menschenleben ist menschenleben, terror ist terror, kriegsverbrechen ist kriegsverbrechen

es gibt momente, in denen worte kaum ausreichen, um das leid zu beschreiben, das menschen einander zufügen. die bilder und berichte aus dem gazastreifen sind so ein moment: babys, die zu schwach sind, um zu schreien. eltern, die gras kochen oder schildkröten aus kloaken fischen, um ihre kinder zu ernähren. familien, die von einem teller reis pro tag leben, während nur wenige kilometer entfernt lebensmittel im überfluss weggeworfen werden. „das ist keine krise mehr – das ist der kollaps“, wie die oxfam-mitarbeiterin bushra khalidi sagt. (der standard 17.5.2025)

doch das entscheidende ist: es sind nicht „die palästinenser:innen“, „die israel:innen“ oder „die jüd:innen“, die hier leiden oder sterben. es sind menschen. es sind kinder, mütter, väter, großeltern, menschen mit namen, mit träumen, mit hoffnungen. und jedes einzelne dieser leben ist gleich viel wert. es darf niemals sein, dass das leben eines kindes mehr oder weniger zählt, weil es palästinensische oder jüdische eltern hat oder dass zivilbevölkerung zum sterben verurteilt wird, weil es terrorist:innen oder befehlshaber:innen von armeen so passt.

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unerhört präsent: barenboim und schubert

im ersten teil des schubertzyklus präsentierte gestern daniel barenboim im grossen festspielhaus im rahmen der salzburger festspiele die klaviersonaten g-dur (d 894) und c-moll (d-958).

solokonzert barenboim foto: © wolfgang lienbacher

einfach überwältigend, wie barenboim die motive, jeden einzelnen aspekt, jede stimmungsfarbe derart herausarbeitet, dass bei geschlossenen augen der eindruck entstehen könnte, gleich mehrere barenboims spielen da gleichzeitig. der humorvolle, der verschmitzte, der tiefsinnig-ernste, der fröhlich-tanzende und viele mehr.

faszinierend, wie barenboim selbst einem sonst eher selten schubert hörenden eröffnet, warum jeder einzelne ton genau da hingehört, jede phrase exakt weiss, welchen bezug sie nicht nur zu einem vorher und einem nachher herstellt, sondern auch zu diesem ort, in diesem raum. exaktheit und genauigkeit gehen übergangslos mit gelassenheit und offenheit einher. barenboim interpretiert nicht, sondern durchlebt, seziert nicht, sondern findet präzision.

dabei wird sein spiel zum statement. barenboim lässt uns den schubertschen kosmos erfahren, mit einer bereits nach wenigen takten spürbaren heutigkeit, weil er gemeinsam mit schubert im jetzt angekommen ist. hier wird kein schubert für das musikgeschichtliche museum vorgestellt, hier wird schubert eingeladen, sich uns mitzuteilen.

besonders die leisen stellen werden zu ungeahnt intensiven spannungsräumen, denen aber leider das publikum nur selten gewachsen ist. da, wo eigentlich die berühmte stecknadel eben nicht fallen sollte, weil sie viel zu laut für den moment wäre, muss immer irgendwer tuscheln, hüsteln oder eine handtasche öffnen und schliessen. es scheint, als wären wir in zeiten von media on demand den echtzeit-live-ereignissen nicht mehr gewachsen. oder haben wir angst vor der intensität?

voll und ganz jener persönlichen haltung barenboims entsprechend, die selbst weniger intensive verfolger von klassischen konzerten von ihm kennen, bezieht er unmissverständlich position, macht schubert zu seinem zeugen dafür, dass nur eine welt ohne ausgrenzung und ohne feindbilder unser ziel sein kann.

barenboim und schubert stellten das klar.

ps. zelebrierte gigantomanie und museale regression hätten mich heuer im unterschied zu früheren jahren wohl ganz von den festspielen ferngehalten. die einladung lieber freunde hat das auffinden dieses musikalischen juwels ermöglicht. danke.

pps. garderoben sollten grundsätzlich erst 30 minuten nach konzertende wieder geöffnet werden. das schnell schnell vor den anderen noch rechtzeitig aus dem saal stürmen ist respektlos alljenen gegenüber, die bei solchen gelegenheiten ihr bestes geben.

foto: © wolfgang lienbacher

getötete menschen sind immer niederlage für die menschheit

wenn es noch eines vorfalls bedurft hätte, um aller welt vorzuführen, wieviel ausweglosigkeit das töten bedeutet und weitere ausweglosigkeit erzeugt, mit dem heutigen angriff der israelischen elitetruppen auf einen schiffskonvoi mit ziel gaza-streifen ist es schreckliche gewissheit, dass töten niemals weiterbringt.

an solchen tagen wie heute muss ich an daniel barenboim denken und seine aussage (die ich nur sinngemäss wiedergeben kann), dass es bereits sicher ist, dass die völker im raume israel / palästina friedlich zusammen leben werden (müssen), die frage ist nur, wie lange sie noch brauchen, zu erkennen, dass dies der einzige weg für alle beteiligten ist.

an solchen tagen wie heute fühlen wir uns unendlich zurückgeworfen. als würden wir es wohl nicht mehr erleben können, dass die vision barenboims wirklichkeit wird.

wir müssen die details des heutigen überfalls schiesswütiger milizen gar nicht wissen um zu erkennen, dass dies niemals eine lösung sein kann. es ist im gegenteil das unendliche schüren von hass und verzweiflung. seit meinen begegnungen mit menschen, die den krieg in bosnien erlebt haben, habe ich es mir abgewöhnt, als aussenstehender naive friedenswünsche zu formulieren.

dennoch muss uns aber im sinne von daniel barenboim klar sein, dass es eigentlich keine option gibt. nur eine welt ohne ausgrenzung und ohne morden ist eine lebenswerte. nur eine welt, in der wir alle mit gleichen rechten zusammenleben ist menschengerecht.

es ist nur eine frage der zeit, bis wir es endlich erkennen. in 77 generationen, in 7 oder morgen.