scheitert familienzusammenführung am ende in österreich?

vordernberg

eine aktive helferin der „arbeitsgruppe asyl in oberndorf‟, gerti mayer, berichtet von ungeheuerlichkeiten im umgang mit zu uns flüchtenden menschen. ein in oberndorf in einem quartier lebender asylwerber konnte am montag seine familie in wien endlich umarmen. doch das glückliche wiedersehen sollte nicht nur nicht lange dauern, der bis dorthin durch alle phasen der flucht niemals abgebrochene telefonische kontakt wurde nun in österreich zwangsweise unterbrochen!

gerti mayer berichtet:

„die familie, bestehend aus 5 erwachsenen und 5 kindern, kam am montag in wien an. dort trafen sie zuerst mit m. (name geändert) zusammen, dem asylwerber, der in oberndorf schon in der grundversorgung ist. die familie beantragte asyl in österreich und wurde zuerst nach traiskirchen gebracht. von dort wurden sie dann am gleichen tag noch nach vordernberg überstellt. alle erwachsenen hatten handys, m.s frau besass eine österreichische sim karte. m. kehrte in sein quartier zurück und blieb mit seiner familie in telefonischem kontakt. am dienstag nachmittag wurde m. von seiner frau verständigt, dass alle familienmitglieder jetzt ihre handys abgeben müssten. seither ist der kontakt zur familie abgebrochen!

ein schwager, der in oberösterreich lebt und die „white card“ besitzt, machte sich daraufhin auf den weg, um die familie in vordernberg aufzusuchen. dort angekommen wurde er aber nicht durchgelassen, mit der begründung, er sei außerhalb der besuchszeiten hier – und die besuchszeit ist von 8-12 uhr.
ein mitglied der „arbeitsgruppe asyl in oberndorf‟ ging der sache nach und versuchte im lager vordernberg etwas zu erreichen. man sagte ihm, dass nur zwei leute dort wären, um alle flüchtlinge zu registrieren und dass die sache halt dauert.‟

die aktivist_innen der „arbeitsgruppe asyl in oberndorf‟ hatten alle fluchtetappen mitbekommen, weil m. in ständiger telefonischer verbindung mit seiner familie stand. eine wohnung für alle gemeinsam stünde bereit, doch der kontakt zur familie ist aus unverständlichen gründen untersagt.

mayer findet es jedenfalls „unmenschlich wenn jetzt durch so eine eigenartige geschichte die familienzusammenführung nicht klappen sollte. wir wollen alles in bewegung setzen, damit m. wieder mit seinen leuten zusammen sein kann.‟

warum und mit welchem recht nehmen die organe in vordernberg den menschen ihre handy ab?

wer ist für solche schikanen verantwortlich?

die gesamte fluchtstrecke hindurch konnte die familie miteinander kommunizieren. aber in österreich wird die kommunikation untersagt?

das sind dinge, die selbst bei grossem andrang von menschen einfach nicht passieren dürfen. mag sein, dass das registrieren nicht ganz so schnell geht, wie wir uns das vorstellen. aber den betroffenen ihre mobiltelefone zu nehmen, ist ein unzulässiger eingriff in ihre rechte.

oder kann das personal von vordernberg am ende nicht zwischen erstaufnahme und schubhaft unterscheiden?

scheitert familienzusammenführung am ende in österreich?

update 20.9.2015 22:00

die in diesem artikel angesprochene familie hat inzwischen die handys zurückbekommen. allerdings bleibt trotz zahlreicher anrufe die frage offen, wer für solche massnahmen zuständig ist, mit welchem recht diese durchgeführt werden und ob das eine vorgangsweise ist, die selten, oft oder immer so gehandhabt wird.

 

best practice: mikl-leitner dorf

mikl leitner dorf cc bernhard jenny by nc sa

ein neues dorf wird gegründet. gleich an drei standorten. thalham. linz. salzburg.

ein neues dorf wird gegründet. mikl-leitner dorf. ein zeltdorf.

mikl-leitner hat gewonnen. je verkürzter die kommunikation in einer gesellschaft, umso wichtiger sind die bilder. die bilder in den medien, die bilder in den köpfen. ein zeltdorf. das ist das bild ganz nach dem geschmack von mikl-leitner und co. ein zeltdorf. das ist das sinnbild, das uns in die köpfe soll. menschen, die zu viele sind. menschen, die einfach keinen platz mehr haben. österreich ist voll. wir haben nur mehr zelte. das kann nicht lange gut gehen.

mikl-leitner weiss, wie sich solche bilder auswirken. aufgebracht werden die einen schreien, was das soll, die sollen doch weg da, für die haben wir keinen platz, warum kommen die zu uns. und die anderen werden sich aufregen, aber das hat mikl-leitner noch nie gestört.

eines der reichsten länder dieser welt kann also vor krieg, lebensgefahr und folter fliehenden menschen nichts mehr anbieten, als zeltstädte. was für ein hohn sind diese bilder angesichts der realen zeltstädte wie im libanon, wo 2500 neue flüchtende pro tag (!!!) eintreffen.

nicht weniger zynisch: flüchtlinge gleich ins schubhaftgefängnis zu stecken. vordernberg darf auf frequenz hoffen. und der schnelle amtsweg ist da ja dann praktisch direkt physisch vorgezeichnet. sie sind flüchtling? ja bitte, da rein. da werden sie dann gleich wieder abgeschoben. moment. braucht nur ein paar formalitäten und etwas umsatz zur beruhigung der vordernberger zulieferfirmen. denen wurde nämlich mal das braune vom himmel versprochen, wenn sie nur das gefängnis bei sich bauen lassen.

weisse zelte in grünen wiesen, provisorien, beim nächsten platzregen schlammig und unschön, samt improvisierter sanitärer anlagen und immer als fremdkörper in der landschaft, das sind optimale projektionsflächen für alljene, die ohnehin glauben, wir hätte keine verpflichtung gegenüber wem auch immer und wir sollten am besten allein bleiben. weg gheans olle, de gaunze paklras.

armutszeugnis. sagen sinngemäss u.a. martina berthold, alev korun, klaus schwertner und viele andere. auch die UNHCR findet zelte zumindest suboptimal.

aber: mittel- und langfristig sind solche bilder einfach nur zu geil. für jene, die von der immer schneller aufkochenden xenophobie und dem immer weniger versteckten rassismus politisch profitieren wollen. da machen solche mikl-leitner dörfer sinn.

best practice: mikl-leitner dorf

eugh-urteil zur menschenwürde: leider nur eine farce

foto: uwe hiksch cc by-nc-sa

mit spannung haben manche auf das heutige urteil des europäischen gerichtshofs gewartet. dürfen migrant_innen in gefängnisse gesteckt werden? oder ist die „abschiebehaft“ grundsätzlich in anderen einrichtungen zu absolvieren?

„illegale migrant_innen“ müssen vor ihrer abschiebung in speziellen einrichtungen statt gefängnissen untergebracht werden, so lautet das heutige urteil. denn, so die begründung, der freiheitsentzug der betroffenen sei „keine strafe“.

nun. ein meilenstein? weil endlich klargestellt ist, dass migrant_innen keine kriminellen sind? und dass sie daher nicht ins gefängnis gehören? oder eine farce?

der europäische gerichtshof führt u.a. aus, dass schliesslich auf die „besonderen bedürfnisse“ der familien und kinder rücksicht zu nehmen sei. deshalb die sondereinrichtungen.

eigentlich zynisch. denn das wohl besonders grosse „besondere bedürfnis“ dieser menschen – ob einzelperson, familie, kinder, jugendliche, erwachsene oder alte – ist wohl ein ganz deutlich wahrnehmbares: sie wollen selbst bestimmen, wo sie leben und arbeiten wollen.

dieses „besondere bedürfnis“ soll ihnen also weiterhin verwehrt werden, obwohl sie dadurch oft in konkrete lebensgefahr und extreme existentielle not gestürzt werden.

in österreich entspricht also vordernberg genau diesem absurden bild: ein hochmodernes gefängnis, eine „sonderanstalt“ ganz im sinne des europäischen gerichtsurteils, wurde zum sinnbild des abschiebewahnsinns.

fazit: die unterbringung von migrant_innen in „gewöhnlichen“ gefängnissen verstösst gegen die menschenwürde, die zwangsweise verbringung in lebensgefahr und not bleibt weiter rechtlich gedeckt. (leider war es darum in dem prozess des eugh gar nicht gegangen.)

niemand gehört abgeschoben.
niemand in eine schubhaft. auch nicht in „sonderanstalten“.

daher ist das
eugh-urteil zur menschenwürde: leider nur eine farce

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foto: uwe hiksch cc by-nc-sa

wesensfremde fremdenwesen

fremdenwesen foto: bernhard jenny

die amtsbetitelung könnte kafkaesker nicht sein. „bundesamt für fremdenwesen und asyl“. welche inneren bilder erzeugt ein solcher titel.

fremdenwesen? unwesen? fremde wesen? selbst google ist fast ratlos mit diesem begriff. bravo. da haben wir mal wieder was geschafft. und asyl? wieviele denken da an „in schutz nehmen“, „aufnehmen“ und „willkommen heissen“, wieviele denken an „schubhaft“, „weg mit denen“ und „kriminelle“? da haben wir auch wieder mal was geschafft.

soviele brillen können wir gar nicht abnehmen, lieber heinz!

und jetzt sollen ehemalige postlerInnen für ordnung im fremdenwesen sorgen? werden wir die begründung hören? „schauen sie, was haben denn postbeamtInnen bisher schon gemacht: briefe und packerl verschickt, weitergeleitet und wenn einmal ein irrläufer unterwegs war, den halt nochmal dort hin geschickt, wo er hingehört. was machen denn die zuständigen im amt für fremdenwesen anderes? genau das!“

und in der schubhaft werden sie, die menschlichen packerl, dann – auf wohligem holzboden und mit freiem blick in das alpine idyll – zwangsangehalten und von einem privaten wachdienst verwaltet. deportation ist ein wirtschaftsfaktor. zumindest in vordernberg.

warum nicht auch noch langzeitarbeitslose als umschulerInnen umschulen. langzeitsarbeitslose machen dann aus postlerInnen fremdenwesenspezialistInnen oder schubhaftknastwärterInnen oder deportationskneblerInnen im flugzeug. das könnten wir dann auch wissenschaftlich begleiten lassen. sorry, wir haben kein wissenschaftsministerium mehr. dann lassen wir es halt wirtschaftswissenschaftlich begleiten. das rechnet sich.

und ehemalige wissenschaftlerInnen könnten auch von den ehemaligen langzeitarbeitslosen umgeschult werden. zu umgeschulten wirtschaftswissenschaftlichen begleitern der umschulungsprozesse.

umschulerInnen aller länder, denkt mal nach.
was passiert da gerade in unserem system?

wesensfremde fremdenwesen

alltag. abscheulich.

es soll alltag werden. wir sollen uns daran gewöhnen. es soll normal sein, dass menschen verschwinden. die richtigen. die falschen. je nachdem wie das gesehen wird. uche hat 8 jahre hier gelebt und unmittelbar nach der erfolgreichen deutschprüfung wird er mitgenommen. weg. einfach nur weg. aus den augen aus dem sinn.

und dann auch noch jeff. er musste sich in der nussdorferstrasse aufhalten und wurde am mittwoch um 5 uhr früh in schubhaft genommen. weg. einfach nur weg. aus den augen aus dem sinn.

es soll alltag werden. wir sollen uns daran gewöhnen. es soll normal sein, dass menschen verschwinden. die richtigen. die falschen. nussdorferstrasse wird für viele die letzte adresse in österreich sein.

es soll stylisch werden. abschiebung mit „neuem wording“. ein gerade in bau befindliches schubhaftzentrum in vordernberg sieht 200 plätze vor. da wird erahnbar, was unsere behörden vorhaben. aber es kann auch schöngeredet werden. die architekten meinen:

„Das ist ein sehr komplexes Projekt, aber wir werden es so angehen, wie jedes andere auch“, sagen die drei. „Letztendlich geht es darum, Räume zu schaffen, in denen sich Menschen entfalten können.“

uche und jeff sind verbracht worden. gestern mit dem flugzeug. deportiert. es soll alltag werden. wir sollen uns daran gewöhnen. es soll normal sein, dass menschen verschwinden. die richtigen. die falschen.

deportation darf nicht alltag werden.

vincent picture
übrigens zum bild: manche erinnern sich vielleicht noch an vincent, der als ein “sans papiers” im mai 2010 abgeschoben wurde. so sieht die welt aus, in die er zwangsweise verbracht wurde. das ist vincent heute in seinem überlebenskampf.

hier der erste artikel zu uche (17.4.2012)