Konrad Wolf: Objektiviert uns!

Ein Theaterprojekt am Mozarteum

Bob Dylan fragte einst: „How many roads most a man walk down before you call him a man?“ Hier wird deutlich, dass das „Als-Mann-Wahrgenommen-Werden“ gemeinhin als eine ganz besondere Auszeichnung gilt, die sich die heranwachsenden Männer erwerben müssen. Woran sich schon viele „nicht-behinderte“ Männer abarbeiten, ist für Männer mit Behinderung noch einmal eine größere Bürde. Zum Glück war Bob Dylan so smart eine recht mehrdeutige Antwort auf seine Frage zu geben: „The answer my friend ist blowing in the wind“ Nun ja, es gibt auf diesem Gebiet keine Gesetze. Nur anders als Bob Dylan würde ich davon abraten, die Antwort ganz selbstvergessen im Wind, in den Lüften zu suchen, sondern sagen: Du hast es selbst in der Hand. Du hast es selbst in der Hand, ob du so blöd bist die lange Straße runterzulatschen oder ob du dir neben der Straße eine Rolltreppe oder einen Fahrstuhl baust. Will sagen, wer Männlichkeit an der Fähigkeit zu langen, strapaziösen Wanderungen festmacht, hat eine recht beschränkte Weltsicht. (Und natürlich kann man die Straße auch mit dem Rollstuhl herunterrollen – zum Glück geht’s ja laut Bob Dylan bergab.)

gastkommentar_konradwolf

Mein Name ist Konrad Wolf und ich bin 24 Jahre alt. Ich habe eine halbseitige Spastik. Mein Eindruck war oft, dass ich besonders dafür kämpfen musste, um als Mann, als sexuelles Wesen wahrgenommen zu werden.

Da ich Regie am Mozarteum Salzburg studiere, habe ich nun die Möglichkeit diesen Erfahrungen in einem Theaterprojekt nachzugehen. In Form eines sogenannten Expertenprojektes möchte ich unter dem Arbeitstitel „Objektiviert uns!“ zum Thema Behinderung und Sexualität arbeiten. Das Anliegen des Expertentheaters ist es, dass nicht mehr „über“ bestimmte Milieus oder gesellschaftliche Gruppen gesprochen wird, sondern dass diese Menschen selbst auf der Bühne stehen und ihre Geschichten erzählen. In diesem Falle Menschen mit Behinderung, die über ihr Liebes- beziehungsweise Sexualleben erzählen.

Behinderte Neutren?

In den Gesprächen, die ich für mein Projekt mit anderen Menschen mit Behinderung geführt habe, habe ich festgestellt: Meine Erfahrungen sind kein Einzelfall!

Im Auge der Allgemeinheit sind Menschen mit Behinderung Neutren. Ihre Behinderung überlagert in der Wahrnehmung der anderen ihr Geschlecht. Wenn eine Rollstuhlfahrerin eine Bar betritt bzw. berollt sehen die Gäste keine Frau, sondern zunächst einen Menschen im Rollstuhl.

Dass Behinderte sexuelle Subjekte sind, also begehren wird zunehmend anerkannt. Es gibt immer mehr Sexarbeiter_innen, die sich in ihren Diensten auf Menschen mit Behinderung spezialisieren. Dies nennt sich dann „Sexualbegleitung“. Zur Sexualbegleiterin, zum Sexualbegleiter kann man sich mittlerweile professionell ausbilden lassen. Aber hier erscheint der körperliche Kontakt oder Sex mit Behinderten doch geradezu als Zumutung, die man/frau nur gegen Geld ertragen kann. Die Tatsache, dass einige Menschen mit Behinderten auch deshalb schlafen, weil sie sie begehren – vielleicht gerade wegen der Behinderung – wird negiert und tabuisiert.

Um als Behinderter an Sex heranzukommen ist – jenseits der mehr oder weniger attraktiven Möglichkeit die Dienste eines Escortservices in Anspruch zu nehmen – eine große Portion Mut und Kreativität gefragt. Meine Gesprächspartner_innen haben vor allem betont, dass stets sie es waren, die die Barriere im Kopf des Anderen/der Anderen einreißen mussten. Die wenigsten Menschen nehmen dich gleich als potenzielle(n) Sexualpartner_in wahr. Die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, waren es immer selbst, die diese Möglichkeit in irgendeiner Form betonen mussten. Und eine Interviewpartnerin mit Spinaler Muskelatrophie bedauerte, dass sie immer die erste Frau mit Behinderung war mit der ihr jeweiliger Sexualpartner ins Bett gegangen war. Warum muss dies so eine Seltenheit sein?

Das Problem der mangelnden sexuellen Gleichwertigkeit zu sogenannten „Nicht-Behinderten“ stellt sich meiner Meinung und Erfahrung nach Frauen und Männern mit Behinderung gleichermaßen, auch wenn die Sexualnormen und Geschlechternormen, an denen man bzw. frau sich stößt andere sind. Während der Mann mit Behinderung sich an der Stärke abarbeitet, die im klischeehaften Rollenverständnis von ihm erwartet wird, ist es bei Frauen eher die Norm des unversehrten, intakten Körpers, an der sie sich stoßen. Außerdem habe ich erfahren, dass Frauen mit Behinderung oft auch die Fähigkeit Kinder zu gebären und großzuziehen abgesprochen wird. Mir wurde über Ärzte berichtet, die es nicht für nötig ansahen ihre Patientinnen mit Behinderung über Verhütung aufzuklären, da sie ja ohnehin nicht schwanger werden könnten, was sie dann schließlich aber doch wurden. Eine Spastikerin Mitte Fünfzig erzählte mir, dass ihr damaliger Hausarzt zu dem sie als Jugendliche geschickt wurde, damit er sie sexuell aufkläre, es nicht für nötig befand mit ihr über Verhütungsmöglichkeiten zu sprechen, da ja ohnehin kein Mann bei ihr käme. Auch er irrte sich grundlegend!

Oder Objekte der Begierde?

Neben der vorherrschenden Tendenz, dass Menschen mit Behinderung also Sexualität abgesprochen wird, bin ich in meinen bisherigen Recherchen auch auf das gegenteilige Phänomen gestoßen – den Amelotatismus. Als Amelos werden solche Menschen bezeichnet, die sich gerade durch einen körperlichen „Mangel“ erregt fühlen. Die meisten meiner bisherigen Interviewpartner_innen haben bereits mehrfach in ihrem Leben die Erfahrung gemacht, dass eine Person nur deshalb mit ihnen ins Bett gegangen ist, um mit einem Behinderten zu schlafen. Die Haltung zu dieser Erfahrung war bei den Betroffenen unterschiedlich. Während einige klar formulierten, dass sie sich ausgenutzt fühlten, zuckte einer meiner Interviewpartner lediglich die Schultern: Ihm sei von Anfang an klar gewesen, dass die betreffende Frau vor allem gespannt darauf gewesen sei mit einem Querschnittsgelähmten zu schlafen, ihr es also nicht um ihn als Person ging, aber für die Nacht habe es sich gelohnt. Eine andere Interviewpartnerin war skeptischer. Sie habe noch nie etwas mit einem Amelo gehabt, aber sich bereits mit einigen unterhalten. Die Motivationen der Amelos seien sehr unterschiedlich gelagert. Während ihr einige erzählten, dass sie schlicht gelangweilt seien von „normalen“, wohlgeformten Körpern, gebe es auch solche Amelos, die sich von der Hilflosigkeit und der Opferrolle, die man in eine Behinderung hineinlesen kann, angezogen fühlten. Hier gebe es Überschneidungen zur SM-Szene, die sie persönlich nicht reizvoll fänd.

Meine bisherige Bilanz aus meinen Recherchen, ist dennoch ermutigend. Eine meiner Gesprächspartnerinnen sagte mir, dass sie bisher jeden Mann ins Bett bekommen habe, den sie hätte haben wollen. Ob daraus eine Beziehung entstanden oder ob es bei einer Nacht geblieben sei, das sei eine andere Frage. Aber das ist ja stets eine andere Frage! Ich möchte festhalten, Attraktivität scheint keine Frage des Körpers, sondern vielmehr der Ausstrahlung, der Performance zu sein. Und die kann man selbst stark beeinflussen!

Natürlich ist dies ein zweischneidiges Schwert. Die (körperlichen) Erfahrungen, die ein Mensch im Laufe seines Lebens – vor allem im Laufe seiner Kindheit und Jugend sammelt, beeinflussen sein Selbstbewusstsein, sein Selbstbild. Und gerade an positiven körperlichen Erfahrungen mit „nicht-behinderten“ Kindern und Jugendlichen fehlt es Behinderten häufig. Oft sind es nur Ärzte, die den Körper aus medizinischen Gründen berühren und betasten. Einige meiner Interviewpartner_innen schildern hier strukturelle Hürden, wie beispielsweise die Tatsache, dass sie ein Behindertenheim besuchten und so in ihrer Kindheit und Jugend gar keinen Kontakt zu „nicht-behinderten“ Kindern und Jugendlichen gehabt hätten. Oder die Tatsache, dass ihr gesamter Alltag deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt und nahm. Dies geht zu Lasten der Freizeitaktionen, wie Diskobesuche und ähnliches, wo erste sexuelle Erfahrungen gesammelt werden. Und gerade diese sind es ja, die ein Selbstbewusstsein auf diesem Gebiet unterstützen, welches sich Menschen, die diese Erfahrungen erst spät sammeln, anders herstellen müssen. Hier sind wir wieder bei Bob Dylans Straße, die Menschen mit Behinderung nicht so einfach herunterschlendern können – mit Gitarre unterm Arm – sondern wo sie gefragt sind sich andere Wege zu erdenken und zu erschließen.

Mit meinem Projekt „Objektiviert uns!“ möchte ich der allgemeinen Entsexualisierung des behinderten Körpers entgegenwirken. Ich möchte zeigen, dass wir keine Neutren sind und es keine Perversion ist Menschen mit Behinderung attraktiv zu finden. Mein Ziel ist es am Ende mit meinen Mitwirkenden ein Format zu finden, in dem der behinderte Körper als Körper der Lust erscheint, der begehrt und vor allem auch begehrt wird.
Der Titel „Objektiviert uns!“ drückt den Wunsch vieler Menschen mit Behinderung aus, da wo sich andere Menschen (vor allem Frauen) zu sehr sexualisiert fühlen, im Gegenteil endlich als Objekt der Begierde wahrgenommen zu werden.

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dieser artikel ist auch in der zeitschrift „BIOSKOP – Zeitschrift zur Beobachtung der Biowissenschaften“ nr. 73 | märz 2016, im „Newsletter Behindertenpolitik“ erschienen. bild: privat

Heinz Schoibl: klare Stellung gegen Hetze wird übersehen

gastkommentar schoibl heinz

Fördern und Unterstützen ja, Sanktionieren nein – das ist die Botschaft des Runden Tisches zur Regulierung von Problemen, die mit Betteln im öffentlichen Raum entstehen (können)

Der runde Tisch müsse auch anecken, schreibt Heidi Huber in den SN und übersieht dabei, dass der Runde Tisch klar und eindeutig Stellung bezogen hat – gegen Hetze, Sanktionierung und hoheitlicher Reglementierung von Betteln.
Die Botschaft des Runden Tisches ist nicht einhellig aber mit großer Mehrheit darin zu sehen, dass

a) die Sichtbarkeit von Armut der Bevölkerung zumutbar ist, dass aber

b) gezielt Mittel und Instrumente eingesetzt werden sollen, um daraus entstehende Probleme in der Öffentlichkeit und im öffentlichen Raum bewältigen zu können.

c) Als oberste Prämisse soll dabei dem Grundsatz unserer rechtsstaatlichen Verfassung entsprochen werden, jeweils gelinde und nach Möglichkeit fördernde Maßnahmen zu ergreifen.

Das nenne ich: Anecken! und zwar mit einer humanitären Grundhaltung, die ich bei einzelnen Teilnehmern des Runden Tisches trotz konstruktiver und sachlicher Gesprächskultur leider nicht erkennen kann.

Der Kommentar von Heidi Huber erweist der Sache leider keinen guten Dienst und zeigt, dass die SN in dieser demokratiepolitisch und menschenrechtlich relevanten Angelegenheit offensichtlich Lernbedarf hat.

Leserbrief von Heinz Schoibl an die Salzburger Nachrichten
hier als Gastkommenatr wiedergegeben.

heinz schoibl
www.helixaustria.com

Heinz Schoibl: Anmerkungen zu den Schwerpunkten Armuts- und Wohnpolitik

gastkommentar schoibl heinz

Soziales und Pflege
Mit Blick auf Sozial- und Gesundheitspolitik geht das Arbeitsübereinkommen (der Schwarz/Grün/Gelben Koalition in Salzburg, Anm. d.R.) auch auf das Thema Wohnen & Wohnungslosenhilfe ein und stellt hier fest, dass es Maßnahmen auf zwei Ebenen geben soll. Das betrifft zum einen die Frage der Leistbarkeit von Wohnen und zum anderen die Vorsorgen für die Wohnungslosenhilfe (WLH). Insgesamt erweist sich das Arbeitsübereinkommen dabei als äußerst zurückhaltend und wenig kreativ.
Im Einzelnen:

ad Leistbarkeit: Die Überlegungen zur Verbesserung der Leistbarkeit von Wohnen begnügen sich damit, eine Ausdehnung der Wohnbeihilfe auf befristete Mietverhältnisse sowie eine Anpassung des höchstzulässigen Wohnungsaufwandes zu fordern. Damit greift das Arbeitsübereinkommen tatsächlich nur einen eher unwesentlichen Aspekt der grundlegenden Misere auf, unter der die WLH in Salzburg wesentlich krankt >>> der grundlegende Mangel an leistbaren Wohnungen und das Versagen des geförderten Wohnungsmarktes in Salzburg, Einkommensarmut und Wohnprekariat zu entkoppeln, bleiben damit unangetastet. Eine Verbesserung des Anspruchs auf Wohnbeihilfe als auch eine Anpassung des höchst zulässigen Wohnaufwandes ändern letztlich nichts daran, dass Armutshaushalte weiterhin auf den privaten Wohnungsmarkt, der sich ib. durch Befristung der Mietverhältnisse und Überteuerung auszeichnet, angewiesen bleiben. Die Wohnperspektive von Armutshaushalten verharrt weiterhin im Prekariat ungenügender Wohnsicherheit und den Vorzeichen profitabler Verwertung von privatem Wohneigentum. Der wichtige Bereich des geförderten Mietwohnungsmarktes zur Abdeckung von Bedürfnissen nach einer adäquaten Versorgung mit leistbaren Wohnungen bleibt zur Gänze ebenso ausgespart, wie auch die Frage einer möglichen Beauftragung der WLH zur Vermittlung ihrer Klientel in geförderten Wohnraum völlig offen bleibt.

ad Wohnungslosenhilfe: Die Vorhaben zur Verbesserung der Rahmenbedingungen der WLH, die im Übrigen dringend geboten erscheint, sind nachgerade nebulös. Hier wird die Entwicklung von Modellprojekten zur Prävention sowie zur Bewältigung von Wohnungslosigkeit empfohlen – wie bitte? Damit geht das Arbeitsübereinkommen simpel an den Fakten einer 30jährigen Geschichte der WLH vorbei, die in ihrer fachlichen und methodischen Entwicklung schlicht durch die Tatsache behindert wird, dass sie keinen ausreichenden Zugang zu leistbaren und adäquaten Wohnungen gewährleisten kann und damit darauf fixiert bleibt, wohnungslose Personen und Haushalte in ihrer Wohnungslosigkeit zu begleiten. Wem nun mit neuen Modellprojekten wohl gedient wäre, bleibt hier gänzlich offen. Der anschließend noch aufgegriffene Vorschlag, durch ‚housing first‘ die bestehende chronifizierte Wohnungslosigkeit zu bekämpfen, stellt ein Bekenntnis zu einem bereits gestarteten Projekt dar – fein, dass sich solcherart zumindest nichts verschlechtern soll, was sich inzwischen bereits bewährt.

Zusammenfassend: Bekämpfung von Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit sieht anders aus!
Unter den im Arbeitsübereinkommen niedergelegten Vorzeichen ist eine Bewältigung der Wohnungsnot in Salzburg nicht zu erwarten, im Gegenteil: Wer in Salzburg von Armut betroffen ist, wird sich auch weiterhin mit kläglichen Wohnperspektiven begnügen müssen >>> kleiner Trost am Rande: das Wohnprekariat wird in Zukunft vielleicht etwas weniger kosten!

Die WLH selbst wird unter den Vorzeichen der primären Wohnversorgung der Armutsbevölkerung auf dem privaten Wohnungsmarkt auch in Zukunft kaum mehr leisten können, als punktuelle Hilfen zur Linderungen von individuellen Notlagen zu realisieren, wird aber an den strukturellen Defiziten einer armutspolitisch blinden Wohnpolitik weiterhin nicht rütteln können.

Wohnpolitik

In gnadenloser Treue zur Tradition einer mittelschichtsorientierten Wohnpolitik der vergangenen Jahrzehnte bekennt sich auch das Arbeitsübereinkommen zur Gleichbehandlung von Wohneigentum einerseits und der Förderung des Mietwohnbaus, um gleich anschließend anzumerken, dass durch den Verkauf von Mietwohnungen die finanziellen Mittel für den Wohnungsneubau aufgebessert werden können.

Ich halte diese Grundhaltung schlichtweg für verfehlt, u.a. weil damit die Ursachen für die Salzburger Wohnungsnot gänzlich unter den Teppich gekehrt und die Expertise von MitarbeiterInnen der Sozialen Arbeit und der Wohnungslosenhilfe negiert werden.

Im Einzelnen:
ad Recht auf Wohnen: In der Präambel zu den wohnpolitischen Überlegungen und Vorhaben bekennt sich das Arbeitsübereinkommen dazu, dass Wohnen ein menschliches Grundbedürfnis ist. Daran schließt jedoch keineswegs ein Bekenntnis dazu, wonach den BewohnerInnen Salzburgs ein Recht auf Wohnen zu gewährleisten wäre. Vielmehr begnügt sich das Arbeitsübereinkommen mit einer sehr schlichten und nur wenig verpflichtenden Zielerklärung mit folgendem Wortlaut: „… jeder Mensch im Land Salzburg soll bedarfsgerecht, qualitätsvoll und leistbar wohnen können“.

ad Bestand: Das Arbeitsübereinkommen geht beim Schwerpunkt der Wohnpolitik mit keinem Wort auf Agenden und Aufgabenstellungen der Bestandspolitik, d.h. der Pflege und Förderung des Bestandes an preisgünstigen Mietwohnungen ein >>> im Gegenteil soll damit das Kleingeld für den Wohnungsneubau aufgebessert werden.

ad Sozialbindung: Eine totale Neubauorientierung der Wohnpolitik unter den Vorzeichen des gänzlichen Verzichtes auf Wahrung der Sozialbindung ist unter armutspolitischen Gesichtspunkten schlicht kontraproduktiv >>> zudem soll mit der Förderung von Mietkauf-Modellen und dem (begünstigten?) Ausverkauf des Bestandes an leistbaren Mietwohnungen das Potential des geförderten Mietwohnungsmarktes weiter reduziert und abgebaut werden.

ad ‚Smart Wohnen‘: Die Wohnversorgung von Armutshaushalten wird mit dem Stichwort „smart Wohnen‘ gänzlich aus dem Bereich der allgemeinen Wohnpolitik, nämlich der Gewährleistung einer adäquaten Wohnversorgung der Bevölkerung, herausgenommen. Armutshaushalten steht mithin die Wohnnot-Versorgung in einer Sonderversorgungsschiene für ausgewiesene Zielgruppen (Getto von Schlichtwohnungen?) bevor >>> ein zentrales Argument der bisher so vehement verteidigten Förderung von Wohneigentum, damit die Grundlagen für einen sozialen Mix in den Wohnanlagen zu gewährleisten, wird damit in entlarvender Manier weggewischt (ist vielleicht ganz gut so, weil ehrlicher!).

ad einkommensbezogene Miete: Ganz still und leise kommt unter dem Stichwort der einkommensbezogenen Mietpreisbildung das ÖVP-Liebkind der Einkommensüberprüfung im geförderten Mietwohnbau zum Vorschein – hier jedoch, ohne die eigenen Absichten zu deklarieren und ohne auf den Tisch zu legen, was es mit dieser Forderung auf sich hat.

ad Gemeinnützigkeit: Last but not least wird im Arbeitsübereinkommen zudem auch das Prinzip der Gemeinnützigkeit im geförderten Mietwohnungsbau zu Grabe getragen >>> in der Erwartung, dass privatwirtschaftlich und gewinnorientiert arbeitende Bauträger sich im Mietwohnungsbau engagieren und für kostengünstigen Wohnraum sorgen werden?

Sieht so ‚grüne‘ Wohnpolitik aus?
Ich halte dieses wohnpolitische Programm für armutspolitisch verfehlt und kontraproduktiv. Das ist im Gegenteil >>> ein Armutszeugnis für die wohnpolitischen Perspektiven einer neuen Regierung in Salzburg, die sich einen Neustart auf ihre Fahnen geschrieben hat, im Detail aber wohl noch nicht einmal das hält, was bisher unter dem Stichwort Wohn- und Sozialpolitik geleistet wurde!

Abschließende Empfehlung: Als Wegweiser für allfällige Nachbesserungen einer armutspolitisch verfehlten Wohnungspolitik möchte ich hier auf das Paper des Forum Wohnungslosenhilfe verweisen, das in Kooperation mit dem Armutsnetzwerk produziert und der Öffentlichkeit vorgestellt wurde: „Umgedacht“, Salzburg April 2013.

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Autor: Heinz Schoibl,
helix – forschung und beratung
http://helixaustria.com