offene antwort auf schreiben von salzburgs bürgermeister schaden

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sehr geehrter herr bürgermeister dr. heinz schaden!

danke für ihre rasche antwort, wenngleich mich diese nicht im geringsten beruhigt.

im gegenteil.

die „geduld der bevölkerung“ ist die geduld der satten und in sicherheit lebenden.

die „handlungen“, die die stadt setzen könnte, wären vielfältig:

  • klarstellung, dass schluss mit jeder form von hetze und diskriminierung von armutsbetroffenen sein muss
  • sicherstellung, dass die betroffenen menschenwürdig und auf augenhöhe von der stadt begrüsst werden
  • betreuung der betroffenen in jeglicher hinsicht (sozial, medizinisch, unterkunft, verpflegung, bildung)
  • als menschenrechtsstadt salzburg aufnahme von konkreten partnerschaften mit den herkunftsorten wie dumbraveni
  • anerkennen, dass betteln ein menschenrecht ist.

wenn sie jedoch an bettelverbote denken, lösen sie garnichts, im gegenteil, sie verschlimmern in gefährlicher weise die lage der betroffenen!

mit der bitte um dringendes umdenken,

bernhard jenny

aggressives und organisiertes betteln? strafverfahren eingestellt!

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seit februar liegen urteile des landesverwaltungsgerichts salzburg vor, die wesentliches klar stellen:

mit diesen urteilen werden straferkenntnisse behoben und das verwaltungsstrafverfahren gegen beschuldigte eingestellt, denen aggressives betteln und organisiertes betteln vorgeworfen worden war.

auch wenn manche mitarbeiter_innen bei polizei und behörden – den forderungen der hardliner folgend – immer wieder armutsreisende menschen beamtshandeln, strafen aussprechen und tatbestände konstruieren, bleibt bei seriöser beurteilung am ende nicht viel über. die urteile lassen auch erkennen, dass mit den strafbescheiden in mehrfacher hinsicht weit über das ziel hinausgeschossen wurde, ja manche tatbestandsschilderungen bzw. bewertungen ziemlich unhaltbar sind.

die urteile des landesverwaltungsgerichts salzburg sind aber nicht nur ein erfolg für die betroffenen, sondern auch für die humanitäre arbeit der mitarbeiter_innen des vereines phurdo, die in salzburg den menschen aus rumänien mit grossem engagement helfend und beratend zur seite stehen.

leider ist der schaden durch die unhaltbaren vorwürfe der polizei dennoch bereits passiert: die betroffenen waren grossem stress ausgesetzt, wurden kriminalisiert, wurden eingeschüchtert und mit unwahren behauptungen zur anzeige gebracht. bezugnehmend auf diese urteile macht alina kugler vom verein phurdo auch noch auf einen weiteren wichtigen punkt aufmerksam:

Dies bedeutet leider im Umkehrschluss auch, dass viele der Bettelnden zu Unrecht die Strafen bezahlt haben oder dafür die Ersatzfreiheitsstrafe abgesessen haben. Da ähnliche, wenn nicht sogar fast identische Strafverfügungen nicht beeinsprucht werden konnten.

leider ist nicht gesichert, dass die urteile des landesverwaltungsgerichts salzburg zur folge haben, dass die konkrete vorgangsweise der polizei sich wirklich ändert. es wird weiter von der individuellen gesinnung und menschlichen haltung der einzelnen polizist_innen abhängen, wie mit menschen umgegangen wird, die von hetzer_innen als gesellschaftliche feindbilder instrumentalisiert werden sollen. und es wird weiterhin strafen geben, die nur dann, wenn die betroffenen das glück haben, einen einspruch bewerkstelligen zu können, auch wieder aufgehoben werden müssen.

hinter vorgehaltener hand bestätigen allerdings insider, dass so manches vorgehen der polizei politisch gesteuert ist und es ausdrücklich gern gesehen wird, wenn möglichst viele anzeigen zustande kommen. futter für die hetzenden hardliner. welch eine überraschung!

es bleiben viele fragen offen. warum ist es in einer der reichsten gesellschaften der welt nicht möglich, mit armutsbetroffenen menschen grundsätzlich korrekt und auf augenhöhe zu leben und ihnen entsprechend zu begegnen? warum ist armut ein verbrechen, das bestraft wird? warum müssen hetzer_innen menschen kriminalisieren, die nichts, aber auch gar nichts mehr zu verlieren haben, während die wahren verbrechen ungeahndet bleiben. warum müssen sich engagierte helfer_innen eines äusserst bescheiden unterstützten vereines tag um tag gegen windmühlen werfen, die ausschliesslich der befriedigung xenophober und rassistischer ängste dienen? wir haben allen anlass uns zu schämen.

dennoch machen diese urteile hoffnung.
aggressives und organisiertes betteln? strafverfahren eingestellt!

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das bandenunwesen ist wirklich ein problem.

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absurd und logisch zugleich: dort, wo die sicherheit am grössten ist, herrscht die grösste angst, diese zu verlieren. dort, wo der reichtum am grössten ist, herrscht die grösste angst, diesen zu verlieren. dort? also bei uns.

absurd, weil wir aus der sicht von aussen unglaublich sicher leben und fast unvorstellbar reich sind. warum sollten wir also angst haben? logisch, weil wir daher am meisten zu verlieren haben. wäre reichtum auf alle gleich verteilt, wären wir es, die geben müssten. das verdrängen wir lieber. diese verdrängung müssen wir absichern. mit sicherheitsmassnahmen. kein zufall also: sicherheit und reichtum sind komplizen.

sicherheit heisst abschottung. nicht nur alarmanlagen und überwachungskameras, sondern auch polizeikontrollen, razzien und schleierfahndung. bis hin zur festung europa. samt wassergraben und todeszäunen.

abschottung wirkt aber auch nach innen. auf jene, die sich abschotten. fantasiebilder, angstzustände, immer grössere bedrohungsszenarien müssen den abschottungsaufwand rechtfertigen. da wird aus zwei menschen oder mehr gleich mal eine bande. schlepperbande. bettlerbande.

kleingeister können gar nicht genug kriegen von solchen bedrohungsphantasien. gefahr lauert hinter jeder ausgestreckten hand, hinter jedem obdachlosen, hinter jeder klostersuppenausgabe und in wohnhäusern für asylwerber_innen. gefahr, gefahr und nochmals gefahr.

gebannt wie kleine kinder beim blick in märchenbücher starren politisch unreife angstfasziniert in tageszeitungen und fernsehbilder. gebetsmühlenartig wird das bild der gefahr beschworen. sie bedrohen unseren alltag, unsere einkaufstouren, unsere erledigungen, unsere kinder und unendlich so weiter. diese banden.

wir sitzen vor unseren bankomaten, unseren geldinstituten und banken mit dem blick nach links, nach rechts, nach vorne und hinten. wo sind sie die banden? um welches eck kommen sie diesmal? wo berauben, bestehlen, überfallen und enteignen sie uns?

während wir arme, notleidende, aus lebensgefahr und krieg zu uns sich rettende verächtlich herumschieben, bürgermeister_innen sich darin ereifern, unterkünfte zu verhindern, als wären sie die grösste katastrophe, die es abzuwenden gilt und politische kleingeister vom rechtsaussen bettelverbote, sektorkontrollen fordern, fällt nicht auf, dass wir unsere werte, unsere menschlichkeit vernichten. polizei und strassenmeisterei werden zu willfährigen handlangern der angstmacher_innen. da scheint es nur logisch, wenn landeshäuptlinge wieder laut über grenzschliessungen und strenge kontrollen nachdenken. woran soll sich eine gesellschaft orientieren, wenn die rudementärsten prinzipien, die grundlegensten grundrechte nichts mehr wert sein sollen? selbst hilfsorganisationen wie caritas, diakonie und andere vereine sollten scheinbar lieber „draussen“ vor den grenzen arbeiten, unsere innenstädte und dörfer aber in ruhe lassen.

bettlerbanden? schlepperbanden? betrügerbanden? terrorbanden?
die angstmache ist aggressiv.
die angstmacher_innen sind organisiert.
die angstmacher_innen bilden gefährliche banden.
das bandenunwesen ist wirklich ein problem.

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