in tiefer trauer

in tiefer trauer / bernhard jenny

wir europäerInnen
sehen
von oben hinunter
sehen
gelassen zu
wie tausende menschen
tausende verzweifelte menschen
im burggraben
der festung europa
jämmerlich
ertrinken

das darf uns nicht mehr schlafen lassen

lampedusa ist europa
lampedusa sind wir
lampedusa muss uns zur umkehr bringen

in tiefer trauer

radikalisierung würde klarheit schaffen.

foto: rødt nytt - creative commons http://www.flickr.com/photos/rodtnytt/

es war zu befürchten. kaum lassen die braunen die dreckige ratte aus dem sack, dass sie auch im kommenden wahlkampf wieder auf die hetze gegen menschen setzen, werden die profilierungsversuche der derzeitig machthabenden, sich auch als sadistisch und rassistisch zu profilieren, zunehmen. ein wetteifer treibt an, wer wohl zynischer, brutaler und kälter agieren kann, die einen braunen mit dem blauen tarnkäppchen, die anderen braunen mit schwarzem tarnkäppchen oder gar mit amtstarnkäppchen. „lasst sie uns jagen, die menschen, die keinem leid tun sollen, lasst sie uns verjagen, die bakterieneinschlepperInnen, die arbeitsplatzwegnehmerInnen, die sozialbetrügerInnen, diebInnen und schwerkriminelle.“

selbst wenn der tod droht, interessiert das nicht. das leben wird zerstört. familien werden sehende auges an die klippen gedrängt, von denen es nur einen absturz geben kann. manche würden wohl gerne noch zusehen, wenn es dann so weit ist, mit dem runterfallen, mit dem aufprall, mit dem zerplatzen. dann sind sie endlich dort, wohin die ewigbraunen sie immer schon haben wollten.

das kollektive verbrechen abschiebung, deportation ist erschütternd. wieviele mehr oder weniger beteiligte da wegsehen, nicht so genau wissen wollen, akten so oder so interpretieren, den hardlinerInnen im amt frei hand lassen und damit sich mitschuldig machen, das ist eine finstere moralische dunkelziffer unseres staates.

die erwähnung der menschenrechte verkommt zu einem schüchternen „aber da wäre doch was“-aufbegehren, das kaum gehört wird.

wer nicht will, dass solche verbrechen weiter zur traurigen serie in unserer gesellschaft werden, wer nicht will, dass sich der fremdenhass in serie fortsetzt, wird scheitern, wenn die angst vor einer radikalisierung lähmt.

doch wer für menschenrechte eintreten will, wird in dieser gesellschaft ohne radikalisierung nicht weiter kommen. tränen und transparente sind angesichts des kalten zynismus der ämter, behörden und ministerien viel zu geduldig.

selbst wenn die rassistInnen eine mehrheit wären (oder sind?), darf der kampf für die unteilbaren gleichen rechte für alle menschen dieser welt niemals aufgegeben werden. es gilt ein umdenken zu erlangen bei alljenen, die noch immer glauben, dass es eine sache der individuellen beurteilung wäre, ob eine deportation gerechtfertigt ist, oder nicht. es gilt, aufzuklären, dass es das nicht gibt. es gilt, jene wach zu rütteln, die glauben, sie wüssten noch zu wenig, um eine eindeutige meinung zu deportationen zu haben.

es ist nicht mehr zu akzeptieren, über „richtige“ und „falsche“, über „zumutbare“ und „unzumutbare“ deportationen zu verhandeln. so wie es keine eventuell akzeptable vergewaltigung gibt, gibt es auch keine annehmbare abschiebung. so wie es keine unter umständen richtige todesstrafe gibt, gibt es auch keine auszuhandelnde deportation.

alle menschen sollen leben und bleiben wo sie wollen.
radikal.
alle abschiebungen sind zu stoppen.

radikalisierung würde klarheit schaffen.

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foto: rødt nytt – creative commons

hätte aggressive eskalation wirklich weniger gebracht?

foto: refugeecamp von DD4RC (creative commons)

es ist ein armutszeugnis unseres staates, dass die menschen, die ursprünglich vor und dann in der votivkirche auf die unannehmbaren missstände aufmerksam machten und darauf wie wir mit ihnen umgehen, weil sie bei uns zuflucht suchen, immer noch auf eine lösung warten müssen.

es ist ein armutszeugnis unseres staates, dass selbst die zwar kurze aber intensive öffentlichkeit, die die menschen erlangen konnten, nun scheinbar im nichts versandet. der hype ist vorbei.

es ist ein armutszeugnis unseres staates, dass keine politikerIn bis hinauf zum bundespräsidenten fähig ist, eine menschliche, grosszügige und aufnehmende begegnung mit diesen menschen zu erlangen. ausländerfeinde sind wichtige wählerInnen.

es ist ein armutszeugnis unseres staates, dass nach all den – auch von kirchlicher seite geäusserten – salbungsvollen worten, die nun im verdacht stehen, ohnehin nur der nicht ehrlich gemeinten deeskalation gedient zu haben, rein gar nichts passiert.

es ist ein armutszeugnis unseres staates, dass wir immer noch menschen sortieren. würden wir diesen menschen arbeit geben, wären sogar unsere pensionen gesichert. unsere angebliche krise etwas kleiner. aber uns ist das aussortieren wichtiger.

waren diese menschen schlecht beraten, immer wieder einer eskalation auszuweichen?
ist die lehre aus dem steckengebliebenen protest etwa doch, dass sie alle zu brav waren (und sind)?

hätte aggressive eskalation wirklich weniger gebracht?

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foto: DD4RC (creative commons, flickr)

es herrscht gefahr im verzug

screenshot bernhard jenny

innenministerin
was wäre ein herz
was wäre verstand

innenministerin
wo ist verantwortung
wo ist würde

innenministerin
kinderverschlepperin
lebenszerstörerin
das können wir

innenministerin
sowas geht nur ohne herz
sowas geht nur ohne verstand
wahnsinn

innenministerin
es ist verantwortunglos
es ist ohne jede würde
nur entsetzlich

innenministerin
wer menschen verachtet
wer menschen das leben zerreisst
wer menschen in todesgefahr bringt
um stimmen von menschenverachterInnen
zu gewinnen
muss aufhören
ganz schnell

innenministerin
es wird egal sein
ihr werdet stur weitermachen
ihr werdet euch auf erkenntnisse berufen
ihr werdet die abschiebungen schön reden
ihr vergesst selbst unsere schlimmste geschichte

innenministerin
deportationen sind verbrechen
schluss mit lebensfeindlichem zynismus

innenministerin
menschenrechte sind unteilbar
es herrscht gefahr im verzug

unser bescheid heisst: alle dürfen bleiben.

screenshot orf salzburg 20130113

es ist wieder einmal so weit.
familien sollen auseinander gerissen werden.
kinder, die in österreich geboren sind, in ein fremdes land deportiert werden.
eigentlich unvorstellbar.
leider aber praxis.

nun in st.gilgen und in gastein. (siehe orf)

es gibt ein muster, das sich durch fast alle fälle zieht:
wer mit diesen menschen zu tun hat, kann nicht verstehen, wie so etwas überhaupt nur überlegt werden kann. lehrerInnen, vereinsmitglieder, sportkollegInnen und bürgermeisterInnen sind es immer wieder, die sich für menschen, die durch unseren staat gefährdet werden, einsetzen. warum? weil sie diese menschen kennen, mit ihnen zusammenleben und das leben in den jeweiligen gemeinden teilen.

aber irgendwo gibt es die schreibtischtäterInnen. die rechtsaussen unserer gesellschaft. die xenophoben und fremdenhasserInnen. sie wollen exempel statuieren, sie wollen ein unrecht durchsetzen, sie wollen familien mutwillig zerstören und nehmen dabei bewusst leid und elend, ja sogar todesgefahr für die betroffenen in kauf.

wie lange noch werden wir uns von einzelfall zu einfall, von gemeinde zu gemeinde, von initiative zu initiative durchkämpfen müssen? wie lange noch lassen wir den terror jener beamtInnen und vollstreckerInnen zu, die auf befehl menschenleben ruinieren?

wir, die wir zum xten male den ablauf mitmachen, wir, die wir die menschen kennen, die wir willkommen heissen wollen, wir, die wir gemeinsam mit allen engagierten menschen etwas erreichen wollen, wir müssen uns massnahmen überlegen.

unser staat bringt menschen in gefahr.
daher verdient unser staat den widerstand.

wir müssen einen bescheid ausstellen.
einen, der alle diese wahnsinnigkeiten aufhebt.
aber wir müssten ihn dann auch exekutieren.
haben wir das zeug dazu?

unser bescheid heisst: alle dürfen bleiben.

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bild: screenshot orf salzburg heute bericht

schrecklich naiv

foto: bernhard jenny

mögen viel mehr menschen
das organisierte kapitalverbrechen namens „krise“ durchschauen und dagegen aufstehen

mögen viel mehr menschen
sich mit anderen solidarisieren und sich weder von staatsbehörden, banken noch von konzernen sagen lassen, wie wenig ihr leben, ihre arbeit, ihre soziale sicherheit, ihre umwelt oder ihre gesundheit wert wären

mögen viel mehr menschen
alle anderen menschen dort leben und arbeiten lassen, wo diese leben und arbeiten wollen

mögen viel mehr menschen
das miese trauerspiel um spekulationen, banken, politik und macht nicht mehr länger für bare münze halten und sich nicht länger für dumm verkaufen lassen

mögen viel mehr menschen
nicht auf scheinfragen und pseudovolksbefragungen reinfallen, sondern sich selbst die richtigen fragen stellen

mögen viel mehr menschen
nicht mehr auf parteien warten, ob diese zu denken beginnen oder antworten auf fragen finden, sondern selbst – gemeinsam mit vielen anderen – sich meinungen bilden

mögen viel mehr menschen
sich selbst wert genug sein und die kraft entwickeln, für andere und für sich einzutreten.

ja.
schrecklich naiv.

die angst der leonfeldner ist berechtigt

foto: wikimedia commons original: Hjanko bearbeitung bernhard jenny

die angst der leonfeldner
ist berechtigt

angst vor der kriminalität
mitten im dorf

neben der volksschule
neben der hauptschule
vor den kindern

die angst der leonfelder
ist berechtigt

es ist kriminell
menschen vorzuverturteilen

es ist kriminell
menschen
wegen ihres aussehens
wegen ihrer herkunft
wegen ihrer armut
wegen ihrer not
wegen ihrer sprache
wegen ihrer erzwungenen arbeitslosigkeit
zu verachten
nicht da haben zu wollen
am besten weit weg mit ihnen
hinter die berge

die angst der leonfelder
ist berechtigt

es gibt viel kriminalität
mittten im dorf

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ps. heute ist der tag der menschenrechte
danke edith friedl für das aufmerksame beobachten
hier der anlass:
oberösterreichische nachrichten

foto: wikimedia commons original: hjanko bearbeitung bernhard jenny

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