wer kein geld hat, muss mit der würde bezahlen.

sevilla, corrala utopia foto: javi peña

die opfer des verbrechens namens „krise“ sollen gefälligst opfer bleiben. das zeigt sich dramatisch am beispiel von zahlreichen familien, die am sonntag in der südspanischen stadt sevilla zwangsdelogiert wurden. sie hatten ein seit vielen jahren leerstehendes gebäude besetzt, weil sie sonst keine wohnmöglichkeit gehabt hätten und forderten eine menschenwürdige lösung des problems. das projekt „la utopia“ hatte berühmtheit erlangt, nicht zuletzt deshalb, weil die besitzer des besetzten gebäudes eine bank, die IberCaja ist.

„es geht nicht darum, dass wir nicht zahlen wollen, sondern dass wir eine wohnmöglichkeit brauchen, die wir uns auch leisten können.“ so begründen die aktivistInnen ihre forderung. und sie sehen nicht ein, warum viele wohnungen leer stünden, während andere auf der strasse leben sollten.

während die sozialistische landesregierung andalusiens sich für eine verhandlungslösung für die obdachlosen einsetzte, wollte nun offensichtlich der rechtskonservative bürgermeister der stadt sevilla einem eventuellen erfolg der besetzerInnen nach langen verhandlungen und lösungsvorschlägen zuvorkommen und liess das gebäude am sonntag von der zwangsräumen. weinend mussten hauptsächlich frauen und kinder das haus verlassen.

die delogierten sind nun wieder ohne dach über dem kopf. manche von ihnen hatten zuflucht in der berühmten kathedrale von sevilla gesucht, von wo sie der erzbischof von sevilla umgehend von der polizei räumen liess.

andere beschlossen direkt vor dem gebäude der stadtregierung auf offenem platz zu übernachten, zelte und aufblasbare matratzen wurden polizeilich untersagt.

unten ein video aus besseren tagen des projekts „utopia“. auch für jene, die kein spanisch können wird hier sichtbar und spürbar, dass diese menschen einfach nur eines fordern: eine menschliche lösung, eine würdige wohnmöglichkeit.

doch banken, politik und in diesem fall auch noch ein bischof von sevilla sorgen dafür, dass das verbrechen „krise“ die richtigen zur kasse bittet: diejenigen, die nichts mehr haben. eine leerstehende bauruine – die im übrigen von den besetzerInnen selbst mit den notwendigen strom- und wassereinrichtungen ausgestattet wurde – muss als denkmal des turbokapitalismus auch weiterhin leer stehen, während andere kein dach über dem kopf haben. auch nach der zwangsräumung wird das gebäude nicht etwas von anderen genutzt, sondern es wird als leeres gebäude streng bewacht werden.

die logik des verbrechens ist eindeutig:
wer kein geld hat, muss mit der würde bezahlen.

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seite des projekts corrala de vecinas la utopia

foto: javi peña @javi_garrapata

widerstand will täglich entdeckt werden. aber wo?

foto: bernhard jenny

immer mehr verzweifelte menschen drängen in ihrem überlebenskampf nach europa. sehr viele kommen niemals an. sie finden nicht die freiheit, auch nicht das gelobte land, sondern den tod, das ende.

innerhalb der festung europa werden die auswirkungen des verbrechens namens „krise“ zur gewohnheit. dass spanien oder griechenland „probleme“ haben, die dort menschen um ihre zukunft, ihren lebensstandard und ihre sicherheit berauben, dass massenarbeitslosigkeit zum normalfall wird, darüber regen wir uns längst nicht mehr auf. die dortigen „regierungen“ werden zu willfährigen komplizen der tarnung und schonung der spekulationsgewinne und der privatisierung der verluste. selten ist das wort „wir“ so oft mit fatalem beigeschmack ausgesprochen worden.

in jenen landstrichen, die für den dreivierteltakt, die schokoladeumhüllte marzipankugel und ein „bisserl“ viel korruption weltbekannt sind, tun ehemals etablierte parteien und gelähmte andere alles um den zulauf zu den nazis nicht nur ungebremst zuzulassen, sondern auch noch zu befördern. hypo alpe-adria als zeitbombe, zu lebzeiten von haider gelegt, verschärft statt entschärft von anderen, könnte uns noch gewaltig braun um die ohren fliegen.

ausserhalb der festung europa blicken wir längst nicht mehr durch. ägypten, libyen waren von aussen oft romantisch verklärte vorboten eines frühlings, der niemals blühen durfte, der ins – zumindest für uns nicht mehr verständliche – chaos führte. denn nur im chaos lassen sich die spannenden geschäfte abwickeln. syrien ist seit inzwischen schon 3 jahren ein ständiges drama des hasses und des mordens, wieder einmal haben wir gelernt zum abendbrot eine geile opferbilanz zu bekommen, inzwischen allerdings nur mehr alle 14 tage. öfter interessiert uns das nicht.

wenn dann die von dort flüchtenden menschen aus diesem gebiet in einem verschlafenen alpendorf untergebracht werden sollen, weil eine menschliche bleibe das mindeste wäre, was wir diesen menschen anbieten müssen, dann fragen sich die medien öffentlich: „wieviele asylwerber verträgt ein dorf?“.

und jetzt: ukraine. die sichtweisen sind so vielfältig wie selten zuvor. das hat wohl auch damit zu tun, dass sie diesmal von anfang an funktionieren soll – die propaganda. vermutlich ist es niemals um die situation der menschen in der ukraine und ihre lebensinteressen gegangen, es geht um die interessen der machtblöcke, die aber ineinander verstrickt und in manchen punkten kaum lösbar verwoben sind. dennoch ist jetzt schon klar, dass die wirklich profitierenden dieser krise sicher nicht in der ukraine wohnen.

auch wenn behauptungen, wir würden im grossen und ganzen in einer friedlichen welt leben ohnehin längst nicht mehr gelten können, so scheint diesmal doch nach langem wieder ein gespenst aufzutauchen, das manche schon den dritten weltkrieg und den zusammenbruch des derzeitigen gefüges fürchten lässt.

da werden urängste losgetreten, unsicherheiten verbreitet und niemand weiss, was davon propaganda oder gar noch untertriebene real gefahr ist. denn jede angst macht uns auch wieder berechenbarer, erwartbarer werden unsere reflexe.

ratlosigkeit macht sich breit. es besteht der verdacht, das wir nicht mehr die zeichen der zeit zu lesen wissen. was vor jahrzehnten politische diskussionsabende und hunderte flugblätter unterschiedlichsten inhaltes war, ist heute eine flut von postings und videos, von schaubildern und vermeintlichen aufdeckungen. quellenanalyse ist zumindest so schwer wie damals, als uns die herkunft der wachsmatrizen-flugblätter niemand sagen konnte. glaubs oder glaubs auch nicht. das galt damals wie es auch heute wieder gilt.

bei all der informationsflut sollten wir uns bewusst machen: selbst wenn „wir“ es selbst sind, die content produzieren, wir haben es nicht wirklich selbst in der hand, wie gut sich unsere postings und gedanken verbreiten. die algorithmen der plattformen von fb bis google, von youtube bis spamfilter entscheiden, was locker rüber kommt und was eher verborgen bleibt. es wäre naiv zu glauben, dass hier nicht gesteuert wird.

dennoch ist austausch wirklich der einzige weg, durch die krise politisch verträgliche wege zu finden. bei allen mechanismen der filterung und steuerung im netz und drumherum, ist die information aus verschiedensten quellen zwar anstrengend, aber bei entsprechendem umgang auch die energie wert.

nur: was passiert mit unserer schönen vernetzung, wenn ein „machtinteresse“ oder ein realer energiemangel von heute auf morgen bzw. von einer stunde zur anderen das netz abschaltet? eine horrorvision? schon. und die folgen eines längeren ausfalls speziell in unserer web-affinen welt kaum auszumalen. wir sollten also auf die netzunabhängige vernetzung nicht vergessen. sie könnte plötzlich sehr wichtig werden.

immer dann, wenn ein thema unsere aufmerksamkeit bindet, stellt sich die frage, wem unter umständen welche ablenkung ganz recht sein kann. talkshows und diskussionsrunden sind niemals zufall.

mag sein, dass diese ausführungen hier fatal pessimistisch oder zumindest beängstigt klingen. letztlich gehen sie dennoch auf einen restfunken hoffnung zurück, dass es uns mit „schwarmintelligenz“ gelingt, uns den machenschaften der immer wieder davonkommenden krisenmanagerInnen nicht so ungeschützt zu überlassen. und aus einer schier unüberblickbaren zahl denkbarer und undenkbarer wege werden wir uns immer wieder für den einen oder anderen entscheiden müssen.

widerstand will täglich entdeckt werden. aber wo?

glauben wir (schon wieder) an ein jenseits?

foto bernhard jenny

die korruption der gesamten regierung ist bewiesen, das ist aber noch lange kein grund zurückzutreten. einer der krisendiktatoren besucht ein unterjochtes land, deshalb ist demonstrieren verboten. das volk hat nichts zu sagen. und dass militärs längst mit jenem spionagesystem arbeiten, welches die kanzlerin nicht gekannt haben will, regt auch niemanden mehr auf. wir gewöhnen uns an die unredlichkeit. an die schlechtigkeit des systems. weil wir uns kein anderes vorstellen können. weil wir planlos sind. weil der kapitale liberalismus das hirn geschrumpft hat.

spanien. deutschland. griechenland.
beispielhafte schauplätze der alternativlosigkeit.

gibt es ein leben nach dem turbokapitalismus?
kommt es von selbst?
oder muss irgendwer was tun?
sind wir sediert?
oder
glauben wir (schon wieder) an ein jenseits?

IWF ist bankrott.

iwf lagarde foto: wiki commons

nun liegt also ein geständnis vor. im offiziellem bericht zu griechenland gibt der internationale währungsfonds schwerwiegende fehler im umgang mit griechenland und der sogenannten krise zu. auch zeigt sich der IWF überrascht, dass das von ihm bereits für 2012 angenommene wirtschaftswachstum nicht eingetreten ist, sondern griechenland sich auch 2013 noch in tiefster rezession befindet.

weiters gesteht der IWF, dass die zusammenarbeit mit der eu-kommission und der europäischen zentralbank nicht wirklich funktioniert.

was nun mit als „bedeutende misserfolge“ bezeichnet wird, ist aber kein schaden in zahlen, ziffern und buchungen. der schaden ist mitunter tödlich.

zusammengefasst heisst dieses geständnis also:
– die einschätzung der lage war falsch
– die massnahmen waren falsch
– die durch diese massnahmen erzeugten effekte – sowohl in griechenland als auch in ganz europa – sind dramatisch, aber umsonst, ja sogar die lage verschlimmernd und dramatisch zuspitzend gewesen und sind dies heute noch.

wer bereits zu beginn der krise die strategien des IWF kritisierte, wurde von vielen alles mögliche geheissen. dass jetzt der IWF scheinbar den schlimmsten kritikerInnen rechtgeben muss, kann aber nicht trösten.

diese „fehler“ haben das system der spekulation in keinster weise verändert oder gar beendet. im gegenteil, diese fehler sind zum teil des spiels geworden. und: diese fehler bedeuten für sehr viele menschen das ende ihrer existenz, das ende der sozialen sicherheit, das ende der medizinischen versorgung, das ende der bildung und lebensplanung und für manche das ende des lebens.

wenn schwerverbrecher ihre taten öffentlich gestehen, bleiben sie deshalb nicht straffrei. wenn der IWF seine verbrechen gesteht, soll das wohl eher die ungehinderte fortsetzung der macht und der machenschaften sichern. das einzige kapital, das der IWF verloren hat, ist jenes auf dem konto namens „moral“. wenn da überhaupt einmal was da war, jetzt ist es weg.

IWF ist bankrott.

zypern, ungarn und die tickende bombe

effektIMG_5212 bernhard jenny

es ist ein schreckliches gemisch. hochexplosiv.

komponente eins: menschen zu beklauen, ihnen das ersparte wegzunehmen um eine „krise“ zu finanzieren, die niemand von den betroffenen verursacht hat. was früher noch indirekt über staatliche garantien und rettungsschirme lief wird jetzt ganz unverblümt direkt durchgeführt. der griff auf das konto der kleinen ist ein banküberfall auf alle, ist ein raub auf offener bühne, ist die aufgabe jeglicher moral. es steht zu befürchten, dass zypern zum symbol für einen tabubruch wird, der noch schlimme folgen für ganz europa haben kann.

komponente zwei: offener antisemitismus, jagd auf roma als „menschenaffen“, ignorieren jeglicher verfassungsrechtlicher grundlage, zynische demokratieverkürzung. eine krise folgt der anderen, immer dringender ist der bedarf an sündenböcken. es steht zu befürchten, dass ungarn zum symbol für einen rechtspopulismus wird, der noch schlimme folgen für ganz europa haben kann.

was passiert, wenn beide komponenten aufeinander treffen? wenn die wut der betrogenen sparerInnen, die berechtigte entrüstung über das zynische verbrechen unseres finanzsystems auch noch ausserhalb von zypern menschen banken stürmen lässt, wenn die schnelle, primitive und deshalb extrem rasch sich verbreitende schuldzuweisung wieder einmal jüdInnen, sinti, roma und viele andere trifft und aus dem da und dort aufflackernden rechten verbrechen wieder ein flächenbrand wird?

erschütternd, wie angeblich politisch verantwortliche dem zündeln zusehen.
noch erschütternder, wie andere sich heftig am zündeln beteiligen.
hochkochender volkszorn und rechte schuldzuweisung führen wieder zu einer neuen endlösung?
ein schreckliches gemisch. hochexplosiv.

wir müssen hinsehen:
zypern, ungarn und die tickende bombe.

schrecklich naiv

foto: bernhard jenny

mögen viel mehr menschen
das organisierte kapitalverbrechen namens „krise“ durchschauen und dagegen aufstehen

mögen viel mehr menschen
sich mit anderen solidarisieren und sich weder von staatsbehörden, banken noch von konzernen sagen lassen, wie wenig ihr leben, ihre arbeit, ihre soziale sicherheit, ihre umwelt oder ihre gesundheit wert wären

mögen viel mehr menschen
alle anderen menschen dort leben und arbeiten lassen, wo diese leben und arbeiten wollen

mögen viel mehr menschen
das miese trauerspiel um spekulationen, banken, politik und macht nicht mehr länger für bare münze halten und sich nicht länger für dumm verkaufen lassen

mögen viel mehr menschen
nicht auf scheinfragen und pseudovolksbefragungen reinfallen, sondern sich selbst die richtigen fragen stellen

mögen viel mehr menschen
nicht mehr auf parteien warten, ob diese zu denken beginnen oder antworten auf fragen finden, sondern selbst – gemeinsam mit vielen anderen – sich meinungen bilden

mögen viel mehr menschen
sich selbst wert genug sein und die kraft entwickeln, für andere und für sich einzutreten.

ja.
schrecklich naiv.

europa der verliererInnen

paramostodo foto: creative commons izquierda unida http://www.flickr.com/photos/izquierda-unida/

manchen geht das wachstum zu langsam.
manchen geht es zu wenig rasant.
manchen geht es um den kick.

wenn es nach oben nicht so schnell geht
wenn da die immobilien und dort eine andere blase platzt
wenn manche realisieren dass das alles nicht mal mehr papier ist

dann muss eben der abstand
zwischen oben und unten vergrössert werden
dann muss getreten werden
auf die massen

wie zynisch muss aus der sicht
der arbeitslosen spanierInnen
der auf die strasse gestellten portugiesInnen
der hungernden griechInnen
das projekt der
europäischen union
wirken
ausgezeichnet mit dem höchsten preis des friedens

was denken die aus allen gebieten
verjagten roma und sinti über europas nobelpreis?

welcher frieden?
das geld der gemeinschaften
das geld der sozialen strukturen
das geld der bildung
das geld der klassenzimmer
das geld der kindergärten
das geld der universitäten
das geld der pflege
das geld der krankenhäuser
das geld der geburten
das geld der sterbenden
das geld der erstversorgung
das geld der grundversorgung
das geld der notstandshilfe
das geld der jungen
das geld der alten
ist weg

damit banken überleben?
millionen
milliarden
von a nach b
aber dort
wo das geld gebraucht würde
kommt es nie an

käme es an
wäre das ein fehler im system der umverteilung

regierungen werden ausgetauscht wie schmutzwäsche
kühle technokratInnen sollen exekutieren
was unpopulär
aber angeblich sein muss

dann muss eben der abstand
zwischen oben und unten vergrössert werden
dann muss getreten werden
auf die massen

polizistInnen müssen dann treten und schlagen
delogieren und verjagen
tränengas und wasserwerfer
der widerstand
soll von den plätzen gespült werden
weg aus den zentren der städte
weg von den kameras
weg aus dem blick

manchmal schaffen es dann tote
was lebende kaum können
wenn sie oft genug
springen
sich aufhängen
sich die adern aufschneiden
dann wird mal kurz eingelenkt
zum schein
damit der widerstand nicht zu gross wird

dann muss eben der abstand
zwischen oben und unten vergrössert werden
dann muss getreten werden
auf die massen

europa gibt vor
grenzen geöffnet und überwunden zu haben
ein schöner gedanke

wenn eine sagt
leistung muss sich wieder lohnen
meint sie
die schwachen müssen abgehängt werden
für arme ist keine zeit mehr
die faulen sollen arbeiten
wir sind die entscheidenden
und ganze länder
bekommen das brandzeichen aufgedrückt:
nichtnutze verlierer

europa ist dabei
grenzen zu ziehen
schikanöser als die fiesesten zollkontrollen
schwerer zu fall zu bringen als die mauer

die grenzen
zwischen
versorgt und unversorgt
gesichert und ungesichert
gepflegt und verwahrlost
besitzend und verjagt
gebildet und verwendet
wissend und benutzt
informiert und abgehängt

die grenzen
trennen nun nicht mehr die alten territoriale gebiete
sie brechen soziale gefüge auseinander
trennen neue territorien
in villenviertel und notbehausung
in festbezirke und schubhaftzellen
in macht und ohnmacht
und
stellen klar:

die gewinnen
ihr verliert

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zum heutigen aktionstag des widerstandes gegen das verbrechen krise
foto: creative commons izquierda unida

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