treibgut im spülsand der salzach

dieser text ist ein fb-posting vom 21.7. nachts. zahlreiche reaktionen zeigen mir, dass das thema viele bewegt. deshalb hier nochmals in meinem blog.

wunderschön – die stimmung an einem lauen sommerabend – in der menschenrechtsstadt salzburg. idyllisch der blick vom franz-josef-kai nahe der eisenbahnbrücke in mülln richtung innenstadt. wer dort stehen bleibt hört romantische abendgespräche wie „des sans, de bettla, vastinkn de gaunze stod“ oder „egal ob in italien, spanien oder hier, wons kane schwoazn san, dann sans zigaina“ oder „organisierte banden deafn do schlofn, frechheit“.

wie es sich für eine menschenrechtsstadt gehört, werden die armutsreisenden in dieser stadt… nein. eben nicht. anderer text:

es passt gelinde gesagt ganz und gar nicht zu einer menschenrechtsstadt, dass menschen tatsächlich unter freiem himmel nächtigen müssen, dort ihre wäsche waschen und trocknen, dort essen und sich schlafen legen. für manche passanten ist es ein befremdlcihes schauspiel, für andere anlass zu obigen kommentaren. beschimpfungen und beleidigungen inklusive. nicht jede nacht ist lau und mild. es gibt auch kalte, eiskalte und nasse nächte.

es passt ganz und gar nicht zu einer menschenrechtsstadt, dass menschen menschenunwürdig behandelt bzw. in stich gelassen werden. aber in einer unsolidarischen gesellschaft braucht es das bild von „gescheiterten“, um das narrativ jener gerechtigkeit aufrecht zu halten, in der es um belohnung für leistung geht. wer nichts im sinne einer kommerzialisierten welt „leistet“, wird treibgut im spülsand der salzach.

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foto: bernhard jenny lic cc by

wirtschaft oder menschenleben? (#corona #13)

im grossen und ganzen war die entwicklung in den letzten wochen durchaus erstaunlich. dass ausgerechnet die – ihrem selbstverständnis nach – „wirtschaftpartei“ den weitreichenden lockdown veranlasst, war bemerkenswert. der menschenverachtenden diskussion, was denn mehr wert sei, das leben von menschen oder der umsatz von betrieben, wären wir beinahe erhobenen hauptes entkommen. wären.

dass ausgerechnet ein leiter der abteilung für allgemein- und familienmedizin an der meduni wien nun medial in deutschland und österreich aktiv wird und die strikten anweisungen als „irre, was wir da machen“ bezeichnet, ist erschütternd.

einer, der – zumindest der form nach – dem hippokratischen eid verpflichtet sein sollte, fängt nun allen ernstes damit an, die „kollateralschäden für die wirtschaft“ ins treffen zu führen und fordert ein ende u.a. des schulstopps nach ostern. (zib 2 vom 2.4.2020)

dabei fehlt auch nicht der versteckte appell, dass schon darüber nachzudenken wäre, ob denn alte menschen nicht ohnehin abzutreten hätten. der allgemeinmediziner erwähnt dabei emotionsbefreit (im interview mit der presse) seine 90jährige mutter, die sich längst damit abgefunden hätte „ihr leben gelebt zu haben“.

ja, es stimmt, das leben geht für uns alle mal zu ende. und auch ja, es wird immer eine ethische frage sein, welche medizinischen massnahmen wann und in welcher form vertretbar, unverzichtbar oder eben auch nicht angebracht sind. natürlich gibt es diskussionen über aufwendigste operationen an eigentlich nicht mehr wirklich lebensfähigen krebskranken, über hubschraubereinsätze zu altenheimen bei herzstillstand oder tatsächlich eineinhalb stunden reanimation bei einem definitiv schwer herzgeschädigten menschen. doch für diese fälle gibt es eine unmissverständliche lösung: wer nicht mehr behandelt werden möchte, der kann auf das instrument der patientenverfügung zurückgreifen.

aber die gewissheit, dass ein*e ärztin / arzt alles menschenmögliche zu tun bereit ist, wenn es darum geht, menschenleben zu retten, diese gewissheit muss unbedingt die grundlage unserer medizinischen versorgung bleiben. sobald jedoch ein*e mediziner*in auch nur in den verdacht gerät, volkswirtschaftliche überlegungen könnten in die behandlungsplanung einfliessen, ist das einfach untragbar. eine ärztliche verfügung auf basis von wirtschaftsüberlegungen ist ein nogo und widerspricht einem humanistischen menschenbild.

„es ist verantwortungslos, über menschenleben so zu sprechen“, entgegnet gesundheitsminister anschober den aussagen des mediziners. anschober hat wenig verständnis dafür, dass offensichtlich das bisher kaum in frage gestellte ziel der regierung „das leben von 10.000en menschen zu retten“ und einen kollaps des gesundheitssystems zu verhindern torpetiert wird. nicht von irgendwem, sondern einem leitenden mediziner der meduni wien.

tatsächlich ist es nicht hinnehmbar, dass ein arzt, der nicht nur leiter der abteilung für allgemein- und familienmedizin an der meduni wien und damit auch lehrender ist, sondern auch in salzburg ordiniert, offensichtlich interessen der wirtschaft gegen das individuelle menschenrecht des erhalts des lebens auszuspielen versucht.

ein*e ärztin/arzt, die/der leben erhalten will, solange es sich rechnet und nicht so lange es dem willen der patient*innen entspricht (und u.u. auch darüber hinaus), sollte keine ärztliche verantwortung mehr innehaben und auch nicht die neue generation der jungen ärzt*innen unterrichten.

corona macht offensichtlich vieles sichtbar, das wir in dieser deutlichkeit so noch nicht wahrgenommen haben: wer die bilder des verzweifelten medizinischen peronals in italien und spanien gesehen hat, das in tränen ausbricht, weil sie es für unmenschlich halten, entscheiden zu müssen, wen sie sterben lassen, wird an der dramatik der lage nicht zweifeln können und dankbar sein, dass in unserem und vielen anderen ländern heftige massnahmen ergriffen werden.

offensichtlich kämen andere nicht in diese emotionelle not, sondern würden sogar noch die eigene mutter abtreten lassen. sie hat ihr leben gelebt.

die entscheidungfrage, die niemals eine sein darf heisst daher:
wirtschaft oder menschenleben?

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bild: orf screenshot

dank allein reicht nicht. (#corona #03)

hinsehen, wahrnehmen, lernen. das ist jetzt angesagt. unzählige beispiele in diesen krisentagen lassen uns erleben, wem wir das weiterfunktionieren trotz ausnahmezustands zu verdanken haben. schön, dass es applaus-aktionen gibt, schön dass es zahlreiche dankesbekundungen gibt.

wir haben eine hochbetagte freundin im herz-jesu-heim, salzburg riedenburg. die persönliche betreuung dort ist wirklich immer schon sehr gut und um echte zuwendung bemüht. seit der schliessung der senior*innen-heime herrscht natürlich auch dort ein entsprechender ausnahmezustand. in persönlichen telefonaten hat bereits am anfang der quarantänezeit die leitung des hauses alle angehörigen über die sachlage informiert.

nun aber macht sich das team des hauses auch noch die mühe, in ausgedehnten telefonaten nachzufragen, wie es nun denn mit der kommunikation zwischen uns und der freundin klappen würde, ob es probleme gäbe und welchen eindruck wir hätten. da nimmt sich ein team in krisenzeiten deutlich zeit für ein echtzeit-qualitätsmanagement, da wird überprüft und aktiv nachgegangen, damit kein problem übersehen wird.

das verdient beachtung! exemplarisch für viele andere landesweit sei hier der dank an das personal im herz-jesu senior*innen-heim öffentlich formuliert! doch dank allein reicht nicht.

too big to fail ist nun endgültig widerlegt. unsere gesellschaft zeigt in der krise, auf wen es im ernstfall wirklich ankommt. der begriff „held*innen des alltags“ trifft es meiner meinung nach nicht, denn es ist weder ein „alltag“, den wir jetzt zu meistern haben, noch kann ich mit „held*innen“ etwas anfangen, der begriff ist für mich zu belastet.

es kommt nun darauf an, aus diesen krisentagen – die so richtig noch gar nicht begonnen haben – die wirklichen learnings zu ziehen. wir dürfen in einem hoffentlich wieder eintretenden „danach“ nicht vergessen, wer wirklich entscheidend zum funktionieren der notwendigen strukturen beiträgt.

diese berufe – in diesem fall jene der pflege – müssen in der gesellschaftlichen bewertung einen neuen platz erhalten, ganz oben auf der prioritätenliste. da geht es um wertschätzung, um achtung und um attraktivierung – also auch um konkrete lohnerhöhungen.

dank allein reicht nicht.

ps. es wird sicher noch viele gelegenheiten geben, menschen, die uns in der krise entscheidend unterstützen zu benennen und ihnen zu danken. dieses beispiel ist der anfang.

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foto: pixabay licence

ali wajid: „was ich bekommen habe, will ich weiter- und zurückgeben“

„was ich bekommen habe, will ich weiter- und zurückgeben und mich damit bei allen bedanken!“ so beschreibt ali wajid seine stimmung in diesen wochen vor antritt des studiums. mit freiwilliger sozialer arbeit und engagement in sozialen projekten will er nicht nur als spendenempfänger dastehen. trotzdem wird er noch eine zeit lang unterstützung brauchen, weshalb wir um spenden bitten!

seit seiner rückkehr aus kenia im oktober ist ali wajid nun in salzburg damit befasst, sein studium, welches im februar beginnt, optimal vorzubereiten und sein neues leben in salzburg zu organisieren.

ali hat bereits zu seinen zukünftigen studienkolleg*innen kontakt aufgenommen, ist auf verschiedenste weise mit der studentischen welt der universität salzburg vernetzt und engagiert sich auch bereits ehrenamtlich in projekten der öh.

diese monate vor dem eigentlichen studienantritt im februar sind für ali sehr wichtig, er will die zeit optimal nutzen, denn lang genug musste er ausharren und abwarten, wie es weiter gehen kann. 7 monate kirchenasyl und fast 9 monate kenia waren eine lange zeit, in der ali sehr viel geduld und ruhe aufbringen musste, um an ein letztlich positives weiterkommen zu glauben.

seit seiner rückkehr will ali arbeiten, allerdings darf er das erst mit dem antritt des studiums, also ab märz 2020, maximal 20 wochenstunden. dadurch sind natürlich momentan die möglichkeiten sehr begrenzt und auch nach antritt des studiums viele herausforderungen zu meistern.

eine besondere herausforderung sind die unausweichlich rechtskräftig gewordene verwaltungsstrafe in der höhe von 6500 € sowie weiters 500 € kostenersatz für die schubhaft in wien. das bedeutet, dass ali wajid noch bevor er überhaupt zu studieren begonnen hat, nun mit einer grossen hypothek belastet ist.

ali möchte alle möglichkeiten ausschöpfen, möglichst viel selbst zu erarbeiten.
denn er will nicht auf dauer von spenden abhängig sein. dennoch haben wir beschlossen, einen aufruf um spenden zu starten, denn allein wird die summe – selbst bei ratenzahlung – nicht erwirtschaftet werden können. schliesslich sind lebenserhaltungskosten, studiengebühren und vieles andere auch noch zu bewerkstelligen.

deshalb bitten wir jetzt zu weihnachten um spenden für ali, jede spende hilft ihm konkret beim start in ein neues leben als student in salzburg. ali wird nichts unversucht lassen, selbst in freiwilliger sozialer arbeit und später in lohnarbeit möglichst viel mit eigener kraft zu bewältigen!

einmal mehr sehr hier zum jahreswechel sehr gross gedankt: den vielen spender*innen, die bisher schon so vieles ermöglicht haben, schliesslich ist es nicht selbstverständlich gewesen, ali über fast neun monate ein leben in kenia zu ermöglichen und zustätzlich die mittel für alle behördlichen schritte aufzubringen.

weiters sei hier nochmals bedankt: erzbischof franz lackner und flüchtlingspfarrer alois dürlinger, erzabt korbinian birnbacher und die gemeinschaft der brüder im kloster st.peter, die tragenden säulen des kirchenasyls. sowie doraja eberle, die mit sehr viel engagement in mehreren entscheidenden phasen alis weg nicht nur mit ausverhandelt, sondern auch massiv unterstützt hat.

und wesentlich: die vielen unterstützer*innen während der vielen phasen in diesen 505 tagen. menschen, die diese geschichte weitererzählt und im hintergrund begleitet haben, menschen, die mitgedacht und mitgezittert haben, menschen, die mit rat und tat zur seite gestanden sind und menschen, die bereit waren, auf abruf aktiv zu werden. eine beeindruckende zivilgesellschaft!

ali und wir alle werden wohl die 505 tage zwischen erster verhaftung am 31.5.2018 und seiner rückkehr nach salzburg im oktober 2019 niemals vergessen. wir nehmen als erfahrung und empfehlung in das nächste jahrzehnt: immer an ein gutes ende glauben, sich mit menschen guten willens verbinden und niemals aufgeben!

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frühere artikel über ali wajid
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spendenkonto HILFE FÜR ALI

AT21 5500 0111 0002 7228

armutsreisender mit fäkalien beworfen

salzburg. heute gegen 8 uhr, auf einer der salzachbrücken, wurde josif s. (name geändert), armutsreisender aus rumänien, seinen angaben nach von einem unbekannten beschimpft, bedroht, getreten und dann mit in einer tasche mitgebrachten exkrementen beworfen.

josif schilderte mir das geschehen etwa zwei stunden später. ich war wieder einmal auf dem weg in die salzburger innenstadt und wollte ihn wie gewohnt begrüssen, ihm die kleine bescheidene übliche spende geben und weitergehen. mir war schon von weitem aufgefallen, dass er nicht an seinem gewohnten platz war, sondern einige meter weiter, mitten auf der brücke.

im moment meines grusses brach josif in tränen aus, zeigte auf seinen üblichen sitzplatz und meinte nur „dort alles scheisse“. zuerst glaubte ich, er würde den platz dort aus irgendwelchen gründen nicht mehr für gut befinden, doch dann erzählte mir josif zutiefst betroffen von seinem morgendlichen erlebnis.

„weg du, du dreck“ und „du gehörst nicht hier her“ soll der mann ihn angeschrien haben und versucht haben, ihn unsanft von der stelle zu vertreiben. josif gab ihm zu verstehen, dass er nicht daran denke, den platz zu verlassen und nur gott das recht hätte, ihn des platzes zu verweisen.

darauf hin warf der angreifer kot aus einer mitgebrachten plastiktasche auf ihn und als josif auszuweichen versuchte, lud der täter die exkremente genau am sitzplatz von josif ab.

josif war nur schwer zu beruhigen, wollte aber unter keinen umständen, dass ich die polizei verständige.

es gibt politiker in dieser stadt, die schon seit vielen jahren öffentlich bekanntgeben, den armutsreisenden „den Aufenthalt in Salzburg so ungemütlich wie nur irgendwie möglich machen” zu wollen.

und es gibt kaum öffentliche stellungnahmen des magistrats zum thema armutsreisende, ohne in einem atemzug von schmutz, fäkalien, kot oder gesundheitlichen bedrohungen zu sprechen.

dumm nur, wenn hitzköpfe dann diese starken sprüche zu wörtlich verstehen.

wohin entwickelt sich das leben in unserer stadt?
ist es alarmierend oder gängige praxis?
heute morgen:
armutsreisender mit fäkalien beworfen

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ps. die exkremente sind fotografisch dokumentiert.
von einer veröffentlichung wird abstand genommen.

 

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foto: bernhard jenny cc by sa

wer ist „latent gewalttätig und kriminell“?

der „schwarze block“ ist der krampuss für alle, die noch an das politische christkind glauben. für jene, die allen ernstes die probleme unserer gesellschaft nicht dort verorten, wo sie sich wirklich ereignen, sondern auf kleinstädtischen bürgerlichen plätzen, wo absurde martialität eines polizeiapparates den unmut von demonstrierenden erleben müssen.

wer dann gleich dem gesamten schwarzen block (fürcht fürcht) „latente gewalttätigigkeit und kriminalität“ vorwirft, muss sich die frage gefallen lassen, wie dann die tätigkeit von frontex oder die bewusste nichtrettung von ertrinkenden zu benennen wäre.

thema der kundgebung war wohl der scharfe protest gegen das mörderische verhalten und nichtverhalten der europäischen union als institution, das kooperieren mit unrechtsregimen und die unerträglichkeit einer „festung“ europa, die auf kosten der menschen in anderen erdteilen unseren luxus und reichtum selbst noch mit todbringenden massnahmen auf dauer absichern will.

ein solcher protest gegen das kapitalistische unrechtssystem sieht vielerorts international zugegeben wild und heftig aus, da brennen autos und werden geschäftslokale geplündert. und was ist in salzburg passiert?

eine wirklich absurde „umleitung“ des demozuges durch eine dermassen enge gasse, dass die demofahrzeuge gar nicht durchkommen können und allein dadurch schon das auseinanderreissen der kundgebung vorprogrammiert war, wurde zum erwartbaren, bereits tage vor der demo weithin bekannten konfliktpunkt.

hätte der demozug über das „platzl“ direkt in die imbergstrasse abbiegen können, hätte die demo im wahrsten sinne ohne probleme die kurve gekratzt. aber nein, ganz im gegensatz zu den eher schonend auftretenden sperren im vorangehenden streckenverlauf, war die show auf dem platzl wohl von vielen schon längst erwartet.

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wenn ein anrennen der demo gegen eine sinnentleerte und rein auf amtlicher sturheit beruhenden sperre kriminell sein soll, dann entspricht dies nicht meinem begriff von verbrechen.

ein verbrechen ist, was an den eu-aussengrenzen mit hilfesuchenden menschen passiert, ein verbrechen ist, wie unsere regierungen den populistischen hetzkurs nutzen, um politisches oberwasser zu bekommen, egal wer darunter ertrinkt.

dass den omas gegen rechts und dem eu-abgeordneten michel reimon die kalmierung der situation gelungen ist, spricht ebenso gegen die unterstellung einer gewalttätigen kriminalität. inzwischen musste die polzei über ihren sprecher auch die unterstellung einer eisenstange, die zum einsatzgekommen wäre, leise widerrufen. oh wait! es wurde fest zugeschlagen, von einem polizisten, der „versehentlich?“ michel reimon ins gesicht geschlagen hat.

der demozug ertrug schliesslich unter dem schutz der omas gegen rechts die absurde umleitung durch das nadelöhr „das kino“ und wartete geduldig auf die demofahrzeuge in der imbergstrasse.

schliesslich ist dann die gesamte kundgebung friedlich und zufrieden im volksgarten angekommen.

was dann passierte, war wohl eine ganz nach wunsch des obersten rechten innenministers inszeniert. da wurden plötzlich in der hermann-bahr-promenade wenige kundgebungsteilnehmer*innen gekesselt. ein aufruf im volksgarten, sich solidarisch zu verhalten wurde spontan von vielen aufgegriffen.

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die szenen, welche die exekutive lieferte, waren beschämend. eine nervöse und zunehmend aggressive polizei – viele von ihnen merkbar ohne ortskenntnisse – ging immer wieder brutal auf die umstehenden menschen los, schlagstöcke, pfefferspray und chaotisches vorgehen erzeugten eine stimmung von unsicherheit und brutalität. auch der volksgarten wurde – völlig ausserhalb des eigentlichen konfliktfokus – plötzlich gestürmt und mit personenkontrollen begonnen, bis das kommando „wir sind hier falsch“ die einheiten wieder abrücken liess.

inzwischen ist bekannt, dass es mehrere festnahmen gab, manche dann erst in folge der spontanen blockade, die – letztlich erfolgreich – die abfahrt des arrestwagens der polizei verhinderte.

einer der festgenommenen war vorgesehen für eine rede über das sterben im mittelmehr, tamino von sea-watch. die versionen, dass er „absichtlich freigelassen“ wurde oder ob diese freilassung ein ablenkmanöver sein sollte, um die sitzblockade aufzulösen sind unterschiedlich. gesichert scheint allerdings, dass der betreffende von der polizei im zuge der „entlassung“ brutal umgestossen wurde.

ein anderer festgenommener wurde letztlich aus dem arrestwagen freigelassen. ein erfolg der sitzblockade, der sichtlich vielen der polizist*innen ganz und gar nicht schmeckte.

ein testosteron-gesteuerter machtblock verlor immer wieder die demokratiepolitische contenance und vergriff sich an friedlich demonstrierenden menschen. mag schon sein, dass lautes skandieren und blockieren von einsatzwagen den behörden nicht gefällt. der einsatz von pfefferspray und schlagstöcken, sowie das beschimpfen von demonstration-teilnehmer*innen gehört jedenfalls nicht zum verhalten einer seriösen exekutive.

dass polizisten im tumult gezielt an meine geschlechtsteile greifen und das mobiltelefon aus der hosentasche ziehen wollten, während ich von einem anderen eine volle pfefferspray-attacke abbekomme und zu sturz gebracht werde, wird noch sein nachspiel haben. mein rücken erzählt mir heute noch heftig davon, dass ich insgesamt zweimal von kickls vollstreckern zu boden geworfen wurde. das ist nur ein persönlicher nebenschauplatz, aber es zeigt das allgemeine niveau der beamten*innen.

zudem kamen fiese tricks der exekutive, die zb die information an die sitzenden, dass ein rettungswagen dringend zu einem kind mit epileptischen anfällen durch müsse. die sitzblockade wurde selbstredend für das ambulanzfahrzeug aufgehoben. die polizeikräfte rückten mit aller gewalt im schutz des ambulanzwagens gegen die sitzblockade vor. gespräche mit beamten im umfeld lassen durchaus den schluss zu, dass der „rettungseinsatz“ ein – dann doch misslungener – trick gewesen sein könnte. aber es ist den sitzenden gelungen, sich zu behaupten.

die veranstalter*innen der demo waren in dieser phase allerdings sehr lange weder sichtbar, noch erreichbar und scheuten offensichtlich die verhandlungen mit der exekutive. auch eine art von politischer kindesweglegung.*)

für bürgerlich denkende kreise ist es natürlich viel bequemer, die böse mär vom schwarzen block aufrecht zu erhalten und die martialischen truppen des obersten ponyzisten herbert kickl für ihren schwierigen einsatz zu bemitleiden.

denkbar, dass in zukunft dann statt einer kundgebung bei solchen anlässen zwei oder drei verschiedene kundgebungen durch die strassen ziehen. von den um die wette lächelnden „bio-macht-schön“-apostel*innen, über die zeitschriften verteilenden „zeugen jehovas“ der linken, bis zum schwarzen block.

das wirkliche verbrechen, an dem täglich menschen sterben, wird dadurch wohl nicht besser bekämpft.

und allen, die sich über den schwarzen block so echauffieren, sei die frage gestellt:
wer ist „latent gewalttätig und kriminell“?

*) ich habe auf diesen blogpost sehr viele rückmeldungen bekommen, differenzierte und weniger differenzierte, sehr zustimmende und solche, die mir besonders in einem punkt widersprochen haben, die rolle der veranstalter*innen betreffend. ich stehe nicht an, klarzulegen, dass die hier publizierte sichtweise auf subjektiver wahrnehmung beruht, was bei blogposts grundsätzlich klar sein sollte. und es kann auch nicht in meinem interesse sein, die gruppe alljener, die gegen den mörderischen wahnsinn der festung europa auf die strasse gegangen sind, durch meine kritik zu spalten. manche haben mir geschildert, dass die veranstalter*innen sehr wohl sehr aktiv waren, was aber naturgemäss aus der sicht in der sitzblockade nicht unbedingt wahrnehmbar war.
entsolidarisierungsprozesse im so wichtigen prozess des widerstands gegen den festungswahnsinn sollen keine chance bekommen.

 

 

fotos: bernhard jenny cc by nc

polizei nimmt lehrling in schubhaft

es ist sicher zufall. oder eben nicht. ausgerechnet jener lehrling, der in der aufsehenerregenden berichterstattung über das vorhaben der neuen koalition aus övp, grünen und neos den von abschiebung bedrohten sein gesicht lieh, wurde nun von der polizei abgeholt.

es ist sicher zufall. oder eben nicht. ausgerechnet an einem veranstaltungsfreien tag in der ARGEkultur, an dem auch das ARGEbeisl geschlossen ist, erreicht mich die schreckliche nachricht.

es ist sicher zufall. oder eben nicht. es war das erste mal, dass sich die parteien einer soeben neu gebildeten landesregierung offen gegen den wahnsinn der abschiebungen stellen und vernünftige vorschläge machen.

ali wajid kennen viele. eine welle der solidarität ist zu erwarten, jene politiker*innen, die gerade erst ihre sehr vernünftige forderung publik machten, sind nun gefordert, sich mit vollem einsatz gegen den wahnsinn zu stemmen.

andreas berlot, der lehrherr von ali ist tief betroffen: „die rechtlichen möglichkeiten sind ausgeschöpft, jetzt kann nur noch die politik helfen.“

es wird darauf ankommen, ob sich die vernunft durchsetzen kann. oder der populismus in seiner zynischten form das leben vieler junger menschen zerstört.

es ist jedenfalls nicht hinzunehmen:
polizei nimmt lehrling in schubhaft

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foto: screenshot onlinebericht salzburger fenster