kollektive regression ist höchst populär

thementage auf 3sat sind häufig spannende, weil vertiefende einblicke in bestimmte themenbereiche. mit dem gestrigen schwerpunkt „ihre majestäten“ über diverse königinnen, könige, prinzen und prinzessinnen schaffte 3sat den ultimativen overkill in sachen royals und co.

in welcher welt leben wir eigentlich? ist die aufklärung wirklich spurlos an uns vorübergegangen? brauchen wir wirklich zur inszenierung irgendwelcher archetypischer phantasien die aufrechterhaltung krankhafter strukturen?

benötigen wir wandelnde märchenbücher samt menschen, die sich ernsthaft „majestäten“ nennen, sich vermutlich wirklich für besser als das volk halten (oder aber auch von anderen dafür gehalten werden) und sich dabei hochneurotisch verhalten?

ist es nicht minder neurotisch, diesen menschen auf schritt und tritt zu folgen und ständig projektionsflächen für unsere inneren mangelerscheinungen aus ihnen zu machen? sollte es uns nicht egal sein, ob die yellow press ausstirbt, weil es keine royals mehr gibt?

es geht nicht darum, ob mir die akteurInnen nun sympathisch oder unsympathisch sind, sondern schlicht und einfach darum, dass das konzept von adel und volk, von majestäten und untertanen längst überwunden sein müsste.

solange wir uns von solchen mittelalterlichen mustern nicht trennen, leben wir in regression. ein zeichen dafür, dass wir die realität nicht verkraften. war die aufklärung doch nicht zumutbar?

frischer wind in der salzburger altstadt mit leichten turbulenzen

salzburg hat wahrlich schon sehr viele symphonien erlebt und gehört. einer so langen und oft auch eingefahrenen tradition frisches und lebendiges nachzusetzen, ganz dem heutigen und aktuellen verpflichtet, ist schon eine herausforderung.

50 tänzerInnen des SEAD (salzburg experimental academy of dance) ist dies gestern in beeindruckender weise gelungen: die „street symphony für dance orchestra“ war ein starkes erlebnis.

die tänzerInnen setzten auf ihrem weg von der academy in schallmoos hinein mitten in die innenstadt kreative impulse, die mitwanderndes publikum und zufällige passanten sehr oft ein lächeln ins gesicht zauberte. kreativität kann dynamik und frische zwischen altehrwürdige mauern bringen, kann räume erweitern, plätze entstehen lassen.

holzstäbe, getränkedosen, pfeifen und klangstäbe, oder aber auch der eigene körper, die stimme, die musik – diese „street symphony“ (choreografie: zsuzsa rózsavölgyi, musik: bánk sáry) setzt auf bunte vielfalt und kreative spannung im öffentlichen raum.

die schar der neugierigen beobachterInnen wurde von station zu station grösser und die aufmerksamkeit war dadurch immer rascher zu gewinnen. das geht freilich nicht immer reibungslos. da fahren schon mal die fiaker oder taxis gnadenlos in die tanzende menge, die tänzerInnen lassen sich aber nicht beirren.

und das publikum solidarisiert sich umso mehr mit dem geschehen: da bilden sich dann immer dichtere kreise um die performenden künstlerInnen oder eine frau stellt sich entschlossen dem nächsten fiaker klar und deutlich in den weg.
es werden eben immer spannungen spürbar, wenn kulturelles, kreatives geschehen in unseren fest gemauerten alltag, in unseren öffentlichen raum eingreift. „warum müssen die das ausgerechnet jetzt machen, wo ich einkaufen gehen will, die sollen das am sonntag machen“, ärgert sich eine passantin über die irritation des konsums. doch während sich wenige gestört fühlen, ist es eine deutliche, stetig wachsende mehrheit, die diesem sympathischen treiben gerne raum zugesteht oder es genussvoll beobachtet.

dass sich insgesamt die gute stimmung durchsetzt, ist das ergebnis der konsequenten arbeit der tänzerInnen. sie scheinen das performen auf unseren plätzen wie das atmen zu brauchen, sie zeigen uns, wie lebendig altstadt verstanden werden könnte.

ein starkes signal anlässlich des „internationalen welttages des tanzes“ mit viel symbolkraft: es wäre wünschenwert, unseren alten gemäuern – sowohl denen in der altstadt, als auch denen in unseren köpfen – öfter mal die leichtigkeit kreativer bewegung zuzumuten. irritation inklusive.

mit jedem menschen, den wir abschieben, verlieren wir

wir verlieren menschlichkeit.
ein kurs der schneller fällt
als aktienkurse oder euro.
ein wert
den wir kaum merken
im alltag im getriebe im stress
also könnten wir es fast übersehen.
also können wir fast drauf verzichten.
mit jedem menschen
den wir abschieben
verlieren wir nur menschlichkeit
ein wert
ein wert?
was ist uns ein mensch wert?
wenn wir genügend abgeschoben haben
werden wir endlich
wertlos
sein
entmenschlicht

schluss mit den abschiebungen

weil sie menschenverachtend sind.

weil sie menschen, die bei uns hilfe und sicherheit suchen in lebensgefahr bringt, sie umbringt und sie zumindest in permanenten dauerstress bringt. wieviele jahrzehnte ist es erst her, dass menschen vor angst nicht schlafen konnten, weil sie nicht wussten, wann sie „geholt“ werden?

wenn rainer nowak von der presse sich über den „flashmob“ als blockade der abschiebung von flüchtlingen letzten donnerstag in wien beschwert, in dem er folgert:

Nur weil uns die Methode sympathisch vertraut ist, ist es die Aktion selbst nicht. Konsequenterweise sollte die Facebook-Gruppe für die Abschaffung jedes Asylrechts eintreten. Gegen Staaten und ihre Grenzen.

so kann ich ihm nur sagen: ja genau! endlich kapiert. unser asylrecht ist unmenschlich und menschenverachtend. und wenn wir unseren lebensraum nur durch solche grenzen definieren können, die für andere menschen zur todesfalle werden, gehören sie abgeschafft.

in diesem zusammenhang der hinweis auf die kundgebung „WIDERSTAND im FEKTERLAND“ am fr. 7.5. um 11 uhr vor dem LANDESGERICHT SALZBURG.

dort findet ab 9 uhr die 2.verhandlung gegen 2 meiner söhne statt, die bei einer anti-fekter-demo im jänner brutal verhaftet wurden, von do bis sa in untersuchungshaft verbringen mussten und jetzt sich wegen schwerer körperverletzung und widerstand gegen die staatsgewalt  verantworten müssen. (saal 400)
die verhandlung ist bis 12 uhr anberaumt, mit einem urteil am ende dieser verhandlung ist zu rechnen.

  • alle, die ein neuerlich klares zeichen gegen die unmenschliche asylpolitk fekters setzen wollen,
  • alle, die nicht zusehen wollen, wie der widerstand gegen die asylpolitik in unserem land kriminalisert wird,
  • alle, die sofort nach der verhandlung erfahren wollen, wie das urteil des gerichts lautet
    • treffen sich am freitag dem 7.5. um 11 uhr zu einer KUNDGEBUNG beim
      SALZBURGER LANDESGERICHT!

    its time to act – now!

    wichtig: der prozess gegen die asypolitik-kritiker ist ein zwar bedauerlicher, aber NEBENschauplatz. die hauptsache ist die menschenverachtende asylpolitik in österreich, für die fekter verantwortlich ist.

    frauen zeigen sich (mehr als) nackt

    es gibt geschehen, die brauchen das private. nacktheit ist zumeist sehr privat und wenn sie öffentlich ist, ist sie oft das ergebnis eines ungleichen geschehens zwischen einem gaffer (zumeist männlich) und einer oder mehreren begafften (zumeist weiblich). oft bekommen wir sie zu sehen, die nacktheit eines objektes, das fast nur zufällig auch frau/mensch ist.

    susanne lencinas / wandergalerie salzburg

    wenn die wandergalerie nun in einem quasi privatissimum zu einem abend in eine ausgediente tankstelle in salzburg lädt, der den abschluss eines projektes mit dem titel „MYSELF NUDE“ darstellt, dann ist eine ganz andere nacktheit thema.

    auf einladung der wandergalerie haben 12 frauen aus 9 europäischen ländern selbstakte für diesen vorabend zum 1.mai zur verfügung gestellt. frauen werden nicht gezeigt, sondern zeigen sich selbst, wobei die werke eine nacktheit zeigen, die sich als aktuelle statements unterschiedlichster sinnlichkeit anbieten.

    so verschieden die herangehensweise an das „sich selbst zeigen“ dieser frauen ist, umso deutlicher die gemeinsamkeit bewusster selbstbestimmung (oder selbstbewusster bestimmheit?). um ein paar beispiele zu nennen: von olya ivanovas sensiblen momentaufnahmen oder marta bevacquas subtiler erotik bis zu susanne lencinas‘ kraftvollen akten (als photoprints auf dem fussboden kaschiert), von den digital colorierten lustvollen selbstinszenierungen von sabine kristmann-gros bis zu den ästhetisch skulptural anmutenden rumpf-reduzierungen des weiblichen körpers von vera gradinariu, ensteht insgesamt ein starker – an einer solchen location vorerst unerwarteter, aber dann umso spannenderer – ausdruck weiblicher nacktheit.

    in die betrachtung der bilder an den wänden und am boden webt sich plötzlich die reale nacktheit der performerin vakinore, die mit ihrem blossen körper, ihrer stimme und einem minimalistischen einsaitigen musikinstrument in beeindruckender schlichtheit authentische, weil persönliche feierlichkeit erzeugt. „nicht das was, das wie ist mir wichtig“, bringt sie später ihren begriff von perfomance-kunst auf den punkt.

    später am abend schliesst der orientalische tanz von lucia nadia cipriani an eben diese feierlichkeit mit selbstbewusster stärke an und zeigt eine direktheit, die auch bekleidet der an diesem abend gefeierten nacktheit um nichts nachsteht.

    entspannt nehmen die gäste des abends unter dem für tankstellen typischen vordach dann platz ein, um bei indischem essen und flachgauer bier weiter zu reflektieren. welche beziehungen die betreiberInnen der wandergalerie – h.rogra, vakinore und sonja schiff – nutzen konnten, um den lauen frühlingsabend filmreif und energiegeladen in einem spektakulär heranblitzenden sommergewitter enden zu lassen, ist noch nicht geklärt. inszenierung war eben das thema.

    http://wandergalerie.wordpress.com/