seltsame geräusche

das geräusch ist selten so laut zu hören gewesen. die ursache war auch nicht sofort klar. inzwischen ist geklärt: das seltsame knacken, knistern, reiben kommt vom stirnrunzeln, von der sorgenfaltengymnastik, die sich bei so manchen grün denkenden – und nicht nur denen – lautstark seit heute bemerkbar macht.

die nacht über wurde gefeiert. und das verdient. ein comeback war zu erhoffen, aber vom schlechtesten ergebnis bei der letzten wahl auf das beste ergebnis ever diesmal zu schnellen, das war wirklich eine angenehme überraschung!

die zweite angenehme nachricht von gestern ist wohl die tatsache, dass die rechtsextremen in ihre schranken verwiesen wurden. immer noch viel zu viele, aber zumindest vorerst einfach nicht mehr wirklich handlungsfähig. diverse spaltungstendenzen könnten noch das ihre dazu beitragen, dass aus dem braunen eck so schnell nichts mehr in relevante ebenen kommen wird.

nun aber das stirnrunzeln. das unüberhörbare. denn bei genauerer betrachtung ist es zwar ganz schön, von verantwortung und auftrag der wähler*innen zu sprechen, aber wie soll eine regierung mit den türkisen gehen?

schwarz grün geht mancherorts. türkis grün gibt es noch nirgendwo. und das hat seine gründe. wie sigi maurer schon anklingen liess: es müsste eine 180 grad kehrtwende bei den türkisen her. das ist viel unrealistischer als der berühmte brief ans christkind.

und es wird offensichtlich, wie tief der graben zwischen den rechtsorientierten türkisen und allen anderen ist. da ist derart viel zerstört, dass es praktisch unvorstellbar ist, dass der gewinner der wahl wirklich mit jemandem zusammenarbeiten kann. weder spö noch grüne sind in einer rolle als beiwagerl vorstellbar, um dem rechtspopulären exkanzler eine unreflektierte fortsetzung seiner populistischen politik gegen die armen und für die reichen zu ermöglichen. der gewinner der wahl ist relativ allein. die von ihm ersehnte option ist zerronnen. plan b hat er offensichtlich keinen.

wie soll türkisgrün regiert werden? wären abschiebungen nach afghanistan weiterhin denkbar, wenn dafür der klimaschutz entschieden angegangen wird? sind die kürzungen im sozialsystem ok, wenn dafür eine CO2 steuer eingeführt wird? sind türkise netzwerke sicher, wenn sie dafür versprechen, nur mehr bio und nur einmal pro woche fleisch zu essen?

die sehnsucht nach einem verbleib der expert*innenregierung unter der leitung von kanzlerin bierlein mit einem freien parlament als gegenüber ist bei manchen grösser geworden. der ausnahmezustand erscheint denkbarer, als ein zusammengehen von türkis mit rot oder grün.

die stirn vieler kommt nicht zur ruhe.
seltsame geräusche.

„die grünen sind an allem schuld“

zuerst vergrausigen sie den pilz, dann schaffen sie es nicht einmal ins parlament, jetzt geht van der bellen nichteinmal gegen einen menschenrechtsverachter als höchstrichter vor und nun marschiert noch eva glawischnig ins management des glückspielkonzerns novomatic.

da sieht mensch wie weit es die grünen gebracht haben.

solche reaktionen sind verständlich und spontan, aber sind sie auch gerechtfertigt?

es ist mit sicherheit eine schwere belastung, welche die grünen durch solche entwicklungen aushalten müssen, denn die öffentliche meinung reflektiert nicht, sie reagiert spontan und sensationslüstern.

bei genauerer betrachtung steht fest: weder alexander van der bellen noch eva glawischnig treffen ihre entscheidungen gemeinsam mit den grünen, beide handeln für sich selbst verantwortlich.

daher sind es keine grünen verantwortungen, die hier zur rechenschaft gezogen werden müssen, sondern die jeweiligen personen.

van der bellen muss sich die frage gefallen lassen, wie er es verantworten kann, dass ein rechter burschenschafter, der das menschenrecht verhöhnt, nun höchstrichter werden soll. eine solche verantwortung ist weittragend, der auftrag der vielen wähler*innen war mit sicherheit ein gänzlich anderer.

glawischnig muss sich ebenso fragen gefallen lassen. wie passt der neue job in ein weltbild, welches sie bis dato zumindest nach aussen vertreten hat? klarerweise zahlt ein glückspielkonzern einer ehemaligen grünen liebend gerne höchstgagen, wenn dadurch ein stück reinwaschung erkauft werden kann. das hat logik, ist aber längst nicht moralisch.

dramatisch. beide persönlichen entscheidungen sind aufs schärfste zu hinterfragen!
aber es sind keine grünen entscheidungen.
jene, die weiterhin ernsthafte grüne politik betreiben, haben es jetzt leider zumindest nicht leichter.

aber es wäre fatal, die geschichte unverantwortlich zu verkürzen:
„die grünen sind an allem schuld“

ich wähle „diesmal“ grün.

bei dieser nationalratswahl ist vieles neu. persönlich ist für mich das auffälligste, dass ich noch nie von so vielen menschen – aus dem nahen, aber auch dem weiteren umfeld – gefragt wurde, wie sie denn „diesmal“ stimmen sollten.

mit „diesmal“ scheint manchmal fast eine nostalgie anzuklingen, dass es „letztesmal“ so einfach gewesen sei. am ende zwei kandidaten, einer rechtsaussen und für die abschottung und enge, der andere für ein offenes, diverses land, das „mutig in die neuen zeiten“ geht. das war anscheinend einfach. alle, die gegen ein verschrobenes, von burschenschaftlern beherrschtes land waren, hatten keinen zweifel, wen sie wählen sollten. und sogar gestandene konservative erkannten den weg ins hofersche ewiggestrige als irrweg und wählten mit einigem schaudern, aber doch, van der bellen.

jetzt aber scheint es anders zu sein. die polarisierung in der schlammschlacht funktioniert. was, wenn? wie, wenn? wer mit wem? und überhaupt. wie verhindere ich das eine übel und das andere auch? fragen über fragen.

für van der bellen einzutreten, war ehrensache der aufgeklärten zivilgesellschaft. aber jetzt? rot? grün? pink? pilz? kpö+? und andere?

der rechtsruck in unserem land kann nicht verhindert werden, er hat längst stattgefunden. und wie! was verhindert werden kann, ist, dass sich dieser rechtsruck auf jahre und jahrzehnte einbetonieren kann. dazu braucht es starke parteien, die im parlament für menschenrechte, demokratie, offenheit, soziale sicherheit und gegen ausgrenzung auftreten.

dass die ultrarechte fpö keinesfalls eine option ist, ist selbstredend. die von einem rechtspopulisten in geiselhaft genommene övp ist ebenso keine option. und die dritte – ehemals grosse – partei? sie wäre einmal für soziale ziele gestanden. bei allen verdiensten eines christian kern und so manch anderer in dieser partei, kann aber nicht übersehen werden, dass viel zu oft die „roten“ gute miene zum bösen spiel eines sobotka, eines kurz und co. machten und mit doskozil sich wohl selbst um die rechten stimmen anstellen wollten.

wir wählen keinen kanzler / keine kanzlerin, wir wählen parteien und/oder (pseudo)listen ins parlament. unsere stimme entscheidet über das kräfteverhältnis im parlament. ein dreiparteien-parlament wäre fatal für die zukunft.

wer will, dass die „kleinen parteien“ mitreden, mitüberwachen oder vielleicht auch aktiv mitgestalten, muss auch diese wählen und nicht jemand anderen. „taktisch wählen“ funktioniert nicht.

für mich persönlich ist die entscheidung daher klar. wer fürchtet, dass die grünen am ende gar den schritt ins parlament nicht schaffen könnten, muss die grünen wählen, um aus der angst keine self fulfilling prophecy werden zu lassen.

wenn die schlammschlacht der letzten wochen einen sinn hat, dann den, dass mir noch viel deutlicher klar wurde, wie lächerlich es ist, auf dem stimmzettel noten für fernsehkonfrontationen oder wahlslogans zu vergeben. ich wähle keine kampagne und keine performance im wahlkampf. ich wähle menschen ins parlament, die glaubhaft und unmissverständlich die nächsten jahre sich für jene werte engagieren, die mich bewegen:

gegen rassismus, gegen antisemitismus, gegen islamophobie, gegen abschiebungen, gegen fremdenhass, gegen grenzzäune und obergrenzen, gegen diskriminierung, gegen angstmache und hetze, für eine weltoffene gesellschaft, für gleichstellung und soziale gerechtigkeit, für teilhabe für alle, für inklusion. für kreativen mut in schwierigen zeiten. für ein zukunftsfähiges europa.

auch wenn ich immer wieder anecke, vieles zu kritisieren habe und mit fast keinem plakat zufrieden bin. auch wenn mir manches viel zu weichgezeichnet und brav, mal zu leise und mal zu belehrend bei dieser partei ist: ulrike lunacek, werner kogler, alev korun und viele andere vertreten diese werte unmissverständlich und mit viel engagement. und christine steger – die neue salzburger spitzenkandidatin der grünen – will ich auch im parlament sehen.

hier also die antwort, an alle, die mich bis jetzt gefragt haben und solche, die mich noch fragen wollten:
ich wähle „diesmal“ grün.

das grüne desaster ist perfekt.

bei eads und in so manch anderen vorstandsetagen knallen heute kräftig die sektkorken. der gottseibeiuns für alle korruptionsgewinnler_innen ist entschärft. das geht auf keine kuhhaut. aber in das wahlverhalten einer basis, die wohl nicht wirklich wusste, wessen werk sie da verrichtet.

ich halte das, was da heute gelaufen ist, für einen ziemlichen supergau. denn ob es manchen gefällt oder nicht, peter pilz war ein sehr verlässlicher garant für bestimmte qualitäten, die im politischen alltag unverzichtbar sind. oft genug habe auch ich ihn kritisiert, manche dinge haben mir ganz und gar nicht gefallen.

aber: ihn rauszuwählen ist einfach ein wahnsinn. seit wochen erhalte ich fast täglich hochinteressante whatsapps von ihm und gabi moser über die wahnsinnigkeiten rund um den eurofighter. eine „aufgelegte“ partie im vorfeld der wahlen. und jetzt? jetzt ist das alles schnee von gestern? weil die glawischnig-brüder-und-schwestern eine rechnung offen hatten mit einem, der angeblich nicht für den präsidentschaftswahlkampf eingezahlt hat… (???)

da freuen jetzt sich einige, dass peter pilz „entschärft“ ist, und die, die sich jetzt freuen, sind die falschen. poltiischer selbstmord? vielleicht. zumindest mutwillige selbstgefährdung.

heute wurde ulrike lunacek auf einen unsicheren listenplatz gewählt. denn ob die grünen nach diesem selbstleger und angesichts des dreikampfes des mitbewerbs sicher wieder im parlament vertreten sind, muss zumindest als nicht sicher bezeichnet werden.

das grüne desaster ist perfekt.

zu tode gefurchten ist auch gestorben

die jungen sind draussen. verstossen und weg. andere gewähren ihnen asyl. aber der gau ist passiert. und ja, es ist wirklich ein gau, ein grösster anzunehmender unfall, dieser verstoss der jungen. über den faktor der majestätsbeleidigung und der darauffolgenden strafe habe ich hier schon geschrieben.

heute geht es mir um die starre. die schreckstarre. viele mögen es gar nicht laut sagen, was sie sich denken, andere sind einfach nicht mutig genug. zahlreiche „backstage“ gespräche und mails geben ein fatales bild.

manche sind einfach nur erschüttert und können es einfach nicht glauben. dann gibt es zwar jene, die das ganze irgendwie übertrieben und unnötig finden, wieder andere, die das geschehene auch noch irgendwie schönreden wollen. aber eigentlich kommt niemand zu einem klaren schluss, dass das ausschliessen einer so grossen und im wahrsten sinne zukunftsträchtigen gruppe von green minded people zwingend nötig gewesen wäre. die ultima ratio war nicht gegeben.

versprengt. disparat. ratlos. kopfschütteln. und nirgendwo ein faden der kommunikation. in der grössten krise der grünen seit langem scheint es ein eigenartiges phänomen zu geben: die fehlende kommunikation. weder nach innen, noch nach aussen. sondern nur „backstage“.

vereinzelt versuchen sich manche als sprecher_innen für die sache in den social media. aber sie wirken alleingelassen. das macht das ganze nicht besser.

jeder tag, den die jungen „draussen“ verbringen müssen, ohne dass sie mit ihren stärken und schwächen, den vielen stunden, die sie investiert haben und mit ihren politischen vorstellungen und visionen zumindest wertgeschätzt werden, macht aus jungen politisch denkenden menschen outcasts. wer hätte sich das jemals vorstellen können, dass ein solches signal ausgerechnet von den grünen kommt? eine bewegung, die in latzhosen von nicht wenigen studierenden gegründet wurde. von menschen, die alles andere, als konform gingen, mit dem was die parteien bis dahin zu bieten hatten.

sollen wirklich nun ausgerechnet die grünen ihre jugend vertreiben??? wirklich???

es war ein riesenfehler die jungen zu verstossen. das war der gau. und jetzt die sache aussitzen oder stillschweigend hinnehmen bis schönreden könnte den supergau bringen. die kernschmelze. da wäre dann aber vieles – auch ausserhalb der partei – kaputt.

laut werden. meinung sagen. widersprechen und wege aufzeigen. das wäre jetzt angesagt.
nach dem gau hilft nur ein aufräumen. ein klären. und ein grundsätzliches wertschätzen. als basis für einen neuanfang. ohne dialog mit den jungen haben wir keine zukunft. weder in der partei noch sonst wo.

also schluss mit der angst vor offenen worten.
denn
zu tode gefurchten ist auch gestorben.

die majestätsbeleidigung wird bestraft

und damit mutiert eine bewegung endgültig zur altpartei. alt ausgesehen hat so manches vorher schon, aber jetzt wurde es zementiert. sicher mit organisch-biologisch verträglichem zement. aber nicht minder beton.

fortschrittliche, moderne communities, so wie die jungen es sich vorstellen – mit aller dynamik und viel freigeist – sind einer bundespartei im weg. das mag logisch klingen, ist aber der direkte weg in den abgrund. time over.

wer es nicht schafft, kritik – berechtigte oder auch unberechtigte – als chance zu begreifen, wer grantig und genervt reagiert und die machtkarte ausspielt, wer mehrere tausend junger „green minded“ menschen rauswirft, mag sich für die nächsten tage und wochen in sicherheit wiegen.

aber jedes bauwerk ist nur dann tragfähig, wenn es entsprechend bewegungselastisch und flexibel ist. starre systeme krachen im nu.

der sturm im grünen teich hat vorerst nicht die dynamik erreicht, die bei der spö werner faymann gehen hat lassen und christian kern geholt hat.

der sturm im grünen teich ist abgesagt. oder zumindest ist der deckel drauf. da entsteht druck. und unter druck muss wasser noch heisser als 100 grad werden um zu kochen. dafür ist alles schneller durch. wir werden sehen.

der reflex der macht hat vorerst funktioniert
die majestätsbeleidigung wird bestraft

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ps. auf mehrfachen wunsch hier der anlass (aus derStandard.at) zu diesem artikel zum nachlesen.

pps. danke walter f. für den hinweis, dass das ursprüngliche bild, wasser würde unter druck früher kochen, falsch war. dabei war physik ein lieblingsfach. aber lang ist´s her. 😉

jetzt: green new deal!

bei der wahl in graz ist für die grünen einiges nicht so gelaufen, wie erwartet. dabei bekommt vermutlich ausgerechnet eine junge spitzenkandidatin die folgen eines versäumnisses ab, für das sie nichts kann.

das versäumnis ist eines auf bundesebene. was faymann für die spö war, ist längst glawischnig für die grünen. sie müsste einsehen, dass die erfolge rund um van der bellen keine grünen erfolge waren, keine wegen ihrer funktion als bundesparteichefin, sondern wohl eher trotzdem.

die grünen bräuchten eine junge „kernige“ spitzenkandidatin, eine runderneuerung der partei, die seit langer zeit mehr und mehr erstarrt und sich krampfhaft an alten stehsätzen festhält. die bisherigen alibiaktionen im parteiumfeld von eva glawischnig können nicht davon ablenken, dass die eigentliche schwachstelle die vorderste spitze ist.

wann hat eine aussage der bundesgrünen oder von glawischnig persönlich irgend jemanden positiv „überrascht“, wann ist eine grüne position unerwartet frisch und dynamisch gewesen? oder waren die inhalte von statements und pressekonferenzen eigentlich schon längst vorhersehbar. copypaste als täglich grüssendes grünes murmeltier?

die grünen müssen auf bundesebene aus dem eck einer verkopften boboclique raus, sie müssen sich wieder mal was trauen. sie sollten frech und fröhlich agieren. wieviele stimmen sind nun wirklich mit „bio macht schön“ zu gewinnen, in zeiten, wo die probleme der menschen ganz andere sind?

faymann hat es auch gut gemeint, aber er war das symbol für erstarrung und stillstand.
glawischnig geht es da nicht anders.

wenn jetzt die grazer zeichen nicht erkannt werden, wird es auf bundesebene noch viel dramatischer werden.

oder unsentimental: wenn kein glaubhafter neuanfang in grün passiert, dann werden eben andere gruppen und listen entstehen. vielleicht nicht die schlechteste variante. aber wer das grüne bewegungspotenzial nicht vernachlässigen will, muss jetzt veränderung ermöglichen.

jetzt: green new deal!