gestern und heute fand im rahmen der sommerszene09 ein spannender eingriff statt. ein eingriff mitten in das leben der stadt, mitten auf dem müllnersteg. „dancing on a bridge“ – eine performance von simone sandroni & sead dancers – sollte nach eigendefinition des choreografen und regisseurs durchaus irritieren:
a group of dancers are many unique individuals. they become a group only because of actions happening in a space at the same time. the idea is to make them look like a group by coincidence, giving the irritation of a show, which is not prepared or organized previously.
der eingriff ist voll gelungen. es kam zu irritationen verschiedenster art. wie es eben bei eingriffen so ist, wurden prozesse offengelegt, offensichtlich und konfrontativ: anfänglich wurden die tänzerInnen des sead fast unmerklich, unscheinbar mitten unter den fussgängerInnen und radfahrerInnen aktiv. der alltag wäre kaum aus dem trott gekommen, wären da nicht die beidseitig stehenden zuseherInnen und die beiden auf grossen schaukeln sich zurufenden tänzerInnen gewesen.
später dann, als die performance sich in der stegmitte zu sammeln begann und sowohl tänzerInnen als auch zuseherInnen einen schützenden rahmen bilden wollten, war die konfrontation mit der hast und der ungeduld unausweichlich. es war schon „beeindruckend“ zu sehen, wie radfahrerInnen trotz versammelter menge partout nicht absteigen wollen und sich ihren weg mitten durch die performenden tänzerInnen bahnten. stellenweise entstanden sogar aggressionen, rempeleien inklusive, denn manche brückenquerende wollten keinesfalls sich von diesem seltsamen treiben aufhalten lassen, fussgängerInnen wie radfahrerInnen waren immer wieder das verlässliche störelement.
es passierte aber auch sonst noch vieles: da gab es die frau, die irgendwie belustigt vom tänzerischen geschehen plötzlich selbst tanzend die seiten wechselte, da gab es den unverzichtbaren japaner mit sohn, der das geschehen zwar im unaufhaltsamen vorbeigehen, aber doch zur sicherheit schnell fotografisch festhielt – die salzburgsilhouette im hintergrund war der garant für ein in jedem fall gelungenes bild.
trotzdem stimmt das ganze nachdenklich. ich selbst stellte fest, dass ich anfänglich gerne vorbeiziehenden platz machte, wenn sie mit einem „entschuldigung“, „bitte“, „sorry“ oder „xcuse me“ ihr desinteresse kundgaben. irgendwann fragte ich mich, warum diese performance, dies tänzerInnen und die zuschauerInnen weniger recht haben sollten, das „ihre“ durchzuziehen, als jene, die einfach weitergehen wollten. konsequenz war, dass ich auf somanche „sorry“-versuche mich zur seite zu schieben, ebenso mit einem „sorry“ stehenbleiben wollte. doch der strom der alltagstrotterInnen war stärker, liess sich nicht wirklich erfolgreich stoppen.
schon seltsam: 25 minuten versitzen wir locker schon mal in einem stau, aber 25 minuten den ungefähr ebensovielen akteurInnen einzuräumen – das war einfach nicht drin.
insgesamt ein wertvoller eingriff: salzburgs alltag musste – widerspenstig, aber doch – einen eingriff von künstlerInnen zur kenntnis nehmen, die tänzerInnen wiederum werden intensiv erlebt haben, welch andere welt sich „draussen“ ausserhalb der tanzhallen abspielt. dass das ganze zu einem gelungenen ganzen wurde, quasi alle beteiligten und unbeteiligten zu einem performance-prozess wurden, ist wohl dem umstand zu verdanken, dass die irritation eben bereits teil des konzepts war.
erst waren es ja nur „irgendwelche bewegungen“ zu einer musik, die nur die tänzerInnen in ihren ipods hören konnten, von dem sich salzburg so ganz und gar nicht beeindrucken lassen wollte, als dann die musik in der wiederholung auch für alle anderen hörbar wurde, mussten alle erkennen, dass es mozart war, den salzburg wieder einmal verkannt hatte. dieses lehrstück ist den tänzerInnen gelungen.
dass die sommerszene auf diese weise die offene (performative) auseinandersetzung mit der alltagswelt zu einem festen bestandteil des programms macht, zeigt, dass das team auch nach 40 jahren szene die ansprüche nicht vergessen hat.
link zur sommerszene
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