„unfassbar“ oder „no-go“?

foto: bernhard jenny

es ist wieder einmal zeit der lippenbekenntnisse. ein landeshauptmann-stellvertreter wird verurteilt. anstelle zurückzutreten kündigt dieser an, selbst bei bestätigung des urteils, also endgültiger rechtskraft nicht an rücktritt zu denken. das passt in die art und weise wie der betreffende und dessen parteifreunde mit dem recht, der politischen verantwortung und unserer demokratie (oder dem was davon über ist) umgehen.

empörung dort und empörung da. es sei „unfassbar“, was da vor sich ginge und es wäre „peinlich und abstossend“ – so die meldungen. lippenbekenntnisse.

schon lange nicht ist es zu verstehen, dass unter dem deckmantel der politischen korrektheit mit scheuch und co umgegangen wird, als handle es sich um einfache politische mitbewerberInnen. wer sich mit diesen an einen tisch setzt, im politischen alltag so tut, als wären deren positionen einfache alternativen, wo die einen so oder anders denken könnten, stellt werte zur disposition, die einfach nicht verhandelbar sein dürfen.

alle politikerInnen, die diese klare grenze nicht definieren können und nicht einhalten, arbeiten jenen in die hände, die täglich daran arbeiten, dass ultra rechtes gedankengut immer salonfähiger wird. wer nazis in welcher verkleidung auch immer nicht als solche benennt, handelt politisch schwer fahrlässig.

würden sich viele demokratische parteien und gruppen weigern, auch nur an einem tisch mit diesen sich immer wieder betätigenden zu setzen oder händeschüttelnd in kameras zu lächeln, hätten wir viel klarere verhältnisse. aber sich einerseits echauffieren, aber dann so tun als wäre alles im vertretbaren bereich, macht aus rechten rabauken landeshauptleute.

ein absolutes „no-go“. oder?

der strassenstrich der politik

foto: michael thurm (creative commons flickr)

der verrat ist perfekt. bürgerInnen in der gesamten EU wissen seit heute definitiv, dass manche jener, die sie ins europaparlament als abgeordnete wählen, exakt das gegenteil von dem tun, wofür sie gewählt werden. sie vertreten nicht die interessen ihrer wählerInnen, sie vertreten schamlos jene, die bereit sind, sich die gefälligkeiten der abgeordneten zu kaufen. von 100.000 € pro „kunde“ ist da die rede, also edelprostitution.

der politische und lange nachwirkende schaden ist aber viel höher, vermutlich kaum zu beziffern. für mich ergeben sich dringenst folgende fragen:

1. es ist zu befürchten, dass ernst strasser nicht der einzige der über 700 abgeordneten ist, der seine einschlägigen leistungen am politischen strassenstrich anbietet. (von einem spanischen kollegen berichtet ja strasser selbst, dass der „mit dabei“ wäre.) wieviele unserer eu-abgeordneten sind käuflich?

2. es ist zu befürchten, dass ernst strasser nicht erst seit ein paar monaten seine freier im sumpf der lobbyisten sucht. ist strasser erst seit brüssel korrupt, oder war er es schon viel länger? wieviele der von ihm vertretenen erklärungen, politischen interventionen und positionen, sind nicht die seinen, sondern schlicht und einfach erkauft?

3. es ist zu befürchten, dass nicht nur die vordere reihe der abgeordneten korrupt ist, sondern auch das hinterfeld, also justiz und behörden. ist der fall mit dem rücktritt strassers – den er sich ja locker leisten können wird – erledigt, oder finden sich noch irgendwo wirklich unabhängige juristInnen, die das risiko auf sich nehmen, so einen player auch juristisch dingfest zu machen und zur verantwortung zu ziehen?

es müsste eine welle der erschütterung, der reihenweisen rücktritte und verantwortungen geben. es müsste einen glaubhaften neuanfang oder zumindest den versuch dazu geben. ich befürchte, wir werden beschwichtigung, kleinreden und verharmlosung erleben. ein fortgesetzter verrat nicht nur an den wählerInnen, sondern an alljenen, die sich tagtäglich an der basis der politik oft ehrenamtlich engagieren, weil sie an etwas glauben, was die „da oben“ schon längst verkauft haben.

der verrat an der demokratie ist perfekt. wie perfekt und wie lange schon, können wir nur erahnen.

moral? wo bist du?

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bild: michael thurm (flickr creative commons)

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