beklemmend

foto: bernhard jenny creative commons

julya rabinowich hat durch ihr spontanes handeln konkret etwas erreicht. sie hat bereits im AKH engagiert gehandelt und ist dann mit ihren erlebnissen an die öffentlichkeit gegangen. und das war gut so. dadurch haben viele menschen eine öffentlichkeit für die unglaublichen vorgänge im AKH und das agieren der polizei erzeugt, dadurch wurde es zur story im ö1 mittagsjournal und so wurden die beiden frauen, mutter und tochter, zumindest nicht abgeschoben. sie durften einen asylantrag stellen und nach traiskirchen.

solche erfolge dürften eigentlich gar nicht notwendig sein. es müsste selbstredend jedeR kranke ohne polizeiverständigung behandelt werden.

die grosse frage aber lautet: was passiert an jenen tagen, an denen keine julya rabinowich oder ähnlich couragierte person zufällig auch im AKH ist? was passiert in allen anderen krankenhäusern unseres landes, wenn niemand aufmerksam beobachtet, was mit denen, die „nicht einmal deutsch“ können, wirklich passiert? wie oft kann die polizei jemanden einfach holen, während die anwesenden wegschauen oder sich sagen „die haben sicher was angestellt, wenn sie mitgenommen werden“.

wir leben in einem land mit einer dunkelziffer der behördlichen verschleppung.
beklemmend.

in notaufnahme von mutter getrennt – schubhaft?

alarm

die schriftstellerin julya rabinowich hat gestern erlebt, wie mit einem schwerkranken mädchen und ihrer mutter im akh wien umgegangen wurde. das hier zitierte gedächtnisprotokoll von julya rabinowich wurde bereits von corinna milborn und inzwischen vermutlich anderen verbreitet. ich denke es ist grund genug, dies möglichst auf vielen wegen zu verbreiten und alarm zu schlagen. wir müssen aufwecken, aufrütteln und weiter verfolgen, was mit den beiden frauen passiert bzw. wie überhaupt in unserem staat mit schwer kranken menschen und ihren angehörigen umgegangen wird!

zitat gedächtnisprotokoll julya rabinowich:

Das Gedächntisprotokoll:
Wichtig ist für mich festzuhalten, dass die Ärztin sich aufmerksam und empathisch um die Patientin gekümmert hat. Wichtig ist für mich auch festzuhalten, dass ich im AKH seit Jahren viele Mitarbeiter und Ärzte erlebt habe, die engagiert und sehr menschlich und um die Patienten bemüht vorgegangen sind. Die Gesetzeslage ist jedoch so, dass mit Dienst nach Vorschrift seitens der Exekutive solche Situationen entstehen, die so nie entstehen dürften. Die Politik braucht humane Lösungen!

TEXT, So 8.09.2013
Notaufnahme. Gedächtnisprotokoll von Julya Rabinowich.

Ich war gestern, Samstag, abend als Patientin am AKH. Und wurde dabei Zeugin davon, wie eine Mutter per Polizei von ihrer schwerkranken Tochter getrennt wurde (die dann später selbst abgeholt wurde). Das Verbrechen der beiden: Keine Aufenthaltsgehemigung. Beide sind aus Tschetschenien, wollten einen Asylantrag stellen – waren aber zuvor in Polen. Derzeit befinden sie sich im Anhaltezentrum in der Rossauer Lände in Wien.

„Gestern Nacht im AKH: werde – selbst als Patientin auf der Notfall sitzend- darauf aufmerksam, dass ein junges Mädchen mit verzweifelter Mutter daneben auf einer Liege hineingeschoben wird. Beide sprechen kein Wort Deutsch. Ich biete mich als Dolmetscherin an. Die beiden sind aus Tschetschenien, das Mädchen ist mit Schmerzen auf der Strasse zusammengebrochen. Jemand rief die Rettung. Beide sind unversichert.

Mutter gibt an, auf dem Weg nach Traiskirchen gewesen zu sein, als die Tochter zusammenbrach, um dort einen Asylantrag zu stellen. Die Rettung wurde von Unbekannten verständigt. Die Mutter weiß nicht genau, wo sie sich befinden. Das Mädchen ist schwer krank und leidet an Niereninsuffizienz und hohen Blutdruckschüben. Das Mädchen hat gelbliche Gesichtsfarbe und große Angst.

Die Polizei wird verständigt. Es erscheinen: vier Polizisten für eine verzweifelte Mutter und eine bettlägerige Tochter. Die Tasche der Mutter wird öffentlich durchsucht. Sie war zuvor schon einmal in Polen. Die Frau wird, da illegal, von der weinenden Tochter – die im Spital bleibt, völlig allein- getrennt und in die Rossauer Lände gebracht. Die Tochter wird wie eine Schwerverbrecherin von zwei Beamten bewacht, aufs Klo eskortiert und noch im Behandlungszimmer mit ernster Miene bewacht, in dem ich der aufmerksam behandelnden Internistin die Diagnosen der russischen Dokumente übersetze: lange Spitalsaufenthalte, schwere Medikation mit Nebenwirkungen, schlechte Werte. Auch jetzt sind die Werte nicht gut.

Auch jetzt hat sie Schmerzen. Ich frage, ob man sie aufnehmen könnte. Die Mutter ist weg, nur noch ich bin da. Das könnte meine Tochter sein, sage ich zum Polizisten. War das notwendig, die Mutter wegzubringen? Sie hätte mit ihr hier warten können. Er sagt nichts. Ich sage: sie ist 1995 geboren, das ist noch fast ein Kind. Er sagt: Pfff. Später erfahre ich, dass beide in der Rossauer Lände sitzen, ich kann sie nicht erreichen, die Erstbefragung wird bald gemacht. Die weiteren Stunden werden über die weitere Krankenversorgung entscheiden. In Polen wird es anders aussehen als in Wien, sage ich. Einer sagt: wir können die Welt nicht retten.“

UPDATE 9.9.2013 14:30

der aufschrei von julya rabinowich war erfolgreich, heute wurde im ö1 mittagsjournal berichtet und viele haben das an die medien weitergetragen! soeben schreibt julya rabinowich:

UPDATE UPDATE UPDATE UPDATE:

KEINE ABSCHIEBUNG ERFOLGT, BEIDE HABEN EINEN ASYLANTRAG STELLEN KÖNNEN, BEIDE SIND JETZT IN TRAISKIRCHEN!!!!

BINGO UND FREUDE!
ICH GEHE JETZT EIN KÜCHLEIN DRAUF HEBEN!!!!!

das engagement hat also zumindest schlimmeres verhindert!
öffentlicher druck ist vermutlich die einzige sprache, die unsere herzlose politik versteht. traurig genug, aber jetzt freuen wir uns mal mit julya rabinowich und den beiden frauen!!!!