die insolvenz von KTM wirft fragen auf, die weit über die unmittelbare krise hinausgehen. während hunderte mitarbeitende ihre existenzgrundlage verlieren, flossen noch 2023 mehr als 17 millionen euro dividende an die aktionäre – ein moralischer tiefpunkt. doch je länger man darüber nachdenkt, desto deutlicher wird: handelt es sich hier wirklich um einen ausnahmefall? oder ist das gezielte abschöpfen von gewinnen bei gleichzeitigem abwälzen der verluste auf andere mittlerweile teil eines bewährten geschäftsmodells?
der verdacht liegt nahe. die strategie, bis zur insolvenz „auf teufel komm raus“ weiterzuproduzieren (wie es eine mitarbeiterin kürzlich im „STANDARD“ geschildert hat), um kurzfristig gewinne zu maximieren, könnte auf bewusste entscheidungen hindeuten. führungsebene und anteilseigner:innen sicherten sich in guten jahren großzügige dividenden, wohlwissend, dass im ernstfall der insolvenzentgeltfonds einspringt. das risiko – kündigungen, ausstehende gehälter, betroffene existenzen – tragen die beschäftigten und letztlich die steuerzahler:innen. manche familien sind über generationen treue mitarbeitende bei KTM gewesen und stehen nun vor dem kollektiven ruin.
ein solches vorgehen hat system: gewinne werden privatisiert, während verluste sozialisiert werden. unternehmen wie KTM agieren in einem wirtschaftsumfeld, das diese logik fördert. statt soziale verantwortung zu übernehmen, scheint es lukrativer, die eigene bilanz künstlich aufzublähen, dividenden auszuschütten und risiken auf die allgemeinheit abzuwälzen. am ende bleiben entlassene mitarbeitende, vollgestopfte lagerhallen und ein frust, der sich an der basis entlädt.
vielleicht ist die KTM-insolvenz kein moralisches versagen, sondern ein kaltes geschäftsmodell. ein system, das darauf ausgelegt ist, rendite für wenige zu maximieren, während viele die kosten tragen. wenn dem so ist, darf es uns nicht überraschen, dass solche fälle immer wieder auftreten. vielmehr sollten wir uns fragen: wie schaffen wir ein wirtschaftssystem, das solche strukturen verhindert? eines, in dem erfolg nicht nur an dividenden gemessen wird, sondern auch daran, wie ein unternehmen mit seinen mitarbeitenden umgeht – gerade in krisenzeiten. es liegt an uns, diese fragen zu stellen und konsequenzen zu ziehen.
eine gemeinwohlorientierte industrie würde die bedürfnisse von menschen, umwelt und gesellschaft in den mittelpunkt ihres handelns stellen, anstatt ausschließlich auf gewinnmaximierung und kurzfristige renditen ausgerichtet zu sein. sie könnte auf einem werteorientierten ansatz basieren, der ökonomische, ökologische und soziale ziele miteinander in einklang bringt und könnte eine nachhaltige, gerechte und zukunftsfähige alternative zum derzeitigen wachstums- und profitorientierten modell bieten. es liegt an uns, die nötigen rahmenbedingungen zu schaffen und unternehmen auf diesen weg zu begleiten.
sehen wir genau hin und ziehen wir die notwendigen schlüsse.
KTM sollte uns zu denken geben:
das ehrlichste gesicht des kapitalismus.
ps. signa hat ebenso ein ehrliches gesicht 😉
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foto von sunil ray
Ist es das ehrlichste Gesicht des Kapitalismus? Gute Frage. Wenn man einen moralischen Begriff hineintragen will, ja. Es ist jedenfalls das wahre, das ungeschönte, Gesicht des Kapitalismus.
Nie ging es in diesem Wirtschaftssystem um etwas anderes als G – W – G‘. Geld (als Kapital) in die Produktion von Waren zu stecken, um daraus mehr Geld zu machen. Profitmaximierung ist das Wesen dieses Wirtschaftssystems.
Wenn man Glück hat, kann der Rest der Gesellschaft manchmal genug Druck erzeugen, um die schlimmsten Exzesse zu verhindern oder zu zügeln. Siehe etwa, dass es einen Insolvenzentgeltfonds überhaupt gibt. Das verhindert wenigstens, dass die Arbeiter unmittelbar ins Elend gestürzt werden. Anderswo gibt es das nicht, da ist jede Insolvenz zugleich auch eine ersatzlose Enteignung der Arbeiter. Die haben ja ihre Arbeit erbracht, fallen aber um ihren Lohn um.
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lieber chris,
danke für deine gedanken. gut, dass es gewissen auffangmöglichkeiten gibt, das ist nicht nichts. da gebe ich dir recht. dennoch denke ich, dass es höchst an der zeit wäre, eine faire wirtschaft anzudenken, die das wohl aller beteiligten im auge hat…
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