bilder und texte, die dich durchdringen

wir denken oft, dass wir abgebrüht sind und uns kaum was erschüttern kann. stimmt ja auch. vor bomben und giftgas fliehende, an ufern angespülte ertrunkene kleinkinder, erstickte in kühltransportern… die liste der bilder, die uns für ein paar sekunden zusammenzucken liessen und dann doch wieder verdrängt werden (mussten), ist lang.

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in diesen tagen habe ich nach vermutlich 50 jahren wieder ein „comic“ gelesen. allerdings nicht irgendeins. es ist eine als „graphic novel“ zusammengestellte abfolge von fotoreportagen – „ein Feldtagebuch zweier Reporter, die die EU-Außengrenzen vom afrikanischen Kontinent bis in die Arktis bereisen, um die Ursachen und Auswirkungen der europäischen Identitätskrise zu ergründen.“

in drei jahren erkundeten der fotograf carlos spottorno und der reporter guillermo abril die abgründe, die europa vom rest der welt abschotten sollen. dabei ist die bild- und textsprache des spanischen duos wohl deswegen so eindrucksvoll, weil sie nicht der versuchung erliegen, das schnelle sensationsbild, die wilde schlagzeile zu suchen, sondern nachvollziehbar in das reale geschehen an den jeweiligen zielorten ihrer reisen eintauchen und uns als betrachter*innen, leser*innen mitnehmen.

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umso kräftiger sind die bilder aus der spanischen enklave melilla auf dem afrikanischen kontinent, aus griechenland und bulgarien, von einem italienischen militärschiff der operation „mare nostrum“, aus serbien und kroatien, aus polen, ukraine, estland und schliesslich finnland.

wer dieses buch gelesen hat, wird niemals mehr das wort „eu-aussengrenze“ einfach so aussprechen oder über sich ergehen lassen. viel zu tief sind die eindrücke von lebensgefahr, tod, verzweiflung, auseinandergerissenen familien und dem dumpfen gefühl, dass wohl alles eine himmelschreiende ungerechtigkeit ist.

guillermo abril formuliert es einmal so: „Man spürt, dass irgendetwas in der Welt nicht stimmt, wenn man selber so ohne weiteres die Grenzen überschreiten kann, nur deswegen, weil man zufällig in jenem Teil geboren ist. Während die, die im anderen Teil geboren sind, dies nicht können.“

das literaturhaus salzburg widmet dem buch „la grieta“, das in deutscher sprache unter dem titel „der riss“ erschienen ist, eine hauserfüllende ausstellung.

am donnerstag, 12.4.2018 um 19:30 werde ich im literaturhaus salzburg mit carlos spottorno und guillermo abril persönlich über den werdegang der reportagen, die berührensten augenblicke und die wichtigsten erkenntnisse aus diesen drei jahren am rand der „festung europa“ sprechen. (eintritt frei)

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die vernissage zu dieser ausstellung ist gleichzeitig die eröffnung des festivals „europa der muttersprachen“, welches bis zum 30. juni 2018 im literaturhaus andauert. (mehr dazu hier in diesem programmheft)

manchmal wird es in den schilderungen der beiden entdecker von realen dramen sehr betrüblich, sehr dumpf und düster. machtblöcke und dunkle mächte werden unerträglich spürbar, stellen sich aber – selbstredend – niemals direkt vor die kamera. spitzel tauchen auf, strenge kontrollen werden zum spiessrutenlauf.

ob in den wüsten nordafrikas, in den wogen des grössten friedhofs für geflüchtete menschen, dem mittelmeer, ob an den grenzen zur türkei oder in den wäldern weissrusslands, überall schlummert eine erschütternde übermacht, die individuen, also einzelne menschen einfach so zu zermalmen droht.

gleich am anfang schildern die beiden eindringlich die beengte stimmung in der enklave melilla, die nur wenige quadratkilometer zwischen todeszäunen platz hat. am ende des buches wird klar, dass ganz europa eine enklave ist.

dennoch scheinen carlos spottorno und guillermo abril niemals den glauben an eine chance auf friedliche lösungen und konstruktive entwicklungen verloren zu haben. anders hätten sie wohl auch diese reiseberichte nicht geschafft.

zu eindringlich ist die wirklichkeit.
eine wirklichkeit in text und bildern.
bilder und texte, die dich durchdringen

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das buch „der riss“ ist 2017 im avant-verlag erschienen.

einsatz für armutsmigrant_innen mit „rose für menschenrechte“ ausgezeichnet

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31 salzburger organisationen der zivilgesellschaft, die sich für einen würdevollen umgang mit armutsmigrant_innen einsetzen, wurden gestern in der tribüne lehen mit der „rose für menschenrechte“ ausgezeichnet. verliehen wird „die rose“ jedes jahr am 10. dezember von der plattform für menschenrechte für außerordentliche verdienste für die aufrechterhaltung und verteidigung von grund- und menschenrechten. die ausgezeichneten organisationen engagieren sich für ein klima des respektes mit menschen aus südosteuropäischen ländern, die auf der suche nach einer perspektive oder überlebensmöglichkeiten für sich und ihre familien nach salzburg kommen. viele der organisationen beteiligen sich am aufbau einer basisversorgung für diese menschen. mit der verleihung der „rose für menschenrechte“ soll dieses zivilgesellschaftliche engagement, das sich in den vergangen jahren in salzburg entwickelt hat, sichtbar gemacht werden.

maria sojer-stani und haliemah mocevic, die sprecherinnen der plattform, wiesen in ihrer laudatio darauf hin, dass auch die politik gefordert sei, um den aktuellen herausforderungen wirksam zu begegnen. so müsse die zahl der plätze in der notschlafstelle dringend erhöht werden. in der stadt salzburg fehle eine anlaufstelle, an die sich sowohl armutsmigrant_innen als auch besorgte menschen mit ihren wahrnehmungen wenden können. schließlich müsse im landessicherheitsgesetz der passus, der „organisiertes betteln“ unter strafe stellt, konkretisiert werden. statt „organisiertem betteln“ müssen ausdrücklich handlungen, die andere zum betteln bzw. zum abgeben erbettelten geldes zwingen bzw. menschenhandel im zusammenhang mit betteln unter strafe gestellt werden. derzeit würde auch das verfassungsrechtlich erlaubte „stille betteln“ unter bezug auf diesen passus im landesgesetz häufig bestraft.

mit der rose für menschenrechte ausgezeichnet wurden: altkatholische kirchengemeinde, apropos, argekultur, armutskonferenz salzburg, bildungshaus st. virgil, caritas salzburg, christuskirche salzburg, diakoniewerk salzburg, evangelische-methodistische kirchengemeinde, facebookgruppe „nein zur hetze gegen notreisende“, franziskanerkloster, friedensbüro salzburg, fs1/kurt bauer, halleiner schwestern franziskanerinnen, helix austria, infopoint offener himmel, internationales zentrum für soziale und ethische fragen, islamische seelsorge, katholische aktion, literaturhaus salzburg, maltester hospitaldienst, ökumenischer arbeitskreis, österreichische buddhistische religionsgemeinschaft, österreichische hochschülerinnenschaft, robert jungk-bibliothek, stift st. peter, studio west, verein phurdo, verein synbiose, verein viele, vinzenzgemeinschaft salzburg, zentrum für ethik und armutsforschung.

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foto: kaser/abz

100xNIEWIEDER für marko m. feingold

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im rahmen einer feierstunde wurden am dienstag, 28.1.2014 im literaturhaus salzburg 100 statements zum thema nie wieder für marko m. feingold gelesen und dann in form eines grossen bildbandes an den präsidenten der israelitischen kultusgemeinde überreicht.

für diesen abschluss der aktion 100xniewieder hat cristina colombo für jedes statement ein fotoicon gestaltet. alle 100 fotoicons zusammen ergeben dann das abschlussbild der aktion, welches im literaturhaus erstmals präsentiert wird.

wir durften marko feingold ein buch überreichen, das es nur einmal gibt, weil es in der auflage 1 von uns produziert wurde. für alle, die an dieser aktion beteiligt waren und alle anderen, die die statements nachlesen wollen, gibt es hier das buch zum download in der pdf version: 100xNIEWIEDER für marko m. feingold

100xniewieder war eine aktion, die bereits am 28. mai 2013, dem 100. geburtstag von marko m. feingold, begonnen hat. mehr als 100 menschen haben auf einladung von cristina colombo & bernhard jenny ihren persönlichen zugang zum nie wieder formuliert. die erste phase des projekts dauerte 100 tage, jeden tag wurde eine aussage veröffentlicht -> hier die original blogseite der aktion

die zweite phase fand nun mit der performativen lesung 100xniewieder ihren abschluss im literaturhaus salzburg.

100xniewieder will ein deutliches zeichen setzen, dass die überlebensgeschichte von marko m. feingold und seine unbändige energie, mit der er sich von der ersten nachkriegsstunde an bis heute für das nie wieder einsetzt, vielen menschen ein auftrag ist, dem sie sich verpflichtet fühlen. im rahmen der aktion wurden durch 100 tage hindurch täglich ein statement veröffentlicht, über twitter, facebook, google+ und linkedin verbreitet, wodurch 100 kleine wellen der aufmerksamkeit in den sozialen medien ausgelöst wurden.

wir danken allen, die zum gelingen des abends beigetragen haben,

  • allen, die ein statement beigesteuert haben aber auch allen, die uns unterstützt haben,
  • unseren freundInnen (ihr wisst schon, wer da gemeint ist), die uns bei der gestaltung beraten haben,
  • simon schlingplässer, der mit studentInnen der schauspielschule mozarteum über das projekt gesprochen hat
  • agnes kammerer, zeynep bozbay, tim-fabian hoffmann und alexander tröger, die ALLEN 100 statements ihre lebendigen stimmen geliehen haben,
  • martin baumgartner, der mit seinem kontrabass die atmosphäre einfühlsam verdichtet hat,
  • tomas friedmann und seinem team im literaturhaus mit brigitte promberger (ihr seid wunderbar gastfreundlich!)
  • und nicht zuletzt den lieben menschen in der bar, die uns bis spät freundlich versorgt haben und vorher viel vorbereitet haben.
  • foto: 100xniewieder – 10×10 fotoicons – cristina colombo

    bericht der salzburger nachrichten 29.1.2014

    karin portenkirchner (sn) über unsere aktion

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