freie kultur und LGBTQ+ werden offen bedroht?

kultureinrichtungen wie die salzburg experimental academy of dance (SEAD) oder das JAZZ:IT zu feindbildern zu erklären, ist ein absolutes „nogo“ und darf nicht unwidersprochen bleiben. 

wenn ein rechtsrechter spitzenkandidat einer partei, die sich selbst von den identitären nicht abgrenzen will, sich auf diese weise bei rechtsrechten wähler:innen anbiedern will, wäre es denkbar, dass manche meinen, „nur nicht zuviel aufmerksamkeit“ solchen ausführungen geben zu sollen. 

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frischer wind in der salzburger altstadt mit leichten turbulenzen

salzburg hat wahrlich schon sehr viele symphonien erlebt und gehört. einer so langen und oft auch eingefahrenen tradition frisches und lebendiges nachzusetzen, ganz dem heutigen und aktuellen verpflichtet, ist schon eine herausforderung.

50 tänzerInnen des SEAD (salzburg experimental academy of dance) ist dies gestern in beeindruckender weise gelungen: die „street symphony für dance orchestra“ war ein starkes erlebnis.

die tänzerInnen setzten auf ihrem weg von der academy in schallmoos hinein mitten in die innenstadt kreative impulse, die mitwanderndes publikum und zufällige passanten sehr oft ein lächeln ins gesicht zauberte. kreativität kann dynamik und frische zwischen altehrwürdige mauern bringen, kann räume erweitern, plätze entstehen lassen.

holzstäbe, getränkedosen, pfeifen und klangstäbe, oder aber auch der eigene körper, die stimme, die musik – diese „street symphony“ (choreografie: zsuzsa rózsavölgyi, musik: bánk sáry) setzt auf bunte vielfalt und kreative spannung im öffentlichen raum.

die schar der neugierigen beobachterInnen wurde von station zu station grösser und die aufmerksamkeit war dadurch immer rascher zu gewinnen. das geht freilich nicht immer reibungslos. da fahren schon mal die fiaker oder taxis gnadenlos in die tanzende menge, die tänzerInnen lassen sich aber nicht beirren.

und das publikum solidarisiert sich umso mehr mit dem geschehen: da bilden sich dann immer dichtere kreise um die performenden künstlerInnen oder eine frau stellt sich entschlossen dem nächsten fiaker klar und deutlich in den weg.
es werden eben immer spannungen spürbar, wenn kulturelles, kreatives geschehen in unseren fest gemauerten alltag, in unseren öffentlichen raum eingreift. „warum müssen die das ausgerechnet jetzt machen, wo ich einkaufen gehen will, die sollen das am sonntag machen“, ärgert sich eine passantin über die irritation des konsums. doch während sich wenige gestört fühlen, ist es eine deutliche, stetig wachsende mehrheit, die diesem sympathischen treiben gerne raum zugesteht oder es genussvoll beobachtet.

dass sich insgesamt die gute stimmung durchsetzt, ist das ergebnis der konsequenten arbeit der tänzerInnen. sie scheinen das performen auf unseren plätzen wie das atmen zu brauchen, sie zeigen uns, wie lebendig altstadt verstanden werden könnte.

ein starkes signal anlässlich des „internationalen welttages des tanzes“ mit viel symbolkraft: es wäre wünschenwert, unseren alten gemäuern – sowohl denen in der altstadt, als auch denen in unseren köpfen – öfter mal die leichtigkeit kreativer bewegung zuzumuten. irritation inklusive.

wirksamer eingriff

gestern und heute fand im rahmen der sommerszene09 ein spannender eingriff statt. ein eingriff mitten in das leben der stadt, mitten auf dem müllnersteg. „dancing on a bridge“ – eine performance von simone sandroni & sead dancers – sollte nach eigendefinition des choreografen und regisseurs durchaus irritieren:

a group of dancers are many unique individuals. they become a group only because of actions happening in a space at the same time. the idea is to make them look like a group by coincidence, giving the irritation of a show, which is not prepared or organized previously.

der eingriff ist voll gelungen. es kam zu irritationen verschiedenster art. wie es eben bei eingriffen so ist, wurden prozesse offengelegt, offensichtlich und konfrontativ: anfänglich wurden die tänzerInnen des sead fast unmerklich, unscheinbar mitten unter den fussgängerInnen und radfahrerInnen aktiv. der alltag wäre kaum aus dem trott gekommen, wären da nicht die beidseitig stehenden zuseherInnen und die beiden auf grossen schaukeln sich zurufenden tänzerInnen gewesen.

später dann, als die performance sich in der stegmitte zu sammeln begann und sowohl tänzerInnen als auch zuseherInnen einen schützenden rahmen bilden wollten, war die konfrontation mit der hast und der ungeduld unausweichlich. es war schon „beeindruckend“ zu sehen, wie radfahrerInnen trotz versammelter menge partout nicht absteigen wollen und sich ihren weg mitten durch die performenden tänzerInnen bahnten. stellenweise entstanden sogar aggressionen, rempeleien inklusive, denn manche brückenquerende wollten keinesfalls sich von diesem seltsamen treiben aufhalten lassen, fussgängerInnen wie radfahrerInnen waren immer wieder das verlässliche störelement.

es passierte aber auch sonst noch vieles: da gab es die frau, die irgendwie belustigt vom tänzerischen geschehen plötzlich selbst tanzend die seiten wechselte, da gab es den unverzichtbaren japaner mit sohn, der das geschehen zwar im unaufhaltsamen vorbeigehen, aber doch zur sicherheit schnell fotografisch festhielt – die salzburgsilhouette im hintergrund war der garant für ein in jedem fall gelungenes bild.

trotzdem stimmt das ganze nachdenklich. ich selbst stellte fest, dass ich anfänglich gerne vorbeiziehenden platz machte, wenn sie mit einem „entschuldigung“, „bitte“, „sorry“ oder „xcuse me“ ihr desinteresse kundgaben. irgendwann fragte ich mich, warum diese performance, dies tänzerInnen und die zuschauerInnen weniger recht haben sollten, das „ihre“ durchzuziehen, als jene, die einfach weitergehen wollten. konsequenz war, dass ich auf somanche „sorry“-versuche mich zur seite zu schieben, ebenso mit einem „sorry“ stehenbleiben wollte. doch der strom der alltagstrotterInnen war stärker, liess sich nicht wirklich erfolgreich stoppen.

schon seltsam: 25 minuten versitzen wir locker schon mal in einem stau, aber 25 minuten den ungefähr ebensovielen akteurInnen einzuräumen – das war einfach nicht drin.

insgesamt ein wertvoller eingriff: salzburgs alltag musste – widerspenstig, aber doch – einen eingriff von künstlerInnen zur kenntnis nehmen, die tänzerInnen wiederum werden intensiv erlebt haben, welch andere welt sich „draussen“ ausserhalb der tanzhallen abspielt. dass das ganze zu einem gelungenen ganzen wurde, quasi alle beteiligten und unbeteiligten zu einem performance-prozess wurden, ist wohl dem umstand zu verdanken,  dass die irritation eben bereits teil des konzepts war.

erst waren es ja nur „irgendwelche bewegungen“ zu einer musik, die nur die tänzerInnen in ihren ipods hören konnten, von dem sich salzburg so ganz und gar nicht beeindrucken lassen wollte, als dann die musik in der wiederholung auch für alle anderen hörbar wurde, mussten alle erkennen, dass es mozart war, den salzburg wieder einmal verkannt hatte. dieses lehrstück ist den tänzerInnen gelungen.

dass die sommerszene auf diese weise die offene (performative) auseinandersetzung mit der alltagswelt zu einem festen bestandteil des programms macht, zeigt, dass das team auch nach 40 jahren szene die ansprüche nicht vergessen hat.

link zur sommerszene