ali wajid hat ein recht auf zukunft

was für ein jahr!

ali wajid konnte sich der für ihn lebensbedrohlichen abschiebung im vergangenen jahr nur durch schutzannahme entziehen. erzbischof lackner und erzabt korbinian birnbacher haben ihm das kirchenasyl am 3.7.2018 angeboten. am 4.7.2018 haben alois dürlinger und ich diese vorübergehende lösung bekannt gegeben. sieben monate hat das kirchenasyl gehalten – auch gegen mehrfache versuche der „schengenfahndung“ und des BFA, ali aus dem kloster zu holen.

nur mit fiesen tricks (wie z.b. offene lüge dem anwalt gegenüber, missachtung eines gültigen bescheids, aufhebung des bescheids zeitgleich mit festnahme) ist es auf weisung des damaligen innenministers kickl dem BFA gelungen, ali wajid in schubhaft am 24.1.2019 zu verbringen.

inoffiziell wurde eine „galgenfrist“ für eine woche angeboten, innerhalb der wir ein drittland benennen sollten, in welches ali wajid reist. diese (letztlich dann auch noch um zwei tage verkürzte) galgenfrist war ein nervenaufreibendes spiel auf leben und tod. denn wir wussten, wenn ali wirklich – wie ihm sadistische beamte in der schubhaft immer wieder ankündigten – „sowieso abgeschoben“ werden sollte, bedeutet dies für ihn konkrete lebensgefahr.

buchstäblich in letzter minute fiel dann die wahl auf kenia, welches in der kurzen zeit als einzige option übriggeblieben war.

am 31.1. ist ali wajid gemeinsam mit dem salzburger flüchtlingspfarrer alois dürlinger nach nairobi ausgereist, bis zuletzt streng bewacht wie ein schwerverbrecher. am 1.2. traf ali in nairobi ein und ist seither ein freier mann. er ist kein asylwerber und kein flüchtling mehr.

inzwischen sind 5 monate vergangen, die ali wajid dank der grossen unterstützung durch zahlreiche private spender*innen in nairobi leben kann. er suchte sich so schnell wie möglich ein günstiges zimmer in einem studentenwohnhaus.

ideal ist die örtliche und auch menschliche nähe zum strassenkinder-projekt panairobi: die salzburgerin susi kerschbaumer sorgte für unmittelbaren kontakt zu den verantwortlichen in dem von ihr begründeten projekt. dadurch hatte ali in einem völlig fremden land rasch ansprechpartner gefunden und auch die möglichkeit dort und da mitzuhelfen.

ein in nairobi lebender junger unternehmer, hannes eckmayr, nahm von sich aus kontakt zu ali auf, denn er hatte die geschichte in den medien verfolgt. er war es, der ali bei der erlangung eines verlängerten visums mit rat und tat zur seite stand.

die zukunftspläne für ali wajid geben wir morgen in einem pressegespräch um 11:30 bekannt.
auf facebook werden wir live streamen.

ali wajid hat ein recht auf zukunft

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frühere artikel über ali wajid
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dass wir ali wajid 5 monate in kenia unterstützen konnten, ist den zahlreichen spenden zu verdanken, den vielen kleinen und den grossen. jede spende hilft. danke!

deshalb bitten wir wieder um spenden auf das konto

spendenkonto HILFE FÜR ALI

AT21 5500 0111 0002 7228

verfolgung von ali wajid begann vor einem jahr

der 31.5.2018 war ein donnerstag und es war fronleichnam, also feiertag. da trifft plötzlich eine facebook-nachricht ein: „polizei hat mich abgeholt, bitte helfen!“

es war – gerade an einem feiertag – purer zufall, dass ich diese nachricht sofort gelesen habe. viele nachrichten lese ich entweder viel später, manche gehen in der menge auch unter. aber es war glück, ich habe umgehend reagieren können. mit glück konnte ich damals eine enthaftung aus der schubhaft ausverhandeln. diese bild zeigt uns beide nach der enthaftung vor dem paz alpenstrasse.

ali wajid IMG_2007_sw

das war der anfang der unglaublichen geschichte rund um verhaftung, enthaftung, alle 48 stunden bei der polizeiwachstube und schliesslich ein monat später kirchenasyl, das sieben monate halten sollte.

dann wieder verhaftung entgegen bescheidlage und entgegen zusagen des BFA dem anwalt gegenüber, schubhaft in wien und wenige tage „galgenfrist“ eine lebensbedrohliche abschiebung nur dadurch abwenden zu können, wenn wir rechtzeitig ein „sicheres drittland“ finden.

diese drohung konnte nach verzweifelter suche einer lösung und schlaflosen nächten quasi in letzter minute vereitelt werden: am 1.februar ist ali wajid in begleitung von flüchtlingspfarrer alois dürlinger nach kenia gereist und lebt seither dort inzwischen als freier mann, allerdings ohne arbeitsmöglichkeit und er versucht seither mit unserer unterstützung sein weiteres leben zu organisieren. dazu gehört auch ehrenamtliches engagement im strassenkinderprojekt „panairobi“, zu welchem wir über die salzburgerin susi kerschbaumer kontakt knüpfen konnten.

wir können und wollen hier keine details nennen. die von allen beteiligten angestrebte lösung wird noch einige wochen brauchen, bis wir hoffentlich von einem konkreten lebensplan sprechen können. bis dahin – und auch darüber hinaus – wird ali dringend weitere unterstützung brauchen.

zwei dinge sind sicher:

1. ali braucht nach wie vor unsere unterstützung

nach der unfreiwilligen ausreise nach kenia hat sich eine grosse zahl von unterstützer*innen dazu entschlossen, für ali zu spenden. das ist wunderbar, denn das hat ihm vieles überhaupt erst möglich gemacht!

ali wajid hat natürlich keine möglichkeit zu arbeiten und ist in vollem umfang auf spenden angewiesen. er lebt sehr sparsam, er hat sich ein sehr günstiges zimmer gesucht und er überlegt vor jedem kauf, ob die anschaffung auch notwendig ist. aber eine einfache einrichtung für das zimmer, kochgeschirr, kleidung und der tägliche bedarf an essen usw. sind nicht das einzige, was er zu bezahlen hat.

für jede bürokratische erledigung, für beglaubigungen, impfnachweise, visaverlängerungen, verbunden mit sinnvollen ausreisen in nachbarländer usw. sind immer wieder gebühren und kosten fällig, die sich häufen.

dass wir ali wajid problemlos ein vierteljahr unterstützen konnten, ist den zahlreichen spenden zu verdanken, den vielen kleinen und den grossen. jede spende hilft. danke!

deshalb bitten wir wieder um spenden auf das konto

spendenkonto HILFE FÜR ALI
AT21 5500 0111 0002 7228

2. derjenige, der vor einem jahr die verfolgung von ali wajid veranlasste, weil sein foto in der presse als positives beispiel für integrierte lehrlinge zu finden war, ist nicht mehr an der macht: herbert kickl.

dennoch ist längst nicht alles gut.

noch ist nicht nur nicht klar, wie die politische lage sich entwickelt, sondern auch die entsprechenden diskriminierenden bestimmungen und gesetze immer noch gültig.

dennoch war es uns allen eine freude, dass ein politischer gefährder der menschenrechte gehen musste.

es ist ein skandal, was nicht nur ali wajid, sondern so vielen anderen jungen lehrlingen, familien oder anderen asylwerber*innen im namen einer ausgrenzungsideologie angetan wurde. derartiges darf nicht fortgesetzt werden!

heute ist ein tag,
wo wir allen unterstützer*innen nochmals danken wollen,
allen voran den brüdern im kloster st.peter und erzabt korbinian birnbacher,
dem engagierten flüchtlingspfarrer alois dürlinger und den zahlreichen
unterstützer*innen, die immer wieder mitgewirkt haben,
doro blancke und rolf sauer für die betreuung in wien,
allen, die mit viel einsatz eine lösung ermöglichen wollten und wollen,
allen, die auch weiterhin aktiv und/oder durch spenden ali helfen,

heute ist ein tag,
ali wajid für seine geduld und seine energie zu danken,
er musste in diesem jahr durch eine schier unglaubliche hochschaubahn der gefühle fahren.

heute ist ein tag,
der ein jahr so unendlich lang und gleichzeitig so unendlich kurz werden lässt:

verfolgung von ali wajid begann vor einem jahr

frühere artikel über ali wajid

aufruf spenden ali wajid neu

aufruf: ali wajid braucht weiter unterstützung!

drei monate ist es nun fast her, dass ali wajid in letzter stunde vor der drohenden abschiebung in das für ihn lebensgefährliche pakistan gemeinsam mit alois dürlinger, dem sprecher des erzbischofs franz lackner in flüchtlingsangelegenheiten, nach kenia ausreisen konnte.

bereits nach wenigen tagen hat sich ali wajid in nairobi bestens eingefunden, nicht zuletzt wegen der guten und freundschaftlichen unterstützung durch das team der hilfsorganisation „panairobi“. das ist jenes projekt für strassenkinder, zu welchem wir dank der engagierten salzburgerin susi kerschbaumer kontakt haben. ali ist dort immer wieder gerne aktiv, hilft mit und besucht verschiedene projekte, lernt menschen kennen und ist froh, wenn er etwas zur freude der zahlreichen kinder beitragen kann.

ali wajid nairobi mai 2019 4

ali wajid hat ein zimmer in einem studentenheim in nairobi gefunden. er fühlt sich wohl und hofft dennoch, dass diese „wartezeit“ in kenia bald vorüber sein kann.

gemeinsam mit seinen unterstützer*innen in nairobi und in salzburg ist ali wajid intensiv bemüht, an der konkreten lösung zu arbeiten. wie die leser*innen dieser information sicher verstehen werden, können und wollen wir aber keine details verraten, solange die weitere lebensplanung nicht gesichert ist.

ali wajid nairobi mai 2019 3

grosses danke an alle spender*innen!

nach der unfreiwilligen ausreise nach kenia hat sich eine grosse zahl von unterstützer*innen dazu entschlossen, für ali zu spenden. das ist wunderbar, denn das hat ihm vieles überhaupt erst möglich gemacht!

ali wajid hat natürlich keine möglichkeit zu arbeiten und ist in vollem umfang auf spenden angewiesen. er lebt sehr sparsam, er hat sich ein sehr günstiges zimmer gesucht und er überlegt vor jedem kauf, ob die anschaffung auch notwendig ist. aber eine einfache einrichtung für das zimmer, kochgeschirr, kleidung und der tägliche bedarf an essen usw. sind nicht das einzige, was er zu bezahlen hat.

für jede bürokratische erledigung, für beglaubigungen, impfnachweise, visaverlängerungen, verbunden mit sinnvollen ausreisen in nachbarländer usw. sind immer wieder gebühren und kosten fällig, die sich häufen.

dass wir ali wajid problemlos ein vierteljahr unterstützen konnten, ist den zahlreichen spenden zu verdanken, den vielen kleinen und den grossen. jede spende hilft. danke!

ali wajid nairobi mai 2019 2

ali wajid braucht weiter unterstützung

die von allen beteiligten angestrebte lösung wird noch einige wochen brauchen, bis wir hoffentlich von einem konkreten lebensplan sprechen können. bis dahin – und auch darüber hinaus – wird ali dringend weitere unterstützung brauchen.

deshalb bitten wir wieder um spenden auf das konto

spendenkonto HILFE FÜR ALI
AT21 5500 0111 0002 7228

ali wajid erfährt durch das team von panairobi und durch einen jungen österreichischen unternehmer, hannes eckmayr, der in nairobi lebt, wichtige unterstützung vor ort. eckmayr hatte über ali wajid in den medien erfahren und meldete sich spontan bereits in den ersten tagen nach eintreffen von ali in kenia.

es ist bewundernswert, wie ali wajid seine monatelange zwangslage immer wieder auch als bereicherung und erlernen des lebens begreift. natürlich gibt es auch tage, die von bedenken und müdigkeit geprägt sind. aber immer wieder gibt sich ali wajid selbst den entscheidenden impuls, weiterzumachen und an ein gutes ergebnis unser aller bemühungen zu glauben.

das heisst auch, dass alle, die ihn unterstützen wollen, dies auch weiterhin in vielfältiger form tun können. das weitererzählen, das teilen der postings, das mobilisieren von unterstützer*innen und das spenden von kleinen und grossen beträgen. alles hilft!

ali wajid braucht weiter unterstützung!

frühere artikel über ali wajid

fotos © ali wajid

pressemeldungen (20190206 – 20190211)

hier nun wieder eine auswahl der pressemeldungen nach der rückkehr von alois dürlinger aus kenia.

SPIEGEL ONLINE, 2019-02-11
Zu Ausreise gezwungener Flüchtling Von Pakistan nach Salzburg nach Kenia nach…

SALZBURGER NACHRICHTEN PRINT 2019-02-07
Wajid Ali will zurück „nach Hause“

ORF Radio Salzburg, 2019-02-07
Salzburg aktuell Journal

SALZBURGER NACHRICHTEN, 2019-02-06
Fall Wajid Ali – Flüchtlingspfarrer Alois Dürlinger kritisiert Regierungslinie
(mit video vom gesamten pressegespräch)

ORF 2019-02-06
Pakistani will über Mangelberufsliste zurück

DER STANDARD 2019-02-06
Salzburger Flüchtlingspfarrer regt Stärkung von Kirchenasyl an

DIE PRESSE 2019-02-06
Salzburger Flüchtlingspfarrer regt Stärkung von Kirchenasyl an

DIE PRESSE 2019-02-06
Die Reise des Lehrlings Ali Wajid

KATHPRESS 2019-02-06
Salzburger Lehrling plant von Kenia aus Rückkehr nach Österreich

SALZBURG24 2019-02-06
Helfer berichtet: So geht es Ali W. in Kenia

ORF Religion 2019-02-06
Salzburger Pfarrer für Stärkung von Kirchenasyl

vorangegangene pressemeldungen

pressemeldungen (20190124 – 20190202)

hier nun eine auswahl der berichterstattungen der letzten tage seit der verhaftung von ali wajid bis zur erfolgreichen ausreise nach kenia. (zur eigenen position bitte den hier verlinkten artikel lesen)

DER STANDARD PRINT, 2019-02-02
Lehrling aus Kirchenasyl nach Kenia ausgereist

SALZBURGER NACHRICHTEN PRINT, 2019-02-02
Kirchenasyl: Lehrling ist in Kenia

ORF Salzburg heute, 2019-02-01
Ali Wajid reist nach Kenia aus (Video)

DER STANDARD, 2019-02-01
Lehrling aus Salzburger Kirchenasyl nach Kenia ausgereist

SALZBURGER NACHRICHTEN, 2019-02-01
Salzburger Lehrling vor Abschiebung: Ali Wajid reiste nach Kenia aus

KATHPRESS, 2019-02-01
Salzburger „Kirchenasylant“ Ali Wajid reist nach Kenia aus

SALZBURG24, 2019-02-01
Ali W. derzeit in Kloster in Kenia

ORF, 2019-02-01
Flüchtling Ali Wajid reiste nach Kenia aus

KLEINE ZEITUNG, 2019-02-01
Schlagabtausch Anschober schreibt offenen Brief an Kurz zu Asylwerber in Lehre

KLEINE ZEITUNG, 2019-02-01
Ex-Landesrätin zahlte FlugKurz vor Abschiebung: Lehrling Ali Wajid reiste nach Kenia aus

RUPERTUSBLATT, 2019-01-31
Ali Wajid droht Abschiebung

ORF Ö1 2019-01-29
Ö1 Mittagsjournal

KRONE.AT, 2019-01-28
Droht bei Abschiebung Tod?

INFOMIGRANTS, 2019-01-26
Austria wants to deport Pakistani refugee from church sanctuary

SPIEGEL ONLINE, 2019-01-25
Österreich will Flüchtling aus Kirchenasyl abschieben

KATHPRESS, 2019-01-25
Salzburg: Lehrling Ali Wajid trotz „Kirchenasyl“ in Schubhaft

ORF SALZBURG, 2019-01-25
Asylwerber Wajid: Helfer wollen Abschiebung verhindern

ORF heute mittag, 2019-01-25
Abschiebung droht (Video)

SALZBURGER NACHRICHTEN, 2019-01-25
Abschiebung droht – Unterstützer suchen Lösung für Lehrling Ali Wajid

OE24, 2019-01-25
Vom Kirchenasyl in die Schubhaft: Lehrling wird nach Pakistan abgeschoben

SALZBURG24, 2019-01-25
Unterstützer suchen Lösung für Ali W.

ORF SALZBURG HEUTE, 2019-01-24
Ali Wajid vor Abschiebung (Video)

ORF, 2019-01-24
Flüchtling in Kirchenasyl: Ministerium bestätigt Schubhaft

SALZBURGER NACHRICHTEN, 2019-01-24
Trotz Kirchenasyl in Salzburg: Lehrling Ali Wajid in Schubhaft

DER STANDARD, 2019-01-24
Salzburger Lehrling in „Kirchenasyl“ offenbar vor Abschiebung

SALZBURG24, 2019-01-24
Ali W. in Schubhaft genommen

OÖN, 2019-01-24
Salzburger Lehrling in „Kirchenasyl“ in Schubhaft

DIE PRESSE, 2019-01-24
Salzburger Lehrling in „Kirchenasyl“ offenbar vor Abschiebung

WIENER ZEITUNG, 1019-01-24
Salzburger Lehrling in „Kirchenasyl“ in Schubhaft

wenn diversität keinen platz hat, hat der terror gewonnen

„pray for paris“, „don’t pray“, das blau-weiß-rote profilbild: in social media wird gestritten, wie man trauern soll

die social-media-community beschimpft sich gegenseitig. posten die einen in betroffenheit „pray for paris“, antworten die anderen „don’t pray“ mit verweis darauf, dass anscheinend die religionen die wurzel allen übels, daher auch des terrors seien. andere wiederum färben ihr profilbild blau-weiß-rot in solidarität mit den opfern der anschläge, schon kommen jene, die darin eine falsche solidarisierung mit der kriegführenden nation frankreich und überhaupt mit nationalismen sehen.

trauer um die toten ist auch nicht so einfach. „wenn ihr um die toten von freitag trauert, warum trauert ihr nicht um jene vom donnerstag in beirut, um jene vor monaten in kenia, um jene in syrien, palästina, israel oder sonst noch wo?“

moralische keulen

manche scheinen sich also das recht herauszunehmen, anderen menschen ihre betroffenheit vorzuschreiben. dass anschläge in unmittelbarer gefühlter nähe schneller betroffen machen als anschläge in vermeintlich sicherer entfernung, ist wohl verständlich, wird aber zum ziel moralischer keulen der selbstdefinierten politischen korrektheit.

kann es also wirklich sein, dass sich manche das recht herausnehmen, das trauern, das beten, das weinen zu verbieten, solange es nicht auf absolute weltgerechtigkeit durchdekliniert ist? muss ich also das nächste mal, wenn ich zu einem tödlichen verkehrsunfall komme, meine betroffenheit zurückhalten angesichts der tausenden toten, die es sonst wo auf der welt gibt?

darf ich mein profilbild bearbeiten, wie es mir gerade passt, oder soll ich vorher hundert reflexionsschleifen durchlaufen, damit mir klar wird, dass eigentlich jedes symbol, jede reaktion ob ihrer individuellen verkürzung auch genauso falsch sein kann? ist meine spontanität also immer verdächtig?

social media sind schnell – und voller emotionalität

die social-media-community ist schnell. sehr schnell. und sie verbreitet sowohl wichtiges wie banales. wenn aber die plattformen einigermaßen sinnvolle kommunikation ermöglichen sollen, dann müssen wir uns emotionalität zumuten. da haben angst und sorge ebenso platz wie humor und satire.

wenn aber manche glauben, anderen vorschreiben zu können, wie gefälligst richtig getrauert und korrekt protestiert wird, dann wird jene diversität verloren gehen, die soziale medien brauchen. es muss meine höchstpersönliche entscheidung bleiben, in welcher form ich betroffenheit und trauer ausdrücke. das können weder religionsgemeinschaften noch säkularisierte meinungsvertretungen diktieren. wenn diversität keinen platz hat, hat der terror gewonnen. (bernhard jenny, derstandard.at, 17.11.2015)