was ist, wenn eine rohkalkulation ergeben hätte, dass krieg …

screenshot bernhard jenny

was ist, wenn eine rohkalkulation ergeben hätte, dass der profit aus dem menschenverachtenden verbrechen namens „krise“ mit all seinen nebenfronten wie „bankenrettung“, „rettungsschirm“ und kürzung um der kürzung willen, noch nicht ganz das absolut geile ergebnis ist?

was ist, wenn eine rohkalkulation ergeben hätte, dass die ganze wirtschaftsordnung, so wie wir sie derzeit vor uns haben, irgendwie sowieso den bach runter gehen muss, aber es fragt sich nur, wer im bach absäuft und wer an den ufern seine schäfchen ins trockene bringt?

was ist, wenn eine rohkalkulation ergeben hätte, dass es EIN superding gibt, das den wahnsinn nochmal richtig ankurbelt und wieder unendliche gewinne in ganz bestimmte kassen spült, mehr als sonst?

was ist, wenn eine rohkalkulation ergeben hätte, dass ein altes probates mittel der menschheit den untergang hinunterverteilt, den profit hinaufverteilt und unterm strich megaultracool fett ausschaut?

was ist, wenn eine rohkalkulation ergeben hätte, dass krieg …

zurück aus dem einwanderland

foto: mar del plata 201108 (bernhard jenny)

zurück aus argentinien.
erfüllt von reichen eindrücken, interessanten begegnungen, intensiven gesprächen, besonderen momenten mit familie und vielen geschätzten freundInnen. manchmal wiedersehen nach vielen, sehr vielen jahren, manchmal neues kennenlernen, entdecken und geniessen.

unmöglich diese geschenke in einem einzigen blogeintrag entsprechend zu würdigen. aber bei der rückkehr nach europa werden bilder deutlich, die beispielhaft für vieles stehen können.

ich habe menschen gesehen, die bereits 2001 opfer jenes betrugsspiels an der argentinischen allgemeinheit wurden, das damals auch schon „wirtschaftskrise“ hiess (ganz in der art wie es heute in vielen europäischen ländern betrieben wird) und sehr wenige unverschämt reich und sehr viele menschen arm und ärmer werden liess. doch viele liessen sich dennoch nicht unterkriegen, haben es irgendwie dann trotzdem und sonst wie geschafft. vom tauschgeschäft bis zur parallelwährung – der einfallsreichtum, die solidarische grundhaltung und die berühmte gabe der improvisation haben dennoch ein (über)leben ermöglicht. da könnten wir was lernen.

zwei themenbereiche sind es, die menschen in argentinien über europa den kopf schütteln lassen:

    warum macht ihr euch zu sklavInnen von weltwährungsfond, weltbank und ratig-agenturen? warum schaut ihr zu, wie die spekulationswirtschaft die realwirtschaft abwürgt?
    warum seid ihr so xenophob? wer soll euch einmal die arbeit machen, die pensionen zahlen, wenn ihr niemanden reinlässt? warum glaubt ihr, dass ihr allein besser weiterkommt, als gemeinsam mit anderen? warum erkennt ihr nicht die chance, die zuwandernde für eure länder bedeuten könnten?

menschen in argentinien sind oft enkel, urenkel oder sonstwie nachfahren von einwanderInnen, politischen flüchtlingen und wirtschaftsflüchtlingen.

die verbindung von wirtschaftskrise und xenophobie ist ein unglaublich gefährliches gemisch, das den weg in die katastrophe öffnen kann. das wissen natürlich die nachfahren jener, die schon einmal ein brennendes europa verlassen mussten, nur allzu genau.

und aus der südamerikanischen ferne betrachtet, langsam wieder richtung europa reisend, erschien es mir wirklich unerklärlich, an welche abgründe wir wieder geraten.

wir hier in europa täten gut daran, so schnell und intensiv wie möglich über diese fragen nachzudenken.
schonungslos.

wer sind die täter?*

andreas sator hat in seinem blog zuwi.at auf meinen artikel „europa: der putsch ist perfekt“ (der hier in diesem blog und auf nonapartofthegame.eu veröffentlicht wurde) kritisch geantwortet. mit diesem meinem artikel versuche ich eine antwort:

2007 Fitch Halloween Murder Mystery Poster - Bryan Loar (Creative commons flickr)

schön wäre es, wenn die krise(n) um euro, irland, portugal, spanien, griechenland und jetzt italien einfach nur die folge von „tiefbürokratischer“ und „unproduktiver“ geschehen in den jeweiligen ländern wäre. das sehe ich aber nicht so. „die haben sich den käse selbst eingebrockt“ stimmt eben nicht ganz. oder ganz und gar nicht. allein schon in das nationale denken, also das (heraus)trennen einzelner staaten aus dem, was da angeblich geschieht, entspricht nicht der realität. der euroraum ist mit sicherheit als eine einheit zu sehen, die manche nur nicht wahr haben wollen. die welt der spekulation und des alltäglichen wirtschaftsverbrechens ist international und macht weder vor staatsgrenzen noch hoheitsgebieten, weder vor justiz noch moral halt.

mag sein, dass der ton meines artikels auf dich „anfeindend“ und „auffallend aggresiv“ gewirkt hat. meine emotion trifft natürlich nicht nur auf die ratingagenturen zu. diese sind aber teil eines abgekarteten spieles. spekulanten und zocker können ihr spiel wirklich nur mit gezinkten karten spielen. anders würden sie es nicht spielen. denn dieses risiko würde wirklich niemand eingehen.

ich habe zwar nicht volkswirtschaft studiert, aber oft genug gesehen, dass die offiziellen regeln unserer gesellschaften nur spielregeln für die naive masse, die normalverbraucherInnen – oder wie immer wir sie nennen mögen – gelten.

in wirklichkeit geht es dort, wo gross posaunt wird, dass es sicher niemals um parteipolitik geht, oft genau um das. dort wo behauptet wird, dass es um das wohl aller ginge, geht es häufig nur um eigennutz weniger macher. dort wo behauptet wird, dass insidergeschäfte verboten wären, leben ganze bürotürme davon, sich die insiderinformationen so rasch wie möglich zu beschaffen, um genau solche insidergeschäfte zu tätigen. dort wo neutralität und unparteilichkeit behauptet wird, ist oft schon von vornherein klar, wie der hase läuft. und so weiter und so fort. dort wo kein einfluass der wirtschaft behauptet wird, werden gesetze verkauft, dort wo urteile wahrheit finden sollen, werden diese von solchen beeinflusst, die niemals vor den vorhang treten.

unabhängig davon, ob morgen der euro raufschnellt, in den keller fällt oder ob die börsen soundsoviel theoretisches vermögen verbrennen. wir können sicher sein, dass diejenigen, die in mir die von dir erkannte emotion, ja die wut und empörung wecken, das heute schon wissen und entsprechend vorgesorgt haben.

ich weiss konkret von menschen, die unglaublich, also in einem für uns kaum vorstellbaren ausmass reich geworden sind, eben weil es ganzen bevölkerungsschichten von heute auf morgen sehr schlecht ging, denn die wirtschaft in ihren ländern war einfach zusammengekracht. die menschen, die unglaublich reich geworden sind, konnten wegen ihres informationsvorsprunges (weil selbst auch mitverursacher des crashs) entsprechend handeln.

die „messenger“, die boten, die ratingagenturen sind also mit sicherheit nicht naive teams, die nur unbedarft die dinge „wie sie sind“ beobachten, sondern diese ratingagenturen wissen viel, viel mehr und früher, als sie öffentlich bekannt geben.

jene, die beinhart gegen staaten spekulieren und unglaubliche gewinne mit diesen spekulationen einfahren, brauchen kollaborateure, die einerseits wirklich genau analysieren, wo der schwachpunkt in den systemen liegt und dann zum richtigen zeitpunkt in der öffentlichkeit mittels bewertungen stimmungen auslösen, die die börsen und banken wie ferngesteuert handeln lässt. dieser „richtige zeitpunkt“ ist dann, wenn sich die „richtigen“ in entsprechende positionen und ihre optionen und gegenoptionen, leerverkäufe und fonds in die richtige stellung gebracht haben.

dass sich diese menschen masslos bereichern, würde mich nicht so aufregen. was mich aufregt, ist das, was gegen staaten und deren haushalte zu spekulieren in wirklichkeit bedeutet: zusammenbruch der lebensnotwendigen infrastruktur für alle. (bis auf die wenigen, die es sich eben richten können)

weniger bildung, weniger universität, weniger schule, weniger krankenhaus, weniger pflege, weniger mobile hilfsdienste, weniger lebensplanung, weniger aussichten, weniger sicherheit.

wenn dann menschen protestieren und laut werden, wird ihnen gesagt, dass eben „nicht genug für alle“ da wäre.

heisst: wenige „schreibtischtäter“ schaufeln unmengen geldes aus dem gesellschaftlichen kreislauf heraus und in den eigenen privaten hinein. das ist gier auf kosten anderer, sehr vieler anderer.

und das empört mich sehr.

den menschen zu erzählen, dass die misere hausgemacht, selbst eingebrockt sei oder nun halt mal weniger da sei, so dass es nicht für alle reicht, bedeutet den menschen sand in die augen zu streuen.

und das empört mich nicht weniger.

wir müssen den menschen erklären, wo ihre chancen, ihr soziale sicherheit und ihre versorgung hinverschwunden sind.

sie haben sich nicht einfach in luft aufgelöst, sie wurden gestohlen.

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* hier würde die genderform für mich nicht passen

europa: der putsch ist perfekt

foto: mykl roventine (creative commons flickr)

in diesen tagen wird unverblümt gesprochen. ohne umschweife. ohne tarnung. die putschisten haben keine geheimpläne, keine aufmarschszenarien. standard & poors regiert. ganz ohne probleme. was sollen sich die europäischen politikerInnen noch lange überlegen, wie sie griechenland, den euro oder die wirtschaft retten? nicht dass ich allen, die an diesen machenschaften beteiligt sind, nur positive absichten unterstellen wollte! aber zumindest einigen traue ich einen (vielleicht ohnehin schon naiven) gestaltungswillen zu. offen drohen die ratingagenten mit negativer bewertung der geplanten vorgangsweisen und schon hüpfen die börsenkurse nach unten und oben, links und rechts. bravo. da steigen wieder die richtigen mit profit aus, während die staatlichen kassen immer leerer werden.

wer so offen handelt, weiss, dass keine gefahr mehr droht. wer will den machenschaften dieser wirtschaftsverbrecher schon einhalt gebieten? und wie? ein kluges netzwerk von direkten nutzniessern und indirekten mitnaschern, also persönlich sich bereichernde und deren banken, hat sich längst für die gedeihliche zusammenarbeit mit den blutsaugern entschieden.

eigentlich ist das alles nicht neu. neu ist die unverfrorenheit und die direktheit. vielleicht hätte die serviceagentur für die grössten spekulanten dieser welt noch vor wenigen monaten oder jahren dezenter und weniger öffentlich agiert, eher back stage als on stage. jetzt aber tickert die ansage, was zu geschehen hat und was nicht, über die newsmeldungen. was monsanto auf dem gebiet der nahrung anstrebt, dürfte standard & poors auf monetärer ebene bereits gelungen sein.

alljene politikerInnen, die sich gegen diese art des putsches nicht postwendend wehren und laut aufschreien, sind kollaborateure der putschisten. (ja – wiedereinmal lasse ich bewusst die genderform weg). was diese schreibtischtäter so anscheinend harmlos betreiben, ist in wirklichkeit ein verbrechen an menschen, die etwas von unseren gesellschaften brauchen. da geht es nicht nur um die ganz armen, die schwer kranken, die dringend hilfebedürftigen, es geht auch um uns alle, die wir unseren alltag in einer infrastruktur, von energie anhängig und arbeitend verbringen.

früher waren es “insidergeschäfte”, die – mancherorts verboten – die eigentlichen gewinnbringer waren. heute sind es die offenen machtübernahmen, mit denen schamlos und brutal ins gesicht der menschen gefahren wird. die politikerInnen werden blamiert, die bevölkerung definitiv entmachtet und bestohlen. da wird es bald egal sein, wen wir wählen.

demokratie? game over.

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dieser beitrag ist am 4.7.2011 auf nonapartofthegame.eu
erschienen und ist auch unter folgender adresse erreichbar:
http://nonapartofthegame.eu/?p=2992

betrifft #spanishrevolution nur spanien?

plaza del sol madrid (foto: julio albarran creative commons flickr)

die spanische protestbewegung „democracia real ya!“ (echte demokratie jetzt!) soll eingedämmt werden. sämtliche demonstrationen, die für samstag und sonntag angekündigt wurden, sind nun verboten worden. als grund schieben die behörden die an diesem wochenende stattfindenden regional- und kommunalwahlen vor, eine beeinflussung der wahlen wird befürchtet.

die protestierenden, die bereits seit sonntag die plaza del sol in madrid, aber auch plätze in anderen städten spaniens besetzen, hatten allerdings schon vorher beschlossen, nicht auf genehmigungen zu warten, sondern dennoch die menschen aufzurufen, gegen das systematische verbrechen mit dem verschleiernden namen „krise“ aufzustehen.

spanien hat eine sehr gut entwickelte demonstrationskultur. es ist daher zu hoffen, dass die verbote kaum etwas ausrichten. es ist aber umso wichtiger, dass sich viele menschen aus anderen ländern mit der bewegung vernetzen und solidarisieren.

der hashtag #spanishrevolution erlaubt ein mitlesen und mitschreiben auf twitter. auf facebook gibt es eine seite, die website der bewegung http://democraciarealya.es/ ist leider permanent überlastet und daher kaum einsehbar.

eine deutsche fassung des manifests von „democracia real ya!“:

Wir sind normale Menschen.

Wir sind wie du: Menschen, die jeden Morgen aufstehen, um studieren zu gehen, zur Arbeit zu gehen oder einen Job zu finden, Menschen mit Familien und Freunden. Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, um denjenigen die uns umgeben eine bessere Zukunft zu bieten.

Einige von uns bezeichnen sich als fortschrittlich, andere als konservativ. Manche von uns sind gläubig, andere wiederum nicht.
Einige von uns folgen klar definierten Ideologien, manche unter uns sind unpolitisch, aber wir sind alle besorgt und wütend angesichts der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektive, die sich uns um uns herum präsentiert: die Korruption unter Politikern, Geschäftsleuten und Bankern macht uns hilf- als auch sprachlos.

Und diese Situation ist mittlerweile zur Normalität geworden – tägliches Leid, ohne jegliche Hoffnung.

Doch wenn wir uns zusammentun, können wir das ändern.

Es ist an der Zeit, Dinge zu verändern. Zeit, miteinander eine bessere Gesellschaft aufzubauen.

Deswegen treten wir eindringlich hierfür ein:

  • Gleichheit, Fortschritt, Solidarität, kulturelle Freiheit, Nachhaltigkeit und Entwicklung, sowie das Wohl und Glück der Menschen müssen als Prioritäten einer jeden modernen Gesellschaft gelten.
  • Es gibt Grundrechte, die unsere Gesellschaft gewähren muss: das Recht auf Wohnung, Arbeit, Kultur, Gesundheit, Bildung, politische Teilhabe, freie persönliche Entwicklung und das Recht auf Konsum von Gütern, die notwendig sind um ein gesundes und glückliches Leben zu führen.
  • In ihrem momentanen Zustand sorgen unsere Regierung und das Wirtschaftssystem nicht für diese Prioritäten, sondern stellen sogar auf vielerlei Weise ein Hindernis für menschlichen Fortschritt dar.
  • Die Demokratie gehört den Menschen (demos = Menschen, krátos = Regierung), wobei die Regierung aus jedem Einzelnen von uns besteht. Dennoch hört uns in Spanien der Großteil der Politiker überhaupt nicht zu. Politiker sollten unsere Stimmen in die Institutionen bringen, die politische Teilhabe von Bürgern mit Hilfe direkter Kommunikationskanäle erleichtern, um der gesamten Gesellschaft den größten Nutzen zu erbringen, sie sollten sich nicht auf unsere Kosten bereichern und deswegen vorankommen, sie sollten sich nicht nur um die Herrschaft der Wirtschaftsgroßmächte kümmern und diese durch ein Zweiparteiensystem erhalten, welches vom unerschütterlichen Akronym PP & PSOE angeführt wird.
  • Die Gier nach Macht und deren Beschränkung auf einige wenige Menschen bringt Ungleichheit, Spannung und Ungerechtigkeit mit sich, was wiederum zu Gewalt führt, die wir jedoch ablehnen. Das veraltete und unnatürliche Wirtschaftsmodell treibt die gesellschaftliche Maschinerie an, einer immerfort wachsenden Spirale gleich, die sich selbst vernichtet indem sie nur wenigen Menschen Reichtum bringt und den Rest in Armut stürzt. Bis zum völligen Kollaps.
  • Ziel und Absicht des derzeitigen Systems sind die Anhäufung von Geld, ohne dabei auf Wirtschaftlichkeit oder den Wohlstand der Gesellschaft zu achten. Ressourcen werden verschwendet, der Planet wird zerstört und Arbeitslosigkeit sowie Unzufriedenheit unter den Verbrauchern entsteht.
  • Die Bürger bilden das Getriebe dieser Maschinerie, welche nur dazu entwickelt wurde, um einer Minderheit zu Reichtum zu verhelfen, die sich nicht um unsere Bedürfnisse kümmert. Wir sind anonym, doch ohne uns würde dergleichen nicht existieren können, denn am Ende bewegen wir die Welt.
  • Wenn wir es als Gesellschaft lernen, unsere Zukunft nicht mehr einem abstrakten Wirtschaftssystem anzuvertrauen, das den meisten ohnehin keine Vorteile erbringt, können wir den Missbrauch abschaffen, unter dem wir alle leiden.
  • Wir brauchen eine ethische Revolution. Anstatt das Geld über Menschen zu stellen, sollten wir es wieder in unsere Dienste stellen. Wir sind Menschen, keine Produkte. Ich bin kein Produkt dessen, was ich kaufe, weshalb ich es kaufe oder von wem.
  • Im Sinne all dieser Punkte, empöre ich mich.

    Ich glaube, dass ich etwas ändern kann.

    Ich glaube, dass ich helfen kann.

    Ich weiß, dass wir es gemeinsam schaffen können.

    Geh mit uns auf die Straße. Es ist dein Recht.

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    übersetzung manifest übernommen aus scharf-links.de

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