die wandernde kulturhauptstadt brächte europa weiter

foto: literaturhaus salzburg, creative commons licence by nc nd

der in salzburg lebende autor und kritiker karl-markus gauss hat kürzlich in einem artikel für die architektur-plattform kooperativerraum.at eine sehr interessante idee vorgestellt. er fordert die EU auf, bei nächster gelegenheit die entscheidung für eine KULTURHAUPTSTADT grundsätzlich anders auszurichten:

So obliegt es jetzt mir zu fordern, dass die Europäische Union, wenn es wieder darum geht, eine Kulturhauptstadt zu wählen, Originalität und Mut beweisen möge und sich auch bereit erweise, für ein Mal von ihren selbst gestellten Regeln abzuweichen: Erstmals soll keine bestimmte Stadt zur europäischen Kulturhauptstadt erkürt werden, sondern gewissermaßen eine wandernde Stadt, die Stadt der Roma. Was ist damit gemeint?

gauss ist ein hervorragender kenner icht nur der europäischen kultur insgesamt, sondern u.a. auch jener der roma im besonderen. natürlich gibt es neben den vielen städten von spanien bis bulgarien, in denen roma am rande ein minderheitenleben führen auch jene städte im osten europas, kleinstädte und dörfer, in denen die roma die mehrheit stellen.

Wenn ich von der Stadt der Roma spreche, die zur europäischen Kulturhauptstadt gewählt werden möge, gehe ich also von einer Spannweite urbaner Architektur und urbanen Lebens aus, wie sie größer kaum sein kann: Sie reicht von Großstädten mit Roma-Vierteln bis zu Kleinstädten, in denen sich spezifische Traditionen der Bau- und Lebenskultur der Roma erhalten haben; sie reicht von kommunal hochproblematischen Zonen am Rande von Millionenstädten bis hin zu dörflichen Slums, die sich auf den vergifteten Böden aufgelassener, zerschlagener Industriekombinate gebildet haben; sie reicht von gelungenen Formen städtischer Integration mittels einer architektonisch innovativen und sozial verantwortliche Stadtplanung bis zum Wildwuchs von oft binnen wenigen Monaten entstehenden Dritteweltstädten inmitten und am Rande europäischer Metropolen.

die phantasie eines solche projektes, wie es karl-markus gauss hier vorstellt, inspiriert. es wäre ein modell, wie europa aus einer scheinbaren ratlosigkeit und sackgasse der problemorientierten wahrnehmung hin zu einem konstruktiven weg für eine echte weiterentwicklung der europäischen kultur finden könnte. statt milliarden in dunklen kanälen versickern zu lassen, müsste allerdings für den erfolg einer solchen idee die voraussetzung stimmen. karl-markus gauss bringt es auf den punkt:

Aber auch dort, wo man wohlmeinend das Eine oder Andere für sie tun wollte, war jedes noch so schön ausgedachte Projekt zum Scheitern verurteilt, wenn es für die Roma gedacht war, aber ohne sie geplant und verwirklicht wurde. Die Roma bedürfen unserer Hilfe; sie bedürfen nicht der Entmündigung.

verbreiten wir doch diese idee, sprechen wir darüber und laden wir verantwortliche EU-politiker_innen ein, diesem gedanken zu folgen!

die wandernde kulturhauptstadt brächte europa weiter

link zum plädoyer in voller länge:
Karl-Markus Gauß: Plädoyer für die wandernde Kulturhauptstadt

dieser artikel ist auch am 31.3.2015 auch auf fischundfleisch.at erschienen und ist dort auch aufrufbar:
https://www.fischundfleisch.at/politik-jetzt-ich/die-wandernde-kulturhauptstadt-braechte-europa-weiter.html
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foto: literaturhaus salzburg, creative commons licence by nc nd

der blinde fleck im politischen alltag

88gegenrechts_screenshot by bernhard jenny cc by

es ist eine gute aktion. wenn auch mit einer etwas gewöhnungsbedürftigen umkehr des kürzels der hitlerfans „88“ in etwas positives. 88 gegen rechts ist eine gute und wichtige aktion. leider aber der real existierenden politik ein bisschen zum opfer gefallen. viele engagierte menschen stehen auf der liste der ersten 88 unterzeichner_innen, auch ganz besonders beispielhafte und angesehene personen. menschen wie marko feingold, karl-markus gauss, gert kerschbaumer, sylvia hahn, katharina karagna pfeifer, stehen neben zahlreichen aktiven, die sich sehr verdient gemacht haben, immer wenn es um soziales und politisches engagement geht.

dass aber ausgerechnet auch der vizebürgermeister mit dabei sein muss, weil es um eine politische aktion geht, bei der der stadtsenat eingebunden sein sollte, ist wohl für manche auf der liste der unterzeichner_innen, aber auch für viele beobachter_innen der szene, gelinde gesagt eine überraschung.

hat harald „harry“ preuner sich etwa von seinen hetzerischen wahlkampfplakaten („bettlerbanden“), seinen rassistischen vorschubleistungen mit „räumungsaktionen“ von notschlaflagern, in denen nur der „dreck“ entsorgt werden sollte oder gar von seinem hinlänglich bekannten rechtsaussen-sekretär bernd huber distanziert? wenn ja, gratulation dieser initiative, da wäre was gelungen! wenn nein, wie kommt er dann auf die liste der unterzeichner_innen…???

als argument von seite der organisator_innen von 88gegenrechts kommt ein zitat aus der heutigen presseunterlage:
„Im gesamten Stadtratskollegium passt da, bei allen sonstigen inhaltlichen Differenzen, kein Blatt Papier zwischen uns. Die Aktion findet quer durch die Gesellschaft breite Unterstützung. Die Stadt Salzburg braucht das. Wir halten dagegen. Und stehen gemeinsam gegen den Ungeist auf.“

und auf die replik, „heisst also: fürs image schauen weder die einen, noch die anderen so genau hin.“ antwortet 88gegenrechts: „Was heisst hier Image. Hier geht es um ein ehrliches Engagement von vielen Menschen.“

verstehe. wenn das, was harald preuner zur unterzeichnung dieser kampagne bewegt „ehrliches engagement“ sein soll, dann müsste er wohl eine absolute umkehr seiner politischen fahrtrichtung vorweisen können. es darf jedoch befürchtet werden, dass dem nicht so ist.

preuner ist genau für jenes politische klima mitverantwortlich, welches das ideale biotop für braune sumpftriebe, schmierereien, zerstörungen und sonstige vorfälle darstellt. dass das von den höchsten politisch verantwortlichen dieser stadt nicht differenziert wahrgenommen werden kann, ist dramatisch.

schade für das eigentlich wichtige projekt. es bleibt der schatten der unfähigkeit der stadtpolitik, wirklich stellung zu beziehen. alles bleibt proporzdenke. und die glaubwürdigkeit geht flöten. es sind sehr viele menschen dabei, die ich sehr wegen ihres engagements schätze. allein diesen menschen zuzumuten, mit harry preuner auf einer liste zu stehen, ist ziemlich daneben. aber das sind offensichtlich die gesetze der politik.

der blinde fleck im politischen alltag

ps. dennoch habe ich bei https://www.facebook.com/88gegenrechts gerne auf „gefällt mir“ geclickt und finde diese aktion unterstützenswert. ich empfehle hiermit auch diese aktion weiter. gerade deswegen ist mir aber diese abgrenzung unverzichtbar.


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