entlassung kickls: aufatmen wäre zu viel

der ranghohe gefährder kickl, der seiltänzer zwischen phantasieuniformen, polizeiponys und konzentration von menschen, an lächerlichkeit und peinlichkeit kaum zu überbieten, aber jedenfalls einer der gefährlichsten spalter des landes, ist nicht mehr im amt.

das ist für alle, die unter der zynischen verfolgung oder überwachung zu leiden hatten, besonders aber für jene, die von ihm mit der abschiebung in konkrete lebensgefahr bedroht wurden, eine genugtuung: ein radikaler, militanter zyniker und verlässlicher kühlmittelerzeuger im emotionalen eiskasten der türkisbraunen regierung wird in den dauerurlaub geschickt. vielleicht nach ibiza?

fakt ist, dass das nur die halbe miete in richtung menschenrechtskonforme regierung ist. zuviele spitzenbeamt*innen und höchstrichter*innen bleiben bestellt, zuviele gesetzliche verschärfungen sind damit nicht aus der welt geschaffen.

ja, wir dürfen uns freuen, dass letztlich schneller als erwartet, aber eineinhalb jahre zu spät ein herbert kickl auf regierungsebene nichts mehr zu sagen hat.

weiters wird wohl auch die fpö auf längere zeit wieder für alle anständigen menschen in der politlandschaft kein verhandlungspartner mehr sein. sollte eigentlich immer klar gewesen sein, jetzt müssen wir es bitter neu erlernen.

dass die sittenwidrigen haltungen von strache, gudenus und co. überhaupt eine regierungskrise werden konnten, dazu musste jemand diese chaoten überhaupt erst in die regierung holen.
der verantwortliche heisst sebastian kurz.

die schmissbrüder werden heute toben. da wird noch einiges an plänen geschmiedet werden. aber die braunen haben die regierung verlassen.
kurz ist gescheitert.

wir werden noch sehr lange an den folgen seines aberwitzigen experiments zu leiden haben. daher ist wirkliche entspannung noch lange nicht angesagt. aber die sonne ist früher aufgegangen, als zu erwarten war. was jetzt alles ans tageslicht kommen wird, darf uns nicht erschrecken, sondern muss uns schützen, jemals wieder den braunen eine chance zum regieren einzuräumen.

die entlassung kickls darf gefeiert werden.

aufatmen wäre zu viel

 

 

foto: michel lucan, cc licence by sa, überarbeitet von bernhard jenny, cc licence by sa

überwindung kostet immer überwindung

die analysen sind zwar selten so klar gewesen. doch die daraus zwingend ableitbaren konsequenzen sind ferner denn je.

in einer zeit, in der europa gefahr läuft, dem würgegriff der rechtspopulistisch bis faschistisch orientierten nationalist*innen zu erliegen, wäre es eigentlich ein zwingendes gebot der stunde, alle demokratisch gesinnten kräfte zu bündeln und vereint für ein starkes, offenes und vielleicht irgendwann auch wieder menschenrechtliches europa anzutreten.

ein pakt für ein offenes, demokratisches, partizipatives und minderheiten schützendes europa quer über alle partei- und landesgrenzen hinweg, wäre das politische unterfangen mit höchster dringlichkeit.

anstelle dessen passiert das genaue gegenteil. so lustig unterhaltend, wie in monty pythons filmen, wo die volksfront von judäa keinen grösseren feind kennt als die judäische volksfront, ist das leider nicht.

bei betrachtung der aktuellen situation in österreich tritt das ernüchternde drama zu tage: wenn die einen „nicht einmal mehr anstreifen“ wollen, während die anderen sich in beleidigter eitelkeit ergehen, wenn alte fundamentalistische dispute hervorgeholt werden, anstelle sich um die herausforderung des politischen moments zu kümmern, sieht es sehr schlecht für die zukunft aus.

dabei werden zahlreiche „windows of opportunity“ übersehen. wie wäre es, wenn sich parteiübergreifend eine grosse plattform zusammenfände, die ehrlich sich dem kampf gegen grenzen und mauern, gegen ausgrenzung und diskriminierung, gegen menschenverachtung und hass stellt.

wer zwischen gruppen und grüppchen, zwischen altparteien und kleinparteien, zwischen noch nie eingezogenen und längst nicht mehr neuen eine grenze nach der anderen aufzieht, arbeitet aktiv an der tarnung der alles entscheidenden grenze: denn die grenze zwischen offener, partizipativer und minderheiten schützender demokratie und autokratischem, hetzenden und exkludierendem rechtspopulismus gilt es klar und deutlich sichtbar zu machen.

es ist eben unmöglich, „bisschen“ menschenverachtend oder „ein wenig“ hetzend das leben eines kontinents zu gestalten. einem elegant auftretenden schulbubengesicht mit „ich habe mich auf mein referat vorbereitet“-niveau müssen die konsequenzen der sich laufend betätigenden erben der nazis entgegengehalten werden. nicht die segelohren sind das problem, sondern die taubheit.

der parteiaustritt eines langgedienten övp-granden, arno gasteiger, wäre für die österreichische politlandschaft so ein „window of opportunity“. was wäre wenn alle, von gasteiger, konrad, rendi- wagner, meinl-reisinger, kogler, stern, voggenhuber gemeinsam mit kommunistischer partei und diversen kleingruppen und initiativen eine echte proeuropäische und grenzüberwindende paktgemeinschaft bilden würden?

in fast allen parteien und listen gibt es solche und solche, gibt es offene und ausgrenzende. es wären viele überwindungen notwendig, wenn parteigrenzen und ideologische feinheiten angesichts des grundsätzlichen weniger wichtig wären.

die kraft eines derartigen grundsatz-paktes könnte ein deutliches zeichen für eine zukunft setzen. wenn dies nicht gelingt, könnten wir in einem vorgestrigen europa aufwachen.
es ist einfacher, weiterhin im klein klein seine süppchen zu kochen. aber das kann nicht gutgehen, zumal die rechtsfaschistischen strömungen kein problem haben, sich schlagkräftig zu koordinieren.

die überwindung der denkgrenzen, der parteigrenzen und der ideologiegrenzen zu gunsten eines grossen gemeinsamen ganzen könnte eine antwort auf postdemokratischen turbokapitalismus sein, der nicht nur europa an den abgrund treibt.
daher bliebe demokratischen kräften eigentlich nichts anderes, als die grosse gemeinsame anstrengung.

überwindung kostet immer überwindung

 

foto: ursula regina cc sa / bernhard jenny cc sa

alles geht.

ein vizekanzler, der mit einer lüge vor gericht zieht.
das geht.
bleibt die frage:
wieviele migrant*innen sind daran schuld, dass solches in unserem land möglich wurde?

ein vizekanzler, der dann doch vor gericht zugeben muss, dass er mit den extremsten der rechtsextremen zusammengesessen ist. nur „gemütlich“ soll es angeblich nicht gewesen sein.
das geht.
bleibt die frage:
wieviele migrant*innen sind daran schuld, dass solches in unserem land möglich wurde?

ein vizekanzler, der bei all diesen unglaublichkeiten anwaltlich von einem verfassungsrichter vertreten wird, welcher darin wiederum gar kein problem zu sehen scheint, denn wo es schon mal unschärfen gibt, braucht es auch keine saubere trennung.
das geht.
bleibt die frage:
wieviele migrant*innen sind daran schuld, dass solches in unserem land möglich wurde?

ein vizekanzler, der nun, da seine nähe zu den neonazis und identidioten wieder einmal aktenkundig ist, keinen grund sieht, eines der höchsten ämter des landes anstandshalber zurückzulegen.
das geht.
bleibt die frage:
wieviele migrant*innen sind daran schuld, dass solches in unserem land möglich wurde?

ein vizekanzler, der kein problem sieht, seine braunblaue partei als die „im wahrsten sinne des wortes neue arbeiterpartei“ zu bezeichnen und darauf setzt, dass er behaupten kann, es sicher nicht so gemeint zu haben, wie es klingt.
das geht.
bleibt die frage:
wieviele migrant*innen sind daran schuld, dass solches in unserem land möglich wurde?

erstunken und erlogen.
verstrickt und verschlagen.
betätigung immer wieder.

alles geht.

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foto: © Wenzel/BKA (ausschnitt)

wenn die hetze real wird

vor wenigen tagen, irgendwann vor mitternacht, mitten in salzburg. ich bin mit dem fahrrad auf dem heimweg, die nacht ist wärmer, als für diese jahreszeit üblich. ich fahre entlang der salzach, überquere eine brücke und muss dann über einen geregelten zebrastreifen. kaum bis gar kein verkehr.

die ampel schaltet für mich auf grün, für ein einziges auto auf der hauptstrasse auf rot. dies scheint dem fahrer gar nicht zu passen. während ich den zebrastreifen quere, lässt er plötzlich den motor des aufgemotzten komplett weiss lakierten pkw mit heckspoiler aufheulen und beginnt ruckartig mit der „androhung“ loszufahren.

ich denke noch, was für ein spinner und gebe ihm das auch noch gestisch zu verstehen, setze mich dann auf das rad um weiterzufahren.

der für solche getunete autos relativ kleine pkw hat immer noch rot, da schreit der beifahrer plötzlich mir nach:

„scheissäää judäää! gas! gas! gas!“

während ich stehen bleibe, fährt er nun mit einem „kavalierstart“ davon.

der restliche heimweg – bei sehr wenig sonstigem verkehr – war mir etwas unheimlich, ich wusste nicht, ob mir irgendwann der blitzweisse wagen wieder begegnen oder folgen würde.

ist das die fortsetzung der hetze, die schon auf judas watch erlebbar wurde?

nachdenklich macht mich, dass ich keine lust habe, mit diesem vorfall zur polizei zu gehen und eine anzeige zu erstatten. da hat sich etwas grundsätzlich verändert in den letzten monaten und jahren.

dieser vorfall ist für mich persönlich die leider nur allzu logische fortsetzung von vorfällen, die ich in zeiten der „waldheim-affäre“ wiederholt erleben musste. das wird unheimlich.

es ist wieder da, dieses mulmige gefühl:
wenn die hetze real wird

 

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bild: knuton cc by sa / bernhard jenny cc by sa

mulmig.

grafik bernhard jenny cc licence by

mulmig.
so viel hetze.
mulmig.
so viel einfalt.
mulmig.
so viel unsicherheit.
mulmig.
weil schon zuviel passiert ist.
mulmig.
so unglaublich dummes zeug.
mulmig.
weil allein schon der gedanke.
mulmig.
dieses hinfiebern auf den sonntag.
mulmig.
weil der kleingeist oberwasser bekommt.
mulmig.
weil dumme verkürzungen populärer sind.
mulmig.
wie konnte es überhaupt so weit kommen?
mulmig.
oder wird es doch noch gerade gut gehen?
mulmig.
weil ratlosigkeit anderer nur dem einen hilft.
mulmig.
wird ein braunes wunder wien orbanisieren?
mulmig.
weil offener rassismus kein problem mehr ist.
mulmig.
weil schon nur die möglichkeit, dass der braunblaue.
mulmig.
oder kommt die demokratie nochmal gerade so davon?
mulmig.
weil möglich ist, dass wir knapp vor einem abgrund stehen.
mulmig.
weil untätigkeit und konzeptlosigkeit das alles nur verstärkt.
mulmig.
weil fremdenfeindlichkeit schon ganz normal zu sein scheint.
mulmig.
weil nichts tun und die anderen fehler machen lassen so erfolgreich ist.
mulmig.
weil selbst welche, die es besser wissen, auf der angstwelle mitschwimmen.
mulmig.
weil die blicke so vieler kaninchen auf die eine schlange uns so lähmen kann.
mulmig.
weil die aus not und tod zu uns fliehenden menschen zu billigen sündenböcken würden.
mulmig.
weil selbst wenn es noch für die demokratie ausgeht, nicht gesagt ist, ob daraus gelernt wird.
mulmig.

weniger mulmig wäre viel bequemer.
aber leider.
mulmig.

bundeskanzler macht mikl-leitner zur vize

 foto: oevpwien cc by nc sa überarbeitung bernhard jenny

„schaun sie, wenn jemand wie die johanna sich bereits über monate und jahre so engagiert gegen die umvolkung unsere landes einsetzt“, so der bundeskanzler in der zib2, „dann stehe ich als neuer regierungschef nicht an, das auch entsprechend zu honorieren.“

auf die frage, wie denn eine ehemalige schwarze innenministerin in die neue blau-rote regierung passe und ob nicht eher werner faymann dieser posten als vizekanzler zustünde, meinte strache: „werner faymann hat mir signalisiert, dass er nach dem wahlergebnis der vorgezogenen neuwahlen eher sich aus der aktiven politik zurückziehen will und eventuell als botschafter in ungarn weiter für österreich arbeiten möchte. und doris bures sehe ich persönlich weniger als vizekanzlerin, denn da muss ich als kanzler schon auch das vertrauen haben. durch die einbindung der im übrigen inzwischen aus der partei ausgetretenen mikl-leitner setze ich auch ein zeichen, dass wir, die freiheitlichen, die strahlkraft unserer nationalen arbeit weit über die üblichen parteigrenzen hinausgehend sehen.“

„im übrigen,“ so strache weiter, „wird die johanna nicht allein für die schliessung unserer grenzen verantwortlich sein, sie wird sich die zuständigkeit für die schnellstens zu schliessenden lager im gesamten bundesgebiet mit dem neuen innenminister herbert kickl teilen, wir sind inzwischen mit unseren syrischen freunden in kontakt, die bereit wären, alle wirtschaftsflüchtlinge (und das sind eigentlich alle) in sondertransporten aus unseren lagern pauschal in ein disloziertes lager in syrien zu übernehmen. da können sie dann soviel jammern, wie sie wollen.“

auf die frage, wie denn das gehen soll, meinte strache, dass dort die österreichische fahne stolz im wüstenwind wehen wird und die lager in reichweiter der herkules lägen. „alljene, die geglaubt haben, sich in unser sozialsystem hineinfressen zu können müssen nun halt mal kräftig staub schlucken. und neu herein kommt mir kein einziger ausländer mehr. damit ist nun schluss!“

das lager wird übrigens #missiontraiskirchen heissen, quasi als bleibende erinnerung an jene zeiten, wo „irgendwelche linkslinken ngos versuchten, die arbeit von johanna mikl-leitner zu diffamieren.“ und: „die johanna soll das lager dann eröffnen, wenn es so weit ist.“

deshalb sei dieser schritt nur logisch:
bundeskanzler macht mikl-leitner zur vize

p.s. dieser artikel erscheint eigentlich erst jänner 2016

foto: oevpwien cc by nc sa überarbeitung bernhard jenny

österreich soll burgenland werden

grafik bernhard jenny cc by nc

bevor wieder schwarz-blau oder blau-schwarz kommt, ist uns rot-blau oder blau-rot lieber. so oder so ähnlich dürften manche spin doctors oder deren auftraggeber_innen denken, wenn sie nun das „experiment“ burgenland befürworten, dulden oder zumindest nicht verhindern.

der beeindruckende medien-impact faymanns, diese fülle von politischen perspektiven und handlungsorientierten vorschlägen 😉 könnte durchaus auch für einen vizekanzler ausreichen, wenn der kanzler dann strache heisst.

burgenländerwitze waren mal. jetzt wird burgenland zum best practice für die niesslsche interprätation der sozialdemokratie. hat zwar kaum was mit demokratie zu tun und schon gar nicht mit sozial, aber was solls. was damals die övp konnte, können wir allemal, dürften sie sich denken. das gestrige parteipräsidium brachte in beeindruckender weise exakt soviel klarheit, wie es die aktuelle spö verträgt: gar keine.

wien wird vermutlich anders bleiben. einstweilen. aber überall sonst ist das „experiment gruselkabinett“ ausgerufen. wenn uns niemand wählt, dann müssen wir uns mit denen zusammentun, die gewählt werden.

dass das nach hinten los geht und nur die blaubraunen weiter auf eine politische surfwelle hebt, die uns tsunamiartig die menschlichkeit wegspülen wird, erkennen nur jene, die jetzt auf distanz gehen. sonja ablinger hat es endgültig satt. und geht. konsequent.

die letzten wahlen haben gezeigt: es geht nicht um kompetenz. es geht nicht um inhalte. und schon gar nicht um politische korrektheit. das aktuelle feuerwerk an politischen kardinalfehlern der roten und schwarzen, das verharren der grünen am fleck und das fehlen ernsthafter alternativen sind treibende kräfte in österreichs politik. und nicht zu vergessen: die wirklich dumme vergesslichkeit der wähler_innen, die selbst angesichts der aufdeckungen über das hypo alpe adria desaster und der von uns allen dafür zu bezahlenden unsummen lieber jene wählen, die am meisten dreck am stecken haben, nur um blindwütig zu „protestieren“.

das bringt uns verlässlich den kanzler strache.
wie der vizekanzler heissen wird, darüber werden noch ein paar heftige streits ausbrechen.
ganz nach dem alten muster: selbstzerfleischung als politisches konzept.

dass straches parteifreund_innen nicht davor zurückscheuen, sich selbst kleinen kindern mit hass-parolen entgegenzustellen, und sie sich dadurch eben nicht für jede politische mitwirkung disqualifizieren, lässt den zustand der politischen landschaft und den weg für die nächsten jahre erkennen.

österreich soll burgenland werden

 

dieser artikel ist am 9.6.2015 auf fischundfleisch.com erschienen und ist auch dort aufrufbar.

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grafik: bernhard jenny cc by nc