der tötungsreflex.

neon tommy peshawar paktistan cc by sa

zugegeben. sie sind grauenvoll. die bilder vom massaker in einer schule in pakistan. wer will sich in die lage der angehörigen eltern, geschwister, verwandten und bekannten versetzen? was muss in ihnen vorgehen, wenn sie von der grausamen ermordung ihrer kinder erfahren müssen?

es war stunden nach dem schrecklichen massaker an weit über hundert kindern und jugendlichen, aber auch an erwachsenen in peshawar: reflexartig hob der ministerpräsident nawa sharif das bis dahin geltende moratorium für die todesstrafe auf. und ein paar weitere stunden später wurden bereits die ersten vermutlich verantwortlichen hingerichtet. in aktuellen berichten wird von 500 geplanten hinrichtungen gesprochen.

mag sein, dass die betroffenheit solches begünstigt. die wut, die verzweiflung und die trauer über dahingemordete kinder sind in solchen situationen wohl die stärksten auslöser jener reflexe, die uns blind den tod der verursacher_innen einfordern lassen. rache. sühne. gerechtigkeit. dabei war dieser anschlag (wie so oft) selbst schon wiederum aus der sicht der mörder ein akt der rache. also teil eines sich aufheizenden kreislaufs der gewalt.

soll der staat (in diesem falle pakistan) morden, weil das morden geächtet werden soll? absurd. die spirale der vergeltung müssen wir hinter uns lassen. sie gehört ins mittelalter. eine zeitgemässe (= die menschenrechte einhaltende) gesellschaft darf kein morden gutheissen. (mit betonung auf dem wörtchen „kein“.) daher auch nicht ein staatlich beauftragtes morden. mord ist immer mord. todesstrafe ist immer mord.

natürlich ist die akute notwehr etwas anderes. wenn menschen sich auf den weg machen, andere zu töten, müssen sie damit rechnen, dass sie – wenn nicht anders möglich – auch letal gestoppt werden. aber wenn menschen eines auch noch so schweren verbrechens überführt und dafür verurteilt werden, darf niemals die ermordung dieser menschen ein erlaubtes mittel der justiz sein.

selbst für massenmörder_innen müssen die menschenrechte gelten. die ächtung der todesstrafe muss grundsätzlich immer und überall gelten.

es darf niemals darum gehen, ob richtige oder falsche exekutiert werden. todesstrafe – also tötung im auftrag eines staates bzw. dessen justiz – ist immer mord, niemals richtig. keine todesstrafe ist zu rechtfertigen. jede exekution verstösst gegen die menschenrechte. und diese sind unteilbar. solange wir das nicht verstehen, wird die diskussion und die gewalt immer wieder im kreis laufen und das dauert. viel zu lange für jene, die inzwischen hingerichtet werden.

dass dies nicht schon längst selbstverständlich ist, ist schwer zu verstehen. aber in emotional spektakulären fällen ist der ruf nach mord als strafe verdammt populär. und dessen erfüllung verdammt einfach. die logik der mörder auf allen seiten: “ermordet die mörder!”

der nächste anschlag als rache für die hinrichtungen ist vorhersehbar, die nächsten hinrichtungen in folge der anschläge ebenso.

er bringt uns immer tiefer in die spirale der gewalt,
aber niemals weiter:
der tötungsreflex.

ps. ich habe mich gefragt, ob dieses thema ausgerechnet in einer zeit erscheinen soll, wo viele in feierstimmung sind. manche feiern die befreiung, andere die wiederkehr des lichts, wieder andere die geburt eines gottessohnes. also immer das leben. leben, das allen menschen zusteht. wie sollen wir leben feiern, wenn wir es anderen nehmen? gerade deshalb finde ich den zeitpunkt angebracht.

dieser artikel ist am 23.12.2014 auf fischundfleisch.at erschienen und hier direkt abrufbar: https://www.fischundfleisch.at/konflikte-jetzt-ich/der-toetungsreflex.html
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foto: neon tommy cc by sa

Autor: bernhardjenny

kommunikationsgestalter meine unternehmen: jennycolombo.com, conSalis.at blogger, medienkünstler, autor, erwachsenenbildner salzburg - wien

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