das grüne desaster ist perfekt.

bei eads und in so manch anderen vorstandsetagen knallen heute kräftig die sektkorken. der gottseibeiuns für alle korruptionsgewinnler_innen ist entschärft. das geht auf keine kuhhaut. aber in das wahlverhalten einer basis, die wohl nicht wirklich wusste, wessen werk sie da verrichtet.

ich halte das, was da heute gelaufen ist, für einen ziemlichen supergau. denn ob es manchen gefällt oder nicht, peter pilz war ein sehr verlässlicher garant für bestimmte qualitäten, die im politischen alltag unverzichtbar sind. oft genug habe auch ich ihn kritisiert, manche dinge haben mir ganz und gar nicht gefallen.

aber: ihn rauszuwählen ist einfach ein wahnsinn. seit wochen erhalte ich fast täglich hochinteressante whatsapps von ihm und gabi moser über die wahnsinnigkeiten rund um den eurofighter. eine „aufgelegte“ partie im vorfeld der wahlen. und jetzt? jetzt ist das alles schnee von gestern? weil die glawischnig-brüder-und-schwestern eine rechnung offen hatten mit einem, der angeblich nicht für den präsidentschaftswahlkampf eingezahlt hat… (???)

da freuen jetzt sich einige, dass peter pilz „entschärft“ ist, und die, die sich jetzt freuen, sind die falschen. poltiischer selbstmord? vielleicht. zumindest mutwillige selbstgefährdung.

heute wurde ulrike lunacek auf einen unsicheren listenplatz gewählt. denn ob die grünen nach diesem selbstleger und angesichts des dreikampfes des mitbewerbs sicher wieder im parlament vertreten sind, muss zumindest als nicht sicher bezeichnet werden.

das grüne desaster ist perfekt.

richtungsstreit? sicher nicht!

in den letzten tagen war mehrfach von einem richtungsstreit die rede. richtungsstreit. bei den grünen. wirklich?

peter pilz forderte – wirklich nicht zum ersten mal – den gang hinaus zu den stammtischen. genervt reagiert eva glawischnig auf diesen vorschlag. „verzichtbar“, „total retro“, „extrem arrogant“ und „linken populismus brauchen wir nicht“.

in einer reaktion sagte glawischnig über pilz: „er hat gar nicht mitgekriegt, was sich in der partei abspielt.“ so dürfte es aber vielen gehen.

während sich auf vielen gemeinde- und manchen landesebenen da und dort nachvollziehbare prozesse und entwicklungen ereignen, scheint die bundesebene ziemlich abgehoben zu agieren. wenn eva glawischnig meint, dass der „erfolg von van der bellen auch für die grünen eine riesenchance“ sei, so könnte auch genau das gegenteil der fall sein: denn der erfolg von van der bellen ist sicher nicht ein erfolg einer tollen performance der bundespartei.

für van der bellen sind menschen aktiv wahlwerbend gelaufen, haben menschen agiert und geworben, die (auch innerhalb der grünen) sonst kaum so mobilisert worden wären, wenn es um die bundesgrünen gegangen wäre. ja, viele, sehr viele grüne haben sich für vdb engagiert, manche von ihnen in einem ausmass, welches bei bundeswahlkämpfen nicht unbedingt so gegeben sein muss. ausserdem sind eben nicht nur die grünen für vdb gelaufen. wer jetzt die stimmen für vdb als bestätigung der bundesgrünen verbuchen will, begeht einen schweren denkfehler.

die reaktion glawischnigs auf peter pilz könnte präpotent und uneinsichtig aufgefasst werden.

zugegeben, die wahl von vdb zeigt, dass eine weltoffene gesellschaft mehrheitsfähiges ziel ist. aber zwei dinge dürfen nicht vergessen werden:

  1. viele, die vdb gewählt haben, werden naturgemäss zu ihren althergebrachten oder kürzlich entstandenen politischen verortungen zurückkehren: von spö bis neos, von griss bis nichtwähler_innen. manche haben vdb trotz und nicht wegen seiner grünen wurzeln gewählt!
  2. wer in so manchen (nicht allen) frustwähler_innen – insbesondere unter den jungen wähler_innen – die aus einem wie immer gearteten protestdenken heraus den rechtsextremen burschenschafter gewählt haben, kein potential erkennt, mit ihnen gleich gar nicht sprechen will und ihnen kein angebot machen will, hat sich von der poltischen zukunft verabschiedet.

peter pilz ist nicht neu in der grünen landschaft. aber wer seinen aufruf salopp als „total retro“ abkanzelt, sieht selbst sehr alt aus. pilz hat ein gespür für das, was jetzt dringend angesagt wäre: eine klare positionierung, eine ausrichtung in eine moderne politik, die auch ausserhalb der grünen bezirke wiens und ausserhalb klassischer parteistrukturen noch verstanden wird.

wer kann ein, zwei entscheidende neuentwicklungen, bahnbrechende vorschläge oder wirklich neue ideen im bereich der bundesgrünen schnell aufzählen?

viel zu lange schon kommen die bundesgrünen ohne tiefgreifende erneuerung aus. es war klug, diese diskussion nicht im bp-wahlkampf zu führen. aber jetzt, nach einem jahr der erzwungenen stagnation ist eine standortbestimmung lebensnotwendig. sonst werden sich zumindest die grünen noch wundern, was nicht geht. viele junge grüne wären jetzt sicher bereit, aktiv zu werden. vielen wäre auch der weg hinaus aus der blase kein problem. und eine aktualisierte positionierung schon gar nicht.

für einen richtungsstreit müssten erst einmal eine, zwei oder fünf richtungen definiert sein, um dann infolge abzuwägen, welche zu verfolgen sind, welche nicht. mit schwammigkeit werden keine wahlen gewonnen werden. klare positionierungen sind die veraussetzung, damit überhaupt ein richtungsstreit stattfinden kann. unterbleiben diese auch weiterhin, wird also auch in zukunft ohne echte erneuerung weiter verwaltet, dann wird es auch weiterhin heissen:

richtungsstreit? sicher nicht!

wettbewerb im grauslichsein

der grüne peter pilz fordert „verständnis für die ängste“ der bevölkerung und spricht von einem sicherheitsproblem. eine diskussion, die abstößt

es gibt viele wettbewerbe. sie gefallen meistens nicht allen, bedienen aber eine ganz bestimmte klientel. ob song contest oder skirennen, schönheits- oder ideenwettbewerbe, irgendwie geht es immer darum, besser als die anderen zu sein. eine alleinstellung hat ein derzeit in weiten kreisen der politik beliebter wettbewerb: es geht darum, möglichst schlecht, möglichst grausam, möglichst abstoßend zu sein. das könnte witzig sein, wäre es ein faschingswettbewerb der vampire, ein bezirkstreffen der untoten zum kehraus. aber es ist bitterer ernst.

in österreich glaubt eine rechtslastige, zur unkenntlichkeit verbogene irgendwaskoalition unbedingt, das glück in den fremdenfeindlichen fantasien diverser kleingeister finden zu können. mit gezeter und geplärr werden zäune rund ums land und in unsere hirne gebaut. dass das ein blauer besser kann und jede menschenrechtsverletzung diesem in die hände spielt, das wird dabei übersehen. denn wer könnte einmal eine strache-vilimsky-regierung zur einhaltung der menschenrechte mahnen, wenn diese bereits heute gebeugt und gebrochen sind? wer will dann noch von völkerrecht sprechen, wenn dieses schon von den rot-schwarzen nicht eingehalten wurde?

politisches gruseltheater

johanna mikl-leitner und sebastian kurz haben das drehbuch des horrorfilms fest in der hand und setzen alles auf die grausamkeitskarte. irgendwer muss einmal einen wettbewerb ausgerufen haben, wer noch unmenschlicher, verachtender, zynischer oder eiseskälter rüberkommen, wer mal noch subtiler oder dann wieder unverschämt offen ängste schüren kann. so weit, so inzwischen fast schon alltägliches gruseltheater. sozialdemokratische oder christlichsoziale orientierung war, wenn überhaupt, dann vorvorgestern. verbissen grauslich sein ist heute angesagt.

grünes schielen auf den stammtisch

wenn nun sogar ein peter pilz die bis dato weithin für ein offenes europa denkenden und grünen auf einen rechtskurs bringen will, indem er seine diktion über „verständnis für die ängste“ und „sicherheitsproblem“ ganz dem mikl’schen idiom anpasst, ist noch viel mehr am dampfen. hier schielt schon wieder einer auf die rechten potenziale rund um den längst zum politischen gral gewordenen stammtisch. pilz nimmt dabei einen verrat in kauf: viele menschen der zivilgesellschaft, die, mal aus einem kontext eines christlich geprägten wertekatalogs oder aus anderen – nicht weniger grundsätzlichen – motiven, etwa der freiheit, gleichheit und geschwisterlichkeit, ein offenes europa der helfenden leben, müssen sich von solchen sprüchen verraten fühlen und könnten eine mögliche politische anbindung verlieren.

eine partei, die zugegeben eklatante probleme an der spitze, aber eine durchaus ernstzunehmende, weitvernetzte und aktive basis hat, darf nicht zusehen, wie ein einmal sehr verdienter aufdecker von skandalen nun zum entdecker des rechten potenzials für die grünen wird. dadurch würde viel mehr verloren als gewonnen. in gefühlter solidarität, in gezählten stimmen und in politischen werten. schluss mit dem wettbewerb im grauslichsein. (bernhard jenny, derstandard.at, 25.2.2016)