werden wir uns leben

stacheldraht foto bernhard jenny

es gibt nichts zu feiern
an einem tag
wie heute

es gibt viel zu bedauern
an einem tag
wie heute

welt?
flüchtling?

wir selbst sind es
die wir uns verjagen
wir selbst sind es
die wir uns in todesgefahr bringen
wir selbst sind es
die wir uns einer heimat berauben

wir müssen uns
vor uns in sicherheit bringen
und laufen vor uns davon

wir flüchten uns
in ferne länder
und hoffen

aber

wir selbst sind es
die wir uns dann wieder verjagen
wir selbst sind es
die wir uns wieder in todesgefahr bringen
wir selbst sind es
die wir uns wieder einer heimat berauben

erst wenn wir uns leben lassen
wo wir wollen
erst wenn wir uns annehmen
wie wir sind

werden wir uns leben

frau landeshauptfrau burgstaller, bürgen sie für die rückkehr aminas?

notausgang - foto: bernhard jenny

muss der sadismus von bürokratiegeilen paragraphenreiterInnen auf kosten von psychischen, physischen und finanziellen belastungen befriedigt werden?

medienberichte der letzten tage über amina und ihre mutter (der standard 12.6.2012, orf salzburg 18.6.2012) bestätigen, dass nun doch jenes bürokratische spielchen – eine ausreise nach moskau, um dort einen einreiseantrag zu stellen – unvermeidbar scheint, das nicht nur viel geld kostet, sondern auch ein echtes risiko für amina und ihre mutter bedeutet.

fällt denn den verantwortlichen wirklich keine andere lösung ein? anscheinend geht es einfach nur darum, dass jener antrag auf einreise als studierende bzw. schülerin nur aus dem ausland gestellt werden kann. damit dem entsprochen wird, werden die beiden frauen kurz mal verschickt, es braucht eine riesenlogistik um die frauen zu schützen und ihre rückkehr zu sichern. peinlich.

es geht nicht um ungesetzlichkeiten oder 8 augen zudrücken. es geht um die verhältnismässigkeit. um der äusseren form zu genügen werden fast mittellosen menschen kosten zugemutet, die erst nur aus spenden aufgebracht werden können. und die reise selbst bedeutet für die beiden unglaublichen stress. muss das sein?

das wichtigste: amina und ihre mutter brauchen die glasklare garantie, dass ihre anträge nicht nur umgehend, sondern auch mit sicherheit positiv erledigt werden. ohne einer solchen garantie wäre die ausreise ein unzumutbares risiko.

daher hier direkte fragen an landeshauptfrau gabi burgstaller:

bürgen sie persönlich für die sichere und umgehende rückkehr aminas und ihrer mutter nach salzburg?

wenn nein: dann dürfen die beiden keinesfalls das land verlassen!
wenn ja: warum dann diesen umweg? wäre eine einfache lösung etwa viel zu menschlich?

sie könnten das besser.

ps. der morgige tag der flüchtenden menschen wäre ein angemessener zeitpunkt, eine definitive lösung zu verkünden.

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amina samt mutter freikaufen?

keiner kommt rein - foto: bernhard jenny

nun ist er also da: der spendenaufruf für amina und ihre mutter. und ja. ich sehe das auch so problematisch wie viele, die sich mit dem bleiberecht auseinandersetzen.

schliesslich ist es eine ziemlich eigenartige vorgangsweise von landeshauptfrau burgstaller und co den aufenthalt vorerst einmal nur „bis zum Ende dieses Schuljahres“ zu gewähren. meine vorbehalte habe ich bereits unmittelbar bei bekanntwerden ihrer stellungnahme bekannt gegeben. (siehe blog vom 16.5.2012)

und dann die beiden um asyl ansuchenden – amina und ihre mutter – „umzuwidmen“, also sie nun den asylantrag zurückzunehmen und sie für ihre ausbildung als schülerin (amina) und studentin (die mutter) im land zu lassen, ist eine „kurve“ die ziemlich genau nur einen zweck hat: den öffentlichen druck aus der angelegenheit zu nehmen und nur ja keinen präzedenzfall für andere asylwerberInnen daraus werden zu lassen.

es bleiben viele fragen offen:

  • wie lange soll das sortieren von menschen mit und ohne lebensfreiheit noch weitergehen?
  • wie lange soll die lust der xenophoben und rassistInnen noch weiter auf kosten von menschenleben und lebenschancen befriedigt werden?
  • wie lange sehen wir bei dem unerträglichen eiertanz der politisch verantwortlichen zu, den sie aufführen, wenn es darum geht, die immer noch braunen hirnis als wählerInnen zu umturteln?
  • es ist ein skandal, dass wir nun für amina und mutter freikaufsprämien sammeln müssen.

    andererseits:
    alljene, die sich gegen eine solche „lösung“ des akuten falles von amina und ihrer mutter auflehnen, müssen erst einmal einen besseren, praktikableren bzw. sichereren lösungsweg auf den tisch legen. ganz praktisch. keine „man sollte eigentlich“-lösung, sondern eine „so geht es“-vorgangsweise.

    solange es eine solche nicht gibt, bleibt wirklich nichts anderes, als die praktische solidarität über das schnöde geld zu üben.

    12000 euro müssten als sicherstellung aufgebracht werden, um einen antrag für amina und ihre mutter überhaupt stellen zu können. klingt viel, wären aber angesichts 4000 unterzeichnerInnen der onlinepetition gerademal 3 € pro person. wir sollten aber mehr geben, da sicher nicht alle spenden werden.

    jeder euro für amina und mutter ist gut investiert. jeder euro soll die politisch verantwortlichen beschämen, dass es überhaupt so weit kommen muss. es gibt viele aminas, wo der hier eingeschlagene weg nicht möglich ist.

    was die engagierten schülerInnen und lehrerInnen der HASCH/HAK hallein nun im rahmen der „politischen bildung in der praxis“ lernen, spricht für sich: um nur ja nicht wirklich den dingen auf den grund gehen zu müssen, um nur ja den spagat zwischen feiertagsreden und fremdenfeindlichkeit irgendwie hinzukriegen, wird getrickst. dass damit die fundamente unserer demokratie erschüttert werden, dürften die handelnden nicht einmal merken. zu sehr ist der horizont durch das schielen auf umfragezahlen und popularitätskurven aus dem blickfeld geraten. nur: politik ist keine castingshow. es sollte nicht um unterhaltung, sondern um verantwortung gehen.

    der skandal wird daher durch die freikauflösung für amina nicht kleiner.
    sondern grösser.

    und hier der spendenaufruf des personenkomitees im original:

    Spendenaufruf Amina soll bleiben!

    Womöglich haben Sie bereits aus den Medien erfahren, dass Landeshauptfrau Gabi Burgstaller zugesagt hat, Amina und ihrer Mutter zumindest bis zum Ende dieses Schuljahres, also Juli 2012 Aufenthalt zu gewähren.

    Um Amina und ihrer Mutter den Aufenthalt darüber hinaus in Österreich zu sichern, wird ein Antrag gestellt, damit sie zu Ausbildungszwecken als Schülerin bzw. Studentin in Österreich bleiben dürfen. Dadurch entfällt jegliche öffentliche Unterstützung.

    Wir müssen uns nun bemühen, so schnell wie möglich jemanden zu finden, der die Patenschaft übernimmt und auch die finanziellen Voraussetzungen schaffen. Die gesetzlichen Anforderungen sind hoch, da sowohl die Wohnung als auch der Unterhalt aus privaten Mitteln finanziert werden müssen. Allein für den Unterhalt sind monatlich fast €1.000,– aufzubringen. Für die Antragstellung ist eine Sicherheit in der Höhe von €12.000,– zu hinterlegen.

    Da es Aminas Mutter bisher aufgrund des Asylantrags nicht möglich war in Österreich zu arbeiten, ist es verständlich, dass sie diese Summe unmöglich alleine aufbringen kann.

    Wir bitten Sie daher, zur Schaffung der finanziellen Voraussetzungen einen Beitrag zu leisten.
    Zu diesem Zweck wurde das unten angeführte Spendenkonto eingerichtet.

    Wir ersuchen Sie um Ihre Mithilfe!!!

    Volksbank Salzburg
    Empfänger: AMINA SOLL BLEIBEN
    BLZ 45010 Kto: 020 139 747
    IBAN: AT434501000020139747 BIC: VBOEATWWSAL

    Mit bestem Dank und freundlichen Grüßen
    Das Personenkommitee „Amina soll bleiben“

    hier der überblick über alle blogeinträge in zusammenhang mit amina

    abschiebewahn geht weiter

    soeben erreicht mich eine nachricht von ursula omoregie, einer engagierten bleiberechtsaktivistin: für einen menschen aus nigeria, der seit 2004 in österreich lebt, soll es nun ganz schnell gehen: uche hat am dienstag noch sein zeugnis für den bestandenen deutschkurs bei der wiener magistratsabteilung 35 abgegeben. es fehlt jetzt nur noch die endgültige entscheidung über seinen asylantrag. aber manche wollen diese nicht abwarten!

    uche wurde am nachmittag in schubhaft genommen und es wurde ihm mitgeteilt, dass er am donnerstag nach nigeria abgeschoben wird.

    es ist also alles umsonst. uche lernte die deutsche sprache, machte auch den führerschein, hat probeweise bei einem mechaniker gearbeitet, der ihn sofort einstellen will, sobald er seinen legalen aufenthaltstitel erhalten sollte.

    auch privat lebt er in einer aufrechten beziehung und hat einen grossen freundeskreis! – ich höre schon die berechtigten einwände: es sollte eigentlich egal sein, ob jemand freundInnen hat oder nicht, jedeR hat ein bleiberecht, kein mensch soll abgeschoben werden.

    aber wenn jemand von einer sekunde zur anderen aus seinem gewohnten und geordnetem leben gerissen wird, dann wird der wahnsinn noch sichtbarer!

    uche hat alles getan, was von ihm verlangt wurde und wird auch weiterhin alles tun, weil er hier sein zweites zuhause gefunden hat.

    aber täterInnen an schreibtischen und in behörden wollen das leben nicht akzeptieren.
    sie wollen es zerstören!

    übrigens zum bild: manche erinnern sich vielleicht noch an vincent, der als ein „sans papiers“ im mai 2010 abgeschoben wurde. so sieht die welt aus, in die er zwangsweise verbracht wurde. das ist vincent heute in seinem überlebenskampf.

    je härter umso geiler

    foto original: mario spann, überarbeitet bernhard jenny - creative commons

    es gibt solche täter. die finden brutalität geil. die scheint es erst richtig zu erregen, wenn der widerstand gross ist. je mehr tränen, je mehr leid, umso steifer, umso spritziger. und schwach muss das opfer sein. winseln. flehen. ohnmächtig um sich schlagen, aber die fesseln halten die gedemütigten fest. wenn sich die opfer in verzweiflung verletzen, dann spritzt sogar blut. ach wie geil. tränenfeucht und blutverschmiert, so wollen diese täter ihre opfer.

    aber es gibt noch was geileres. nichts kann die täter so geil machen: kinderaugen. rehleinaugen. oder noch schüchterner. schwache augen, die vielleicht schon krieg gesehen haben oder ihn bald sehen werden. oder die noch gar nicht wissen, wie wirkliche armut aussieht. das sind die geilsten momente für die täter, wenn sie ihre macht ausleben können, über diese kleinen seelen. und wenn sie diesen kindern zeigen können, dass sie alles mit ihnen tun können, mit ihnen, ihrer mutter, ihrem vater.

    ganze familien ausreissen und zerreissen.
    das ist geil.

    gesetz?
    ja, das ist so umzusetzen.
    das will das gesetz so.
    das ist ja das geile.

    abschiebung ist echt geil.

    hintergrund: http://kaernten.orf.at/tv/stories/2528985/

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    foto: mario spann (creative commons flickr http://www.flickr.com/photos/sen_meister/)
    bearbeitet von bernhard jenny (creative commons CC BY-SA 2.0)

    freudentränen.

    performance vor dem salzburger gefängnis - foto: bernhard jenny

    habe in diesen tagen einen anruf erhalten. ganz überraschend konnte mir einer jener menschen, die in unserem land seit jahren das asyl beantragt haben, endlich erzählen, dass er nun den positiven bescheid in händen hält. das war lange nicht selbstverständlich, ein jahrelanger spiessrutenlauf durch zahlreiche phasen der angst und verzweiflung, der hoffnung und zuversicht liegt hinter ihm. er hat inzwischen eine partnerin und mit ihr ein kleines kind, das familienglück war bis eben immer von dem damoklesschwert bedroht, der vater könnte abgeschoben werden.

    harry (nennen wir ihn hier mal so) war allerdings immer von bemerkenswerter zuversicht. er hatte sein gewinnendes lächeln niemals verloren, selbst in den schlimmen phasen nicht. von irgendwoher, er würde sagen von gott her, nahm er die kraft, selbst skeptische fragen oder schwierige situationen mit natürlichkeit und gelassenheit durchzustehen.

    die drei dürfen sich jetzt freuen, die bedrohung ist nun weg. jetzt haben sie „nur mehr“ das problem, arbeit zu finden und das alltagsleben zu meistern. sie vertrauen weiterhin auf gottes hilfe, das gibt ihnen kraft, ich bewundere ihre zuversicht voller respekt.

    es gab einen moment in diesem telefongespräch, kurz nachdem ich ihm sagte, wie sehr ich mich mit ihm freue und dass ich immer schon der meinung war, dass jeder mensch dort leben soll, wo er selbst entscheidet, da hörte ich harry plötzlich weinen. all die anspannung der letzten jahre schien von ihm abzufallen. zufriedene erschöpfung, wenn es sowas gibt. es trieb mir selbst die tränen in die augen.

    freudentränen. einerseits. und tränen der wut andererseits. wieviele menschen dürfen immer noch nicht diesen moment erleben, nur weil manche meinen das recht zu haben, das leben anderer einengen zu dürfen? wievielen menschen wird das traurige schauspiel der reichen welt zugemutet?

    das leben als offensichtlicheR ausländerIn ist unseren landen schwer genug.
    schluss mit erniedrigenden verfahren und dem aussortieren von „richtigen“ und „falschen“ menschen.
    heissen wir sie doch endlich willkommen.