster anzunehmender unfall, dieser verstoss der jungen. über den faktor der majestätsbeleidigung und der darauffolgenden strafe habe ich hier schon geschrieben.

heute geht es mir um die starre. die schreckstarre. viele mögen es gar nicht laut sagen, was sie sich denken, andere sind einfach nicht mutig genug. zahlreiche „backstage“ gespräche und mails geben ein fatales bild.

manche sind einfach nur erschüttert und können es einfach nicht glauben. dann gibt es zwar jene, die das ganze irgendwie übertrieben und unnötig finden, wieder andere, die das geschehene auch noch irgendwie schönreden wollen. aber eigentlich kommt niemand zu einem klaren schluss, dass das ausschliessen einer so grossen und im wahrsten sinne zukunftsträchtigen gruppe von green minded people zwingend nötig gewesen wäre. die ultima ratio war nicht gegeben.

versprengt. disparat. ratlos. kopfschütteln. und nirgendwo ein faden der kommunikation. in der grössten krise der grünen seit langem scheint es ein eigenartiges phänomen zu geben: die fehlende kommunikation. weder nach innen, noch nach aussen. sondern nur „backstage“.

vereinzelt versuchen sich manche als sprecher_innen für die sache in den social media. aber sie wirken alleingelassen. das macht das ganze nicht besser.

jeder tag, den die jungen „draussen“ verbringen müssen, ohne dass sie mit ihren stärken und schwächen, den vielen stunden, die sie investiert haben und mit ihren politischen vorstellungen und visionen zumindest wertgeschätzt werden, macht aus jungen politisch denkenden menschen outcasts. wer hätte sich das jemals vorstellen können, dass ein solches signal ausgerechnet von den grünen kommt? eine bewegung, die in latzhosen von nicht wenigen studierenden gegründet wurde. von menschen, die alles andere, als konform gingen, mit dem was die parteien bis dahin zu bieten hatten.

sollen wirklich nun ausgerechnet die grünen ihre jugend vertreiben??? wirklich???

es war ein riesenfehler die jungen zu verstossen. das war der gau. und jetzt die sache aussitzen oder stillschweigend hinnehmen bis schönreden könnte den supergau bringen. die kernschmelze. da wäre dann aber vieles – auch ausserhalb der partei – kaputt.

laut werden. meinung sagen. widersprechen und wege aufzeigen. das wäre jetzt angesagt.
nach dem gau hilft nur ein aufräumen. ein klären. und ein grundsätzliches wertschätzen. als basis für einen neuanfang. ohne dialog mit den jungen haben wir keine zukunft. weder in der partei noch sonst wo.

also schluss mit der angst vor offenen worten.
denn
zu tode gefurchten ist auch gestorben.