vergessen.

britta bayer, sascha oskar weis und bettina oberender im white noise

„Es gibt eine historische Verpflichtung Salzburgs, hier Zeichen gegen den Ungeist der Intoleranz zu setzen,“

betonte landeshauptfrau-stellvertreter david brenner in einer presseaussendung noch am donnerstag, in der die heutige gedenkveranstaltung an die bücherverbrennung vor 73 jahren angekündigt wurde.

allerdings war heute um 10 im kunstpavillon „white noise“ weder ein landeshauptfrau-stellvertreter noch eine vertretung zu sehen. wohl vergessen.

zu beginn der von relativ wenig interessentInnen besuchten veranstaltung blieb britta bayer vom landestheater nichts anderes übrig, als über die fehlende ankündigung und bewerbung der veranstaltung zu berichten. wohl vergessen.

und nein, es gibt ihn offensichtlich nicht, den vermerk im übersichtskalender des koordinierungsamtes der stadt salzburg, der sicherstellt, dass an einem 30.4. nicht irgendeine veranstaltung am residenzplatz platz greifen sollte, schliesslich haben hier mal bücher gebrannt, vorbote der shoa. wohl vergessen.

letzteres brachte mit sich, dass die „lesung zum jahrestag der salzburger bücherverbrennung am 30.4.1938“ sich am mozartplatz im „igel“ akustisch gegen eine laute, jahrmarktsähnliche geräuschkulisse vom residenzplatz her ankämpfen musste.

es ist dem engagierten vortrag von britta bayer und sascha oskar weis vom salzburger landestheater zu danken, dass die lesung dennoch zu einem beeindruckenden ereignis wurde. texte aus „verbrannten“ werken, aber auch aus briefen von heinrich heine, carl zuckmayer, stefan zweig, joseph roth, kurt tucholsky, arthur schnitzler und erich kästner, kombiniert mit zeitungsartikeln jener zeit wurden zu einem spannenden, dichten und erschütternd aktuellen bild jener zeit, in der es – wie es einmal heisst – wohl schon zu spät war.

bettina oberender, schauspieldramaturgin des landestheaters, hat mit ihrer gefühlvollen auswahl und zusammenstellung der texte erreicht, dass ein spannender inhaltlicher bogen entstand: quasi von der noch älteren katastrophe „reconquista“ über die schrecklichen vorahnungen im jahre 1938 bis zu jenen gedanken, bildern und zweifeln der autoren, die uns auch heute noch erschrecken lassen.

einmal heisst es sinngemäss, 1938 wäre es schon zu spät gewesen, viel früher schon, 1928, hätte man das stoppen müssen, solange noch schneebälle geworfen wurden. die lawine, die diese auslösten, war dann nicht mehr aufzuhalten.

beim verlassen des „white noise“ beschäftigt nach diesen eindringlichen bildern die frage:
wie lange sehen wir den heutigen schneebällen noch zu?