das occupy paradoxon

occupy salzburg aktion zebra 20111015 (foto: bernhard jenny)

occupy salzburg aktion zebra 20111015 (foto: bernhard jenny)

wenn wir eine inklusive gesellschaft wollen, also eine ganze gesellschaft, die niemanden ausschliesst, die allen gleichberechtigten zugang zum leben gibt, wenn wir wollen, dass wirklich wieder alle menschen als wert zählen, dann wird es unverzichtbar, dass wirklich alle an dem prozess der gesellschaftsgestaltung mitwirken. von anfang an, also bereits beim protest im derzeit noch existierenden system. der protest könnte ein aufbruch richtig ganze gesellschaft werden.

das scheinbare paradoxon auf dem weg zur ganzen gesellschaft: nicht alle können mitgestalten. es wäre fatal, offenheit so zu verstehen, dass auch jene mitbestimmen dürften, die für das gegenteil einer offenen gesellschaft eintreten.

es rächt sich nun bitter, dass unsere gesellschaft noch immer keine wirkliche aufarbeitung der fatalen fehler unserer geschichte bewerkstelligen konnte. wenn menschen, die politische kundgebungen organisieren, allen ernstes behaupten sich „noch nie mit dem holocaust“ beschäftigt zu haben, wenn andere sich wünschen, strache & co. sollten nicht ausgeschlossen werden, wenn homophobe beschimpfungen argumente ersetzen sollen, dann ist es schlimm um unsere politische kultur bestellt.

die beschämend lähmende diskussion rund um occupy salzburg ist leider nicht ein einzelfall. und es geht nicht nur um rechte, nazis oder sonstige faschisten. die aufregung war und ist immer noch gross, aber für viele ermüdend, weil manche sich viel zu geduldig auf ewige „das hast jetzt du gesagt“-diskussionen einlassen. da geht sehr viel energie verloren.

nicht alle, die gegen das derzeitige system sind, wollen auch eine emanzipierte, aufgeklärte, inklusive gesellschaft. das ist auch ein resultat jener unkultur, die immer weniger für bildung und kultur „übrig“ hat, weil die mittel sich andere stehlen.

dennoch: jede sekunde des zögerns, jedes geduldige posting ist irgendwann zuviel.
es sollte längst klar sein:
wer ausschliesst und diskriminiert, diktieren und manipulieren will, ist disqualifiziert für die mitgestaltung einer inklusiven gesellschaft.

wenn wir eine gesellschaft für alle wollen, dürfen nicht alle gestalten können.
eben ein paradoxon. aber nur scheinbar.
____________

http://taz.de/Occupy-Bewegung/!80372/

http://www.freitag.de/community/blogs/barbara-muerdter/faellt-die-occupy-bewegung-ihrer-eigenen-offenheit-zum-opfer

http://wutimbauch.wordpress.com/2011/10/25/nazis-occupysalzburg-warumdennnicht/

früherer beitrag

Autor: bernhardjenny

kommunikationsgestalter meine unternehmen: jennycolombo.com, conSalis.at blogger, medienkünstler, autor, erwachsenenbildner salzburg - wien

9 Kommentare zu „das occupy paradoxon“

  1. „Wenn wir eine Gesellschaft für alle wollen, dürfen nicht alle gestalten können.“

    …sagte der „große Diktator“.

    Ich habe ganz bewusst übertrieben, um deutlich zu machen, worum es geht: Die neue Gesellschaft braucht keine wie auch immer geartete „neue Politik“, sondern es bedarf der Abschaffung der Politik!

    Politik bedeutet Machtausübung, d. h. eine wie auch immer „an die Macht“ gelangte Gruppe von „Machthabern“ schreibt allen dagegen „Machtlosen“ vor, was sie zu tun oder zu lassen haben. Dabei ist es völlig unerheblich, ob diejenigen, die Macht über andere ausüben, dazu „demokratisch legitimiert“ wurden. Eine so genannte „repräsentative Demokratie“ ist eine Illusion.

    Politik (Machtausübung) ist überhaupt nur erforderlich, wenn die eigentliche Basis allen menschlichen Zusammenlebens, die Makroökonomie, noch fehlerhaft (kapitalistisch) ist. Dass eine sozialistische Planwirtschaft, wie auch immer gedacht, den Kapitalismus nicht beseitigen kann, sondern prinzipiell in den Staatskapitalismus und damit in die totale Unfreiheit führt, sollten mittlerweile auch die Dümmsten begriffen haben.

    Die fehlerfreie und damit zugleich machtfreie Makroökonomie ist eine freie Marktwirtschaft ohne Kapitalismus (monopolfreie Marktwirtschaft), die allein durch das freie Spiel der Kräfte von Angebot und Nachfrage geregelt wird und es selbstverständlich allen Menschen erlaubt, die freie Welt, in der sie leben wollen, nach eigenem Ermessen mitzugestalten:

    Klicke, um auf basisdemokratie.pdf zuzugreifen

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  2. Sehr treffend! Es ist nicht zu verstehen, warum manche noch nachdenken müssen, ob Nazis integriert werden sollen oder nicht.

    Das kann doch wirklich nicht akzeptiert werden, wenn wir uns ernst nehmen wollen. Als Gesellschaft mit Geschichte.

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  3. Sehr wichtig finde ich den obigen Link zum taz-Artikel, der die Occupy-Umtriebe der Zeitgeist-Bewegung thematisiert. Hinter jeder Aussage stehen Autoren – und es ist jederzeit gut zu wissen, wessen Geistes Kinder die sind. Wie bereits auf Facebook bemerkt:

    „Vor ca. 3 jahren kam der erste Zeitgeist-Film bei systemkritischen Salzburger Jugendlichen in Mode – wir führten ein längeres Gespräch mit Günther Paal (Gunkl) und es war hohe Lust, zu erleben, wie der emotionale Intellektuelle diese krude amerikanoide Verschwörungsphilosophie mit Hausverstand und Logik zerpflückte! Sollten wir unbedingt mal wieder im Radio zu Gehör bringen – aus gegebenem Anlass…“

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    1. Tom, deine Aktionen kannst du nicht so leicht vergessen machen. Ihr Zeitgeistler seid nun mal das, was ihr seid. Das habt ihr eindrucksvoll bewiesen. Bravo. Weiter so. Immer feste Zeitgeisteln. Ernst auf Ernst!

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  4. Die Idee einer „inklusiven“, also „einschließenden“ Gesellschaft ist:
    1. eine räumliche Metapher: sie begreift die Gesellschaft als Raum und blendet die Zeit aus;
    2. ist eine schlechte Metapher: wer möchte schon eingeschlossen sein;
    3. ist eine gefährliche Metapher: eine Gesellschaft, die alle einschließt, also kein Außen mehr kennt, ist eine totale Gesellschaft.
    Das zeigt auch der Gestus des Artikels. Wenn es „unverzichtbar (ist), dass wirklich alle am prozess der gesellschftsgestaltung mitwirken“, so ist das – dem inklusiven Gesellschaftsbild gemäß – eine Totalmobilmachung aller Gesellschaftsmitglieder. Es gibt keinen Raum des Rückzugs mehr. Alle sind „eingeschlossen“; keiner darf mehr nein sagen; alle müssen mitmachen.
    Ich empfehle – falls es nicht so gemeint sein sollte – die eigene Sprache zu überprüfen und die Konnotatione ernst zu nehmen, die sie trägt.

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