typisch exkanzler: viel zu kurz.

manche reden schon von einem begrüssenswerten schwenk in der övp. der exkanzler ohne parlamentarischem vertrauen hat so manche ihm unangenehme diskussion rund um türkise glücksspiele oder pulverisierte festplatten erfolgreich überlagert: eine „einsicht“ wird kommuniziert, die keine ist.

wenn der exkanzler nun also „zugesteht“, dass lehrlinge, die einen nicht positiv bescheideten asylantrag gestellt hatten, nun doch nicht mehr aus der lehre gerissen werden sollen, sondern gnadenhalber die lehre fertig machen dürfen, dann sieht das nach einem wahlgeschenk für die wirtschaft aus. aber es ist keines. denn welches unternehmen will lehrlinge ausbilden, um sie dann umgehend zu verlieren? denn, so der exkanzler, wenn sie einen negativen bescheid haben, dann sollen sie nach der lehre natürlich abgeschoben werden.

da steht dann bei der überreichung des lehrabschlusszeugnisses gleich die fremdenpolizei im saal und nimmt die betreffenden „ab nach schwechat“? da durften betriebe dann gnadenhalber in die ausbildung von fachkräften investieren, müssen aber dann zusehen, dass ihnen die fertigen fachkräfte abgenommen werden?

der vorschlag des exkanzlers ist nicht nur ein leicht durchschaubarer beschwichtigungsversuch, sondern rasch als verkürzung der wahrheit und schwindelmanöver enttarnt.

während verzweifelt fachkräfte in fernost oder sonst wo auf der welt rekrutiert werden sollen, weil sie wohl zu den „guten ausländer*innen“ gehören, soll weiterhin menschen, die aus not, elend und krieg in unser land gekommen sind, jede möglichkeit zu einer ausbildung verwehrt bleiben? die ausländer*innen zweiter und dritter klasse sollen zu spüren bekommen, dass hier nicht der verstand, sondern der nackte populismus regieren will.

mag sein, dass sich manche davon ablenken lassen, dass genau er es war, der die rechtsextremen in die regierung geholt hat, der einen innenminister kickl wüten liess und der weggesehen hat, wenn junge menschen aus ihren schulen, arbeitsplätzen und unterkünften geholt und in mitunter lebensgefahr zurückdeportiert wurden. es war dieser exkanzler, der schon lange vorher die „grausamen bilder“ beschworen hatte, ohne die es nicht gehen würde. es war dieser exkanzler, der all diese unmenschlichkeit als anbahner und ermöglicher, ja auch als mittäter zu verantworten hat.

das, was der exkanzler hier als beruhigungspille verbreiten will, ist in jedem fall eine populistische mogelpackung ohne jegliche aufrichtige haltung.

typisch exkanzler: viel zu kurz.

 

dieser artikel wurde am 23.8. auch auf DER STANDARD veröffentlicht.

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bild: kremlin.ru cc by remixed by bernhard jenny cc by

 

 

sonja hammerschmid: nicht genügend

was bildungsministerin sonja hammerschmid vergangene woche auf den tisch gelegt hat, verrät sehr viel über das ende dessen, was einmal schulreform heissen hätte können. da wir in österreich sind, können wir uns nicht wundern, dass eine reform, die noch nicht einmal begonnen hat, auch schon wieder zu ende ist. denn zwischen den zeilen wird erkennbar, dass die bildungsministerin selbst nicht wirklich damit rechnet, auch nur irgendwohin mit ihrem projekt zu kommen. wer meilensteine weit hinter die nächste nationalratswahl setzt, kann getrost davon ausgehen, dass er/sie es ohnehin nicht mehr umsetzen wird. entweder, weil die spö nicht mehr in der regierung sein wird, oder weil in einer ganz neuen koalition, die sicher keine rotschwarze mehr sein wird, sowieso alles neu gemischt wird.

dennoch ist es wert, manche aussagen von hammerschmid im standard-interview genau zu lesen.

so beschreibt hammerschmid ihren vorschlag der funktion der schulclusterleiter_innen so:

„Was uns aber vorschwebt, ist, dass der Schulclusterleiter künftig die Verantwortung hat. Er wird auch die Konsequenzen tragen. Er wird dafür zur Rechenschaft gezogen, wenn eine Schule nicht so performt, wie sie sollte.“

aktien performen, künstler_innen auf der bühne performen, unternehmen performen. schulen aber sind weder profitorientierte unternnehmen, noch künstlerische betriebe. (was vielleicht sogar eine vision wäre!) schulen sind – besser gesagt sollten – orte sein, wo menschen bildung erfahren, wo menschen in ihrer persönlichkeit und ihrem wissen gefördert und unterstützt werden. schulen sollen keine ausbildungsstätten sein, deren „performance“ am notendurchschnitt der schüler_innen gemessen werden. solche leistungsfeststellungen sind in wahrheit echter unsinn. der neusprech „performen“ in zusammenhang mit schule ist nicht angebracht!

auf die frage nach der gesamtschule antwortet hammerschmid:

„Das wird immer ein sozialdemokratisches Ziel bleiben. Meine Prioritäten sind aber dort, wo ich schnell etwas erreichen kann.“

politisch erfahrene menschen erkennen hier sofort den schönsprech. im klartext heisst dies: „das war einmal ein sozialdemokratisches ziel, aber wir haben das in wirklichkeit längst aufgegeben.“

da es im angeblichen musterland südtirol keine sonderschulen gibt, fragt lisa kogelnik auch hier nach. sie will wissen, wann die sonderschulen in österreich abgeschafft werden. hammerschmid:

„Wir haben derzeit inklusive Modellregionen in Tirol, Kärnten und der Steiermark. Die laufen bis 2020. Zudem gibt es Sonderschulen, die den umgekehrten Weg gehen und sich schon jetzt öffnen. Wir wollen Erfahrungen sammeln und dann schauen, wie wir damit umgehen.“

wenn eine ministerin ankündigt, in vier jahren einmal zu „schauen, wie wir damit umgehen“, so heisst das auch hier, dass die von österreich als verpflichtung unterzeichnete inklusion nicht wirklich ernst genommen wird. so klingen lippenbekenntnisse, die keine echte haltung als basis haben.

dies bestätigt sich auch in ihrem schlusssatz zum thema „kinder mit besonderen bedürfnissen“:

„Auch die soziale Interaktion von Kindern mit besonderen Bedürfnissen und anderen Kindern ist irrsinnig bereichernd. Diese Menschen werden Teil der Gesellschaft, die Berührungsängste werden abgebaut.“

wenn kinder erst einmal zu einem teil der gesellschaft „werden“ müssen, weil sie als solche offensichtlich bis dato noch gar nicht wahrgenommen werden, dann gute nacht. nur eine ganze gesellschaft ist eine gesunde, eine gesellschaft, aus der niemand ausgeschlossen wird. wer das einmal verinnerlicht hat, der wird in der derzeitigen segregation im schulsystem und in der arbeitswelt ein defizit erkennen, das besser gestern als heute gelöst werden muss. „wir werden uns das dann anschauen“ ist definitiv zu wenig.

gut dass es kein ziffernzeugnis für minister_innen gibt.
(ich halte ziffernzeugnisse auch für schwachsinn.)

sonst hiesse es
(statt „hat die inhalte noch nicht richtig erfasst / mit material / ohne material“)
sonja hammerschmid: nicht genügend


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foto: © Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

universität? die bildung ist verraten.

universität salzburg foto: bernhard jenny

kaum einen tag alt. dieses semester. für manche das erste. studienbeginn. mit all den erwartungen, den naiven, den realeren und da und dort auch vielleicht befürchtungen. dennoch. so ein anfang ist immer etwas besonderes. viele studentInnen nennen sich gerade mal ein paar stunden so. und müssen das gefühl dabei erst erspüren. sich als studentInnen wahrnehmen.

gestern noch eine spannende erste vorlesung. hat gepasst. war ausblick eröffnend. war interessant. machte lust auf mehr. heute dann die andere veranstaltung. mit der ganz anderen botschaft. es wird nicht genug platz geben für alle. die prüfungen in den einführungen sind zum aussieben da. selektion. es wird nicht leicht sein. bedaure. ja da können eben nur die besten.

so ist das eben. bildung? was dich interessiert, interessiert hier niemanden. universitäten sind längst nicht für alle da, da muss selektiert und ausgesondert werden. ganz wenig platz ist da, eng und nochmal enger. ihr seid zuviele. zuviele für bildung.

also. die einführung ins studium ist mit einer überschrift versehen: ihr seid hier fehl am platz. reduziert euch, werdet weniger, fangt lieber gar nicht erst an. der stoff ist ohnehin kaum zu erlernen, wer nicht jetzt schon viel von vornherein weiss, soll lieber nicht anfangen.

ihr seid unerwünscht. unser land hat kein interesse an eurer bildung, die platzzuweisung weist nach unten. ihr wolltet einen weg finden? ihr erwartet motivation? da seid ihr grund falsch. hier kommt fast niemand rein. bildung? wer spricht von bildung? hier ist die vorhölle der abschreckung. du hast geglaubt ein platz wäre für dich vorgesehen?

was unsere jungen menschen vermittelt bekommen, ist so nicht zu akzeptieren. es ist menschenverachtend, wenn der impuls für einen neuen lebensabschnitt mit ablehnung beginnt. ungeachtet der budgetdiskussion – bildungsmilliarde hin oder her – geht es doch um den umgang, den respekt, die begrüssung, die zusage, ein stück des lebensweges gemeinsam zu gehen. keine raumnot, keine budgetkürzung, kein personalmangel kann entschuldigen, dass junge menschen wie dreck behandelt werden. weg mit euch.

das haben sich unsere jungen studierenden nicht verdient. wie sollten erst professorInnen von universitäten in minder bemittelten ländern mit studierenden umgehen, wenn die verantwortlichen in einem so reichen land zulassen, dass junge menschen von ihrem eigenen staat gemobbt werden.

folge solcher selektion wird sein, dass manche, die wegen einführungsprüfungen aufgeben müssen, ganz aufhören. also erfolgreich abgeschreckt sind. und andere werden vielleicht den weg in privatuniversitäten finden. aber dann nur die, die es sich leisten können. womit die selektion perfekt ist.

universitäten, die ihre studierenden verjagen, statt sie zu begrüssen, die neugierige und forschungswillige verhöhnen, statt ihnen bestmögliche zuwendung zukommen zu lassen, sind keinen cent öffentlicher gelder wert. da wäre die vollprivatisierung von bildung und forschung ehrlicher, als die aufrechterhaltung einer placebo-universität. dann wüssten die jungen menschen gleich, wer unter welchen bedingungen wie zur kasse gebeten wird. und dass das ideal einer freien und unabhängigen bildung und forschung längst verraten ist.

aber manche glauben doch wirklich, alle könnten studieren.

wir sind alle 24, pflegebedürftig und familie!

bild: ronronron (creative commons)

wenn jetzt mit diesem budget der rotschwarzen phantasielosigkeit den jungen menschen, die sich bis dato von beengten räumlichen und miserablen organisatorischen bedingungen nicht von einem studium abschrecken liessen, der boden unter den füssen weggezogen wird, dann trifft das viele hart.

es trifft aber nicht nur die 24-26jährigen und deren familien. es trifft uns alle. denn schlechte bildungsangebote, die früher zur ausbildung verkommen waren, verdienen nicht einmal mehr diese bezeichnung. neben wenigen ausnahmen an manchen hochschulen ist die österreichische bildungslandschaft zu einer kraterlandschaft in folge der neoliberalen bombenangriffe geworden.

dann sind da noch die pflegebedürftigen. also wieder einmal die schwächsten unter den schwachen. diejenigen, die weder selbst, noch deren familien, eine alternative haben. pflege ist eben kein luxusgut, das ich mir gönnen kann, wenn ich gerade zuviel geld habe. pflege ist ein grundbedürfis, das, wenn ich darauf angewiesen bin, so unverzichtbar ist wie trinken und essen. da wird gespart. dafür haben wir kein geld mehr. dass schlecht gepflegte menschen weniger lang leben und daher noch billiger kommen, als auf den ersten blick erkennbar, wird hoffentlich niemand durchgerechnet haben. oder doch?

und dann die familien. irgendwann einmal (kann ich mich noch erinnern?) war eine partei in österreich als die „familienpartei“ angetreten und predigte immerfort vom zentralen wert der familie für unsere gesellschaft. wo ist diese partei geblieben?

15 milliarden hat diese regierung im vorjahr als eigenkapitalstütze den banken reingeschoben. das paket der nun beschlossenen grausamkeiten bringt gerade mal 2,8 milliarden an „budgetentlastung“.

die reale belastung aber der familien, pflegebedürftigen und deren angehörigen sowie der studierenden ist kaum zu beziffern. diesen menschen 2,8 milliarden wegzunehmen bedeutet tausendfach stress, überforderung, unabsehbare folgen wie krankheit und zerstörte lebenspläne.

und wer glaubt, dass die auswirkungen „nur“ auf die staatlich beraubten zielgruppen beschränkt bleiben, ist sowieso naiv. diese einschnitte treffen uns alle. und daher müssen auch wir alle dagegen aufstehen. da könnten wir uns von den menschen in frankreich etwas politische kultur abschauen.

oder wir handeln systemkonform.
familien, pflegebedürftige und studierende:
wir sollten eine bank gründen.

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bild: ronronron (creative commons)

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