österreich könnte ein musterland werden

2015 02 01 Neusiedler See - 10

 

österreich hat allen grund auf so manche best practice modelle hinweisen zu können. so haben wir zb. das sauberste atomkraftwerk der welt, in dem kein einziger atomarer brennstab aktiv wurde und daher ist zwentendorf wohl das verträglichste modell für die nutzung von nuklearer energie weltweit.

seit wenigen tagen haben wir die friedlichste waffenfabrik der welt, in der keine einzige waffe erzeugt wurde. durch den konkurs nach nur einem monat ist FMF tactical in bistrica v rožu in koroška (feistritz im rosental | kärnten) das wohl zufriedenstellenste modell von waffenproduktion weltweit.

ein atomkraftwerk, das niemals atomenergie erzeugt.
eine waffenfabrik, die niemals waffen produziert.

super.

mein wunschzettel für weitere best practice modelle:

eine börse, auf der niemals spekuliert wird.
eine fremdenbehörde, die niemanden abschiebt.
eine grenze, die niemandem den zutritt verwehrt.
eine innenministerin, die nicht mehr in ihrer arbeit erscheint.
die liste lässt sich endlos fortsetzen.

österreich könnte ein musterland werden

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foto: mark strobl cc licence by

eine weitere nacht der hoffnung

foto: bernhard jenny cc licence by nc sa

manche würden es unvernunft nennen. da liegen menschen – manche mit ihren kleinen kindern – auf offener brücke und strasse. helfer_innen versuchen ihnen gemeinsam mit übersetzer_innen klar zu machen, dass heute nacht noch regen kommt und es kalt wird. und dass 2,5 km weiter hinten eine grosse halle mit hunderten betten leer steht. sie könnten dort in ruhe schlafen.

unverständnis auf beiden seiten. ich muss mich an einen satz erinnern, den mir ein junger syrer auf dem hauptbahnhof in salzburg gesagt hat: „für uns gibt es keinen meter zurück, wir gehen nur nach vorn, weiter und weiter und weiter.“ das scheint das gesetz der flucht zu sein, das ist die kraft, mit der menschen, gross und klein, alt und jung und auch gerade erst geboren, sich auf den weg machen, ein marsch der hoffnung, ein gang in das gelobte land.

foto: bernhard jenny cc licence by nc sa

wer will es den menschen, die durch alle nur erdenklichen und für uns nicht vorstellbare höllen gegangen sind, verdenken, dass sie zwanzig meter vor ihrem ziel nicht einfach umkehren. was kann für solche menschen schon regen oder kälte bedeuten. sicher nicht grund genug „umzukehren“ – auch wenn das uns nicht real erscheinen mag.

vielleicht werden manche dann doch in die halle gehen, wo die caritas auf sie wartet. einstweilen aber bleiben sie rund um die brücke nach deutschland und versuchen zu schlafen, zumindest sich auszuruhen und kraft zu schöpfen. dort spielende kinder, da ein baby, das schreit, insgesamt fast friedvolle szenen.

foto: bernhard jenny cc licence by nc sa

hier an der brücke sind es keine grossen organisationen, sondern privatpersonen, die sich über facebook organisieren und dienstzeiten einteilen: das von den helfer_innen selbst gekochte warme essen wird verteilt, getränke ausgegeben, decken, matrazen und polster weitergereicht und immer wieder übersetzungsarbeit geleistet.

mitten drin erschöpfte polizisten. es ist ihnen anzusehen, dass sie kaum mehr können. „seit fünf uhr in der früh“ antwortet einer, als ich sie frage, wie lange sie schon hier im dienst sind. jetzt ist es 23:30!

„muss man ja machen, wir sind einfach zu wenig, aber wenigstens ein bisserl ordnung hier reinbringen, das muss sein“ sagt ein anderer. mit ordnung meinen sie zb. die familien mit kleinen kindern, sofern sie wollen, in das ehemalige zollgebäude hier direkt an der brücke zu bringen, solche, die schon seit gestern 8 uhr früh auf der brücke stehen, vorne zu lassen, damit sie auch als erste drankommen, wenn „wieder was geht“ und nachschau zu halten, ob jemand akut was braucht. ein krankenwagen steht bereit.

wann ablöse kommt, wissen die polizisten nicht, wie schnell die deutschen wieder welche „rüber“ lassen, auch nicht. da kommt einer der organisatoren der ehrenamtlichen helfer_innen vorbei, einer der polizisten betont mit blick auf den helfer: „ohne ihn und all die anderen, ohne die vielen, die uns übersetzen helfen oder sonst wie helfen, ginge es sowieso nie, da wären wir völlig aufgeschmissen.“

ich lasse erkennen, dass ich oft auch kritisch über die polizei berichte, aber dass ich in dieser situation ihnen einfach nur danken muss für ihr engagement, und dass ich ihnen wünsche, dass sie bald abgelöst werden. „es gibt überall solche und solche,“ meint einer der beamten, „nichts ist einfach nur schwarzweiss.“

möge die nacht zumindest kein brutaler platzregen loslegen, möge es nicht zu kalt werden.

eine weitere nacht der hoffnung

foto: bernhard jenny cc licence by nc sa

fotos: bernhard jenny cc licence by nc sa

aktuell: schüsse an grenze bei freilassing?

foto bernhard jenny cc by sa

rtl berichtet von schüssen an der grenze zwischen salzburg und freilassing. die polizei wiederum twittert, dass es keine schüsse gab oder gibt.

ferdinand farthofer von aktivnews konnte folgendes berichten:

gestern abend ist ein pkw mit einem schleuser und mehreren flüchtlingen in die kontrollzone gefahren, die türen wurden abrupt aufgerissen und alle insassen sind davongelaufen.

die polizei soll „einen oder zwei“ warnschüsse abgegeben haben, es „ging ausschliesslich um den schlepper“, alle beteiligten haben sich durch die schüsse zum stehen bleiben entschlossen. der schlepper wurde verhaftet, die flüchtlinge wurden registriert und wie viele andere auch in die unterkünfte gebracht.

grundsätzlich ist die stimmung – wie soeben verifiziert – an der grenze eher entspannt, die polizei nimmt flüchtlinge, wenn sie um asyl bitten, in die registrierung und dann werden sie in unterkünfte gebracht.

ob schusswaffengebrauch gerade im zusammenhang mit schwer traumatisierten menschen angebracht ist, das ist hier wohl die grosse frage. es bleibt hoffentlich ein einzelfall, der sich nicht mehr wiederholt. lasst die waffen stecken!

fluchthilfe ist ehrensache.

mauergedenken.

foto: sam chills cc licence by

ja es ist wichtig. das gedenken. der fall der mauer vor 25 jahren ist ein meilenstein der geschichte. nicht nur der konkreten mauer wegen, sondern auch wegen der vielen mauern in unseren hirnen, die unser weltbild bis dorthin unmissverständlich teilten. der mauerfall war ein vielfältiger, ein längst überfälliger, ein muss. der konkrete, wie der in unserem denken.

25 jahre danach vergessen wir leicht, wie sensationell das damals wirklich war.

und ja, ein besuch in berlin lässt schnell spüren, wie sehr die geschichte noch lange nicht vorbei ist. weder jene der weltkriegs, noch jene der ost/west-trennung. berlin mitte ist ein geografischer ort, aber die wirkliche mitte hat diese stadt noch lange nicht gefunden. dazu war immer noch zu wenig zeit.

mauergedenken.

viel wurde gesagt, viel wird gesagt werden. für die einen bedeutet der mauerfall ganz was anderes, als für die anderen, die inneren mauern werden sogar dort wie da wieder aufgebaut. niemand kann sicher sein, dass das „konzept mauer“ grundsätzlich vorbei ist. im gegenteil.

wir müssten lernen. lernen wie absurd JEDE mauer ist. wie absurd grenzen des sortierens von menschen sind. wir brauchen weder der mauer noch deren falls gedenken, wenn wir nicht den einzig möglichen schluss ziehen: das auseinander dividieren von menschen ist IMMER absurd.

wenn wir bedauern, wievielen menschen durch solche mauern das leben zerstört oder gar konkret genommen wurde, dann müssen wir lernen, dass KEINE mauer eine lösung sein kann.

dann müssten wir sehen, dass europa einen grenzwall um sich gebaut hat, der bereits für zig tausende menschen den „tod durch mauer“ bedeutet – egal ob sie dabei ertrunken, abgestürzt oder von willfährigen paramilitärs ermordet wurden.

wir leben also innerhalb von todbringenden mauern und sehen zu, wie die verzweiflung menschen zu uns und/oder in den tod treibt.

mauergedenken.

wie kann diese mauer zu fall gebracht werden?
wie wird dann das gedenken fünfundzwanzig jahre nach dem fall der europamauer aussehen?
werden frontex-archive für zeitgeschichtliche dokumentationen bewahrt bleiben, damit das verbrechen wenigstens nachvollziehbar bleibt?
oder werden die daten gelöscht sein. für immer und ewig?

mauergedenken.

machen wir uns nichts vor.
wenn wir den fall der einen mauer feiern,
und uns dabei gleichzeitig aber selbst hinter mauern verstecken,
haben wir es nicht verstanden.

dann ist es nur mehr absurd.
das
mauergedenken.

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foto: sam chills cc licence by

begegnung mit der fremden kultur: heimat

dieRAUM 20110922

wiedereinmal so ein zwischenraum. dieRAUM, galerie mitten im historischen kern von laufen, dort wo es fast in jeder richtung eine grenze gibt. zwischenraum. normalerweise rückzugsgebiet für die etwas andere kultur. weder mainstream noch trend. schon gar nicht traditionelles.

wo unerwartetes, experimentelles zur verlässlichkeit wird, musste nun offensichtlich ein bruch her. zu gewöhnlich wäre es gewesen, wenn in diesem zwischenraum wieder einmal „gewohnt ungewöhnliches“ zu sehen gewesen wäre.

dieRAUM 20110922

dennoch verblüffend die direktheit: „heimat“ war das thema des abends, auftakt für eine ganze schwerpunktreihe der dieRAUM. „heimat“ – dazu waren menschen in laufen von der dieRAUM betreiberin und künstlerin vakinore befragt worden, die antworten erklingen auf offener gasse. menschen sammeln sich. und irgendwo muss noch eine andere veranstaltung sein, denn die stadtkapelle laufen versammelt sich ebenso. oder?

nein. die versammeln sich wegen genau dieser veranstaltung im zwischenraum. sie nähern sich dem geschehen. ganz in ihrer tracht. ganz so wie halt eine musik aufmarschiert. also doch ein heimatabend?

dann die einladung in den hinterhof. immer noch mögen manche auf das verlässlich unerwartete, an das gewohnt experimentelle warten. aber nein. die stadtmusik bezieht stellung, erklingt volltönig und schnell wird spürbar, (darf das in solchen galerien gedacht werden?) dass diese töne ganz einfach hier in diesen gassen und mauern, in dieser stadt zuhause sind. also – wir befinden uns in der heimat dieser töne. dem wie immer innerlich stark distanzierten beobachter fällt auf, dass es unerwartet stimmig wird. das bild. der abend. heimat also. irgendwie vertraut und dann doch wieder lieber nicht genau nachdenken? jedenfalls ist die art und weise, wie die musikerInnen hier aufspielen, sehr gewinnend.

dass der durch den abend führende h.rogra sich dann auch noch die deutsche hymne wünscht, steigert die spannung zwischen erwartetem experiment und unerwartet ortsbezogenem ins maximale. in welche veranstaltung bin ich geraten?

zur fortführung des abends dann eine vielgründige wanderung durch ein nur allzu wahres märchen über die ichbezogenheit vom märchenerzähler chris ploier, dem die circumstanzien des abends nichts anhaben können. darauf vakinores einladung in dieRAUM zu gehen, dort sollte mehr über „heimat“ zu hören und zu lesen sein. freibier für die musik auf der gasse, im dieRAUM wird es dicht, texte – alle über „heimat“ – an der wand, setzen sich aus, geben sich her. viele menschen haben für dieRAUM ihre gedanken zu „heimat“ formuliert. einige der anwesenden autorInnen lesen ihre heimat-gedanken vor, dieRAUM füllt sich mit bildern, mit erinnerungen, mit erlebtem und mit bezogenheiten. das zusammenspiel der texte wird zu neuem. im moment des austauschens, des lesens und hörens. gelegentlich werden die draussen bereits gelassen plaudernden auf das geschehen innen aufmerksam (gemacht). aber manche wollen trotz freibier nicht auf die texte verzichten.

gespräche und gedanken nach den gelesenen texten nehmen ihren lauf. plötzlich scheinen alle zu wissen, dass jedeR von den anwesenden von ganz wo anders herkommt. jede einzelne provenienz als solche annehmen, die vielen heimaten erkennen, das scheint irgendwie zu verbinden. menschen, die sich sonst kaum begegnet wären, finden einen gemeinsamen moment.

und der bleibt nicht ohne folgen. die stadtmusik erklärt sich bereit, die gesamte veranstaltungsreihe „heimat“ weiterhin unentgeltlich zu bespielen. verbindungen entstehen. stadtmusik und zwischenraum. langverwurzelte und niemals wirklich beheimatete. immer schon da gewesene und wandernde. alle sind sie sich irgendwie einig, dass grenzen überbrückt gehören. schliesslich sind wir in laufen.

wo unerwartetes wie gewohnt erwartet wurde hat das vermeintlich gewohnt tönende überraschend neue zwischentöne erkennen lassen. heimat?

interkulturalität kann also überall stattfinden.

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http://www.vakinore.at/

und ein bericht in der dorfzeitung.

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