frauenrechte sind männersache.

veränderungen sind die verantwortung der strukturverantwortlichen

selbst im umfeld von bildungsbürger*innen und sonst gesellschaftlich oft sehr engagierten ist der gedanke, die frauen wären für den kampf um ihre rechte selbst verantwortlich, häufig anzufinden.

dabei wird übersehen, dass die strukturelle diskriminierung zwar von den betroffenen durchaus bekämpft, aufgezeigt und deren abschaffung gefordert werden kann, aber die dauerhafte veränderung müssen – erzwungen oder nicht – jene zulassen oder aktiv umsetzen, die die strukturmacht innehaben.

das frauen diskriminierende system muss beendet werden

oft genug wird in politischen veranstaltungen behauptet, den frauen ginge es längst ohnehin sehr gut. da werden schnell die beispiele der „selbstoptimierung“, „flexiblen arbeitszeit“ und möglichkeiten zu „home work“ aufgezählt, als wären diese „wundermittel“ des turbokapitalismus die heilsame lösung.

viel hat sich das system noch nicht verändern müssen. dort und da tauchen frauen in vorzeigepositionen auf, aber eine wirkliche gleichstellung ist nicht erst seit den unsäglichen sprüchen einer ministerin über „naturgegebene“ unterschiede in der sozialen fähigkeit in weiter ferne.

erst wenn zum beispiel die karenzzeiten für kindererziehung gesetzlich verpflichtend väter wie mütter gleichstellen, nicht als option, sondern als pflicht, so wie die schulpflicht, dann würden sich dinge verändern.

wir alle wissen, dass solche gesetzbeschlüsse niemals in der politik allein beschlossen werden, solange sich keine ausreichend grosse lobby dafür einsetzt.

die machtinhaber müssen mitspielen

nur wenn in den entscheidenden umfeldorganisationen (fast) aller parteien ein bewusstsein entsteht, dass die gleichstellung eine verantwortung der machtinhaber – und damit mehrheitlich der männer – ist, werden konkrete schritte gesetzt werden können.

gleichstellung darf keine option sein, sie muss zur pflicht werden. wenn sie dann einmal selbstverständlich wird, könnte sein, dass uns die pflicht gar nicht mehr schwer fällt.

gleichstellung darf kein blumenstrauß für frauen sein, den viele am 8.3. vor sich hertragen, wie am muttertag dann für die frauen mit kindern.

gleichstellung heißt wirklich gleichstellung. dafür werden frauen kämpfen und handeln, aber ohne männer passiert noch lange nichts.
frauenrechte sind männersache.

 

dieser blogpost ist heute auch auf bernhard jenny bloggt | derstandard.at erschienen.

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foto: mike herbst cc by nc

„nie wieder“ war wohl zu selbstgefällig.

in gesprächen über politik werden neuerdings immer öfter jene fragen zitiert, die die nachkriegsgenerationen spätestens seit den 68ern der kriegsgeneration gestellt haben: „was habt ihr dagegen getan?“, „warum habt ihr keinen widerstand geleistet?“ oder „wieso habt ihr bei dem faschistischen wahnsinn einfach mitgetan?“

ungezählt die gespräche, die damals immer wieder nach dem gleichen muster verliefen: die jungen konnten es einfach nicht fassen, dass die alten sehenden auges in das verderben des krieges gegangen waren. gross war oft der unmut, wenn dann noch parteimitgliedschaften oder gar aktive beteiligung der „tätergeneration“ ruchbar wurde.

für die damals jungen war das alles einfach nur unfassbar. wie konnte es so weit kommen? warum hat niemand etwas rechtzeitig unternommen? warum waren die menschen dem faschismus zumindest scheinbar so passiv gleichgültig gegenüber?

in den letzten wochen beschleicht mich ein merkwürdiges bild. ich sehe die ganz alten vor mir, jene, die eventuell sogar zwei weltkriege miterleben mussten, zumindest aber die zwischenkriegszeit und den zweiten weltkrieg.

ich sehe sie vor mir sitzen. betroffen über die seinerzeitigen anwürfe der jungen. mit leicht bitter-ironischem lächeln scheinen sie ihre arme zu verschränken, während sie sich zurücklehnen und zu uns sagen: „nun? da habt ihr eurer schlamassel! jetzt zeigt mal, was ihr besser macht, als wir damals!“

und es geht mir nicht gut bei dem gedanken, wie sicher wir uns doch waren, dass wir sicher nie so naiv sein werden und der schrittweisen zurücknahme von demokratie und freiheit einfach nur zusehen würden. wie sicher wir uns doch waren, dass sich die geschichte niemals wiederholen würde.

doch wir tragen verantwortung: die geschichte hat uns – viel eindringlicher als es unseren vorfahren widerfahren war – gelehrt, in welche katastrophe fahrlässige oder gar gezielte spaltung, blinde hetze und wütende feindbildkultur führen. wir können nicht sagen, dass wir es nicht wüssten, denn wir haben es nur allzuoft erzählt bekommen.

schnell waren wir bei der verurteilung der vorfahren, anstelle über unsere eigene verantwortung nachzudenken. „also nein! uns? uns könnte solcher wahnsinn wie damals nie passieren“, sagten wir.

wie steht es um den unterschied zwischen ertrinken lassen und erschiessen?
was ist mit der zerstörung sozialen zusammenhalts und aufkündigung von sicherheit? das verächtlich machen einzelner menschengruppen nach rassistischen mustern oder das lächerlich machen über armut? was ist mit der zerstörung solidarischer werte zu gunsten platter feindbilder?

und eine opposition? wo ist sie? hat wohl probleme. sowohl bei der findung der position, als auch bei der frage nach dem wogegen.

wo bleiben die ideale einer aufgeklärten, humanistisch geprägten kultur europas?
ist alles schon nicht mehr wahr?
sind wir endgültig kulturlos?

„nie wieder“ war wohl zu selbstgefällig.

(auch in: der Standard, 9.8.2018)

schluss mit zugutmenschen

es hat sich ausparliert. viel zu lange wurde mit aller macht versucht, irgendwie und immer wieder verständnis zu generieren, wo keines angebracht war.

sätze wie „wir müssen verstehen“, „die ängste kommen ja irgendwo her“ oder „wir sollten auf sie zugehen“ tauchten in den letzten jahren massenweise in foren und timelines, auf facebook und sonst wo, auf. das ergebnis haben wir jetzt. mit voller wucht.

ja, natürlich braucht es einen diskurs, eine offenheit. die gesellschaftliche entwicklung ist ohne partizipation der betroffenen, aller betroffenen, nicht denkbar. dazu gehört das offen aussprechen können eigener motive, eigener vorstellungen, eigener ängste, wünsche, sehnsüchte und so weiter.

aber die möglichkeit für alle, offen sagen zu können, wie sie sich die gesellschaft vorstellen kann und kann niemals bedeuten, dass immer wieder aufs neue alles zur disposition steht. ein verantwortlicher diskurs muss von haus aus die rahmenbedingungen aufzeigen, die diesen überhaupt erst möglich machen und daher auch klipp und klar jene linien definieren, hinter die selbst die regressivste forderung niemals gehen darf.

gerade jene, die von ihren feinden gerne als „gutmenschen“ beschimpft werden, könnten erkennen, dass viele von ihnen viel zu lange „zu gut“ waren. nicht den geflüchteten menschen oder den diskriminierten minderheiten gegenüber, sondern im umgang mit jenen, die – aus verschiedensten gründen – den erben des nationalsozialismus blind nachlaufen und deren tradition der menschenverachtung und der hetze nachreden, nachschreiben und nachleben.

die „bobos“ und ihre freund*innen waren viel zu lange geduldig und nachsichtig gegenüber längst als rechtsextrem bekannte ansichten und forderungen. anstelle hier unisono und mit entsprechender breitenwirkung ein unmissverständliches „kein millimeter“ zu kommunizieren, wurden die timelines mit ewigen verständnisvollen fragen einerseits und hassrechtfertigungen andererseits, sowie blablabla-diskussionen gefüllt. da ein „anti-islam“-hetzer, dort ein „wir können nicht alle retten“-zauderer, dann wieder „grenzen dicht“-brüllende. alle werden immer wieder mit viel zu viel geduldiger aufmerksamkeit beachtet und mit argumenten umworben. der erfolg ist enden wollend.

mit sturen ausländerfeind*innen in „freie und offene“ diskussionen zu treten, um ihnen dann vielleicht des friedens willen zu 10% oder 15% recht zu geben, ist ein „no go“. morgen diskutieren sie weiter und bekommen dann wieder ein bisschen recht, übermorgen sind wir dann schon bei 40%, nach endlosen schleifen kommen sie dem ziel immer näher.

für viele fast unbemerkt verändert sich die sprache, das vokabular, das framing, die grundstimmung und damit der gesamte politische diskurs. einträge in foren, die vor einigen jahren noch völlig undenkbar gewesen wären und sofortige löschung nach sich gezogen hätten, bleiben heute „im sinne einer breiten diskussion“ locker stehen. (nicht zuletzt deshalb, weil wir noch viel schlimmere oft gar nicht zu sehen bekommen.)

das ergebnis ist so fatal, wie wenn in einer schule der lehrkörper ständig sich nur mit den verhaltensauffälligen bis -gestörten beschäftigen würde, ja sogar mit ihnen verständnisvolle diskussionen und gespräche führen würde, während die übrigen schüler*innen keine aufmerksamkeit bekämen. die folge wäre ein extrem schnelles anwachsen von verhaltensauffälligkeiten und der frustrierte rückzug der „schweigenden mehrheit“, die wohl immer mehr zur minderheit würde. am ende wäre die ganze schule nur mehr eine problemschule, so wie jetzt unser land ein problemland wurde.

natürlich sind nicht alle, die sich als hetzer*innen oder rassist*innen betätigen nur schlechte menschen. natürlich kann es auch sein, dass manche durch harte erfahrungen erst zu solchen wurden. das macht aber die inhalte eines offenen rassismus oder einer geifernden xenophobie in keinster weise richtig oder gerechtfertigt.

auch wenn es nicht die vorstellung der aktuellen regierung sein wird, muss dennoch als conditio sine qua non für jeden politischen diskurs gelten: hinter die längst festgeschriebenen grund- und menschenrechte kann niemals zurückgegangen werden.

um im oben bereits angesprochenen schulbild zu bleiben: wir dürfen keine diskussionen mit den verhaltensgestörten führen, ob es legitim ist, andere schüler*innen zu mobben, zu drangsalieren, einzusperren oder rauszuwerfen. darüber wir nicht einmal diskutiert.

die millionen toten des holocaust haben uns ein erbe hinterlassen, das in den menschenrechten ausdruck findet. hinter diese rote linie kann kein verantwortlicher diskurs in der politik gehen. bleibt zu hoffen, dass die zurückweisung solcher ansinnen entsprechend kräftig und deutlich – aus allen ebenen – ausfällt.

solcher klarheiten bedarf unser land dringenst. denn wir haben ein grobes problem: die verhaltensauffälligen sitzen – nach einer welle der verwüstung und auf wunsch einer augenscheinlichen mehrheit – in der direktion und haben die leitung übernommen.

es bedarf keines abwartens, ob sich die rechtsextremen auch wirklich als solche benehmen. es bedarf keiner frist, die wir rechtsextremen als chance einräumen.

und: wer rechtsextremen die schlüssel der macht in die hand drückt, nur um selbst ein stück der macht zu erhalten, schliesst einen pakt mit dem teufel, den er so schnell nicht mehr los wird. dafür kann es kein verständnis geben.

es hat sich ausparliert.

schluss mit zugutmenschen

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foto: daniel bagel cc licence by nc

dieser artikel ist in ähnlicher form am 11.1.2018 auf derstandard.at erschienen

wir männer haben noch viel zu tun.

mann sein, das heißt, sich für die rechte der frauen einzusetzen. gleichstellung ist keine frauensache. gedanken zum internationalen männertag

mann sein. das ist schön für mich. ich bin gerne der mann meiner frau, der vater meiner inzwischen erwachsenen töchter und söhne, der großvater meiner enkel, der bruder meiner schwester, der freund meiner freundinnen und freunde.

mann sein? es hat einige jahre meines lebens gebraucht, bis ich begriffen habe, dass ich als mann zu den profiteuren eines frauen diskriminierenden gesellschaftssystems gehöre. und ich habe es lange unterschätzt, wie hartnäckig, subtil und träge diese diskriminierung funktioniert.

selbstverständliche ungleichheit

die ungleichheit ist so selbstverständlich, dass wir sie oft nicht wahrnehmen. wir haben über jahrzehnte gelernt, dass es „normal“ ist, dass aus unterschiedlichem geschlecht auch unterschiedliche partizipation wird. es sind die unscheinbaren und unausgesprochenen agreements, dann doch wieder männer zu bevorzugen, frauen in der zweiten reihe stehen zu lassen.

dabei gibt es schon so viele leitbilder, grundsatzpapiere und visionsbroschüren, die die gleichstellung preisen und hochjubeln. viel papier stemmt sich gegen das unrecht. aber die praxis? gesetze und richtlinien sind makulatur, wenn die rechte der frauen im alltag dann doch wieder boykottiert werden.

diskriminierung benennen

mann sein! das heißt, mich für die rechte der frauen einzusetzen. wo immer mir diskriminierung unterkommt, diese auch zu benennen. wo immer es um entscheidungen und teams geht, auf ein ausgewogenes geschlechterverhältnis zu achten. und grundsätzlich eine gleichgestellte partizipation aller zu sichern. denn selbst in kreisen, wo das selbstverständlich zu sein scheint, ist dies in der praxis ganz und gar nicht so. es bedarf einer permanenten achtsamkeit. dazu gehört auch das benennen von strukturen und das aufzeigen des scheiterns. das immer wieder frauen diskriminierende system muss beendet werden.

gleichstellung geht weder von selbst, noch darf es zur frauensache deklariert werden. wir männer sind das problem, wenn wir die verantwortung zur beendigung der diskriminierung nicht übernehmen.

wir männer haben noch viel zu tun.

(bernhard jenny, derstandard.at, 19.11.2017)

abschiebungen sind eine anmassung

eine junge mutter sollte mit ihren zwei kindern abgeschoben werden. der fall erhielt in sozialen netzwerken aufmerksamkeit – die abschiebung wurde schließlich verhindert. warum das gut ist und abschiebungen dennoch alltag sind

es war ein besonders dramatischer fall: wenige wochen nach dem tod ihres vaters sollten die neunjährige mane und der siebenjährige maxim gemeinsam mit ihrer mutter narine b. (33) nach armenien abgeschoben werden. es war dies der zweite abschiebungsversuch, ein erster war drei wochen vor dem tragischen krebstod des vaters im juni war gescheitert. die drei verzweifelten, im ort gut integrierten menschen wurden am montag von der polizei mitgenommen und in schubhaft nach wien verbracht. es schien das ende von sechs jahren in unserem land zu sein.

es ist der wachsamkeit aktiver frauen aus dem netzwerk „überbrücken“ in der oberösterreichischen gemeinde walding rund um brigitte raffeiner zu danken, dass der fall schnell bekannt wurde. via facebook, twitter, blogs und zahlreichen schreiben an verschiedenste verantwortliche entstand eine welle der solidarität mit der vom schicksal geplagten familie.

humanitäres bleiberecht

beinahe innerhalb weniger stunden – am vormittag des dienstags – tauchten erste hinweise über eine mögliche lösung auf, zu mittag war es dann klar: die familie darf (vorerst) bleiben, das innenministerium gewährt humanitäres bleiberecht. ein gutes ende. proteste und appelle an die politik zeigten wirkung, irgendwo hatte jemand ein einsehen und handelte menschlich. das darf uns alle freuen.

allerdings: nach der allen gegönnten freudenrunde muss auch klar sein, dass dies nur einer von vielen fällen war. es gibt noch zahlreiche andere familien und einzelpersonen, die ebenso in schubhaft genommen wurden und nicht das glück hatten, öffentliche aufmerksamkeit im entsprechenden ausmaß zu erlangen. gerade in vorwahlkampfzeiten ist damit zu rechnen, dass durchaus bewusst exempel statuiert werden, damit bestimmte zielgruppen vermeintlich befriedigt werden. ob nach armenien oder georgien, nach kroatien aufgrund der unheilvollen dublin-iii-richtlinien: abschiebungen sind ein eingriff in das leben der schwächsten.

grundrecht: in frieden und sicherheit leben

abschiebungen sind zwangsmaßnahmen, die für die betroffenen niemals gutes bedeuten. es sind im falle österreichs maßnahmen eines übersättigten landes, das trotz seines reichtums in menschen aus anderen ländern eine unzumutbare belastung oder gar eine bedrohung der kultur sieht. will jemand nicht touristisch geld im land lassen und wieder abziehen, sondern hier in frieden und in bescheidenem wohlstand (über)leben, dann wird uns das „zu viel“.

dabei ist jedes sortieren von menschen zynisch. es müsste egal sein, ob das jeweilige schicksal den medien bekannt ist oder nicht, ob journalistinnen darüber schreiben oder nicht, ob politikerinnen sie kennen oder nicht, ob sie sympathisch oder zurückgezogen, laut oder leise, gesprächig, lächelnd, trauernd oder depressiv, kraftstrotzend oder krank, schwach oder sportlich, ob sie jung sind, oder älter, ob sie christen, muslime oder sonst religiös sind oder sich keiner religion zugehörig fühlen, ob sie herausragende fähigkeiten haben oder bisher keine bildung hatten, welche visionen sie antreiben, welche träume sie haben, ob sie hetero-, homosexuell, ob sie frau, mann oder transgender sind, ob sie familie und kinder haben oder ganz allein da sind. es müsste egal sein.

bei abschiebungen glauben menschen aus diversen gründen, das recht zu haben, anderen ein grundrecht zu verwehren: in frieden und sicherheit zu leben. diesen „anderen“ menschen zu unterstellen, sie wären eine bedrohung, ist eine jener hasslügen, die unsere gesellschaft vergiften. nur eine verhinderte abschiebung ist eine gute.

abschiebungen sind eine anmassung.

(bernhard jenny, derstandard, 23.8.2017)

viel unsinn rund um die „homo-ehe‟

wer das argument „weitergabe von leben“ ins treffen führt, unterschätzt den zeugungssteigernden effekt der ehe für alle, die in deutschland nun beschlossen wurde

deutschland hat sie beschlossen, die ehe für alle. eine längst überfällige entscheidung, die nun länder wie österreich sehr alt aussehen lässt. aber das hat hierzulande ja noch selten gestört.

jenen, die als moralwache gebetsmühlenartig wiederholen, dass die „homo-ehe“ der falsche weg sei, kann ich nur in einem punkt beipflichten: die bezeichnung „homo-ehe“ ist unsinn, denn es gibt nur eine „ehe für alle“. es soll eben keinen unterschied machen, wer mit wem eine ehe eingehen möchte. es gibt schließlich auch keine „blonden-ehe“, „pinzgauer-ehe“ oder „akademiker-ehe“.

kinder zeugen

es gibt unendlich viel unsinn, der im zusammenhang mit der „homo-ehe“ gesagt wird. vom kardinal in deutschland bis zur regionalpolitik in österreich ist ein argument immer und immer wieder zu hören: es gehe um die „weitergabe von leben“. oder wie der vorarlberger landeshauptmann markus wallner in der orf-„pressestunde“ sagte: „der staat muss ein urinteresse daran haben, dass auch kinder gezeugt werden.“

ich bin selbst vater von drei töchtern und drei söhnen. mir ist aber nicht klar, inwieweit die tatsache, dass nicht alle menschen heiraten dürfen, mich zu meinen kindern gebracht hat. warum sollte es zu mehr gezeugten kindern kommen, wenn lesben und schwule nicht heiraten dürfen? glaubt hier wirklich jemand, dass lesben und schwule 2017 dann halt aus verlegenheit doch einen heterosexuellen heiraten und kinder zeugen?

zeugungssteigernder effekt

ich kenne lesbische frauen, die sich wegen ihrer eheähnlichen lebensform zu einem kind mithilfe eines samenspenders entschlossen haben. also wenn schon ein staatliches kinderzeugungsinteresse ins treffen geführt werden soll – das unter anderem auch bedenklich sein kann –, dann würde wohl die ehe für alle einen zeugungssteigernden effekt haben. aber das wird die kleinkarierten überfordern.

und deshalb reden und reden sie weiter:
viel unsinn rund um die „homo-ehe“.

(bernhard jenny, derstandard.at, 4.7.2017)

das verdammte „bisserl“ – schon wieder!

nicht auszudenken, das modellregionen-modell würde auf andere bereiche ausgeweitet werden

ich halte sie für keinen großen wurf. die bildungsreform ist wohl wieder nur ein neues schild, das auf ein veraltetes und verstaubtes system genagelt wird, um den eindruck zu erwecken, es würde sich wirklich etwas bewegen. das kennen wir von den hauptschulen, die im wesentlichen unverändert weiterwurschteln wie bisher, aber jetzt steht „neue mittelschule“ drauf. das dürfte gerade im trend liegen, denn schließlich beruhigen sich konservative kreise gerade wieder einmal mit dem vorangestellten eigenschaftswort „neue“. im wesentlichen also verpackungsdesign.

in einem punkt wäre – mit betonung auf wäre – die bildungsreform spannend, denn eine schule für alle, die für manche wahrlich aus der roten hölle stammende idee der gesamtschule, könnte ein echter meilenstein in eine gute richtung sein. wenn da nicht das wörtchen „modellregion“ wäre.

gewerbeordnung in „modellregionen“?

das bedeutet: eine schule für alle kinder ist gesellschaftpolitisch zwar wichtig, gilt aber nicht überall, sondern nur in „modellregionen“. man stelle sich vor, die erkenntnis, bei ampel-rot stehen zu bleiben, wäre zwar durchgesetzt, aber würde nur in „modellregionen“ gelten. oder eine flexible gewerbeordnung wäre beschlossen, sie würde aber nur in „modellregionen“ gelten. was in „modellregionen“ eingeführt wird, wird also nicht wirklich eingeführt, sondern scheint nur eine – vielleicht sogar gut gemeinte – ausnahme von der sonst immer noch gültigen norm zu sein. schlimm, wenn das schule macht: ehe für alle, steuererleichterung, sozialversicherungsreform und vieles mehr. was, wenn das alles nun nur in „modellregionen“ eingeführt wird? wir haben also eine gesamtschule, aber nur ein „bisserl“. wir sind in österreich. und da haben wir die kultur des schamhaften eventuell-schon-aber-dann-doch-nicht-reformierens zur perfektion getrieben.

das verdammte „bisserl“ – schon wieder!

(bernhard jenny, derstandard.at, 22.6.2017)