razzia als show auf bestellung?

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mehrere polizeiwagen halten vor der unterkunft für ungefähr 30 geflüchtete menschen. die anrückenden beamt_innen fordern alle anwesenden im haus auf, sich in den kleinen, strassenseitigen vorgarten zu begeben. sie werden darauf hingewiesen bzw. es wird versucht ihnen klar zu machen, dass sie nun weder das haus mehr betreten dürfen, noch das gelände verlassen dürfen, bis die polizeiaktion abgeschlossen ist.

zu dem zeitpunkt, als ich durch zufall an der aufsehenerregenden aktion vorbeikomme, hat der geschäftsführer des vereines, der die unterkunft betreibt, bereits die szenerie verlassen, ein mitarbeiter beobachtet vorerst wortlos die aktion. auf meine nachfragen hin erfahre ich, dass hier soeben eine razzia stattfinde, weil dies der geschäftsführer des vereins in abstimmung mit dem hausbesitzer so veranlasst hätte. nicht zuletzt hätte es hinweise aus der nachbarschaft gegeben, dass in diesem haus mit drogen gedealt würde.

die bewohner des hauses wurden vor den augen aller passant_innen und vorbeifahrenden perlustriert, sie mussten alle ihre kleidungsstücke durchsuchen lassen und sie wurden auch von den beamten abgetastet, nach dem namen und der identitätskarte gefragt und dann wieder zum hinsetzen im vorgarten aufgefordert. zu diesem zeitpunkt dachte ich noch immer, dass die razzia wirklich schon stattfinden würde.

naturgemäß erregt eine solche polizeiliche aktion aufmerksamkeit in der umgebung, rein „zufällig‟ mussten ausgerechnet jene nachbarn, die (wie sich später herausstellte) den „hinweis‟ gegeben hatten, mehrmals an der unterkunft vorbei. die aussenwirkung dieser würdelosen situation hätte vermieden werden können, wenn das anhalten der betroffenen nicht strassenseitig, sondern im hinter dem haus gelegenen grossen garten stattgefunden hätte. der mitarbeiter wollte aber diesbezüglich keine schritte unternehmen oder der polizei vorschlagen.

nach fast einer stunde (!) wartezeit traf dann erst die beamtin mit dem drogensuchhund ein, sie wollte wissen, wo denn im haus die verdächtige stelle wäre und schüttelte nur mit dem kopf, als ihr vom einsatzleiter mitgeteilt wurde, dass das gesamte objekt samt anbau zu durchsuchen sei. dies würde mehrere stunden in anspruch nehmen.

schliesslich einigten sich die beamt_innen auf eine zügige, das gesamte objekt umfassende untersuchung. während dieser wartezeit versuchte mir der mitarbeiter den sinn der aktion klar zu machen: es sollen die gerüchte entschärft werden, die von einigen nachbarn dem betreiberverein gegenüber gestreut wurden. auf den einwand hin, dass mit einer solchen aktion bzw. mit der art und weise, wie diese durchgeführt werde, eine öffentliche demütigung der betroffenen verbunden sei, konnte der mitarbeiter nur auf den geschäftsführer verweisen. dieser hätte letztlich das alles veranlasst.

die beamt_innen der polizei haben natürlich registriert, dass ich den gesamten vorgang beobachte und für mich dokumentiere, manchen war dies sichtlich nicht recht, andere bestätigten, dass dies mein recht sei.

der einsatzleiter gab mir zu verstehen, dass diejenigen, die den einsatz veranlasst haben, sehr wohl darauf hinwirken hätten können, dass die menschen zumindest im hinteren garten perlustriert werden und nicht – wie es der mitarbeiter selbst beschrieben hat – als „show“ vor dem haus auf der strassenseite.

wenn dann die anrückenden polizist_innen auch keine der entsprechenden sprachen können, aber einen armen bewohner, der gerade von der apotheke mit medikamenten zurückkommt mit der gestrengen frage „do you have drugs?“ konfrontieren, wäre das vielleicht sogar zum schmunzeln, wenn es hier nicht um traumatisierte menschen ginge.

nach ca. weiteren 25 minuten war dann die durchsuchung des hauses mittels drogensuchhund abgeschlossen, es wurden keine drogen gefunden. ganz ohne irgendein ergebnis kann eine solch gross angelegte aktion allerdings nicht bleiben: menschlich dramatisch, dass einem bewohner der kleine rest heimaterde, den er aus dem irak mit durchgebracht hat, um lt. eigener auskunft zu beten, nun weggenommen wurde, um diese „zur sicherheit zu analysieren‟, obwohl die beamtin selbst bestätigte, dass es „sicher nichts ist‟, denn sonst hätte der hund angeschlagen. es hat symbolkraft, dass im zuge einer solchen spektakulären amtshandlung einem bewohner das letzte stück erde weggenommen wurde.

und dann noch etwas: wie würde in unseren kulturkreisen eine polizeirazzia am heiligen abend oder am ostersonntag wirken? wohl schlimmer als sonst, ganz unabhängig wie gläubig wir sind oder nicht. die hier geschilderte razzia veranlassten die betreiber der unterkunft ausgerechnet am grössten muslimischen feiertag. unwissenheit?

razzia als show auf bestellung?

dieser artikel über einen vorfall am 6.7.2016 ist als beitrag im menschenrechtsbericht 2016 erschienen, welcher seit 1.12.2016 hier online zu lesen und downloadbar ist bzw. auch unter office@menschenrechte-salzburg.at als printexemplar angefordert werden kann.

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foto: bernhard jenny cc licence nd by

„die bettler“ – verjagen oder begrüssen?

jphintze creative commons

der aktuelle fall einer privatrazzia einer sicherheitsfirma in einem leerstehenden haus in salzburg (bericht krone) muss uns – wie alle anderen vorfälle dieser art – zum nachdenken bringen:

diverse zeltlager in stadtnahen wäldern wurden bereits im frühjahr amtswegig aufgelöst, nächtliche bzw. frühmorgentliche razzien mit möglichst brutalem vorgehen sollten abschrecken. auf der suche nach alternativen sind die vertriebenen offensichtlich auf leerstehende häuser gestossen, die nun wiederum geräumt werden.

dr. michael haybäck vom städtischen ordnungsamt betonte gegenüber der presse immer wieder, dass er „die stadt salzburg schützen“ müsse. konsequent weitergedacht heisst dies, dass nun jede gemeinde und jede stadt einen vertreibungstrupp (polizei oder private sicherheitsbanden) beauftragen muss, um „die bettler“ von a nach b und dann nach c und weiter nach d uns immer so weiter zu vertreiben. ein vertreibungswettbewerb entscheidet dann, welche gemeinde am ende am wenigsten brutal vertrieben hat und deshalb „die bettler“ beherbergen muss. menschenjagd als volkssport, durchaus geeignet, als livesoap um 15 uhr gesendet zu werden. gehts noch?

wir müssen umdenken:

schluss mit der diskriminierenden sprache und pauschalen diffamierungen: „die bettler“, „die sippe“ usw. sind unzulässiges schüren alter feindbilder.

schluss mit menschenjagd und vertreibung: kein mensch ist illegal. auch bettelnde menschen, arme menschen, menschen, die sich aus verständlichen gründen in die nähe der grössten reichtümer dieser welt bewegen, haben ihre höchstpersönlichen rechte. und dazu gehört das recht menschlich behandelt zu werden.

jede gemeinde, jede stadt täte gut daran, diese menschen aufzunehmen, statt sie zu vertreiben. ihnen einen platz mit einfachster infrastruktur (wasser und toilettenanlagen) zur verfügung zu stellen. und mit den menschen in kontakt zu treten.

was würden wir verlieren?

foto: jphintze creative commons

parlamentarische anfrage „hausdurchsuchungen als einschüchterungsversuch?“ von alev korun

© die grünen / katharina gossowgestern hat die abgeordnete alev korun (grüne) gemeinsam mit 4 weiteren abgeordneten in einer parlamentarischen anfrage an die bundesministerin fekter die nächtliche razzia vom 10.6. in unserem privathaus zum anlass genommen, um fekter eine reihe von konkreten fragen zu stellen.

alev korun will u.a. von fekter wissen, welche gesetzliche grundlage das unangemeldete eindringen der polizei auf das grundstück und in unser familienhaus hatte, ob ein solches nächtliches vorgehen eine übliche art der fremdenpolizei wäre oder ob die polizeiaktion mit den bekannt kritischen äusserungen der familie zur ausländerpolitikk fekters zusammenhänge.

auch wird von alev korun hinterfragt, ob es wirklich reiner zufall sei, dass diese razzia genau an jenem tag stattfand, an dem bekannt wurde, dass – ungewöhnlich genug – die staatsanwaltschaft im strafverfahren gegen 2 unserer söhne (wegen eine anti-fekter-demo) berufung ZU GUNSTEN des erstangeklagten angemeldet hatte.

fekter soll auch beantworten, wie die polizei dem orf erklären konnte, dass sie nicht gewusst hätte, wessen haus man da untersucht.

mich freut es sehr, dass alev korun diese anfrage stellt, da zu befürchten ist, dass solche nächtlichen razzias ohne rechtsgrundlage viel öfter stattfinden, als wir es erfahren. es geht also nicht nur um den einzelfall im juni, es geht grundsätzlich um das, wie in unserem land mit grundrechten und menschenrechten verfahren wird.

12 beamtInnen betreten nächtens ohne jegliche erlaubnis ein privatgrundstück und -haus um angeblich nur die anmeldung eines asylwerbers , gegen den aber lt. polizei absolut nichts vorliegt, zu überprüfen. was wäre diesem asylwerber widerfahren, was hätten 12 beamtInnen mit einem asylwerber in der nacht zu tun gehabt, wenn wir nicht in unserem eigenen haus anwesend gewesen wären?

es ist zeit, die dunklen machenschaften unserer behörden gegen asylwerberInnen und ausländerInnen aufzuklären und zu beenden!

die parlamentarische anfrage im vollen wortlaut:
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foto: alev korun (© die grünen/katharina gossow)

nächtliche polizeirazzia ohne rechtstitel

einschüchterungsversuch wegen engagement für asylwerberInnen?

gestern gegen 21:45 hat eine gruppe von mehr als 10 polizistInnen, uni-formiert und zivil, sowie angeblichen landesbediensteten sich unrechtmässig zutritt zu unserem privathaus verschaffen wollen.

die autos wurden – wie sich erst nach der aktion herausstellte – 2 strassen weiter abgestellt, die polizei läutete nicht an der hausklingel, sondern betrat über einen zwar nicht versperrten, aber geschlossenen seiteneingang das grundstück und drang ohne auf sich aufmerksam zu machen in unser familienhaus ein.

eine unserer töchter wurde von den ins haus eintretenden beamtInnen überrascht, nur durch unseren vehementen protest gegen das unrechtmässige eindringen in das private wohnhaus konnten die beamtInnen dazu bewegt werden, zumindest das haus zu verlassen. sie wollten aber trotz mehrfacher aufforderung das grundstück nicht verlassen.

vorwand für diese aktion: die polizei (wohlgemerkt mehr als 10 beamtInnen!) wolle einen asylwerber persönlich antreffen, der in unserem hause gemeldet ist, um zu überprüfen, wo er sich aufhalte.

erst nach zähen diskussionen war die truppe bereit, unverrichteter dinge abzuziehen. schutzbehauptungen mancher am einsatz beteiligten, sie hätten nicht gewusst, wo die klingel sei oder das gartentor wäre offengestanden, wollten selbst andere beteiligte nicht bestätigen.

wir sind erschüttert über diese skandalöse vorgangsweise der behörden:

  • soll eine familie, die sich aktiv für asylwerberInnen engagiert durch eine nacht- und nebelaktion eingeschüchtert werden?
  • wie kann es sein, dass die polizei ohne durchsuchungsbefehl sich in ein haus einschleicht und nur mit grossem argumentativen aufwand sich wieder hinaus verweisen lässt?
  • was wäre wohl passiert, wenn der asylwerber anwesend gewesen wäre?
  • warum lassen die beamtInnen ihre dienstautos 2 strassen weiter weg stehen, um sich unentdeckt einschleichen zu können, obwohl es keinen durchsuchungsbefehl gibt?
  • warum verweigern 10 von 12 im einsatz befindlichen beamtInnen die identifikation durch ausweis oder dienstnummer?
  • wozu rücken nächtens so viele beamtInnen aus? welchen aufwand bedeutet dies?
  • wir sind sehr betroffen, werden uns aber von unserem einsatz für asylwerberInnen und unserem protest gegen die unmenschliche asylpolitik nicht abbringen lassen!

    das foto zeigt die abrückenden beamtInnen nach der skandalösen razzia:
    nächtliche razzia im familienhaus musste abgebrochen werden

    PRESSEBERICHTE:

    ORF SALZBURG ONLINE 11.6.2010

    ORF SALZBURG RADIO SALZBURG AKTUELL 11.6.2010

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