krankheit oder zynismus?

irgendwo hinter den bergen gibt es ein land, in dem viele markgrafen und herzoge ihre macht nutzen, um den grossen reichtum anzuhäufen. sie erfinden dafür neue geldhäuser, scheinschlösser und sonstige vereinigungen, über die das gold, das allen menschen zustehen würde, in die eigenen schatztruhen geschleust wird. dabei gehen sie unglaublich schamlos vor, denn sie lassen sich von keinem gesetz oder gar anstand abhalten, die krummsten dinger zu drehen. hauptsache, das gold wird immer mehr und mehr. dem volk geht es immer schlechter, den markgrafen und herzogen immer besser.

das seltsame in diesem land ist, dass das volk eigentlich immer schon wusste (oder wissen hätte können), welche abartigkeiten sich diese markgrafen und herzoge einfallen lassen, aber dennoch hat ein teil des volkes sich genau diese markgrafen als machthabende gewünscht. selbst wenn ihre raubzüge vor den augen aller und unter beobachtung aller gazettenschreiberInnen das landes tun, denken sie in keinem moment daran, von ihrem tun abzulassen. warum auch, wenn das volk sich fast alles gefallen lässt.

ganz im gegenteil: sie machen immer weiter und weiter. selbst wenn sie schon keine markgrafen mehr sind, haben sie deshalb nicht weniger macht, sondern soviele andere goldanhäufer kennengelernt, dass ihnen die ideen zum vermehren des reichtums nie ausgehen. da muss man halt schon mal die häuser des volkes verkaufen, schon sprudelt wieder genug gold in die säcke.

seltsam nur, dass sie sich manchmal wie kleine taschendiebe benehmen, ganz als ob sie es notwendig hätten, sich durch irgendwelche taschentricks vor einer verfolgung zu schützen, die es in wirklichkeit in diesem lande gar nicht gibt. da stellen dann vereinigungen ihre tätigkeit ein, da wechseln geldhäuser ihre namen oder ein mancher markgraf zieht aus seinem schlösschen in ein anderes, weil sein mitbewohner gerade mal sein gedächtnis zurückerhalten hat, obwohl ihm die vergesslichkeit seit jahren viele dukaten erspart hatte.

ist am ende dieses manchmal reflexartig sich ducken müssen, namen ändern, umziehen und am liebsten das licht ausmachen etwa die gefürchtete krankheit, die „gewissen“ heisst?

wohl kaum, es ist eher der zynismus, der dem volk vorgaukeln soll, irgendetwas hätte sich verändert, irgendwelche konsequenzen wären passiert oder die markgrafen wären heute schon ganz andere.

freilich wäre es ehrlicher, einfach ganz offen weiter zu tun und lauthals zuzugeben: „solange ich die richtigen mitverdienen lasse, kann mir nichts passieren, daher brauche ich auch den namen meines geldhauses nicht zu ändern und mein schlösschen nicht wechseln.“

so ein seltsames land. aber ist weit weit weg, hinter mindestens sieben bergen, oder?

es ist nicht einzusehen

wie bereits in meinem letzten post angesprochen, sind viele „fakten“, die wir scheinbar über agenturmeldungen zur kenntnis zu nehmen haben, einfach nicht mehr akzeptabel.

1. neuerlich gewinne aus spekulationen jener banken, die gerade eben unglaubliche summen von steuerzahlerInnen angeblich dringend benötigt haben.

2. provisionen und boni-zahlungen an bankenmitarbeiterInnen, die die ausgewiesenen gewinne der banken übersteigen

3. sozial- und krankenversicherungen und pensionskassen, die um ihre existenz zu kämpfen scheinen, immer mehr beiträge einheben (müssen?) und dabei immer weniger leistungen bezahlen (können?).

4. selbst für die dringensten projekte zum kampf gegen hungertod und krankheiten unter den allerärmsten unserer welt scheinen die mittel immer weniger zu reichen.

an einem ende der menschheit wird die krise zur megachance nochmal viel mehr zu gewinnen, als bisher denkbar war, am anderen ende wird es für immer mehr menschen immer enger und tödlicher.

kaum eine talkshow ist inzwischen am thema „krise und ihre folgen“ vorbeigekommen, dennoch wird selten gründlich nach den ursachen gesucht. fragestellungen nach dem „wie werden wir damit zurecht kommen“ sind häufiger als die eigentlich klar auf der hand liegende analyse, dass es sich ganz wenige auf kosten von sehr vielen sensationell gut gehen lassen. direktes oder indirektes ausspielen einzelner gruppen (junge gegen alte, kranke gegen arbeitslose, ausländerInnen gegen einheimische, bildungssuchende gegen kulturschaffende) gehört zu den beliebten ablenkungsmanövern.

wie falsch und richtig zugleich die aussage „es gibt kein geld mehr“ sein kann, haben wir in den letzten monaten gelernt. nur scheint es inzwischen schon fast egal zu sein, ob jemand das spiel durchschaut oder nicht, es läuft ohnehin unaufhaltsam.

wenn selbst obama resigniert feststellen muss, dass aus der krise nicht gelernt wurde, dann muss uns klar werden, dass da niemand ist, der lernen wollte.

es ist nicht einzusehen, es ist nicht hinnehmbar, was sich hier abspielt. vielfach höre ich von menschen, die schon länger versuchen, bewusst ihr leben zu gestalten, dass eine zeit der veränderung und des umbruchs auf uns unaufhaltsam zukommt. mag sein, kann ja auch gut sein, wenn dringende einsichten – wie jene, dass wir alle auf dieser einen welt gemeinsam leben – sich wirklich durchsetzen.

mich persönlich beunruhigt aber die gefühlte notwendigkeit von veränderung gepaart mit der brutalen unverschämtheit der wenigen. wenn wir nicht aufpassen, dann steuern wir unter umständen auch wieder auf kriege zu. allerdings müssen wir eigentlich zur kenntnis nehmen, dass kriege global gesehen schon lange laufen, auch im direkten zusammenhang mit unseren resourcen. wir leben im frieden, während anderswo schon krieg herrscht.

krieg und krise haben eines gemeinsam: die menschheit als verlierer, unmenschen als gewinner.