flüchtling oder mensch

blackbei uns läuten immer wieder flüchtlinge an. mal brauchen sie ein paar euro, dann wieder einen tipp oder eine hilfestellung. das geht seit jahren so, mal sind es viele, dann wieder weniger. da scheint es phasen zu geben.

oft ist es auch einfach das gespräch, das kurze berichten über erlebtes, das sie sonst kaum wo loswerden können. da hören wir dann von demütigenden polizeikontrollen, wo sie auf offener strasse die hose runterlassen müssen, oder von der geburt von kindern – eigentlich ein freudiges ereignis, wenn nicht beide eltern flüchtlinge wären. oft können wir nur ein klein wenig helfen, selten wirklich was dauerhaftes bewirken. befreundete rechtsanwälte und menschen in institutionen wissen bereits, dass wir öfter mal anrufen und beraten, was in dem einen oder anderen fall gemacht werden kann.

es sind die „kleinigkeiten“ des alltags, die besonders jenen, die auf die zusage oder ablehnung ihres asylantrages warten, zu schaffen machen: heute eine rechnung über einen krankenhausaufenthalt, ein andermal eine strafe wegen schwarzfahrens im bus usw.

irgendwie bin ich froh, dass diese menschen den weg zu unserem haus finden, offensichtlich unsere adresse auch schon untereinander weitergeben. ich denke, dass wir auf diese weise fast täglich an eine realität in unserem land erinnert werden, die wir sonst nur aus den medien kennen würden. unsere „probleme“ haben gesichter, haben namen und grüssen uns freundlich.

heute war für mich ein besonders rührender moment. einer unserer „besucherInnen“ hatte von meinem sohn letzte woche erfahren, dass ich geburtstag hatte. mit dem nichts, worüber er verfügen kann, hat er es sich dennoch nicht nehmen lassen, mir heute einen aceto balsamico und eine flasche wein als geschenke zu bringen. hübsch eingepackt in geschenkpapier. und mit grüssen von NN.

ich war wirklich zu tränen gerührt, weil ich dem moment spürte, wie dankbar dieser NN. für ein paar kurze worte und ein paar euro sein musste. und immer wieder erzählt er uns, wie unglaublich fad ihm sei, dass arbeit, irgendeine arbeit für ihn das höchste wäre, natürlich auch wegen dem geld, aber auch, um die selbstachtung aufrecht erhalten zu können.

das schlimme: selbst wenn wir oder sonst jemand arbeit hätte, es wäre illegal und ein schritt richtung sichere abschiebung.

und das ist das schlimmste: manche namen, an die wir uns schon so gewöhnt haben, kommen urplötzlich nicht mehr, manchmal erfahren wir es gar nicht, manchmal erst viel später: abgeschoben, weg, draussen.

und das drama beginnt von vorne…

selektion als erlerntes prinzip

IMG_3446satSMALLüber die kürzlich von uns organisierte pecha kucha night salzburg vol1 will ich an dieser stelle nicht im einzelnen berichten, nur soviel, dass es ein aus meiner sicht wirklich sehr schöner, exemplarischer überblick über verschiedenste kreative potentiale in unserer stadt war.

was mich heute hier zu diesem eintrag veranlasst ist ein kleiner nebenschauplatz am rande dieser PKNsalzburg, der mir bis heute zu denken gibt. nach eben 11 unterschiedlichsten präsentationen im ARGEbeisl, die live band fing gerade wieder an, musikalisch die stimmung sehr positiv zu unterstreichen, da kam jemand aus dem publikum auf mich zu und fragte mich mit fast enttäuschtem ton: „wird da bei euch nicht die beste präsentation gewählt, so per abstimmung oder applaus?“

im trubel des abends hab ich die frage einfach mit nein beantwortet, später dann erst, als mir mehrfach ähnliche fragen zu diesem veranstaltungsformat auffielen, wurde ich nachdenklich:

sind wir von diversen starsuch- und grosserbruderschautdirzu-shows schon so weit „erzogen“, dass wir einfach eine simple gleichrangige abfolge von ideen, die sich nun schon gar nicht miteinander vergleichen lassen, nicht ruhig stehen lassen können? müssen wir über alles und jedes den grundgedanken des „besten“ oder des „schlechtesten“ werfen? vertragen wir keine vielfalt mehr, ohne gleich zu hierachisieren, rauszuwählen, weiterkommenzulassen oder zu streichen?

merken wir denn nicht, dass wir damit einem prinzip folgen, welches letztlich auf selektion ausgerichtet ist? auf trennung des einen (vermeintlich besseren) von den anderen (vermeintlich durchschnittlicheren)?

jedenfalls weiss ich seit diesen fragen sehr genau, warum ich eine solche abstimmung zumindest in den von uns veranstalteten pecha kucha nights niemals haben möchte. es wäre für mich einfach nicht passend.

bild: cristina colombo, paisaje movido

sinnbild für unser bildungssystem?

freeplasticsgerade komm ich zurück von der schule meiner tochter. dort hab ich ihre maturaprüfung im fach musik/vokal als gast besuchen können, ja klar, stolzer vater und so.

dass unsere schulgebäude immer wieder den langen atem aus maria theresas zeiten atmen, ist hinlänglich bekannt. auch dass in diesen schulen sehr engagierte leherInnen wie höchst bedenkliche zeitgenossInnen gleichermassen aus und ein gehen ist auch kein geheimnis. dennoch ertappe ich mich  (selbst jetzt wo 5 unserer 6 kinder schon mit der schule fertig sind) immer wieder dabei, wie ich scheinbar naiv von menschlichem umgang träume.

mag sein, dass es ohnehin schon nicht zeitgemäss ist, aber die schülerInnen werden jedesmal wieder bei der matura dazu angehalten in „dem anlass entsprechender“ kleidung zu erscheinen. dies löst immer wieder diskussionen aus, aber es wird dann regelmässig auf den „feierlichen rahmen“ und den „besonderen augenblick“ hingewiesen.

heute betrete ich nun die schule, um mir diesen besonderen augenblick anzusehen. immerhin hatte meine tochter einen gesangsauftritt (samt band) zu ihrer matura zu absolvieren. auf der suche nach dem feierlichen rahmen hatte sich eine freundin von uns, die ebenso zum zuschauen gekommen war, verirrt, denn sie suchte den raum irgendwo oben im schulgebäude.

doch wir alle, unsere familie und unsere freundin wurden dann später ganz woanders fündig: im kellergeschoss, unter lüftungsrohren und zwischen heizungsschächten mussten wir im engen gang warten – die maturantInnen, die gerade nicht zur vorbereitung oder prüfung im prüfungsraum waren, mussten ebenso dort eingepfercht ihre nervosität irgendwo hinschieben.

das bild war plötzlich für mich selbstredend: schülerInnen werden zur äusseren form angehalten, müssen in anzug und kostüm auftreten – des hohen anlasses wegen – und die schule selbst findet keinen besseren rahmen, als jenen kellerraum, gegen den die garderobe mit ihren spintkästen wie ein festsaal wirkt. abstellkammerflair. kellerstimmung.

meine tochter hat trotzdem schön gesungen. aber ich wünsche ihr für ihre und aller anderer zukunft bessere rahmenbedingungen. da geht es nicht immer nur um bausubstanz und investitionen, da geht es oft auch nur um einen hauch fingerspitzengefühl oder sensibilität.

ps. am wochenende vor der heutigen matura wurde meiner tochter mitgeteilt, dass die musik- und gesangsanlage der schule kaputt sei. niemand fühlte sich für einen ersatz verantwortlich. das hat auch noch meine tochter selbst organisieren müssen.

bild: cristina colombo: free plastics

vernetzung bedarf viel hintergrundsarbeit

vernetzungstreffen gibt es ja inzwischen viele. was früher der vogelzuchtverein, der eisstockschiessverein oder der stammtisch war, findet heute natürlich „ganz anders“ statt…

"gente02" cristina colombo
cristina colombo: gente02

genau zur richtigen zeit, um 17 uhr – für menschen wie mich also zur „mittagszeit“, weil diese stunde ziemlich exakt meine aktiven tageszeiten in zwei fast gleiche teile teilt – fand heute der CITY Lab Salon IV im spoon, also mitten im festspielbezirk statt.

vernetzungstreffen gibt es ja inzwischen viele. was früher der vogelzuchtverein, der eisstockschiessverein oder der stammtisch war, findet heute natürlich „ganz anders“ statt. statt um feste mitgliedschaft und mitgliedsbeitrag geht es heute um offene formen, niemand ist verpflichtet, alle dürfen und jedeR ist gerngesehen. in zeiten der virtuellen vernetzung und der offenen plattformen bekommt die reale begegnung zwar eine andere, neue rolle, aber sie ist nicht weniger wichtig.

CreativeCity-Salzburg ist eine Initiative für Kreativwirtschaft in der Stadt-Salzburg. Für Bewusstseinsbildung, Vernetzung und Austausch innerhalb der Szene. Für die Weiterentwicklung von Potenzialen und Stärken. Für neue Perspektiven und gemeinsame Projekte.

so steht es in der eigendefinition auf facebook zu lesen. umgesetzt sieht das dann so aus: höchst unterschiedliche menschen – allesamt sich selbst der kreativwirtschaft zugehörig einstufend – treffen sich nun schon mit fast gewohnter regelmässigkeit, um mal in die eine, dann in die andere kreativbranche salzburgs über die kurzvorstellung einiger protagonistInnen einblick zu bekommen. der kreis der häufigen wiederbesucherInnen der Labs wächst kontinuierlich, bei jedem treffen kommen neue interessentInnen dazu.

das gelungene dabei: es entsteht eine angenehme atmosphäre, die von (in salzburg eher ungewöhnlichen?) beeindruckender offenheit getragen ist: kleinstunternehmerInnen neben betreiberInnen grösserer firmen, anfängerInnen neben „urgesteinen“, weithin oder international bekannte neben sehr local players. dass in diesen veranstaltungen der verbindende ansatz zum tragen kommt und wirklich angenehme vernetzungsstimmung aufkommt, ist aber kein zufall. inga horny, geschäftsführerin des salzburger altstadt verbandes, ist es gemeinsam mit einer „pressure group“ gelungen wirklich etwas neues, mutiges in eine zu schätzende, weil frische regelmässigkeit zu bringen.

solche treffen könnten auch sehr schnell dem berühmten „sack voller flöhe“ ähneln. dass dies nicht so ist, ist wohl in hohem mass dem immer wieder deutlich ausgesprochenen und spürbar ehrlichen leitmotiv zu danken, menschen – sogar den fast schon von berufs wegen schwierigen kreativen – zum offenen und ehrlichen begegnen und vernetzen einzuladen.

wie so oft, ist bei solchen veranstaltungen nicht auf den ersten blick erkennbar, dass bis zum zustandekommen sehr viel arbeit im berühmten „hintergrund“ passieren muss, damit dann viele menschen entspannt chillen können. inga horny und ihrem team gebührt dafür der ausdrückliche dank.

we are what we share

in vielen diskussionen und gesprächen der letzten wochen und monate begleitet mich
die grundidee „we are what we share!“

wir erleben vermutlich gerade sehr spannende veränderungen in der welt der kommunikation – hierarchische und zentral gesteuerte modelle werden von breiten vernetzungen und offenen systemen überholt, abgelöst oder zumindest relativiert.

selbst jene, die bis vor kurzem „twitter“ für alles mögliche, nur nicht für eine kommunikationsplattform für jedeN gehalten hätten, haben in den letzten tagen erfahren, dass zensur und propaganda durch echtzeitberichte via twitter unterlaufen werden können. information wird nicht mehr nur zentral in redaktionshäusern produziert, information entsteht immer und überall, wo du oder ich es für berichtenswert, für weiterverbreitbar und relevant halten.

genau hier scheiden sich immer wieder die geister: einer der häufigsten vorwürfe gegenüber den neuen möglichkeiten der individuellen berichterstattung („broadcast yourself“) heisst, dass jetzt niemand mehr entscheiden würde, was für die allgemeinheit relevant sei und was nicht.

doch sollten wir es wirklich weiterhin nur den mehr oder weniger (fern)gesteuerten redaktionen der grossen massenmedien überlassen, zu filtern, welche information uns zuträglich, nützlich oder zumindest zumutbar ist und welche nicht?

selbstverständlich gibt es sie noch: die redaktionen, die hervorragende recherche und informative verarbeitung hochkomplexer themen leisten. solche medien zu lesen, ist immer wieder ein gewinn, weil sie wesentlich mehr bieten, als eine mehr oder weniger zufällige auswahl von agenturmeldungen. aber es gibt eben auch jene redaktionen, die täglich genug gründe liefern, warum ungefilterte (daher auch sehr subjektive) informationen die unvergleichlich bessere alternative sind.

information wird in unserer (wirtschafts)kultur sehr oft so begriffen, dass im zurückhalten, geheimhalten und exklusiv für sich nutzen der eigentiche wert der information besteht. hier gilt: ich behalte meine information zu meinem nutzen, sage sie dir nicht weiter, selbst wenn dir dies schaden könnte.

open source, copyleft und creative commons sind der beginn eines neuen umgangs mit information. durch weitergabe, verbreitung und gemeinsames nutzen von information steigt hier der wert zu einem mehrwert, weil oft mit(einander)geteilt. twitter, flickr, vimeo und youtube u.a. ermöglichen es vielen, informationen schnell weiterzugeben und damit ihre eigenen, persönlichen blickwinkel der allgemeinheit anzubieten.

das prinzip des austausches auf gleicher augenhöhe, das teilen von informationen und das gemeinsame entwickeln von projekten ist immer wieder spannend. jede und jeder lernt von jedem und jeder – vernetzung, verbindung und zusammenwirken statt one-way – kommunikation in horizontalen strukturen statt vertikal von oben nach unten oder unten nach oben.

we are what we share.

jetzt geht´s los…

irgendwann ist die zeit reif.

lange hatte ich schon vor, einen eigenen, persönlichen blog zu starten, wo ich all das reinschreibe, was ich für mitteilenswert halte. nicht besonders originell, diese idee, die haben ja heutzutage schon viele. andererseits finde ich neu aufkommende formen der kommunikation immer sehr spannend.

mir ist noch nicht klar, wohin das experiment sich entwickeln wird, aber am längsten tag des jahres erscheint mir ein geeigneter zeitpunkt gegeben zu sein, mit einem versuch zu starten..

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