die sukzessive streichung von menschenrechten ist nicht hinzunehmen

der jüngste schritt bulgariens, LGBTQ-inhalte an schulen zu verbieten, ist ein alarmierendes beispiel für die zunehmende bedrohung der menschenrechte in europa. während der Europäische Rat für Menschenrechte (ERMR) seine „tiefe besorgnis“ über diese entwicklungen geäußert hat, bleibt die frage, ob diese besorgnis allein ausreicht, um die rechte von LGBTQ-personen in den betroffenen ländern zu schützen. die antwort lautet klar: nein. die bekundung von besorgnis ist zwar ein notwendiger erster schritt, doch sie bleibt wirkungslos, wenn sie nicht von konkreten maßnahmen begleitet wird. um den fortschreitenden angriffen auf die rechte von LGBTQ-personen entgegenzuwirken, muss der ERMR aktivere und wirksamere strategien verfolgen.

die grenzen bloßer besorgnis

besorgnis zu äußern ist ein zeichen dafür, dass die internationale gemeinschaft entwicklungen aufmerksam verfolgt und sie für problematisch hält.


doch besorgnis allein hat selten direkten einfluss auf nationale gesetzgebungen, insbesondere in ländern, die zunehmend nationalistische und autoritäre tendenzen zeigen. der bulgarische fall verdeutlicht, wie wenig die bloße bekundung von besorgnis zu bewirken vermag: trotz internationaler kritik, einschließlich der vom ERMR geäußerten bedenken, unterzeichnete der bulgarische präsident rumen radew die umstrittene gesetzesänderung. dieses muster zeigt sich auch in anderen europäischen ländern wie ungarn, die ähnliche LGBTQ-feindliche gesetze erlassen haben, ohne sich durch internationale kritik beeinflussen zu lassen.

der ERMR hat zwar die wichtige aufgabe, menschenrechte in europa zu überwachen und verstöße anzuprangern, aber ohne wirksamere mechanismen und sanktionen sind diese bemühungen oft symbolischer natur. die reaktion muss über die bloße äußerung von besorgnis hinausgehen und konkrete maßnahmen ergreifen, um die regierungen der betroffenen länder zur rechenschaft zu ziehen.

der ERMR sollte in diesem fall bulgarien direkt vor den europäischen gerichtshof für menschenrechte bringen, um gegen diskriminierende gesetze vorzugehen. wenn ein land gegen die grundsätze der europäischen menschenrechtskonvention verstößt, ist eine klage einzureichen. rechtliche schritte könnten die regierung eines landes zwingen, ihre position zu überdenken, insbesondere wenn sanktionen drohen.

verstärkte sanktionen

der europäische rat für menschenrechte könnte in zusammenarbeit mit der europäischen union oder anderen internationalen organisationen wirtschaftliche oder diplomatische sanktionen gegen länder verhängen, die wiederholt gegen die rechte von LGBTQ-personen verstoßen. diese sanktionen könnten in form von finanzsanktionen, einschränkungen in der wirtschaftlichen zusammenarbeit oder dem entzug von bestimmten eu-subventionen erfolgen.

unterstützung zivilgesellschaftlicher organisationen

der ERMR sollte zivilgesellschaftliche organisationen, die sich für LGBTQ-rechte einsetzen, finanziell und logistisch stärker unterstützen. in ländern, in denen LGBTQ-rechte zunehmend unter druck geraten, sind ngos oft die letzten bastionen des widerstands. indem der ERMR diesen organisationen hilft, ihre arbeit fortzusetzen, könnte er einen wichtigen beitrag zur unterstützung und verteidigung der menschenrechte vor ort leisten.

konditionierung von eu-fördermitteln

viele länder, die LGBTQ-feindliche gesetze erlassen, sind wirtschaftlich stark von eu-geldern abhängig. der ERMR könnte die europäische union dazu ermutigen, die auszahlung von fördermitteln an die einhaltung der menschenrechtsstandards zu knüpfen. ähnliche mechanismen existieren bereits für rechtsstaatlichkeit und korruption. die ausweitung dieser konditionen auf den schutz von LGBTQ-rechten könnte ein starkes druckmittel sein.

stärkung des internationalen dialogs

neben sanktionen und rechtlichen maßnahmen sollte der ERMR auch den internationalen dialog intensivieren. dies könnte durch verstärkte diplomatische bemühungen, bilaterale gespräche und den austausch von best practices geschehen. hierbei könnte der rat als vermittler zwischen ländern mit fortschrittlicheren LGBTQ-rechten und ländern, die diese rechte beschneiden, fungieren. der dialog allein reicht zwar nicht aus, aber er kann in verbindung mit anderen maßnahmen ein wertvolles instrument zur förderung von menschenrechten sein.

beispiele erfolgreicher interventionen

ein blick auf vergangene interventionen des europäischen rats für menschenrechte und der europäischen union zeigt, dass entschlossene maßnahmen durchaus wirkung zeigen können. ein beispiel ist polen, wo die eu seit 2020 schärfere sanktionen gegen sogenannte „LGBTQ-freie zonen“ verhängt hat. die eu-kommission setzte druckmittel ein, um diese zonen abzuschaffen, und verband die auszahlung von geldern an polnische kommunen mit der rücknahme der diskriminierenden maßnahmen. auch wenn die umsetzung dieser schritte zeit in anspruch nahm, zeigt dieser fall, dass entschlossene maßnahmen erfolg haben können.

in einem weiteren fall hat der europäische gerichtshof für menschenrechte 2015 italien dazu gezwungen, gesetze zur anerkennung gleichgeschlechtlicher partnerschaften zu verabschieden, nachdem das land wiederholt gegen die europäische menschenrechtskonvention verstoßen hatte. dies zeigt, dass rechtliche schritte effektiv sein können, wenn sie konsequent verfolgt werden.

handeln statt nur beobachten

die derzeitige situation in bulgarien und anderen europäischen ländern erfordert eine entschlossene reaktion des europäischen rats für menschenrechte. bloße besorgnis reicht nicht aus, um den schutz von LGBTQ-personen zu gewährleisten. der rat muss alle ihm zur verfügung stehenden mittel nutzen – von rechtlichen schritten über sanktionen bis hin zur unterstützung der zivilgesellschaft – um die rechte von LGBTQ-personen in europa zu verteidigen. nur so kann sichergestellt werden, dass menschenrechte nicht nur auf dem papier, sondern auch in der realität respektiert und geschützt werden.

die sukzessive streichung von menschenrechten ist nicht hinzunehmen.

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bild von Norine Holguin auf Pixabay

Dieser Blogpost ist in ähnlicher Form am 27.8.2024 auf DER STANDARD erschienen.

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Autor: bernhardjenny

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