schnappatmung ist das mindeste. panische einordnungen sind auf der tagesordnung, wenn nur irgendwo das „M-wort“ fällt. marxismus! historisch falsche und ganz ungeniert ungebildete verwechslungen von marx, lenin und stalin warnen alarmiert vor dem marxismus, als wäre er es, der marxismus, der abertausende und millionen umgebracht hat.
bin ich ein marxist?
die kritik am kapitalismus
für manche ist das ja schon die blasphemie, die gotteslästerung per se, wenn das betriebssysten turbokapitalismus kritisiert wird. die wachsende kluft zwischen arm und reich, die ausbeutung der arbeitskraft und die permanent wachsende konzentration des reichtums in den händen weniger auf kosten der allgemeinheit, sind aber weiterhin bestehende probleme, die marx bereits vor mehr als einem jahrhundert erkannte. die marxistische perspektive lenkt den blick auf diese missstände, um diese ungerechtigkeiten zu verstehen und zu bekämpfen.
wenn fundamentale kritik am kapitalistischen system marxistisch ist, dann bin ich ein marxist.
aktualität der klassenanalyse
trotz des wandels der arbeitswelt bleibt die klassenanalyse ein wichtiges werkzeug, um die dynamik der gesellschaft zu verstehen. die unterscheidung zwischen kapitalbesitzer:innen und arbeiter:innen – oder kapitalabhängigen – mag heutzutage komplexer sein, aber die grundlegende machtasymmetrie besteht fort. es ist daher fundamental, die ausbeutung und ungleichheit in verschiedenen formen zu erkennen, sei es in der traditionellen industriearbeit oder in neuen formen von prekären beschäftigungsverhältnissen, sowie den unübersichtlichen dynamiken in der gig economy. oder sind es nicht moderne sklav:innen, die uns die bestellungen aus dem internet ins haus bringen?
wenn klassenanalyse marxistisch ist, dann bin ich ein marxist.
kritik der warengesellschaft
die zunehmende kommerzialisierung und monetarisierung aller aspekte des lebens ist ein zentrales thema im marxismus. die reduzierung von menschen und ihren bedürfnissen auf reine warenwerte führt zu entfremdung und vereinsamung. die pandemie hat uns schmerzhaft erleben lassen, was zusammenbricht, wenn soziale kontakte auf mobile apps und entdeckungen nur mehr in onlineshops möglich sind. der marxismus betont die wichtigkeit sozialer beziehungen und stellt den menschen selbst über den wert des profits.
wenn kritik am mainstream der kommerziellen verdinglichung des lebens marxistisch ist, dann bin ich marxist.
ökologische perspektiven
die klimakrise und die zerstörerischen auswirkungen des ungehemmten kapitalismus auf die umwelt erfordern dringende lösungen. der marxismus hat die wurzeln dieser probleme lange vor der krise benannt und die notwendigkeit eines nachhaltigen wirtschafts- und sozialsystems erkannt. wenn heute besorgte menschen als terrorist:innen oder abnormal abgestempelt werden, dann muss das alarmieren.
wenn bedürfnisse der menschen und der umwelt in einklang bringen marxistisch ist, dann bin ich marxist.
solidarität und soziale gerechtigkeit
der marxismus betont die bedeutung von solidarität und sozialer gerechtigkeit als grundlegende werte. in einer zeit, in der nationalistische, rechtspopulistische und rechtsextreme tendenzen zunehmen, ist es unverzichtbar, dass unser kampf für eine gerechtere welt gemeinschaftlich und inklusiv ist. niemand darf zurückgelassen werden, alle haben recht auf teilhabe.
wenn die forderung, dass die ideale der gleichheit und des gemeinsamen fortschritts für alle jederzeit und überall gelten müssen, marxistisch ist, dann bin ich marxist.
ob ich marxist bin oder nicht: es geht um uns alle!
der marxismus ist nach wie vor ein wertvolles werkzeug zur analyse und bekämpfung sozialer ungerechtigkeiten. die grundlegenden prinzipien des marxismus können die basis für eine moderne politik bilden, um die fatalen, für manche tödlichen folgen des sich hinter festungsgrenzen abschottenden turbokapitalismus zu verstehen und alternative wege hin zu einer gerechteren und nachhaltigeren gesellschaft aufzuzeigen.
schliesslich geht es im kern darum, ob wir als gesellschaft(en) noch eine zukunft für alle haben, die auch für alle besser ist.
bin ich ein marxist?
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bild: john jabez edwin mayall - internationales institut für sozialgeschichte gemeinfrei, remixed with bernhard jenny cc by joe amersdorfer.