feiger zynismus

was merkel und westerwelle heute in deutschland als die lösung des haushaltproblems präsentiert haben, ist weder ehrgeizig noch zukunftsweisend, sondern feige und zynisch. arbeitslose, kranke, alte und kinder sollen sich kürzungen gefallen lassen, während die profiteure der krise sich krumm und dämlich lachen können, denn ihre immensen gewinne bleiben unangetastet.

wir werden zeuge einer schamlosen streichung dringender sozialer unterstützungen für die ärmsten und schwächsten, weil die politik nicht in der lage ist oder nicht sein will, der spekulation, dem „kapitalverbrechen“ im wahrsten sinne des wortes einhalt zu gebieten.

sozialer friede ist aber keine romantische vision, sondern die voraussetzung für die stabilität und sicherheit in unserer gesellschaft: einmal ins wanken gebracht wird er nicht so schnell wiederkehren, denn dann werden wohl jene urkräfte freien lauf erhalten, zu deren immerwährenden eindämmung die europäischen demokratien einmal angetreten waren.

wie lange ist das her?

kopfstand unserer werte?



in den dreissiger jahren hat der argentinier enrique santos discépolo einen tango geschrieben, der weltruhm erlangte, obwohl oder weil er so schön fatalistisch ist. in „cambalache“ heisst es:

Que el mundo fue y será una porquería ya lo se
en el quinientos seis y en el dosmil también…

also auf deutsch: „dass die welt eine schweinerei war und sein wird, das weiss ich schon, im jahr 506 und im jahr 2000 auch …“

für discépolo mag das jahr 2000 weit weg gewesen sein, für uns muss aber jahre nach der jahrtausendwende leider die erkenntnis gelten, dass der tango wohl durch die realität noch übertroffen wird.

da verlieren kleine arbeiterInnen und angestellte ihre jobs, weil sie flaschenpfandbons oder 4 (ja vier) maultaschen gestohlen haben, während andere sich millionen und milliarden auf konten in steueroasen verschieben und dafür noch wahnsinnsgehälter, boni und sonstige peanuts einstecken.

da wird ein kapitän, der hungernde flüchtlinge aus ihrer seenot rettet und damit vor dem sicheren tod bewahrt, wegen schlepperei vor das gericht gestellt, während in unseren schubhaftsgefängnissen flüchtlinge krepieren.

da „übersehen“ staatsanwälte über hundert seiten starke anzeigen, weil sie sich gegen die falschen richten, obwohl von der presse regelmässig nachgefragt wird, ob in diesem fall was weitergeht.

die beispiele könnten endlos fortgesetzt werden, einige davon waren hier in diesem blog schon thema.

welche werte zählen nun in unserer welt wirklich?
laufen wir nicht hinter trugbildern her, die uns über gerechtigkeit, menschlichkeit und würde was erzählen, während die praxis der grossen welt ganz anders funktioniert?
sind wir naivlinge, wenn wir glauben, es müsste sich was ändern, zum besseren, zum offeneren, zum gemeinsamen hin?

fest steht, mit perspektivenwechsel allein ist es nicht getan: auch wenn wir uns auf den kopf stellen, werden die praktizierten werte nicht menschlicher.

in discepolos „cambalache“ heisst es am schluss, dass alles egal sei, „egal ob einer tötet oder heilt“. wenn wir eine lösung nicht nur suchen, sondern auch finden wollen, müssen wir wieder lernen, wahrzunehmen und klar zu benennen, was uns tötet und was uns heilt.

nicht weniger als ein neuanfang müsste her.

wo ist der fehler?

soeben auf ORF ONLINE gelesen:

Trotz steigender Arbeitslosigkeit scheint es in der Finanzbranche wieder aufwärtszugehen. Die zweitgrößte US-Bank JPMorgan überraschte am Mittwoch mit einem Gewinn von 2,4 Milliarden Euro. Auch bei Gehältern und Bonuszahlungen greifen die Unternehmen wieder tief in die Tasche. Berechnungen des „Wall Street Journal“ zeigen, dass die 23 US-Topbanken heuer über 95 Mrd. Euro an Gehältern zahlen. Das übertrifft sogar das Rekordjahr 2007.

wo ist der fehler?
gleich am anfang!
nicht „trotz steigender arbeitslosigkeit“ sollte es heissen, sondern „infolge steigender arbeitslosigkeit“. oder zumindest umgekehrt: die megagewinne der finanzhaie sind nur in einem system möglich, das die masslose bereicherung auf kosten vieler anderer erlaubt bzw. sogar mit unglaublichen summen fördert!

es ist wirklich unfassbar, was hier passiert. wie lange werden wir da noch einfach zusehen?
wie können wir dagegen aufstehen?

krankheit oder zynismus?

irgendwo hinter den bergen gibt es ein land, in dem viele markgrafen und herzoge ihre macht nutzen, um den grossen reichtum anzuhäufen. sie erfinden dafür neue geldhäuser, scheinschlösser und sonstige vereinigungen, über die das gold, das allen menschen zustehen würde, in die eigenen schatztruhen geschleust wird. dabei gehen sie unglaublich schamlos vor, denn sie lassen sich von keinem gesetz oder gar anstand abhalten, die krummsten dinger zu drehen. hauptsache, das gold wird immer mehr und mehr. dem volk geht es immer schlechter, den markgrafen und herzogen immer besser.

das seltsame in diesem land ist, dass das volk eigentlich immer schon wusste (oder wissen hätte können), welche abartigkeiten sich diese markgrafen und herzoge einfallen lassen, aber dennoch hat ein teil des volkes sich genau diese markgrafen als machthabende gewünscht. selbst wenn ihre raubzüge vor den augen aller und unter beobachtung aller gazettenschreiberInnen das landes tun, denken sie in keinem moment daran, von ihrem tun abzulassen. warum auch, wenn das volk sich fast alles gefallen lässt.

ganz im gegenteil: sie machen immer weiter und weiter. selbst wenn sie schon keine markgrafen mehr sind, haben sie deshalb nicht weniger macht, sondern soviele andere goldanhäufer kennengelernt, dass ihnen die ideen zum vermehren des reichtums nie ausgehen. da muss man halt schon mal die häuser des volkes verkaufen, schon sprudelt wieder genug gold in die säcke.

seltsam nur, dass sie sich manchmal wie kleine taschendiebe benehmen, ganz als ob sie es notwendig hätten, sich durch irgendwelche taschentricks vor einer verfolgung zu schützen, die es in wirklichkeit in diesem lande gar nicht gibt. da stellen dann vereinigungen ihre tätigkeit ein, da wechseln geldhäuser ihre namen oder ein mancher markgraf zieht aus seinem schlösschen in ein anderes, weil sein mitbewohner gerade mal sein gedächtnis zurückerhalten hat, obwohl ihm die vergesslichkeit seit jahren viele dukaten erspart hatte.

ist am ende dieses manchmal reflexartig sich ducken müssen, namen ändern, umziehen und am liebsten das licht ausmachen etwa die gefürchtete krankheit, die „gewissen“ heisst?

wohl kaum, es ist eher der zynismus, der dem volk vorgaukeln soll, irgendetwas hätte sich verändert, irgendwelche konsequenzen wären passiert oder die markgrafen wären heute schon ganz andere.

freilich wäre es ehrlicher, einfach ganz offen weiter zu tun und lauthals zuzugeben: „solange ich die richtigen mitverdienen lasse, kann mir nichts passieren, daher brauche ich auch den namen meines geldhauses nicht zu ändern und mein schlösschen nicht wechseln.“

so ein seltsames land. aber ist weit weit weg, hinter mindestens sieben bergen, oder?