das budget wurde heute abgesegnet. war das aber spannend. tagelange diskussionen münden in den längst absehbaren ergebnissen. ist das lebendiger parlamentarismus?
niemand musste mehr überzeugt werden, von denen, die dafür stimmten. niemand konnte von seiner ablehnung abgebracht werden, von jenen, die dagegen stimmten.
sind die zwei stimmen weniger für häupl oder gar die mehrstimmen für gudenus in wien etwa das höchste mass an freiem stimmverhalten?
das ergebnis der heutigen abstimmung war eigentlich sogar schon längst vor ausformulierung des budgets klar. kein wettbüro hätte quoten für einen anderen ausgang ausgelobt.
wenn dem so ist, dann sparen wir uns doch das parlament. die diskussionen könnten ebenso in einer facebookgruppe von zuhause aus geführt werden. mit parteipolitisch eingefärbten profilbildern und lustigen kommentaren darunter. regierung postet, opposition kommentiert, opposition postet, regierung kommentiert. und wir können alle zuschauen und mitlesen.
wie die abstimmung ausgeht ist ohnehin klar. ob im parlament, oder in der facebookgruppe. zweiteres ist viel billiger 😉
social parlamentarism.
könnte cool sein, könnte neue zielgruppen begeistern, könnte interaktiver werden. aber solange ohnehin ausgemacht ist, wie es ausgeht, wird selbst das nichts nützen. abgekartete spiele sind dort und da fad. abgekartete spiele sind aber zu teuer im real life, dann lieber ressourcenschonend, oder?
tausche parlament gegen facebook-gruppe
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foto: spö presse und kommunikation cc licence by sa
Angesichts dessen, was zeitgeschichtlich an die Stelle von Parlamenten tritt, wenn diese verschwinden, würde ich mir das gerade auf Facebook überlegen, mir ist natürlich die satirische Überspitzung klar.
Und ja, Parlamente haben ein immer größer werdendes Problem, ihre Arbeit zu kommunizieren, der von VfGH-Präsident Gerhart Holzinger oft zitierte Defätismus der Politik gegenüber darf nicht verwundern.
Dieses Nachgeben der „Tribünen-Funktion“ von Parlamenten scheint noch dazu qualitativ skalenfrei zu sein, sie tritt überall auf, egal wie professionell in diesem Parlament im Sinne einer Wissens- und Entscheidungsmaschine gearbeitet wird. Und es gibt sehr gute Parlamente, denen es genauso geht.
https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2014/dezember/bundestagsdebatten-mehr-schlagabtausch-unterm-bundesadler/
Dann gibt es Parlamente, von denen sich wohl nicht viele eine großartige demokratiepolitische Innovativität erwarten würden, die dann aber interessante Experimente wagen.
http://blog.openingparliament.org/post/43532807242/participation-in-parliament
Im Fall des Nationalrates kommt sicher erschwerend hinzu, dass der Kern parlamentarischer Sachauseinandersetzung im Arbeitsparlamentarismus in der Ausschussberatung stattfindet und die ist im Nationalrat nicht öffentlich. Öffentliche Ausschuss-Sitzungen, wird man entgegnen, verschieben doch nur das Problem in das nächste Hinterzimmer, wo man sich die Dinge halt vorher ausmacht. Ja, und nein.
Ja, die „Flucht aus den Verfassungsinstiutionen“ ist hinlänglich beschrieben, gleichzeitig: will man wirklich eine Demokratie, wo sich niemand – auch mal unbeobachtet – auf eine Sitzung vorbereiteten kann? Würde es wirklich die Qualität von Demokratie verbessern, wenn man, wie im Wahlprogramm des Teams Stronach steht – alle „Treffen von politischen Amtsträgern aufzuzeichnen und elektronisch auf einer zu schaffenden Bürger-
Homepage live auszustrahlen und wiederzugeben“ würde?
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Nein, ein Parlament braucht genauso wie jede menschliche Organisation Rückzugsräume, um Fehler zu machen, um Modelle durchzuspielen oder um gegen den Strich zu denken. Ohne dass, und das ist der große Unterschied zwischen Transparenz und Tribüne, sich ein Facebook-Mob über das halbfertige Ergebnis lustig macht. Jede Art von delegierter Demokratie wird diese Räume brauchen, um leben zu können.
Der japanische Autor Junichiro Tanizaki hat einmal geschrieben, die Sauberkeit, von dem, was man nicht sieht, regt an, auf die Sauberkeit dessen zu schließen, was unsichtbar bleibt. Dazu gehört, dass öffentliche (Roh-)Daten viel konsequenter als bisher veröffentlicht werden. OGD hat einen demokratiepolitischen Aspekt, der bisher völlig unzureichend diskutiert wurde, Stichwort Transparenzportale und Maschinenlesbarkeit. Die Zusammenhänge politischen Entscheidens sind komplex geworden, der journalistische Zeitungstext reicht oft nicht mehr, die Komplexität abzubilden. Die Visualisierung von Einflusssphären und von Entscheidungsstrukturen muss sich daher in der Medienlandschaft parallel dazu weiter entwickeln, Stichwort Datenjournalismus.
Das wichtigste ist aber ein Kultur- und Funktionalitätswandel im Parlamentarismus selbst, vom Politikmach-Silo zur Moderationsbühne gesellschaftlicher Selbststeuerung. Das ist der schwierigste Teil, weil es notwendig wird, dass Abgeordnete und Parteien ihre Sinndefinition verändern. Für die Zivilgesellschaft wäre es ein wichtiger erster Schritt, die Schnittstellen in die Parlamente, die es bisher gibt, disruptiv zu belasten. Und das passiert zunehmend und beginnt, die Dinge zu verändern. Parlamente haben diese Herausforderungen erkannt, und beginnen, ihre Arbeitsweisen zu öffnen, in Form von Demokratie-Enqueten, Transparenzportalen und Mitwirkungsrechten.
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