kunst im öffentlichen raum verzichtbar?

unlängst hat mich das magazin „salzburg inside“ um meine meinung zum thema „kunst im öffentlichen raum“ gefragt. damals war meine stellungnahme:

was war das für eine aufregung im mai 2006: alle diskussionen über sinn und berechtigung von kunst im öffentlichen raum – ja sogar moderner kunst überhaupt – schien sich an der frage zu entscheiden, ob ein hubschrauber kopfüber auf dem residenzplatz liegen darf. nach entsprechendem medienecho war dann der hubschrauber der kontracom doch so etwas wie eine kleine sensation im heiligen öffentlichen raum der salzburger innenstadt.

bei kunst im öffentlichen raum wird deutlich, dass kunst für uns leider viel zu oft ein fremdkörper, eine an – womöglich noch von ferne herbeigeholte – künstlerInnen delegierte übung der interaktion ist. spannender wäre für
mich kunst, die unverzichtbarer teil unseres alltags wird, die mitten aus unser aller treiben und tun entspringt. so
würde kunst zu unserer eigenen sprache, mit der wir uns mitteilen und die kreativität wachsen lassen.

aus aktuellem anlass – der geplanten aktion der „salzburg foundation“ einen überdimensionalen taktstock auf dem ursulinenplatz zu errichten – gebe ich zusätzlich zu bedenken:

ob es wirklich vertretbar ist, in zeiten der krise – die von manchen ganz grossen mit supergewinnen auf dem rücken der „kleinen“ ausgetragen wird, die sich allerorts kürzungen und streichungen gefallen lassen müssen – mit kunstprojekten signale zu setzen, die sich nun einmal nur das grosskapital leisten kann, bleibt in der verantwortung der betreiberInnen des projektes. auch wenn keine öffentliche förderung dafür in anspruch genommen wird, frage ich mich, ob das protzen mit einer teuren errektion in einer ganz speziellen art schamlos ist.

kunst im öffentlichen raum ist niemals verzichtbar.
elitäre einmischung von aussen immer.

kulturloser umgang mit kultur

waldklang
aus dem stand hat ein junges team im jahr 2008 unter dem titel waldklang ein neues winterfestival im waldbad anif mit grossem erfolg organisiert: 11.000 besucherInnen und über 60 künstlerInnen aus verschiedensten genres.

es war ein wohltuend frisches signal in einer jahreszeit, die sonst nur allzu laut von konsumgeiler kaufhausmusik und gieriger kauflust geprägt ist.

nun hat ein einzelner beamter der landesumweltanwaltschaft dieses engagierte projekt einfach abgewürgt. seine stellungnahme war der grund dafür, dass sich die veranstalter nicht mehr in der lage sahen, rechtzeitig und verantwortlich das festival zu planen und zu realisieren. gesprächsangebote wurden ausgeschlagen.

einem einzelnen ist hier ein fehler unterlaufen oder er hat von hier aus nicht nachvollziehbare gründe für seinen einspruch gehabt.

dass solch ein vorgehen aber ein neues, junges projekt einfach zum scheitern bringt und damit all die vorarbeiten und mühen zahlreicher menschen zynisch frustriert, dem kann nicht einfach so zugesehen werden.

hier müssen wohl viele verantwortliche in politik und ämtern sich den vorwurf gefallen lassen, dass sie ohne sinn für junge kultur entweder weggesehen oder bewusst geschwiegen haben.

ein vorgang, der eine von zahlreichen besucherInnen freudig aufgenommene kulturinitiative so kläglich zum scheitern bringt, kann nur als kulturlos bezeichnet werden.

die homepage des projekts:
http://waldklang.at/

wirksamer eingriff

gestern und heute fand im rahmen der sommerszene09 ein spannender eingriff statt. ein eingriff mitten in das leben der stadt, mitten auf dem müllnersteg. „dancing on a bridge“ – eine performance von simone sandroni & sead dancers – sollte nach eigendefinition des choreografen und regisseurs durchaus irritieren:

a group of dancers are many unique individuals. they become a group only because of actions happening in a space at the same time. the idea is to make them look like a group by coincidence, giving the irritation of a show, which is not prepared or organized previously.

der eingriff ist voll gelungen. es kam zu irritationen verschiedenster art. wie es eben bei eingriffen so ist, wurden prozesse offengelegt, offensichtlich und konfrontativ: anfänglich wurden die tänzerInnen des sead fast unmerklich, unscheinbar mitten unter den fussgängerInnen und radfahrerInnen aktiv. der alltag wäre kaum aus dem trott gekommen, wären da nicht die beidseitig stehenden zuseherInnen und die beiden auf grossen schaukeln sich zurufenden tänzerInnen gewesen.

später dann, als die performance sich in der stegmitte zu sammeln begann und sowohl tänzerInnen als auch zuseherInnen einen schützenden rahmen bilden wollten, war die konfrontation mit der hast und der ungeduld unausweichlich. es war schon „beeindruckend“ zu sehen, wie radfahrerInnen trotz versammelter menge partout nicht absteigen wollen und sich ihren weg mitten durch die performenden tänzerInnen bahnten. stellenweise entstanden sogar aggressionen, rempeleien inklusive, denn manche brückenquerende wollten keinesfalls sich von diesem seltsamen treiben aufhalten lassen, fussgängerInnen wie radfahrerInnen waren immer wieder das verlässliche störelement.

es passierte aber auch sonst noch vieles: da gab es die frau, die irgendwie belustigt vom tänzerischen geschehen plötzlich selbst tanzend die seiten wechselte, da gab es den unverzichtbaren japaner mit sohn, der das geschehen zwar im unaufhaltsamen vorbeigehen, aber doch zur sicherheit schnell fotografisch festhielt – die salzburgsilhouette im hintergrund war der garant für ein in jedem fall gelungenes bild.

trotzdem stimmt das ganze nachdenklich. ich selbst stellte fest, dass ich anfänglich gerne vorbeiziehenden platz machte, wenn sie mit einem „entschuldigung“, „bitte“, „sorry“ oder „xcuse me“ ihr desinteresse kundgaben. irgendwann fragte ich mich, warum diese performance, dies tänzerInnen und die zuschauerInnen weniger recht haben sollten, das „ihre“ durchzuziehen, als jene, die einfach weitergehen wollten. konsequenz war, dass ich auf somanche „sorry“-versuche mich zur seite zu schieben, ebenso mit einem „sorry“ stehenbleiben wollte. doch der strom der alltagstrotterInnen war stärker, liess sich nicht wirklich erfolgreich stoppen.

schon seltsam: 25 minuten versitzen wir locker schon mal in einem stau, aber 25 minuten den ungefähr ebensovielen akteurInnen einzuräumen – das war einfach nicht drin.

insgesamt ein wertvoller eingriff: salzburgs alltag musste – widerspenstig, aber doch – einen eingriff von künstlerInnen zur kenntnis nehmen, die tänzerInnen wiederum werden intensiv erlebt haben, welch andere welt sich „draussen“ ausserhalb der tanzhallen abspielt. dass das ganze zu einem gelungenen ganzen wurde, quasi alle beteiligten und unbeteiligten zu einem performance-prozess wurden, ist wohl dem umstand zu verdanken,  dass die irritation eben bereits teil des konzepts war.

erst waren es ja nur „irgendwelche bewegungen“ zu einer musik, die nur die tänzerInnen in ihren ipods hören konnten, von dem sich salzburg so ganz und gar nicht beeindrucken lassen wollte, als dann die musik in der wiederholung auch für alle anderen hörbar wurde, mussten alle erkennen, dass es mozart war, den salzburg wieder einmal verkannt hatte. dieses lehrstück ist den tänzerInnen gelungen.

dass die sommerszene auf diese weise die offene (performative) auseinandersetzung mit der alltagswelt zu einem festen bestandteil des programms macht, zeigt, dass das team auch nach 40 jahren szene die ansprüche nicht vergessen hat.

link zur sommerszene

es bahnt sich was an!

vergangene woche in der times-garage in salzburg: stahl_ton_bild – eine ausstellung und performance der wandergalerie. http://wandergalerie.twoday.net/

mit dieser zweiten initiative nach streetART im mai setzt das team der wandergalerie (veronika konrad, sonja schiff und rochus gratzfeld) einen weiteren impuls: wieder an einem jener zwischenräume in dieser stadt, in die wir sonst nie gekommen wären (bzw. auch nicht auf die idee, dort eine kulturveranstaltung zu vermuten). und es wird bereits jetzt programm sichtbar: unverbrauchte, frische impulse an neuen (un)orten, unvorhersehbar, unangepasst und daher wohltuend anregend.

ernsthaft, aber nicht überinszeniert, authentisch, aber nicht exhibitionistisch auch die performance von vakinore, die mit ihrer ausdruckskraft und stimmarbeit raumfordernd in diese zwischenräume einer satten kulturstadt hineinzurufen scheint.

das thema stahl_ton_bild in den ausgestellten digiprints und im video vermittelt eindrücke einer foto- und performance-aktion im stahlskulpturenpark riederbach, quasi einer pre-event-performance als gegenstück zum post-event-shooting, welches auf der homepage publiziert wird.

es vermittelt sich daher ein geschehen, das vor und nach der vernissage passiert, die gäste der ausstellung werden kurzfristig zeugen des geschehens, das aber permanent im fluss zu sein scheint.

es wird spannend, welche zwischenräume, bruchlinien und vorhers und nachhers sich noch auf tun, der fluss geht sicher weiter und wir werden wieder eingeladen werden, an der einen oder anderen interessanten stelle das fliessen zu beobachten.

mit „krampus“ wird für dezember bereits die nächste stromschnelle benannt.

ps. die einführenden worte von karl schönswetter waren sehr beeindruckend, weil sehr persönlich. die einblicke in das zurückliegende (er)leben zwischen künstlerischem vater und künstlerischem sohn waren involvierend.