gier bringt viele ums leben.

mehrfach ist in medien über die verhaftung des mutmasslichen täters von dortmund zu lesen:

„der täter soll auf bvb-aktionkurssturz spekuliert haben, der verdächtige ist demnach mutmasslich kein extremist, …“

bitte nochmal:

„der täter soll auf bvb-aktionkurssturz spekuliert haben, der verdächtige ist demnach mutmasslich kein extremist, …“

wie?

wie sollen wir das verstehen?

ist der täter dadurch weniger bedenklich, als solche, die menschen im vermeintlichen auftrag einer gottheit verüben?

oder ist er am ende weniger harmlos, weil er statt für einen gott „aus reiner gier“ töten wollte?

wie verblendet wir doch sind!

es muss völlig egal sein, welcher wahnsinn einen menschen antreibt, um den tod anderer menschen in kauf zu nehmen. ein bombenanschlag ist ein bombenanschlag. mordversuch ist mordversuch. kein vorgestellter gottesauftrag, kein aktienkurs, kein kontostand kann hier einen unterschied in der bewertung der tat bewirken.

oder sollen wir jetzt froh sein, dass einer „nur aus blosser gier“ morden wollte? nach dem motto: „wenigstens kein gottesgläubiger“?

wenn die erhebungen sich bewahrheiten, dann war der täter sehr wohl ein extremist. seine gottheit ist etwas greifbarer als andere. seine gottheit beherrscht das diesseits, andere sind angeblich im jenseits so richtig anwesend. die gottheit des dortmunder extremisten beherrscht jedenfalls sehr viele in dieser welt. interkulturell. interreligiös. und mitunter tödlich. nicht erst dann, wenn in dessen sinne anschläge passieren.

gier bringt viele ums leben.

 

ps. hier ein früherer artikel zur zumutung der UEFA, das spiel nur einen tag später austragen zu lassen.

ich bleibe radikal.

links rechts
ist
wenn es um politischen kontext geht
ein falsches bild
es ist ein trugbild
es gaukelt uns die möglichkeit einer balance vor
als gäbe es die möglichkeit für eine
ausgeglichenheit zwischen links und rechts als goldene mitte

sowas befriedigt
besonders in der österreichischen gemütslage
vielleicht das harmoniebedürfnis
ist aber ein sehr gefährlicher irrtum

links rechts
kann nicht verglichen werden
darf nicht verglichen werden
warum?

betrachten wir die ziele

links will der tatsache rechnung tragen,
dass alle menschen gleich an rechten und würde geboren sind.

rechts will menschen sortieren,
in solche und solche, in richtige und falsche, in berechtigte und unberechtigte.

kann es zwischen diesen absichten wirklich eine „mitte‟ geben?

aber immer wieder
rutschen wir in das naive bild:

links oder rechts

das stünde so zur disposition wie
die frage nach
süss oder sauer
herbst oder winter
klassik oder jazz

machen wir uns doch lieber ein
inhaltsbezogenes bild

links oder rechts
heisst
gleich oder ungleich
wert oder unwert
emanzipatorisch oder herrschaftlich
partizipation oder diktatur

und was heisst extremismus?
extrem? linksextrem? rechtsextrem?

ich kenne keinen wirklichen linksextremismus.

aber ich unternehme dennoch einen versuch mich der möglichkeit zu nähern:

kann es sein, dass linksextrem heisst:
wenn notwendig auch mit illegalen mitteln für die gleichheit der menschen kämpfen?
z.b. abschiebungsverhinderung, kreative unterbringungsformen, verschleierung

stimmt es, dass rechtsextrem heisst:
das sortieren von menschen so weit voranzutreiben,
dass selbst die bedrohung von leib und leben kein kriterium mehr ist?

es ist konkret gelebter rechtsextremismus unserer gesellschaft
wenn wir sehenden auges zulassen,
dass tausende und tausende menschen
im wassergraben der festung europa ertrinken
das ist salonfähig geworden
das geht locker durch
„es wird nicht ohne schreckliche bilder gehen“
hat einer mal gesagt

ursula stenzel wird nicht müde zu behaupten
die fpö wäre in der mitte der gesellschaft angekommen.
ich sage:
der rechtsextremismus ist in der mitte der gesellschaft angekommen

wir haben ein massives problem in der kommunikation:

verantwortlicher politischer diskurs heisst,
genau zu wissen, was zur disposition steht
und was nicht!

hier muss ich ein riesendefizit feststellen:
das storytelling der friedensgeneration funktioniert nicht
erschüttert und betroffen sein allein bringt nichts
aus laissez faire und basisdemokratie
ist das diktat der hetzenden geworden

empathie?
solidarität?
lost in populism!

wir stellen immer wieder viel zu viel zur disposition,
unsere politische standfestigkeit geht gegen null.

unsere gesellschaft erlebt derzeit,
was schulen schon vor jahrzehnten als falsch erleben mussten:
eine grosse schweigende mehrheit wird nicht gehört,
bekommt keine aufmerksamkeit mehr,
weil die verhaltensgestörten im klassenzimmer toben und zerstören dürfen,
wie es ihnen beliebt.
kein unterricht ist mehr möglich –
also auch keine konstruktive auseinandersetzung,
weil den randalierenden keine schranken gezeigt werden.
der frust der schweigenden steigt exponentiell.
die aufmerksamkeit der innen- und aussenwahrnehmung lenkt sich auf die gestörten,
sie erlangen dadurch anerkennung und macht.

in der pädagogik wurde bereits gelernt.
in der politik wird noch nicht einmal das problem erkannt.

stellen wir uns vor:

eine gruppe in diesem haus will heute im rahmen dieser veranstaltung darüber diskutieren,
ob nicht die blonden, die grauhaarigen oder die übergewichtigen
eigentlich besser euthanasiert werden sollen,
denn sie lägen ohnehin der gesellschaft nur auf der tasche.
dann ist es eben niemals zulässig, mit dieser gruppe eine verhandlung darüber zu führen, wieviele umgebracht werden sollen, wieviele nicht.

denn mit jenen, die menschen verachten, kann es keinen kompromiss, darf es keinen mittelweg geben!

menschen sortieren ist absolut nicht akzeptabel,
kein einziges menschenleben zur disposition stehen!

menschenrechte sind der anker und das erbe, dem ich mich verpflichtet fühle.
mir ist es egal, welches schild andere jenen umhängen,
die sich kompromisslos für menschenrechte einsetzen.

kein mensch ist illegal.
das ist für manche radikal.
ich bleibe radikal.

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mein eingangsstatement im rahmen der tagung des friedensbüro salzburg am 29.11.2016 zum thema „extremismus“ im bildungshaus st.virgil, salzburg.
gemeinsam mit astrid bötticher, verena fabris und nedžad moćević diskutierten wir über die frage „vergleichbarkeit von extremismen?“

screenshot-2016-11-29-16-29-36

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bild: detail aus veranstaltungsfolder, istock.

wer hass will, braucht feinde.

foto: bernhard jenny cc by

das eint alle, die von hass und hetze profitieren wollen: sie brauchen feinde. am besten todfeinde. das ist die logik der kriege, aber auch die logik des terrors.

der gestrige anschlag auf die redaktion der französischen satirezeitschrift charlie hebdo folgt genau dieser logik. der maximale erfolg solcher anschläge sind nicht nur die toten und verletzten, der maximale erfolg ist der hass, die wut und der reflex der rache, der in vielen menschen aufkeimt. der maximale erfolg ist die emotion, die hochkommen muss, wenn wir mitansehen müssen, wie menschen kaltblütig ermordet werden.

wir stehen in europa vor einer entscheidung: lassen wir uns in den hass treiben, oder isolieren wir die hasstreibenden. sehen wir der aufwiegelung der hassenden tatenlos und ratlos zu, oder entsinnen wir uns jener werte, die es wert sind, unsere gesellschaften danach zu organisieren?

dabei geht es nicht nur um die ächtung von gewalt und mord, egal aus welchem ideologischen eck diese kommen. es geht auch darum, die werte selbst wiederzufinden bzw. diese neu zu erfinden.

dass hass der einen immer auch der komplize des hasses anderer ist, ist selbstredend. aber wie es zur bereitschaft, zur kultur des hasses kommt, das müssen wir noch genauer realisieren:
eine entsolidarisierte gesellschaft,
die den verlierer_innen eines postkapitalistischen systems erklärt, sie seien eigentlich nur selbst schuld,
eine entsolidarisierte gesellschaft,
die aus randgruppen definitiv ausgegrenzte outcasts ohne aussichten auf veränderungen macht,
eine entsolidarisierte gesellschaft,
die die chancen auf entwicklung an die spekulationsetagen des organisierten kapitalverbrechens verkauft,
ist der ideale, ja fast zwingende nährboden für extreme wut, gewaltbereitschaft und terrorakte.

wenn wir diesen nährboden nicht in den griff bekommen, steht der erfolgreichen aufwiegelung der hasstreibenden gegeneinander nach dem motto „alle gegen die zivilgesellschaft“ nichts im wege, dann wären wir beim zündfunken für einen unüberschaubaren bürgerkrieg à la hans magnus enzensberger angelangt.

es ist klar, dass wir eine systemänderung brauchen. wem wollen wir die gestaltung der veränderungen überlassen?

wer frieden will, braucht vieles:
gerechtigkeit, freiheit, chancengleichheit, zukunft und sicherheit.

da haben es die anderen einfacher:
wer hass will, braucht feinde.

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