einsame erschütterung

holocaust mahnmal barlin foto: jmc photos cc http://www.flickr.com/photos/jmcphotos/1361545671/sizes/l/in/photostream/

ich bin erschüttert, wie einsam sich so ein gedenktag anfühlt. es scheint bald nur mehr ein tag für die angehörigen der opfer und ein paar wenige andere zu sein. aber dass solch ein gedenktag wie heute ein mahnmal für ALLE sein müsste, um ein NIE WIEDER einzumahnen, scheint selbst sonst „wachen“ oft nicht klar.

im gegenteil. mit gezücktem säbel werden schallenden stiefelschrittes die holocausttoten getreten. sie haben keine gräber. also gehen die nazis in die feierlichsten hallen unseres staates, um millionen zu verhöhnen. und die politik? und die gesellschaft? schaut wie gelähmt zu.

unsere bildung und unsere kultur haben versagt.

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dazu artikel von gestern: burschis. nichts ist zufall.

burschis. nichts ist zufall.

demo gegen wkr 2011 - foto: daniel weber cc www.flickr.com/photos/daniel-weber/

wenn die burschis also genau am gedenktag des holocausts tanzen, so ist das kein zufall. es ist die (gar nicht so) subtile art der ultras wieder terrain unter den stiefeln zu erobern. es soll wieder möglich werden. wieder laut völkisches schreien und der braunen nostalgie was heutiges abringen. schön wärs oder so. schlagende wichsen ihre stiefel. mit gezücktem säbel wird playmobilmännchen gespielt. nur leider nicht ganz so harmlos.

aus tabubruch soll gewohnheit werden. burschis sollen wir als angesehene akademiker erkennen. gibt ja manche, die als professoren unglaubliches von sich geben. gaskammern? welche gaskammern.

und noch was hat system. die anderen sind immer das was einem vorgeworfen wird. antisemiten? wir? das seid doch ihr. aus club2-studios wabbert schmissige burschenschafts… (ja was eigentlich? „-denke“ passt irgendwie nicht.)

gut dass viele auf die strasse gehen werden. auch wenn die optik nicht stimmt. die polizei muss nationale burschis schützen, die „feinde“ der staatsmacht sind die demonstrantInnen. dabei sollte es genau umgekehrt sein. ein demokratischer staat sollte uns vor faschos, nazis, neonazis und jeder art von wiederbetätigung schützen.

sollte.

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dazu passender artikel vom 27.1.2012: einsame erschütterung

offener briefentwurf zum 1.11.2011

pionierewieimmer linz 31.10.2011 (foto: bernhard jenny)

sehr geehrter herr bürgermeister franz dobusch,

es freut mich sehr, dass sie und die gesamte stadtregierung von linz auf meinen hinweis zum 1.11.2011 so schnell reagiert haben, und mit mir einer meinung sind, dass ein denkmal mit dem erschreckend verherrlichenden spruch „pioniere wie immer“ nicht der historisch-politischen verantwortung einer modernen stadt wie linz entspricht.

ihr rascher entschluss, dass dieses denkmal am donauufer nahe dem brucknerhaus durch ein neues ersetzt werden soll, das uns alle dem „nie wieder“ verpflichtet, ist ein klares zeichen, eine eindeutigkeit in unserer politischen kultur herzustellen, die wir dringend brauchen.

pionierewieimmer detail linz 31.10.2011 (foto: bernhard jenny)

diesen brief wird es hoffentlich bald wirklich geben…

das occupy paradoxon

occupy salzburg aktion zebra 20111015 (foto: bernhard jenny)

wenn wir eine inklusive gesellschaft wollen, also eine ganze gesellschaft, die niemanden ausschliesst, die allen gleichberechtigten zugang zum leben gibt, wenn wir wollen, dass wirklich wieder alle menschen als wert zählen, dann wird es unverzichtbar, dass wirklich alle an dem prozess der gesellschaftsgestaltung mitwirken. von anfang an, also bereits beim protest im derzeit noch existierenden system. der protest könnte ein aufbruch richtig ganze gesellschaft werden.

das scheinbare paradoxon auf dem weg zur ganzen gesellschaft: nicht alle können mitgestalten. es wäre fatal, offenheit so zu verstehen, dass auch jene mitbestimmen dürften, die für das gegenteil einer offenen gesellschaft eintreten.

es rächt sich nun bitter, dass unsere gesellschaft noch immer keine wirkliche aufarbeitung der fatalen fehler unserer geschichte bewerkstelligen konnte. wenn menschen, die politische kundgebungen organisieren, allen ernstes behaupten sich „noch nie mit dem holocaust“ beschäftigt zu haben, wenn andere sich wünschen, strache & co. sollten nicht ausgeschlossen werden, wenn homophobe beschimpfungen argumente ersetzen sollen, dann ist es schlimm um unsere politische kultur bestellt.

die beschämend lähmende diskussion rund um occupy salzburg ist leider nicht ein einzelfall. und es geht nicht nur um rechte, nazis oder sonstige faschisten. die aufregung war und ist immer noch gross, aber für viele ermüdend, weil manche sich viel zu geduldig auf ewige „das hast jetzt du gesagt“-diskussionen einlassen. da geht sehr viel energie verloren.

nicht alle, die gegen das derzeitige system sind, wollen auch eine emanzipierte, aufgeklärte, inklusive gesellschaft. das ist auch ein resultat jener unkultur, die immer weniger für bildung und kultur „übrig“ hat, weil die mittel sich andere stehlen.

dennoch: jede sekunde des zögerns, jedes geduldige posting ist irgendwann zuviel.
es sollte längst klar sein:
wer ausschliesst und diskriminiert, diktieren und manipulieren will, ist disqualifiziert für die mitgestaltung einer inklusiven gesellschaft.

wenn wir eine gesellschaft für alle wollen, dürfen nicht alle gestalten können.
eben ein paradoxon. aber nur scheinbar.
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http://taz.de/Occupy-Bewegung/!80372/

http://www.freitag.de/community/blogs/barbara-muerdter/faellt-die-occupy-bewegung-ihrer-eigenen-offenheit-zum-opfer

http://wutimbauch.wordpress.com/2011/10/25/nazis-occupysalzburg-warumdennnicht/

früherer beitrag

occupy? eine dringende abgrenzung!

vorgeschichte

am 4.10. erhalte ich ein anfrage von peter wurm, mir über fb bekannt, ob ich bereit wäre, die gemeinsam mit edith friedl eröffnete seite „occupy austria“ neben anderen auch als admin zu begleiten. ich sage zu. ausdrücklich aber nur als admin der fb seite und ich betone, dass ich in der zeit bis zum 15.10. keine zeit habe, auch organisatorisch mitzuwirken. ich erfahre, dass auch markus linner aus salzburg unter den admins ist und tom stadlauer als organisator in salzburg aktiv ist.

occupysalzburg am 15.10.2011 residenzplatz (foto: bernhard jenny)

zur aktion occupysalzburg

mit sicherheit haben viele für die veranstaltungen occupysalzburg viel gearbeitet. diesen menschen gilt grundsätzlich mal ein dankeschön. dennoch muss ich nach den gestrigen veranstaltungen und diversen vorgeschichten folgende punkte anmerken bzw. klarstellen.

1. das gründen einer facebook-seite allein reicht nicht, um veranstaltungen dieser art entsprechend zu bewerben. die potentielle zielgruppe wäre viel grösser gewesen, als jene schar, die erreicht wurde.

2. das „verteilen“ mehrerer termine auf 8 stunden musste zwangsläufig zu einer schlechten frequenz bei den einzelnen veranstaltungen führen. nur wirklich sehr aktiv engagierte hielten die gesamte zeit über durch.

3. ausdrücklich positiv empfand ich die „aktion zebra“, allerdings eine blockadeaktion alle paar minuten pausieren, damit nur ja kein stau unter den autos entsteht, kommt einer freiwilligen selbstentschärfung gleich.

4. es ist leider schon öfter in salzburg passiert, dass demozüge auf einen fahrstreifen oder sogar auf gehsteige reduziert werden. aber das abzweigen eines demozuges auf den kai zwischen müllnersteg und makartsteg, damit nur ja die schwarzstrasse nicht behindert wird, ist wohl die vorstufe für demos, die am besten gleich an unauffälligen plätzen und abseits des verkehrsgeschehens stattfinden.

5. der schluss am residenzplatz fand zwangsläufig früher als geplant statt, menschen, die der ankündigung einer schlusskundgebung um 19 uhr folgten fanden nur mehr ca. 20 personen vor. es gibt in ganz salzburg keinen grösseren platz, auf dem selbst mittelgrosse und grosse menschengruppen mickrig wirken. der kleine haufen occupysalzburg musste also in unauffälligkeit enden.

6. das im orf wiedergegebene statement von tom stadlauer ist diametral gegen die linie der weltweiten proteste gerichtet. unverständlich, dass das so passieren konnte. jedoch fügt sich das alles in ein bild, das höchst bedenklich ist. anscheinend hat sich das „zeitgeist movement“ der protestaktion occupy salzburg bemächtigt und erfolgreich alle aktionen einer politischen weichspülung unterzogen. also könnten die oben angesprochenen schwächen auch resultat einer gezielten strategie sein. (im orf-bericht steht gar zu lesen: „Die Protestaktion nennt sich „Zeitgeist Movement“ und wurde über das soziale Netzwerk Facebook organisiert.“ und die zeitgeist-homepage wurde in diesem beitrag direkt verlinkt!) http://salzburg.orf.at/news/stories/2505645/

7. am freitag gab es bereits eine aufgeregte diskussion auf facebook, dass occupyaustria u.a. von rechten unterwandert sei. ich hielt das ursprünglich nicht für möglich, musste jedoch heute im internet zumindest hinweise entdecken, dass auch tom stadlauer (angeblich sprecher von „zeitgeist movement“) ein unklares politisches verhältnis zum thema holocaust haben könnte. ich kann und will da niemandem etwas beweisen, aber mir reicht das unbehagen und mein bauchgefühl, um hiermit eindeutig auf distanz zu den veranstalterInnen von occupysalzburg zu gehen.

konsequenz: ich bin daher ab sofort kein admin der occupyaustria mehr. (die diskussion mit tom stadlauer in den kommentaren zu einem früheren blogeintrag liest sich jetzt auch nochmals ganz anders.)

tom stadlauer bedankt sich bei der polizei (foto: bernhard jenny)

abgrenzung

wenn wir das system, jenes heute von spekulationen, ratings und kriminellen machenschaften kontrollierte system kritisieren (was unverzichtbar ist), wenn wir gegen dieses system auf die strasse gehen und ein neues system fordern, so liegt es auf der hand, dass wir noch nicht endgültig wissen, wie das neue system aussehen wird. schliesslich sollen wir alle gemeinsam dieses system neu gestalten und mitbestimmen.

wir müssen aber wachsam bleiben, dass wir keine unauffälligen allianzen bilden mit menschen, die ebenso gegen dieses system sind, aber schon allzugenau wissen, wie das neue system auszusehen hat.
das, was wir einfordern, ist letztlich eine gesellschafts- und wirtschaftsordnung, die den unteilbaren prinzipien der menschenrechte entspicht. diese menschenrechte wurden in einer zeit des bösen erwachens aus den schrecklichen verbrechen des 2.weltkriegs und des holocaust formuliert.

menschen, die die verbrechen und täter von damals oder die verbrechen und täter von heute nicht eindeutig benennen können oder wollen, sind jedenfalls für mich keine weggefährten. niemals.

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aktualisierung 17.10.:
inzwischen hat anscheinend peter wurm (einer der admins der fb seite occupy austria) ein hitler-video kommentarlos auf occupyaustria gepostet, welches inzwischen natürlich entfernt wurde.
eine rege diskussion hier in den kommentaren fand offensichtlich die ganze nacht statt.
alles in allem eine bestätigung für meine distanzierung.

troy davis vorsätzlich ermordet

die botschaft von troy davis – unmittelbar vor seiner ermordung:

„The struggle for justice doesn’t end with me. This struggle is for all the Troy Davises who came before me and all the ones who will come after me. I’m in good spirits and I’m prayerful and at peace.“

trauer um troy davis

in der vergangenen nacht wurde nun der staatliche mord umgesetzt. ein allerletzter hoffnungsschimmer wurde auch wieder zerstört. all die weltweiten proteste blieben ungehört. es ist eine niederlage für uns alle. wut allein wäre zu wenig. einmal mehr haben wir den auftrag, gegen den wahnsinn todesstrafe weiter zu kämpfen.

ein staat, der die todesstrafe zulässt ist noch nicht in der zivilisation angekommen. eine staatengemeinschaft, die hochoffiziell die grundrechte aller menschen mit füssen tritt und mit todesspritzen vernichtet, hat das recht, andere staaten zur einhaltung der menschenrechte aufzufordern verwirkt. umso mehr verantwortung trifft die menschen in den betreffenden staaten selbst, ihre gesetze und autoritäten zu ändern.

allerdings reicht es in solchen momenten auch nicht, uns als europäerInnen in einem zweifelhaften licht zu sonnen, frei nach dem motto „wie gut, dass es soetwas bei uns nicht gibt.“ verbrechen gegen die rechte der menschen gehen uns immer an und es kann uns nicht beruhigen, dass sie zum glück wo anders passieren.

wir dürfen nicht zulassen, dass die menschenrechte immer mehr zu einem „ideal“ verklärt werden, das der „realität“ nicht standhält. die menschenrechte sind DIE kulturleistung der menschheit schlechthin. sie sind der entscheidende lernschritt in folge der schrecken des 2.weltkriegs und des holocaust.

jeder schritt hinter diese wegmarke der kultur bedeutet, dass wir jene werte verlernt haben, die vor wenigen jahrzehnten gewissheit zu sein schienen.

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blogeintrag vom 21.9.2011

fekter braucht sich nicht zu entschuldigen

foto original michael thurm creative commons auf flickr / überarbeitung bj

nein. eine entschuldigung wäre wirklich nicht akzeptabel. wer sich als innenministerin durch offene hetze gegen ausländerInnen hervorgetan hat, wer den faschistInnen in unserem land freihaus bestätigt hat, dass die wahre gefahr wieder einmal von jenen menschen droht, die uns nur berauben, mit drogen vollpumpen und übervolken wollen, wer die deportation wieder zum festen bestandteil des staatlichen handlungsreportoires werden hat lassen, wer menschen in den selbstmord treiben oder in lebensgefahr abschieben liess, ist allein deshalb schon längst untragbar in einem amt, wo es um demokratiepolitische verantwortung geht. die rücktrittsforderungen allein aus der zeit ihrer tätigkeit als innenministerin sind zahllos, aller aber in der sache richtig.

wer aber politische nebelgranaten der schlimmsten art wirft, wer die opfer der shoa als opfer einer hetze auf die reichen verhöhnt, wer also den holocaust wesentlich verkennt, kann sich nicht mehr entschuldigen.

so jemand ist untragbar.
so jemand muss zurücktreten.

wer akzeptiert, dass sie das nicht tut, macht eine unkultur salonfähig, die niemals wieder platz haben darf. das hat nichts, aber auch gar nichts mit parteipolitik oder -solidarität zu tun. hier geht es um die politische kultur einer demokratie, die ohnehin mehr als bedroht ist.

wer nicht akzeptieren will, dass sie wieder einmal alles aussitzt, wird konkrete schritte politischen handelns überlegen müssen. das betrifft uns alle. fekterland ist noch immer fekterland, solange die unakzeptablen praktiken der fremdenfeindlichen politik fortgesetzt werden und solange unerträgliche verharmlosungen auf der politischen bühne verteidigt werden, als würde es sich um small talk handeln.

jeder tag, den fekter noch im amt ist, ist hundert tage zuviel.

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foto: michael thurm (flickr creative commons)