die evolution ist abgesagt.

bild: t. michael keesey creative commons by-sa

verwirrende tage. absurde bilder. rechnungen hin oder her. mit sturmgewehren bewaffnete krieger sortieren schon mal die trümmer, die spielsachen, die leichenteile. alles irgendwie ein wahnsinn, aber aufhören ist nicht. andernorts werden unschuldige menschen zu opfern unheimlicher militärischer gewalt. da sollen schon mal 50.000 flüchtlinge ihr lager verlassen, in ein nirgendwo, weil da jetzt mal der antiterroreinsatz durch muss. darf die eine zahl an getöteten menschen gegen die andere gerechnet werden? darf die notwehr auch unschuldige töten, oder ist das ganze längst ein geschäft der scharfmacher auf beiden – oder besser auf allen – seiten?

verwirrende tage. absurde bilder. wie immer in solchen tagen flammt bei manchen die hoffnung auf. jetzt wäre doch endlich klar, dass das gegenseitig bekriegen niemanden weiterbringt. jetzt wäre doch eine chance, endlich aufzuhören und endlich miteinander zu verhandeln. es scheint die sternstunde der pazifistisch gesinnten gekommen, um eine grundsätzliche umkehr herbeizusehnen. wann, wenn nicht jetzt, sollten wir umkehren? jetzt, wo es für so viele ohnehin schon zu spät ist.

verwirrende tage. absurde bilder. schnell wird klar, die kriege gehen weiter. da wie dort. auch wenn keine_r mehr die schuldzuweisungen hören kann, auch wenn vielen längst klar ist, dass auch propagandakriege nichts weiterbringen und nur ein wirkliches – bedingungsloses – aufhören die lösung wäre. selbst wenn vielen dämmert, dass wir mit gewalt, morden und abschiessen niemals weiterkommen, es geht trotzdem immer wieder weiter.

die evolution ist abgesagt.

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bild: t. michael keesey creative commons by-sa,
überarbeitung bernhard jenny creative commons by-sa

tanztheater fordert glauben an utopien

tomaz simatovic, viviana escalé © Bettina FRENZEL

so aufgelöst und kaum vorhanden die grenzen zwischen heute und mittelalter, zwischen news und sagenwelt erscheinen, so klar und deutlich kommt die aussage rüber: mit „könig artus“ (gestern und heute im rahmen des tanz_house festivals in der ARGEkultur) bezieht editta braun und ihre company stellung: wir dürfen nicht aufhören, trotz aller gescheiterten versuche und bitteren niederlagen an ein friedliches zusammenleben zu glauben – selbst wenn es eine utopie zu sein scheint. so klare, mit allen mitteln ausgedrückten botschaften sind in den letzten jahrzehnten des tanztheaters selten. oft genug wurde fast krampfhaft versucht, nur ja nicht eindeutig, nicht einmal vieldeutig, sondern gezielt diffus zu bleiben. nicht so die editta braun company. sie wird konkret.

und das ergebnis ist ein ganzes.

markus kofler © Bettina FRENZEL

markus kofler kontrolliert als merlin akrobatisch das geschehen rund um artus, verfällt aber immer wieder in zweifel, experimentiert mit den menschen, scheint gefallen daran zu finden um letztlich aufzugeben, kennt er doch als einer, der auf der timeline von vorne nach hinten unterwegs ist, bereits das ergebnis der bemühungen des königs. koflers vielschichtig angelegte präsenz erreicht, dass dieser merlin weder besserwisser noch belehrender bleibt, sondern weggefährte und mitleidender des königs wird.

tomaz simatovic © Bettina FRENZEL

dieser, von tomaz simatovic sehr detailgenau und einnehmend einfühlsam dargestellt, durchwandert alle gemütszustände des lebens. simatovic ist weder tanzender schauspieler noch schauspielender tänzer, er vereint wie selbstverständlich diese genres, errichtet räume, zeiten, emotionen auf fast leerer bühne. er eröffnet bewegungsabläufe, die ein einlassen fast erzwingen, zumindest dazu einladen, denn er führt sie sicher konsequent zu ende, und dann hinein in die nächste szene.

viviana escalé © Bettina FRENZEL

viviana escalé bringt, ganz das wesen aus der anderswelt, jene zartheit und sinnlichkeit auf die bühne, die artus so verzweifelt sucht. sie nimmt sich zeit, feinheiten zu entwickeln, die, gerade noch da, für die irdischen betrachterInnen viel zu schnell verwehen. sehnsucht entsteht, noch mehr von diesen, in einer aufgeklärten welt verpönten qualitäten sehen zu können.

nochmal: das ergebnis ist ein ganzes.
die musik von thierry zaboitzeff, die mal in die sagenwelt entführt, dann wieder in die heutige dramatik versetzt, ist ebenso unverzichtbar für diese produktion, wie das bemerkenswerte lichtdesign von peter thalhamer, das durch klarheit und exaktheit überzeugende szenen ermöglicht.

die texte, welche basierend auf t.h.whites romanadaption gemeinsam mit dem team und der dramaturgin gerda poschmann-reichenau erarbeitet wurden, trugen zur klaren aussage und zum mühelosen chanchieren zwischen mittelalter und gegenwart bei.

editta braun und ihrem gesamten team ist da ein konkretes statement gelungen. gesellschaftspolitische positionsangabe ebenso wie position in sachen tanztheater. ganz festival.

ps. dass sich editta braun und die künstlerInnen im anschluss an die uraufführung einem publikumsgespräch stellten, obwohl sie dabei in der überzahl blieben, ist auch bemerkenswert.

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fotos: © bettina frenzel, fotografin, wien