repair? bitte nicht!

das motto des diesjähren ARS ELECTRONICA FESTIVALS ist „REPAIR – sind wir noch zu retten“. bei einer etwas anderen podiumsdiskussion wurde im rahmen der ARS ELECTRONICA dieses motto hinterfragt. auf einladung von unibrennt (ausgezeichnet von ars electronica) konnten – moderiert von hans christian voigt – stefan seydel (rebell.tv), michael niedermair (stahlstiftung linz), sigrid maurer (öh), julia hemmelmayr (unibrennt), rainer sommer (telepolis), marissa lobo (maiz), hubsi kramar und ich die jeweilige sicht auf die reparaturbedürftigkeit und -fähigkeit einbringen. mit diesem blogeintrag möchte ich meinen dort vertretenen standpunkt weiter kommunizieren und ausbauen.

repair? bitte nicht!

wenn der titel des ARS ELECTRONICA FESTIVALS „REPAIR – sind wir noch zu retten“ heisst, dann ist meine spontane antwort: „reparieren? bitte nicht!“ reparieren und wieder reparieren, dann nach einer zeit nochmal etwas reparieren und vielleicht gar zurückreparieren… scheint so etwas wie eine österreichische tradition zu sein, quasi die reflexartige reaktion der österreichischen volksseele auf die wahrnehmung, dass etwas nicht stimmt. im system. aber was neues anzufangen, liegt uns anscheinend nicht. also reparieren wir.

wir brauchen nur einen blick in die nun sich wieder zum herbst öffnenden schulen werfen, ja in das gesamte bildungssystem, was wir da mit schaudern als extrem ungenügendes, überladenes und schwerfälliges ungetüm erkennen, ist eben genau das: das ergebnis 127tausend und einer reparatur.

wenn wir uns retten wollen, müssen wir mündig, erwachsen, autonom werden. wir müssen lernen, aus dem wahrgenommenen ungenügen des systems konkrete schlüsse zu ziehen und konkret zu handeln.

wir dürfen nicht warten, bis uns jemand – von oben, von links, von rechts oder von unten die erlaubnis gibt zu handeln, wir müssen loslegen. und dabei das system liegen lassen. jede beschäftigung mit dem veralteten system ist verlorene energie und zeit, weder konfrontation, zerstörung oder reparatur bringen uns weiter.

wir müssen einfach anfangen. neben dem system bzw. in unseren eigenen, von uns definierten systemen.

eine gesellschaft, in der menschen wegen ihrer herkunft verbluten, ersticken oder in den selbstmord getrieben werden, eine gesellschaft, die arme aus den konsumzentren vertreibt, ihnen das betteln verbietet, während die zahl der millionäre weiter steigt, eine gesellschaft, die politisch andersdenkende kriminalisiert und mit terroristen gleichsetzt, eine gesellschaft, die urteile kaufbar und ermittlungen abbestellbar macht, die unsummen geldes den einen zuschiebt, während alle anderen „sparen“ müssen, funktioniert nicht mehr. dieses system kann nicht, ja darf nicht repariert werden, es muss liegen gelassen werden.

widerstand wäre konfrontation, KREATIVER widerstand heisst: einfach tun, was zu tun ist, ohne lange zu fragen oder zu warten. wir müssen uns vernetzen, verbinden, neue gemeinschaften und communities bilden und einfach tun.

gesetzliche und politische rahmenbedingungen vergleiche ich mit einem alten computer, auf dem das veraltete betriebssystem der ungerechten art gerade noch so läuft.

wenn wir ein neues betriebssystem für eine gesellschaft 3.0 entwickeln wollen, müssen wir auch auf neue computer (also gesetzliche und politische rahmenbedingungen) setzen. die gilt es zu entwickeln und zu implementieren.

wir müssen uns als programmiererInnen einer neuen OPEN SOURCE GESELLSCHAFT 3.0 begreifen, die ALLE weiterbringt und nicht nur wenige, und entsprechend handeln. schwarmintelligenz statt stumpfsinn von oben schlucken, alle inkludieren, statt selektieren.

also
bitte nicht reparieren
schon gar nicht parieren
sondern agieren.
gemeinsam. vernetzt. jetzt.

eine open source gesellschaft 3.0 autorisiert sich selbst.

und hat ein grosses ziel:
profitsteigerung ohne ende.
nämlich social profit.

fotos: ars electronica (sujet), karl schönswetter (creative commons)

we are what we share

in vielen diskussionen und gesprächen der letzten wochen und monate begleitet mich
die grundidee „we are what we share!“

wir erleben vermutlich gerade sehr spannende veränderungen in der welt der kommunikation – hierarchische und zentral gesteuerte modelle werden von breiten vernetzungen und offenen systemen überholt, abgelöst oder zumindest relativiert.

selbst jene, die bis vor kurzem „twitter“ für alles mögliche, nur nicht für eine kommunikationsplattform für jedeN gehalten hätten, haben in den letzten tagen erfahren, dass zensur und propaganda durch echtzeitberichte via twitter unterlaufen werden können. information wird nicht mehr nur zentral in redaktionshäusern produziert, information entsteht immer und überall, wo du oder ich es für berichtenswert, für weiterverbreitbar und relevant halten.

genau hier scheiden sich immer wieder die geister: einer der häufigsten vorwürfe gegenüber den neuen möglichkeiten der individuellen berichterstattung („broadcast yourself“) heisst, dass jetzt niemand mehr entscheiden würde, was für die allgemeinheit relevant sei und was nicht.

doch sollten wir es wirklich weiterhin nur den mehr oder weniger (fern)gesteuerten redaktionen der grossen massenmedien überlassen, zu filtern, welche information uns zuträglich, nützlich oder zumindest zumutbar ist und welche nicht?

selbstverständlich gibt es sie noch: die redaktionen, die hervorragende recherche und informative verarbeitung hochkomplexer themen leisten. solche medien zu lesen, ist immer wieder ein gewinn, weil sie wesentlich mehr bieten, als eine mehr oder weniger zufällige auswahl von agenturmeldungen. aber es gibt eben auch jene redaktionen, die täglich genug gründe liefern, warum ungefilterte (daher auch sehr subjektive) informationen die unvergleichlich bessere alternative sind.

information wird in unserer (wirtschafts)kultur sehr oft so begriffen, dass im zurückhalten, geheimhalten und exklusiv für sich nutzen der eigentiche wert der information besteht. hier gilt: ich behalte meine information zu meinem nutzen, sage sie dir nicht weiter, selbst wenn dir dies schaden könnte.

open source, copyleft und creative commons sind der beginn eines neuen umgangs mit information. durch weitergabe, verbreitung und gemeinsames nutzen von information steigt hier der wert zu einem mehrwert, weil oft mit(einander)geteilt. twitter, flickr, vimeo und youtube u.a. ermöglichen es vielen, informationen schnell weiterzugeben und damit ihre eigenen, persönlichen blickwinkel der allgemeinheit anzubieten.

das prinzip des austausches auf gleicher augenhöhe, das teilen von informationen und das gemeinsame entwickeln von projekten ist immer wieder spannend. jede und jeder lernt von jedem und jeder – vernetzung, verbindung und zusammenwirken statt one-way – kommunikation in horizontalen strukturen statt vertikal von oben nach unten oder unten nach oben.

we are what we share.